Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst sollte dem vorliegenden Gesetzentwurf durchaus aus zweierlei Gründen Anerkennung zuteil werden:
1. weil das Land Mecklenburg-Vorpommern damit endlich zu den anderen neuen Bundesländern aufschließt, die allesamt schon mindestens ein Rechtsbereinigungsgesetz verabschiedet haben. In Sachsen-Anhalt und in Brandenburg gibt es bereits zwei.
2. weil der Gesetzentwurf die grundsätzliche Zielrichtung erkennen lässt, hinsichtlich der Fortgeltung der zu Landesrecht gewordenen Rechtsvorschriften der ehemaligen DDR Rechtsklarheit und Rechtssicherheit anzustreben.
Aber, meine Damen und Herren, an diesem hohen Anspruch, Rechtssicherheit zu schaffen – und wir haben es ja gerade eben noch einmal vernommen vom Innenminister, dass dieser Anspruch erhoben wird –, wird sich der Gesetzentwurf dann auch messen lassen müssen.
In formeller Hinsicht ist der Gesetzentwurf, insbesondere die Methode der Rechtsbereinigung mit der hier angewandten so genannten negativen Ausschlussklausel, sicherlich nicht zu beanstanden. Zweifelhaft ist vielmehr, ob das Rechtsbereinigungs- und Rechtsfortgeltungsrecht auch einer materiellen Prüfung standhalten wird. Es ist nämlich durchaus fraglich, ob die Fortgeltung der in der Anlage zum Gesetzentwurf aufgeführten Rechtsvorschriften in der vorgesehenen Form überhaupt sinnvoll ist. Das betrifft weniger die Fortgeltung des Staatshaftungsgesetzes der DDR, denn das gilt in der Rechtslehre, Kollege Dr. Schoenenburg, als fortschrittlich gegenüber der rechtlichen Situation in den alten Bundesländern, die ein solches nicht haben.
Das Problem ist immer, wie Theorie und Praxis auseinander fallen, aber ich habe jetzt von der Theorie gesprochen. In den alten Bundesländern musste man sich mit Paragraph 839 BGB und Artikel 34 Grundgesetz behelfen.
Natürlich hat die Rechtsprechung das hier entsprechend ausgefüllt, so dass es rechtstaatlichen Ansprüchen durchaus in vollem Umfang gerecht wurde, aber theoretisch war das Staatshaftungsrecht in der DDR relativ weit entwickelt. Allerdings in der Praxis ließ die Umsetzung dann um so mehr zu wünschen übrig.
Nein, die Probleme werden sich mehr bei den übrigen Vorschriften ergeben, die zumeist nur als Fragmente bestehen bleiben sollen und so im Ganzen eigentlich nicht mehr brauchbar sein können. Das zeigt sich am deutlichsten bei der Anordnung über den Einsatz von Bienenvölkern aus dem Jahr 1987. Von deren 15 Paragraphen sollen nur 2 stark eingeschränkt übrig bleiben. Da werden die Bienen weder fliegen noch laufen können, von Honigproduktion gar nicht mehr zu sprechen. Darüber hinaus ist zum Beispiel bei der Sammlungs- und Lotterieverordnung vollkommen unklar, in welchem Verhältnis diese Verordnung zum Lottogesetz von Mecklenburg-Vorpommern stehen soll.
Ein weiteres Problemfeld wird sich bei der Fortgeltung der stark eingeschränkten Bahnaufsichtsverordnung auftun. Abgesehen davon, dass die dort erwähnten „Pioniereisenbahnen“ wohl nicht mehr existieren,...
(Siegfried Friese, SPD: Das ist sehr bedauer- lich. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Was sehr bedauerlich ist.)
Ja, es ist vielleicht die gemeint, die an Hagenow vorbeiführt – dieser berühmte Bahnhof, der außerhalb der Stadt liegt, den ich ja schon öfter hier erwähnt habe.
... muss gerade im Hinblick auf den geplanten Verkauf von Eisenbahnstrecken der Deutschen Bahn AG an private Betreiber beziehungsweise an Kommunen und Kreise Rechtssicherheit herrschen. Das lässt sich mit der eingeschränkten Bahnaufsichtsverordnung nicht erreichen. Außerdem fehlt hier eine klare Abgrenzung zum Bundeseisenbahngesetz.
Aber auch bei den Zuständigkeitsregelungen des Gesetzentwurfes wird sich mit Sicherheit reichlich Diskussionsbedarf ergeben. So besagt nämlich Paragraph 5 des Rechtsbereinigungs- und Rechtsfortgeltungsgesetzes, dass die Landesregierung berechtigt sein soll, die in der Anlage aufgeführten Rechtsverordnungen aufzuheben und zu ändern. Das würde aber im Endeffekt bedeuten, dass die Landesregierung wesentliche Angelegenheiten quasi selbst regeln könnte, obwohl dafür nach dem Wesentlichkeitsgrundsatz das Parlament zuständig ist. Das heißt also im Zweifelsfall, auch Dinge, die eigentlich von ihrem materiellen Gehalt her Gesetzescharakter haben könnten, weil sie formal als Rechtsverordnung eingestuft werden, können von der Landesregierung ohne Beteiligung des Parlaments geändert werden.
Wenn ich sehe, wie die Landesregierung es hier mit dem Parlament hält, nämlich selbst bei Entwürfen, die sie einzubringen hat, erst gar nicht da ist, dann kurz erscheint und dann, wenn darüber diskutiert wird, schon wieder den Landtag verlässt, meine ich, sollten wir ihnen nicht allzu viel Spielraum einräumen, sondern lieber mal darüber nachdenken, dass die Landesregierung die Arbeit des Landtages auch mit dem nötigen Ernst wahrnimmt.
(Siegfried Friese, SPD: Der Innenminister ist aber noch im Landtag. – Peter Ritter, PDS: Der CDU-Fraktion hat die Pause aber auch nicht genügt.)
Wir dürfen also gespannt sein, wie der Gesetzentwurf in der eingehenden Diskussion in den Fachausschüssen bestehen wird. Meines Erachtens sollte der Gesetzentwurf – das bitte ich jetzt als Antrag so zu verstehen und dem auch zuzustimmen – nicht nur wie vorgesehen dem Innenausschuss, sondern auch dem Landwirtschaftsausschuss und dem Rechtsausschuss überwiesen werden, dem Landwirtschaftsausschuss wegen der genannten fachlichen Materie und dem Tourismusausschuss,
das kann man sicherlich auch machen. Ich meine, hier müssen die Fachausschüsse beteiligt werden und der Rechtsausschuss sollte vom Selbstverständnis des Parlaments her auch mitberatend in die Beratungen mit einbezogen werden. Federführend sollte der Innenausschuss sein, so, wie es vorgesehen ist. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus unserer Sicht lässt sich über den Gesetzentwurf nicht viel sagen. Das, was mein Kollege Dr. Born ausgeführt hat, findet bei mir einen freudigen Widerhall. Ich denke, das Parlament kriegt hier ein bisschen was zu tun und wird es sicherlich auch gewissenhaft erledigen.
Der Gesetzentwurf und dann das Gesetz schafft dahin gehend Rechtsklarheit, dass sieben Rechtsvorschriften aus DDR-Zeit als Landesrecht fortgelten. Mit anderen bereits in anderen Zusammenhängen als fortgeltendes Landesrecht festgelegten Rechtsvorschriften bleiben in Mecklenburg-Vorpommern dann insgesamt 17 von einstmals über 25.000 DDR-Rechtsvorschriften in Kraft. Das DDR-Recht ist also scheinbar beerdigt oder, wie es so schön heißt, bereinigt. Was an DDR-Recht im Landesrecht fortgilt, sind insgesamt eher Kleinigkeiten, wie es heute heißt: Peanuts, während man beispielsweise das Fortgelten der Nationalparkordnungen aus der Zeit der Modrow-Regierung in ihrer Bedeutung allerdings nicht unterschätzen kann.
Ein bisschen Nostalgie und Freude kommen natürlich auf, wenn man weiß, dass der Einsatz von Bienenvölkern zur Blütenbestäubung von Obst, Ölfrucht und Vermehrungskulturen sowie zur Nutzung sonstiger Kultur- und Naturtrachten nach dem DDR-Recht von 1987 weiter erfolgt. Da kann man doch nur sagen: Bienenvölker von Mecklenburg-Vorpommern, vereinigt euch zum Bestäubungseinsatz.
Aber Spaß beiseite. Sehr bemerkenswert ist das Fortgelten, wie mein Vorredner bereits bemerkt hat, des DDRStaatshaftungsgesetzes vom 12.05.1969. Das sind nun wirklich keine Kleinigkeiten und man sollte es kaum glauben, es ist eine lichte Tatsache, das Haftungsgesetz der DDR wird in der Bundesrepublik in den Ostländern, also auch bei uns in Mecklenburg-Vorpommern, ausdrücklich als geltendes Recht anerkannt. Und man muss wissen, dass dieses DDR-Staatshaftungsgesetz den Artikel 104 der DDR-Verfassung ausführt.
Die DDR-Regelung, die bei Schadenszufügung im Rahmen staatlicher Tätigkeit schlicht und ergreifend vom Verursacherprinzip ausgeht und als objektive Haftung ausgestaltet ist, ist den zersplitterten, zum wesentlichen Teil auf gerichtlichen Entscheidungen beruhenden Haftungsrechten der alten Bundesländer meilenweit überlegen. Wir sind daher als Landesgesetzgeber wirklich gut beraten, gerade dieses Gesetz fortgelten zu lassen, zumal die jetzige generelle Rechtswegeregelung nach Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes den wesentlichen einzigen Mangel des DDR-Gesetzes, den fehlenden Rechtsweg, vollauf beseitigt.
Das Fortgelten dieses Gesetzes ist auch insoweit nützlich, als eine Kodifikation der Staatshaftung schon wegen der fehlenden Bundesgesetzgebungskompetenz nicht zu erwarten ist. Ein solcher Versuch scheiterte bekanntlich letztmalig 1981. Wir haben, was wirklich beklagenswert ist, bundesweit in den Altbundesländern den Anachronismus, dass im Prinzip die über hundertjährige aus der Bismarck-Zeit stammende Norm des Paragraphen 839 BGB die Grundnorm der Staatshaftung ist. Und die setzt stets eine schuldhafte Amtspflichtverletzung voraus. Man mag sagen, man möge um den Einzelfall eines einzigen vernünftigen weitergeltenden DDR-Gesetzes nicht allzu viel
Gewese machen, das ist schon richtig, dennoch ist der Fall, wie mir scheint, irgendwie exemplarisch. Es ist an diesem Einzelfall nämlich aus unserer Sicht nachgewiesen, wie eine sinnvolle ordentliche Rechtsvereinigung nach der Wende 1990 hätte vonstatten gehen können,
nämlich sachorientiert und in einem ordentlichen Zeittempo. Es musste uns nicht ohne Sinn und Verstand die gesamte BRD-Rechtsordnung übergestülpt werden. Und so manche DDR-Regelung hätte, bevor sie bereinigt wird, zumindest als Modell für eine Reform des Bundesrechts akzeptiert werden können, denn wir haben über weite Rechtsmaterien kaum Besseres bekommen. Wir haben im Gegenteil viel Zersplitterung und Bürokratie, viel Klimbim und juristisches Wortgeprassel dazubekommen. Wie es im „Faust“ heißt, erben sich Recht und Gesetz wie eine ewige Krankheit fort. Wir haben es erlebt.
Meine Damen und Herren, bisher war und ist meist von Rechtsbereinigung nur dann die Rede, wenn es darum ging und geht, DDR-Recht auszumerzen. Ich denke aber, die eigentlich nötige Rechtsbereinigung steht noch aus,
und zwar sowohl im Bund als auch in den Ländern. Rechtsbereinigung ist in der Tat eine laufende Aufgabe des Gesetzgebers. Wenn wir uns nur einmal die Gesetzessammlung unseres Landes ansehen und die Verwaltungsvorschriften aus den zehn Jahren unserer Gesetzgebungstätigkeit noch dazunehmen, dann sage ich, es wird schon jetzt für unser Land dringend Zeit, den Vorschriftendschungel ernstlich zu lichten.
Und schließlich will ich noch einen Bereich von Rechtsbereinigung benennen, in dem sich in der Bundesrepublik fast gar nichts tut. Es ist Anachronismus, wenn dieser Staat bis heute Hunderte von Rechtsvorschriften aus der Nazizeit mitschleppt. Man braucht ja nur einmal in das Bundesgesetzblatt Teil III zu sehen. Da ist doch wohl die Frage angezeigt: Wann wird denn da mal gereinigt? Man muss doch wohl ernstlich fragen, welcher Teufel die Bundesrepublik reitet, das Rechtsberatungsgesetz von 1935 weitergelten zu lassen. Ich denke, da stehen die Armada der Rechtsanwälte und ihre Interessen davor.
Es gibt also noch viel zu tun, meine Damen und Herren. Die Bereinigung des DDR-Rechtes, was mit diesem Gesetz zu bereinigen war, ist gegen alles, was noch zu tun ist, vergleichsweise harmlos. – Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man könnte versucht sein zu sagen, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung einer von vielen Gesetzentwürfen vorliegt, die unter sachlichen Gesichtspunkten im Plenum und anschließend in den Ausschüssen beraten werden, wie viele andere auch nichts Besonderes. Aus meiner Sicht ist diese Betrachtungsweise verfehlt und würde der Tragweite dieses Gesetzes nicht gerecht werden. Wir haben es hier mit der Frage zu tun, welche Gesetze aus der DDR-Zeit weiterhin Geltung haben und welche außer Kraft treten sollen. Das
ist aber angesichts von immerhin circa 25.000 Rechtssetzungsakten der DDR kein leichtes Unterfangen und war es bisher auch nicht.
Bei dieser Fragestellung wird es nicht wenige geben, die sagen, warum müssen überhaupt Gesetze aus DDRZeit weiterhin gelten. Andere wiederum werden sagen, nicht alles und nicht alle Gesetze aus dieser Zeit waren schlecht. Dazwischen den Weg zu finden, ist unsere Aufgabe. Dabei können wir durchaus der Aussage unseres Innenministers zustimmen, der sagte: Was gut war, kann bleiben.
Herr Dr. Schoenenburg, wenn ich auf Ihren Zwischenruf schon reagieren darf, Ihre generelle Kritik an der Übernahme der Rechte aus der Bundesrepublik in unser geltendes Gesetz teile ich nicht. Ich glaube schon, dass wir unser Land auf eine neue und gute Rechtsgrundlage gestellt haben, was ja nicht ausschließt, dass man einiges auch hätte anders machen können. Aber der Grundakt der Übertragung des Grundgesetzes auf den Geltungsbereich der ehemaligen DDR halte ich für richtig.