Protocol of the Session on March 15, 2000

„Sport statt Gewalt“ ist nach den rechtsradikalen Ausschreitungen in Lichtenhagen von uns initiiert worden und wir haben weitere Präventionsprojekte in den Kommunen vorangetrieben. Der Bäderdienst der Polizei hat das Image unseres Landes wieder hergestellt. Die Sonderkommission gegen Rechtsextremismus ist unsere Initiative und unsere Antwort auf die Herausforderung des Rechtsextremismus.

(Peter Ritter, PDS: Mir kommen bald die Tränen. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Und vor allem haben Sie erst mal nichts gemacht. – Zuruf von Sylvia Bretschneider, SPD)

Und nicht zuletzt muss an den Asylkompromiss erinnert werden, mit dem auch den Rechtsextremisten der Nährboden entzogen worden ist.

(Unruhe bei Abgeordneten der PDS – Zurufe von Annegrit Koburger, PDS, und und Peter Ritter, PDS – Glocke des Präsidenten)

Das gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung durchgepeitschte rot-grüne Ausländerrecht ist kein Beitrag zur Eindämmung des Rechtsextremismus.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Na klar, die Listen sind vor allem die Vorlage für Rechts.)

Wir wollen seit Jahren das Demonstrationsrecht verschärfen, um Ausschreitungen von Links- und Rechtsextremisten, wie am letzten Sonntag in Berlin, zu verhindern, damit natürlich aber auch solche wie am 19. September 1998 in Rostock aus dem PDS-Marschblock am Steintor.

(Annegrit Koburger, PDS: Das war kein PDS-Marschblock. – Heike Lorenz, PDS: Das hat vielleicht was mit Demokratieverständnis zu tun.)

Rot-Grün und Rot-Rot lehnen diese effektive Maßnahme aber bis heute ab. Wir fordern Sie seit langem auf, endlich eine Internetpolizei gegen Rechtsextremismus einzuführen. Wir haben im November 1997 dem damaligen Koalitionspartner SPD eine Bundesratsinitiative zur Eindämmung rechtsextremistischer Propaganda vorgelegt, die abgelehnt wurde. Wir forderten einen Maßnahmenkatalog gegen Rechtsextremisten. Dazu gehören internationale Verträge zur Verhinderung rechtsextremistischer Propaganda – und das ist ein Problem – und die Stärkung des Verfassungsschutzes zur weiteren Überwachung der rechten Szene sowie die ständige Überprüfung der Verbotspraxis. Damit hat sich doch nur die SPD, Ihr jetziger Koalitionspartner, schwer getan und offenbar doch wohl nur, weil solche Maßnahmen natürlich auch gegen Linksextremisten, also gegen die kommunistische Plattform

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Reinhard Dankert, SPD: Na, na, na!)

und andere Gruppierungen im Umfeld der PDS, politisch durchgesetzt werden müssten. Ich finde das gar nicht zum Lachen.

(Heiterkeit bei Dr. Arnold Schoenenburg, PDS)

Die Union fordert seit Jahren eine Einschränkung des Datenschutzes, um Informationen über Rechtsextremisten zu erhalten.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Denken Sie mal an Verbindungen zu Rechtsextremisten auch in Ihrer Partei!)

Die PDS aber nimmt die Vorwürfe gegen den Verfassungsschutz vom Oktober 1999, die übrigens alle entkräftet wurden, zum Anlass, mehr so genannte Transparenz beim Verfassungsschutz zu fordern. Was heißt denn das? Das ist doch der Weg, über die Arbeitsunfähigkeit den Verfassungsschutz abzuschaffen.

(Angelika Gramkow, PDS: Richtig, abschaffen. Abschaffen, Sie haben es gesagt.)

Im gleichen Monat forderte das im Übrigen der NPDLandessprecher. Ich meine, wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und wir sind der Garant dafür, dass Rechtsund Linksextreme als Feinde der parlamentarischen Demokratie bekämpft werden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Sylvia Bretschneider, SPD: Das reicht nicht ganz, man muss was gegen den Nährboden tun! Peinlich, peinlich!)

Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der SPD Herr Schlotmann. Bitte sehr, Herr Schlotmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Herr Thomas, zu Ihrem Beitrag nur ein Kommentar: Sie können einem wirklich leid tun.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Heiterkeit bei Rudolf Borchert, SPD, und Annegrit Koburger, PDS)

Das heutige Thema ist ein Grundsatzthema, das leider immer wieder über die Tagesaktualität hinausgeht und von erschreckender Bedeutung für uns alle ist. Und übrigens, um da Fehlinterpretationen vorzubeugen, es ist kein reines Jugendthema, das wäre die falsche Sichtweise.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Nehmen wir nur zur Kenntnis oder leiten wir konkretes Handeln aus den verschiedenen Vorkommnissen, die wir leider immer wieder erleben, ab. Denken wir an die Ereignisse in Österreich – das ist keine Beschimpfung der Österreicher, wie Sie das hier dargestellt haben, das sind einfach Fakten, die da passieren –, denken wir an die Ereignisse in Österreich bezüglich der Regierungsbeteiligung der ÖVP, übrigens mit einer klammheimlichen Freude durch Herrn Stoiber begrüßt. Denken wir an die Entgleisung von Herrn Rüttgers mit seinem dummen Spruch „Kinder statt Inder“. Hoffentlich war ihm nicht bewusst, was an Fremdenfeindlichkeit in diesem Spruch steckt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Rudolf Borchert, SPD)

Und denken wir auch an Eggesin und den derzeit laufenden Prozess zu diesem brutalen Überfall. Denken wir an die Ereignisse in Berlin vom vergangenen Wochenende, als Nazis – ich weigere mich, da Neonazis zu sagen, denn das war buntgemischtes Volk, Alt und Jung – den Einmarsch der Nazis in Österreich vor dem Zweiten Weltkrieg feierten. Das bedeutet für mich und für uns, dass wir nicht auf einer einsamen Insel in Mecklenburg-Vorpommern leben, sondern mittendrin.

Meine Damen und Herren, bei diesem Thema muss man alle diese Aspekte und eigentlich noch viel mehr einbeziehen, um es ernsthaft zu diskutieren. Deswegen habe ich immer ein Problem damit, wenn wir das in diesen 5Minuten-Scheibchen machen. Ich denke, wenn wir das ernsthaft diskutieren wollen, könnten wir ja mal, wenn Sie da so vehemente Verfechter sind, Kollege Thomas, über einen interfraktionellen Antrag zum Thema Rechtsradikalismus diskutieren und ihn gemeinsam einbringen.

(Beifall bei der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Gerade aber die Koalition aus SPD und PDS misst der Bekämpfung des Rechtsextremismus besonders hohe Priorität zu. Dazu sind die verschiedensten Maßnahmen umgesetzt worden – wir haben das hier ausführlich gehört –, sei es durch die Landesregierung oder auch durch Unterstützung privater Initiativen wie das Zentrum für Demokratie und Toleranz. Eines ist aber klar, es gibt tatsächlich keinen Königsweg, wie man den Rechtsextremismus niederringen kann. Das sollten alle, wirklich alle, auch Sie, Herr Thomas, die sich an der öffentlichen politischen Debatte zu diesem Thema beteiligen, ernsthaft berücksichtigen. Und hier ist die viel beschworene Gemeinsamkeit aller Demokraten gefordert, ernsthaft gefordert. Und ich möchte mal zitieren: „Die Demokratie ist diejenige Staatsform, die sich am wenigsten gegen ihre Gegner wehrt beziehungsweise wehren kann. Es scheint ihr tragisches Schicksal zu sein, daß sie auch ihren ärgs

ten Feind an der eigenen Brust nähren muß.“ Das hat Hans Kelsen gesagt, ein Österreicher, ein Staatsrechtler zur Weimarer Zeit.

Meine Damen und Herren, genau nach dieser Methode verfahren doch die Nazis und ihre Gesinnungsgenossen auch heute. Ihre Kundgebungen, wie zuletzt in Berlin, müssen nach geltendem Recht durch die Staatsgewalt beschützt werden, und das, obwohl gerade diese Nazis unseren, diesen demokratischen Staat hassen und ihn ersetzen wollen durch eine Diktatur. Aber, meine Damen und Herren, ich sage auch, Rechtsextremismus ist kein spezifisch ostdeutsches Problem. Es ist auch kein rein deutsches Problem, sondern es ist ein internationales Problem, und nicht nur bezogen auf Skinheads oder andere Neonazis.

Meine Damen und Herren, der Innenminister hat es angedeutet, wir haben eine aktuelle Szene von Rockbands, die in der Naziszene ihr Geld verdienen und Propaganda machen. Nicht alle werden sie kennen, aber ich will das trotzdem an dieser Stelle mal deutlich machen. Selbst ein internationaler Rockstar, wie zum Beispiel David Bowie, der erklärter Anhänger des Faschismus ist, sagt wörtlich: „Die einzige Methode, wie wir diese Art von Liberalismus loswerden können, ist, den Aufstieg vom rechten Flügel zum vollkommen diktatorischen Typ Tyrannei zu beschleunigen. Nur autoritäre Führung hat bei den Menschen einen Leistungsaufschwung bewirkt.“ Und diese Leute verkaufen das, auch heute noch! Der von mir zum Beispiel als Musiker sehr verehrte Eric Clapton und auch Rod Steward – für die, die sie kennen – haben in den achtziger Jahren öffentlich in Wahlen dazu aufgerufen, die National Front in Großbritannien zu wählen, die ein Ableger der NSDAP-Auslandsorganisation ist, meine Damen und Herren, und das mit der Begründung, das Land vor Überfremdung, vor Ausländern zu schützen.

Meine Damen und Herren, wir alle kennen zur Genüge die ständigen Stammtischparolen wie „Hitler hat doch die Arbeitslosigkeit abgeschafft“, „Hitler war doch derjenige, der die Autobahn geschaffen hat“. Sie alle, die sich mit Politik beschäftigen, wissen – ich gehe jedenfalls davon aus –, dass dieses absoluter Quatsch ist. Das heißt aber – und das begegnet einem überall in den Gaststätten, überall, ich erlebe das ständig –, der alltägliche Rassismus und Rechtsextremismus ist unter uns. Lassen Sie uns gemeinsam dagegen angehen, und zwar jeder. Das ist die Verpflichtung, denke ich mir, die wir hier mitnehmen müssen, jeder in seinem Wahlkreis, in seinem privaten, persönlichen Umfeld und vor allen Dingen in der politischen Arbeit. Darum bitte ich Sie. – Danke.

(Beifall bei SPD und PDS)

Das Wort hat Kollege Schädel von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Herr Schädel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Herr Thomas, Thema verfehlt.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Wenn Sie so viel gemacht haben, frage ich mich doch wirklich, warum wir heute das Problem Rechtsextremismus auf der Tagesordnung stehen haben, warum wir dieses Thema als Problem bezeichnen.

(Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Reinhardt Thomas, CDU)

Nachdem die letzten Wahlen vor eineinhalb Jahren nicht das Ergebnis gebrachten hatten, dass faschistische Parteien im Parlament mit vertreten sind, machte sich im Land eine allgemeine Zufriedenheit breit. Eine von vielen Verbänden, Vereinen, Gewerkschaften und natürlich Einzelpersonen getragene Kampagne hatte auf die nationalistisch-faschistische Gefahr aufmerksam gemacht und mit Aktionen sowie Demonstrationen Widerstand geleistet. Trotz staatlicher Verharmlosungsversuche der Naziaktivitäten und Beschwichtigung, trotz Behinderung und Verunglimpfung durch Polizei und Behörden, trotz verschiedener Aufrufe so genannter Demokraten, sich nicht an den antifaschistischen Demonstrationen zu beteiligen, ließen sich viele nicht davon abhalten und leisteten zur Verhinderung von Nazis im Parlament Aufklärungsarbeit und Widerstand, denn Umfragen hatten ein Wählerpotential von bis zu 18 Prozent für die Nazis vorausgesagt. „Bündnis gegen Rechts“ wurde zu einem Begriff.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Von der CDU abgelehnt.)

Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sollten keine Chance haben in Mecklenburg-Vorpommern. Konnten Demonstrationen der Nazis nicht verhindert werden, wurde ihnen nicht die Straße überlassen, wurde gegenmobilisiert. Überwiegend Jugendliche waren es, diejenigen, die an anderer Stelle gern mal als Chaoten, Autonome, Punks, Gammler, Asoziale und Gewalttäter verunglimpft werden, die sich, nicht selten auch mit körperlichen Folgen, den Nazis in den Weg stellten. Sie waren es, die auf der Straße und nicht auf dem Balkon, hinter der Gardine oder am Fenster, mit der Videokamera auf die Sensation wartend den Nazis deutlich machten, dass sie hier nicht gewollt sind. Dafür gebührt ihnen unser Dank.

(Beifall bei der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Nur wenige ältere Menschen und noch weniger im Alter zwischen 35 und 55 waren bei den unterschiedlichsten Veranstaltungen gegen Rechts und übersteigerten Nationalismus zu sehen. Entwickelt hat sich diese nationalistisch-faschistische Bewegung in einer Zeit, in der demokratisch legitimierter Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zum politischen Geschehen gehörten. Im breiten Bundestagskonsens wurde das Grundrecht auf Asyl faktisch abgeschafft und wurden AsylbewerberInnen und Flüchtlinge mit einem Asylbewerberleistungsgesetz zu Menschen dritter Klasse degradiert. Die Nazis schlossen dort nur an und hatten ein Leichtes, ihre Gewalt gegen andere Menschen zu rechtfertigen. Wenn die Ausländer von Staats wegen als Menschen dritter Klasse behandelt und eingestuft werden, warum sollten sie sie denn als gleichwertig anerkennen?

Aufschreie gab es lediglich dann, wenn es doch mal zu arg war oder „integrierte“ AusländerInnen unter den Opfern waren oder gar „normale“ Deutsche zu leiden hatten. Der Aufschrei verhallte schnell wieder, wenn zur allgemeinen „Volksgewissensberuhigung“ sich herausstellte, dass die Täter doch keine deutschen Ausländerfeinde waren, sondern die Ausländer sich selbst bekämpft hatten. Die Russen- oder auch die Albanermafia, die PKK oder afrikanische Drogendealer – irgendwie steckten die Ausländer da wieder mit drin. Und wenn das dann doch nicht so war, wurden auch schon mal, wie zum Beispiel bei dem Überfall auf das Ausländerwohnheim in Lübeck 1996, Spuren nicht verfolgt und verwischt und wurde so

lange durch die Instanzen gegen einen Ausländer prozessiert, bis der in zwei Verfahren nicht schuldig gesprochen werden konnte. Und die Mörder laufen heute noch frei herum. Doch nicht diese auf der Straße in der Öffentlichkeit agierenden gewalttätigen Rechtsextremen sind meiner Meinung nach das Hauptproblem und die Hauptgefahr. Es sind meiner Meinung nach die vielen stillen, duldenden, zuschauenden AnhängerInnen des politischen Rechtsextremismus.

(Beifall bei der PDS und Abgeordneten der SPD)

Es sind der tägliche, der alltägliche Rassismus und die Fremdenfeindlichkeit, die sich in kurzen Bemerkungen auf der Straße oder im Geschäft, im Nichteingreifen, in den Juden-, Türken-, Russen-, Polen- und Schwulenwitzen ausdrücken oder in Parolen wie „Kinder statt Inder“ gipfelten,