Protocol of the Session on February 2, 2000

Technik auf See auch gegen den Willen von Kapitänen und Reedern zum Schutz unserer Küstenregion. Als zentraler Standort der Küstenwacht kommt von der strategischen Lage her in der Ostsee nur Rostock in Frage, weil es auch für das Oderhaff und für das Seegebiet vor Swinemünde mit zuständig sein muss beziehungsweise ist. Wir müssen natürlich weiter bis nach Danzig denken, auch von daher kommt Gefahr.

3. Sicherstellung der Notschleppkapazität in Verbindung mit Ölbekämpfungsschiffen und Feuerlöschkapazitäten

Der Bund hat zwar mit den privaten Schleppreedereien eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei Schiffsunfällen getroffen, diese beinhaltet aber nur den Austausch von Schlepperlisten und Telefonnummern, gegenseitige Beratung und logistische Unterstützung. Das ist alles im so genannten Sicherheitskonzept. Hafenschlepper aber können nicht ohne weiteres auf See geschickt werden, weil sie nur mit drei Mann besetzt sind und dafür das Personal aufstocken müssten, sie arbeitsmäßig noch stundenlang in den Häfen eingebunden sein können und nicht alle Schlepper eines Hafens nach See geschickt werden können. Zur Erinnerung: Von 16 Schleppern sind nur 8 seetüchtig! Die Lübecker Schlepper müssen zum Beispiel für die Fähren vor Ort da sein, davon mindestens einer mit 41 Tonnen Pfahlzug. Die Kieler Schlepper werden für den Nord-Ostsee-Kanal dringend benötigt. Vier von acht seegängigen Schleppern sind in Kiel und Lübeck stationiert, vier in Rostock. Ab Stralsund ostwärts gibt es keinen seegängigen Schlepper.

Damit ist klar, dass man für einen Notschleppeinsatz bei Schwerwetterlagen nie genügend Schleppkraft zusammenbekommt, von der Fahrzeit in unsere Seegebiete ganz zu schweigen. Ich erinnere nur daran, wenn wir Fahrzeuge aus der Nordsee über den Belt oder über den Nord-Ostsee-Kanal heranführen, dann ist, denke ich, für unsere Küste alles zu spät.

Für die Nordsee wurde in einem Gutachten festgestellt, dass für einen größten anzunehmenden Ernstfall zwei Notschlepper mit einem Pfahlzug von jeweils mindestens 110 Tonnen benötigt werden, besser wäre ein Schlepper mit 190 Tonnen Pfahlzug. Alle Schifffahrtsexperten sind sich einig, dass die zweckmäßigste Lösung die Kombination Hochseeschlepper/Mehrzweckschiff ist. Da das Mehrzweckschiff „Scharhörn“ über keine Schleppkapazität verfügt und damit kein Notschlepper auf dem Gebiet der gesamten deutschen Ostseeküste zur Verfügung steht, muss das Mehrzweckschiff „Mellum“ zwingend in die Ostsee mit Station Rostock verlegt werden.

(Georg Nolte, CDU: Völlig richtig.)

Die „Mellum“ verfügt zudem über eine große Löschund Ölbeseitigungskapazität. Die Schleppkapazitäten der „Mellum“ genügen selbst bei Pfahlzugverlusten durch Seegang den Ansprüchen der Ostsee. Wenn das nicht möglich ist, ist ein privater Schlepper mit 100 Tonnen Pfahlzug normalerweise sofort zu chartern.

(Zuruf von Caterina Muth, PDS)

Statt des geplanten Baues eines vierten Schadstoffbekämpfungsschiffes sollten wir im Hinblick auf die Gefahrensituation vom Oderhaff bis nach Danzig und an unserer Ostseeküste dafür ein Mehrzweckschiff mit einem Pfahlzug ähnlich der „Mellum“ bauen lassen, das dann in der Ostsee stationiert wird. Die „Scharhörn“ könnte dann zurück in die Nordsee verlegt werden und zur „Ozeanik“

und „Neuwerk“ stoßen. Beide haben ausreichend Notschleppkapazität. Da in Polen alles, aber auch alles fehlt, um eine Katastrophe auf See zu bekämpfen, entspräche, denke ich, auch diese Variante dem Sicherheitskonzept Ostsee. Ich darf nur daran erinnern, dass Polens einziges Ölbekämpfungsschiff im entfernten Danzig liegt und 24 Stunden – ich betone, 24 Stunden – bis nach Swinemünde benötigt. Die beiden Schlepper in Swinemünde können wir im übrigen ganz vergessen. Das sind technische Denkmale.

Zum Schutz der Region von Swinemünde bis Rügen sollte der Neubau nach einem deutsch-polnischen Vertrag auch in Swinemünde stationiert werden. Zur Sicherstellung des Know-hows privater Bergungsfirmen müssen die vorhandenen Hafenschlepper mit Feuerlöschkapazitäten auch und vor allem für explosive Atmosphären, die ja für die Tanker ganz wichtig sind, nachgerüstet werden. Schlepper, Schwimmkräne, Pontons und Schwimmfender sind vertraglich für den Havariefall zu binden.

4. Hafenküstenwacht

Als Teil der Küstenwacht ist eine spezielle Hafenküstenwacht aufzustellen, die ähnlich wie die US-Küstenwache die Sicherheitsbestimmungen speziell in Häfen überwacht, Auflagen erteilt und Einlaufverbote für Schiffe aussprechen kann. Neue, unbedingt notwendige internationale Verträge zu Schiffs- und Tankersicherheitsstandards speziell für die Ostsee können so optimal überwacht werden.

5. Nothafenkonzept

Zu einem Sicherheitskonzept Ostsee gehört ein Nothafenkonzept für Katastrophenfälle, weil im Hafen die Schiffe schneller geleichtert und auslaufendes Öl besser aufgefangen werden kann. Das ist im Vergleich zu der Verschmutzung der gesamten Ostseeküste das kleinere Übel. Zur Erinnerung, der Tanker „Erika“, der vor der französischen Küste gesunken ist, besaß alle notwendigen internationalen Standards. Das Einlaufen in einen französischen Nothafen, und das war das Problem, was die wenigsten wissen, wurde ihm jedoch verweigert. Die Folgen waren, wie wir wissen, verheerend. Als Nothafen kommt aufgrund der Tanklagerkapazität und der Ballastwasseraufbereitung aus meiner Sicht nur Rostock in Frage.

6. Lotsenpflicht auf den Ostseeautobahnen

Es bleibt das Geheimnis eines griechischen Kapitäns, mit einem Riesenfrachter, beladen mit Eisenerz, bei bestem Wetter in Sichtweite Rügens und Usedoms fünf Meilen von der Fahrrinne entfernt auf Grund gelaufen zu sein. Das aber, und damit müssen wir jede Minute rechnen, wird kein Einzelfall bleiben. Auch eine Lotsenpflicht für die Ostseeautobahn, wie ich sie mal nennen möchte, für Schiffe entlang unserer Küste gehört zu einem langfristigen strategischen Sicherheitskonzept Ostsee, weil die Schiffsbewegungen und damit die Gefahrenlagen sich ständig und extrem erhöhen werden.

7. praktische Seekatastrophenübungen unter realistischen Bedingungen auf See und an Land

Entgegen dem Rat aller Experten werden bis heute Katastrophenschutzübungen nur bei gutem Wetter durchgeführt. Auch die privaten Bugsier- und Bergungsprofis bleiben bei all diesen Übungen bis heute außen vor. Das kann nicht länger hingenommen werden. Kombinierte

realistische Seekatastrophen- und Landübungen und deren knallharte Auswertung fehlen. Sie sind notwendig. Mit EU-Mitteln sollten solche kombinierten und den wirklichen Umständen auf See entsprechenden Übungen unter Einbeziehung der Fachhochschule Güstrow – und natürlich der Vorschlag auch an Wismar in Bezug auf das technische Management „organisiert und mit Fachseminaren aller Experten von See und Land kombiniert werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, mit unseren grundsätzlichen Vorschlägen, denke ich, haben wir nicht nur unseren Antrag untermauert, sondern auch mit die entscheidende Weichenstellung für ein zukünftiges Sicherheitskonzept Ostsee gegeben. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Grobecker-Kommission zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommt, weil sie an den harten Realitäten und den Expertenmeinungen nicht mehr vorbeikommt. Im Bereich der beiden deutschen Küsten ist das aus unserer Sicht notwendig.

Abschließend darf ich uns alle auffordern, für unser Sicherheitskonzept Ostsee die besten politischen Lobbyisten und die härtesten Verhandlungspartner zu benennen, weil der Schutz der deutschen Ostseeküste für uns und für unser Land von herausragendem Interesse sein muss. – Recht herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

In diesem Zusammenhang würde ich Sie auch bitten – es gibt sicherlich unterschiedliche Positionen –, beide Anträge zu überweisen, weil wir dann unser praktisches Know-how, auch durch die Verbindung, die wir haben, in die Beratungen, gern auch zusammen mit dem Ministerium, mit einbringen möchten. – Nochmals recht herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Herr Thomas, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Herrn Riemann?

Bitte sehr, Herr Riemann.

Herr Thomas, vielleicht auch noch zur Untermauerung beider Anträge:

(Zuruf von Caterina Muth, PDS)

Welches Szenario könnte sich abspielen beispielsweise bei einer Schlechtwetterlage wie am vergangenen Wochenende im Zusammenhang mit einer Tankerhavarie in der Oderbucht, also vor den Inseln Usedom, Wollin und auch in der Nähe von Rügen?

Das wäre das ungünstigste Szenario, das wir haben könnten, weil wir von Stralsund bis nach Danzig keinen seefähigen Schlepper haben, von dem Pfahlzug ganz abgesehen. Da gibt es in Stralsund nur einen mit zwölf, acht und noch mal zehn Tonnen, Wolgast eingenommen.

Das Problem, das wir zusätzlich haben, ist, wir sagen, wir können auf die privaten Schleppkapazitäten zurückgreifen. Aber das ist überhaupt nicht der Fall. Ich sagte schon, die vier Schlepper, die seetüchtig sind, werden bei solchen Wetterlagen in Kiel-Holtenau gebraucht, zwingend für den Nord-Ostsee-Kanal, und die werden auch in Lübeck gebraucht für die Fähren. Und dann kommt noch hinzu, dass jeder Seeverkehr, nehmen wir mal Rostock,

dass alle Fähren, die ja hochbortig sind, bei schlechtem Wetter, auch schon bei mehreren Windstärken, auf einen Schlepper nicht mehr verzichten können. Das heißt, wenn wir einen Katastrophenfall haben, steht bei so einer Wetterlage wie am Wochenende kein Schlepper zur Verfügung. Die „Scharhörn“ kann nicht schleppen. Und ehe wir aus der Nordsee – da kann im übrigen auch was sein – eins von den beiden Mehrzweckschiffen heranholen, vergehen mindestens 8, 16, mindestens 20 Stunden, bis diese im Bereich Rostock sind. Dann sind sie aber noch nicht mal am Unfallort. Dann können wir noch mal acht Stunden dazurechnen und jeder kann sich ausrechnen, dass dann nichts, aber gar auch nichts mehr zu retten ist im Bereich Rügen bis Swinemünde.

Darf ich noch eine Frage stellen?

(Caterina Muth, PDS: Nein.)

Wie lange würde beispielsweise ein Schlepper von Gedser bis in die Oderbucht brauchen bei einer Schlechtwetterlage?

(Minister Till Backhaus: Das hat er doch schon gesagt.)

Denn es ist ja auch erwähnt worden durch den Minister, dass von Gedser...

Das kommt immer darauf an, zum Beispiel auf deren Größe. Bei einer Schlechtwetterlage, nehmen wir mal Windstärke 6 bis 7 an, wird er von Gedser bis zur Oderbucht mindestens neun bis zehn Stunden benötigen. Damit muss man rechnen. Und auch das ist ein Problem. Deswegen wäre es ja ideal, wenn das geplante Schiff ein Mehrzweckschiff wird und wir es in einen deutsch-polnischen Vertrag mit hineinbekommen würden, dass dieses Schiff dann in Swinemünde stationiert wird, so dass diese ganze kritische Region, also bis nach Danzig, mit abgedeckt werden könnte, denn die Polen haben nichts. Und auch das, was an der polnischen Küste passiert, ist für unsere Region bei entsprechender Windlage, Nordost, eine akute Bedrohung.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Thomas.

Ums Wort hat noch einmal der Umweltminister gebeten. Bitte sehr.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, man hat mir zwar gesagt, es hört niemand zu,

(Heiterkeit bei den Abgeordneten)

aber ich will dann doch noch etwas zu den Ausführungen sagen.

Also erst einmal herzliche Gratulation, Herr Thomas, zu der Sachkunde, mit der Sie das hier vorgetragen haben. Das war für mich erstens beeindruckend, ich hätte fast gemeint, Sie sind Berater der Expertenkommission gewesen,

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

und ich denke, wir können...

(Wolfgang Riemann, CDU: Das war ironisch gemeint.)

Nein, das wurde zum Ausdruck gebracht. Ironie machen wir an der Theke, Herr Riemann.