Protocol of the Session on March 15, 2000

Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen in der Fassung der Beschlussempfehlung des Landwirtschaftsausschusses auf Drucksache 3/1150 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Eine. Gibt es Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Damit, meine Damen und Herren, ist der Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Landwirtschaftsausschusses mit den Stimmen der SPDund PDS-Fraktion bei einer Gegenstimme der PDS-Fraktion und Stimmenthaltung der CDU-Fraktion angenommen.

Damit danke ich allen, die beim Zustandekommen dieses Gesetzentwurfes mitgewirkt haben.

Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 6: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der PDS und SPD – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Psychischkrankengesetzes, Drucksache 3/1057, und des Gesetzentwurfes der Fraktion der CDU – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke, Drucksache 3/1005, hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des Sozialausschusses auf Drucksache 3/1155. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1175 vor.

Gesetzentwurf der Fraktionen der PDS und SPD: Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Psychischkrankengesetzes (2. PsychKGÄndG) (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 3/1057 –

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU: Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke (2. PsychKGÄndG M-V) (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 3/1005 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Sozialausschusses – Drucksache 3/1155 –

Änderungsantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 3/1175 –

Das Wort zur Berichterstattung hat die Abgeordnete Frau Dr. Seemann. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Gestatten Sie, dass ich Ihnen zum eben genannten Punkt der Tagesordnung die Beratungsergebnisse des Sozialausschusses kurz vorstelle. Ich möchte allerdings vorneweg betonen, dass ich es als sehr wohltuend empfunden habe, mit welcher Sachlichkeit die Diskussionen zu dem als Beratungsgrundlage dienenden Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen, aber auch zum Gesetzentwurf der Opposition geführt worden sind. Hierfür möchte ich allen Mitgliedern des Sozialausschusses ausdrücklich danken. Ohne die konstruktive Mitarbeit aller hätten wir es zeitlich sicherlich nicht geschafft, heute die Zweite Lesung durchzuführen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! An die traurigen Anlässe, die zu Überlegungen bezüglich einer Novelle des PsychKG geführt haben, brauche ich sicherlich nicht mehr zu erinnern. Genauso traurig wie die Anlässe war aus meiner Sicht dann allerdings auch der Stil, in der die Debatte in der Sitzung vor Weihnachten im letzten Jahr geführt worden ist. Polemik hilft in solchen schwierigen Situationen nicht weiter. Das hat sich schnell gezeigt.

Die zügig eingeleiteten Schwachstellenanalysen haben schließlich ergeben, dass neben konkreten Maßnahmen vor Ort zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden müssen, für die es einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Konkret gesagt haben die Ausbrüche der Patienten, die nach den Paragraphen 63, 64 des Strafgesetzbuches in der Fachklinik für Forensische Psychiatrie in Ueckermünde untergebracht waren, gezeigt, dass die für solche Einrichtungen des Maßregelvollzugs geltenden Vorschriften des Abschnitts IV

(Annegrit Koburger, PDS: Abschnitt VII.)

des Psychischkrankengesetzes unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit Mängel aufweisen, weil die Voraussetzungen, unter denen Kontrollen bei Patienten und Besuchern zulässig sind, zu hoch angesetzt worden sind.

Stimmt, es war Abschnitt VII.

Das hat schließlich dazu geführt, dass sowohl die Koalitionsfraktionen als auch die Opposition je einen Gesetzentwurf vorgelegt haben. Der Landtag hat diese Gesetzentwürfe, den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke, Drucksache 3/1005, sowie den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Psychischkrankengesetzes, Drucksache 3/1057, in seiner 34. Sitzung am 2. Februar 2000 beraten und federführend an den Sozialausschuss sowie mitberatend an den Innenausschuss überwiesen.

Der Sozialausschuss hat am 23. Februar 2000 zu diesen Gesetzentwürfen eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen durchgeführt. Alle Anzuhörenden haben zu den einzelnen Paragraphen der Gesetzentwürfe dem Sozialausschuss Änderungsvorschläge unterbreitet. Hinsichtlich der Liste der Anzuhörenden und der Ergebnisse der Anhörung verweise ich auf den Ihnen vorliegenden Bericht des Sozialausschusses auf Drucksache 3/1155 und dort die Seiten 11 bis 13.

In seiner 32. Sitzung am 3. März 2000 wurden diese im Sozialausschuss beraten. Der Sozialausschuss hat einvernehmlich bei Enthaltung von Seiten der Fraktion der

CDU den Gesetzentwurf der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/1057 zur Beratungsgrundlage gemacht. Dieser ermöglicht durch die vorgeschlagene Änderung von Vorschriften des Abschnitts VII des Psychischkrankengesetzes vorbeugende Kontrollen durch die Mitarbeiter der Einrichtungen des Maßregelvollzugs, die auch ohne einen entsprechenden Verdacht zulässig sind, um die Sicherheit in den Einrichtungen zu erhöhen.

Im Ergebnis seiner Anhörung empfiehlt der Sozialausschuss einstimmig, den Gesetzentwurf mit den folgenden Maßgaben anzunehmen, damit die Sicherheit in den Einrichtungen des Maßregelvollzugs in Mecklenburg-Vorpommern erhöht werden kann.

Auf Antrag der Fraktionen der SPD und PDS empfiehlt der Sozialausschuss einstimmig, den Gesetzentwurf auf Drucksache 3/1057 so auszugestalten, dass das Durchsuchen von Sachen, Wohn- und Schlafbereichen auf das Vorhandensein von Gegenständen, die den Zweck der Unterbringung oder das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung gefährden, nur auf Anordnung des zuständigen Arztes erfolgen dürfen.

Ferner sehen die einstimmigen Beschlüsse des Sozialausschusses auf Antrag der Fraktionen der SPD und PDS vor, dass die beabsichtigte Überwachung eines Telefongespräches den Gesprächspartnern zu Beginn des Gesprächs mitzuteilen ist. Gegenstände, die den Zweck der Unterbringung oder das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung gefährden, dürfen den Betroffenen nur für die Dauer der Unterbringung weggenommen werden.

Auf Antrag der Fraktion der CDU empfiehlt der Sozialausschuss ferner einstimmig, dass Briefe, Päckchen und Pakete nur in Anwesenheit der Betroffenen kontrolliert werden dürfen. Die Koalitionsfraktionen hatten mir als Vorsitzende des Ausschusses signalisiert, einen nahezu gleichlautenden Antrag einzubringen. Wegen der einstimmigen Annahme des CDU-Antrages haben dann die Koalitionsfraktionen allerdings davon Abstand genommen.

Zur Begründung der zuvor geschilderten Änderungen verweise ich auf den Ihnen vorliegenden Bericht des Sozialausschusses auf Drucksache 3/1055 und dort auf die Seite 15.

Die Anträge der Fraktion der CDU zu Artikel 1 Nummer II und II 2 wurden vom Sozialausschuss mehrheitlich mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS gegen die Stimmen der Fraktion der CDU abgelehnt. Die Gründe hierfür bitte ich der eben genannten Drucksache und dort den Seiten 13 und 14 zu entnehmen.

Bezüglich der Stellungnahme des mitberatenden Innenausschusses verweise ich ebenfalls auf den Ihnen vorliegenden Bericht des Sozialausschusses.

Vor dem Hintergrund der vom Sozialausschuss gefassten Beschlüsse empfiehlt dieser mehrheitlich gegen die Stimmen der Fraktion der CDU, den Gesetzentwurf auf Drucksache 3/1005 für erledigt zu erklären.

Ferner sieht es der Sozialausschuss auf Antrag der Fraktionen der SPD und PDS einvernehmlich bei Enthaltung von Seiten der Fraktion der CDU als erforderlich an, im Rahmen einer Entschließung die Landesregierung zu bitten, darauf hinzuwirken, dass in den Einrichtungen des Maßregelvollzugs in Mecklenburg-Vorpommern, soweit

noch nicht vorhanden, Patientensprecher bestellt werden. Die Fraktion der CDU hat sich der Stimme enthalten, weil sie die Ansicht vertritt, dass die Entschließung nicht erforderlich sei, da dies schon der Praxis in den Einrichtungen des Maßregelvollzugs in Mecklenburg-Vorpommern entspreche. Die Fraktionen der SPD und PDS hielten dem entgegen, dass die Anhörung verdeutlicht habe, dass Patientensprecher eine sinnvolle Institution darstellen können und der Sozialausschuss dieses unterstützen solle.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass nach der Flucht der Patienten – und ich möchte hier ausdrücklich betonen, es handelt sich um Patienten – sofort vor Ort gehandelt wurde. Es soll heute das PsychKG novelliert werden. Im Mittelpunkt steht die Erhöhung der Sicherheit der Einrichtungen. Ich hoffe, dass wir mit den von uns vorgenommenen Änderungen auch den gewünschten Erfolg haben werden. Viele haben schon gesagt, eine hundertprozentige Sicherheit wird es nie geben. Aber ich denke, wir werden mit dieser Novelle ein weiteres Stück in Richtung Sicherheit vorankommen. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Torsten Koplin, PDS)

Vielen Dank, Frau Dr. Seemann.

Um das Wort gebeten hat die Sozialministerin. Bitte sehr, Frau Dr. Bunge, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wem ist nicht der Ruf nach schärferen Gesetzen bekannt, wenn Ereignisse eintreten, die die Bevölkerung verunsichern und die Politik und Verwaltung aufschrecken. In den meisten Fällen, wenn ein solcher Ruf laut wird,

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

müssen nur die bestehenden Gesetze konsequent angewendet werden. Zuweilen ergibt sich jedoch auch die Notwendigkeit, dass der Gesetzgeber ernsthaft über eine Änderung der bestehenden Vorschriften nachdenkt und entsprechend agiert.

Wenn wir uns heute mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke befassen, so werden sich alle hier des Anlasses sicher erinnern, der uns zu diesem Gesetzgebungsverfahren führte. Trotz der bedauerlichen Vorkommnisse in Ueckermünde freue ich mich, dass die aus heutiger Sicht erforderlichen Änderungen des Psychischkrankengesetzes nicht nur sehr schnell, sondern, wie mir scheint, auch einvernehmlich verabschiedet werden. Gerade dieser Konsens in der Sache, über alle Parteiengrenzen hinweg, ist ein Umstand, der den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Krankenhäusern des Maßregelvollzuges Rückhalt bei der Erfüllung ihrer schwierigen Aufgaben gibt. Nichts wäre in diesem sensiblen Bereich schädlicher als parteipolitisch geprägte Auseinandersetzungen über den Umfang der notwendigen und zulässigen Sicherheitsmaßnahmen. Solche Konfrontationen würden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verunsichern und damit letztlich zusätzliche Gefahren heraufbeschwören.

Die dem Sozialausschuss vorgeschlagenen vier Ergänzungen des ursprünglichen Entwurfs der Regierungsparteien halte ich für sachdienlich. Sie stärken die Rechte der

Patientinnen und Patienten, ohne dabei die Sicherheit zu gefährden. Auch der Entschließung über die Patientensprecher werde ich im Gespräch mit den Trägern der Einrichtungen gerne nachkommen. In einer Einrichtung gibt es bereits in einzelnen Wohngruppen solche Sprecher.

(Harry Glawe, CDU: Hatten wir doch.)

Aber wir bauen ja die Kapazitäten aus und damit ist natürlich ein sofortiges Agieren in diese Richtung sicher sehr sinnvoll.

Wir wissen, dass das Psychischkrankengesetz noch aus den Anfangsjahren dieses Landes stammt und deswegen vielleicht an der einen oder anderen Stelle mit zu heißer Nadel gestrickt worden ist.

(Harry Glawe, CDU: ‘93.)

Die aufgrund der Ereignisse in Ueckermünde erkennbar gewordenen Schwachstellen werden jedoch durch die Initiative der Fraktionen jetzt zügig beseitigt. Den beteiligten Parlamentarierinnen und Parlamentariern danke ich ausdrücklich dafür.

Ein Umstand löst bei mir jedoch Verwunderung aus. Die Opposition vertrat in den Beratungen – und dokumentiert dies heute mit dem Änderungsantrag – den Standpunkt, dass die im Paragraphen 37 Absatz 4 vorgesehene Regelung, wonach die einzelfallbezogene Aufsicht bei den Gesundheitsämtern verbleiben soll, zusätzliche Kosten verursachen würde. Haben Sie, meine Herren der CDU, denn schon vergessen, dass erst im Sommer 1998 einstimmig die zurzeit noch geltende Fassung des Paragraphen 37 Absatz 4 beschlossen worden ist? Nach geltender Rechtslage liegt die Aufsicht umfassend, also nicht nur einzelfallbezogen, bei den Gesundheitsämtern. Wie nun durch die vorgesehene Regelung zusätzliche Kosten verursacht werden, vermag ich beim besten Willen nicht zu erkennen.

Mit dieser Gesetzesänderung erhalten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Krankenhäusern des Maßregelvollzugs das nötige Rüstzeug, um auf rechtlich einwandfreier Grundlage auch vorbeugend im Interesse der Sicherheit handeln zu können. Leicht ist ihre Aufgabe trotzdem nicht. Nach wie vor steht im Vordergrund des Maßregelvollzugs die Therapie. Die Sicherheit darf dabei selbstredend nicht aus dem Auge verloren werden. Hierbei besteht ein Spannungsfeld zwischen der Zuwendung und dem Vertrauen, das für die Therapie erforderlich ist, und dem manchmal aus Gründen der Sicherheit gebotenen Misstrauen. Diese schwierige Gratwanderung erfordert vom gesamten, in der forensischen Psychiatrie tätigen Personal eine ausgesprochene Balancefähigkeit und viel Fingerspitzengefühl. Der Gesetzgeber kann hier nur den Rahmen abstecken, die Entscheidungen müssen im Einzelfall an Ort und Stelle getroffen werden. Ich meine, wir haben dazu eine gute Grundlage vorbereitet. – Ich danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Reinhard Dankert, SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Glawe von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Konsequenz aus der Flucht von vier

Insassen aus der Forensischen Psychiatrie Ueckermünde liegt Ihnen nun zur abschließenden Beratung in Form der Gesetzesänderung vor.

Die vorliegende Gesetzesänderung macht keine Abstriche am Therapiegedanken für die psychisch kranken Straftäter mit massiven Persönlichkeitsstörungen, die nach Paragraph 63 beziehungsweise 64 Strafgesetzbuch zur Behandlung in die forensische Psychiatrie eingewiesen wurden. Die jetzt vorliegende Änderung stärkt die Rechtssicherheit für Patienten, Besucher, Ärzte, Pflegepersonal und den Wachschutz und es stärkt die Pflicht zur Kontrolle. Damit wird auch den Interessen der Bevölkerung, die einen Anspruch auf Sicherheit hat, mehr entsprochen.