Protocol of the Session on February 2, 2000

Nein, das wurde zum Ausdruck gebracht. Ironie machen wir an der Theke, Herr Riemann.

Also ich denke, dass Sie zum Ausdruck gebracht haben, wie sachkundig Sie sind. Ich stelle allerdings noch einmal fest, wie in meiner Rede auch, wir sollten die Wertungen der Expertenkommission abwarten. Und eine Befassung in den Ausschüssen oder im Umweltausschuss, ich wäre sehr dafür, dass wir darüber reden, ich weiß bloß noch nicht, mit welchem Ergebnis, weil Mecklenburg-Vorpommern so etwas natürlich nicht für sich beschließen kann, aber eine Diskussion darüber, in welcher Form, würde ich für sehr sinnvoll erachten.

Was die Bewertung der Schleppkapazität betrifft, da kann man sicherlich unterschiedlicher Auffassung sein. Ich habe hier die Bewertung vorgetragen, die wir in unserem Hause haben im Zusammenwirken mit den anderen Ländern.

Zur Küstenwache Ostsee habe ich mich schon einmal geäußert. Ich halte es für zweifelhaft, dass mit einer solchen neuen Struktureinheit die Effekte erzielt werden, wie Sie es wollen. Vielmehr käme es darauf an, das Zusammenwirken der verschiedenen Behörden zu organisieren.

Jetzt mögen Sie sagen, das gelingt nie, wenn man das nicht militärisch straff macht. Dann muss ich aber daran erinnern, und das als Viertes, wir haben eine Bundesrepublik, die föderal, sozusagen, verfasst ist. Und nicht nur an dieser Stelle, sondern an vielen andern Stellen steht dann die Frage, wie wir damit umgehen. Und das ist ja bisher auch sehr heftig diskutiert worden. Vieles von dem, was Sie aufgelistet haben, unterstreiche ich in der Sache, aber Sie wissen ganz genau, dass manches sehr dagegen spricht. Und wenn ich erlebt habe, dass allein die Umsetzung von EU-Richtlinien daran scheitert, dass die Länder und der Bund sich um Kompetenzen streiten, wer was abgeben muss, wenn die anderen eine Kompetenz mehr bekommen, dann habe ich das dumme Gefühl, wir werden hier auch deshalb eine sehr schwierige Diskussion haben.

Lassen Sie mich ein Letztes sagen: Seit ich im Amt bin, habe ich mich daran gewöhnt, auch die Frage stellen zu müssen: Wer soll das bezahlen? Und das, was Sie an Forderungen aufgemacht haben, wenn ich die Finanzministerin – oh, sie ist nicht da – sozusagen anschauen würde,...

(Zuruf von Georg Nolte, CDU – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Herr Nolte, dass ausgerechnet Sie als Vorsitzender des Finanzausschusses diesen Einwurf machen, das ist wirklich grotesk.

... da würde ich deutlich sagen, diese Umsetzung würde Belastungen für den Haushalt des Landes Mecklenburg-Vorpommern betreffen, die sehr, sehr weitreichend wären. Ich würde mir wünschen, dass wir dieses Geld für den Umweltschutz in der Ostsee erübrigen könnten. Ich sehe aber große Schwierigkeiten, das tatsächlich umzusetzen. In der Sache folge ich Ihnen gerne. Der Sicherheitsstandard müsste erhöht werden. Und dafür werden wir alles tun. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und Reinhardt Thomas, CDU)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Muth von der PDS-Fraktion. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts der jüngsten Havarien der „Pallas“ und der „Erika“ erübrigt es sich wohl an dieser Stelle, länger zu argumentieren oder argumentieren zu müssen, dass von der Schifffahrt auf der Nord- und Ostsee eine echte Gefährdung ausgeht. Ich denke, da sind wir uns alle einig. Zwar sind die tatsächlichen Auswirkungen der letzten Ereignisse noch gar nicht ganz abzuschätzen, aber Beteiligten sowie Beobachtern ist klar, dass es Handlungsbedarf gibt, und das nicht erst seit heute.

Der Minister hat in seinem Beitrag darauf hingewiesen, dass seitens des Landes und des Bundes schon umfangreiche Anstrengungen unternommen wurden, um ein funktionierendes Sicherheitssystem zu entwickeln, damit die Schifffahrt weniger gefährlich wird oder bleibt. Darüber hinaus sind weitere Regelungen zur Erhöhung der Sicherheit notwendig. Hier wurde ja schon umfangreich argumentiert.

Nehmen wir nur einmal, um mal wieder ein paar Beispiele zu bringen, den Organisationsablauf der Einsatzleitgruppe. Der Minister erwähnte, dass es den Zentralen Meldekopf gebe, der im Havariefall alle notwendigen Informationen an die Sonderstellen des Bundes und der Länder gebe, die dann wiederum alle notwendigen Maßnahmen veranlassen. Das ist theoretisch klar. Die Vergangenheit zeigt aber, dass es bei der Koordinierung zwischen den Einrichtungen des Bundes und der Länder einige Unstimmigkeiten gegeben hat. Hier ist die Regierung aufgefordert, sich beim Bund für eine klar definierte Kompetenzverteilung stark zu machen, die die Handlungsspielräume der Länder nicht weiter einschränkt.

Meine Damen und Herren, ein Grundanliegen unseres Antrages ist es natürlich auch, unserer Regierung den Rücken zu stärken bei der Verhandlung mit der Bundesregierung. Einiges können wir auf Landesebene zur Erhöhung der Sicherheit des Schiffsverkehrs auf der Ostsee beitragen. Vielfach sind es jedoch internationale Abkommen und Verträge wie das Helsinki-Abkommen, die die Qualität der Schifffahrt regeln. Deshalb erteilen wir unserer Landesregierung den Auftrag, sich in Berlin dafür stark zu machen, dass die Bundesrepublik auf die Weiterentwicklung internationaler Vereinbarungen im Sinne höherer Sicherheit drängt.

Lassen Sie mich einige kurze Forderungen benennen:

1. zügige Fertigstellung des sich auf Initiative der IMO in der Entwicklung befindenden Verkehrsleit- und Meldesystems auf die Schiffsrouten durch Nord- und Ostsee,

(Präsident Hinrich Kuessner übernimmt den Vorsitz.)

2. Erhöhung der Sicherheitsanforderungen nach Umweltschutzmaßstäben an Frachtschiffe, wie sie für Ölund Chemikalientanker gelten Das fängt bei der technischen Ausrüstung an, etwa der Notwendigkeit einer Hilfssteuerung und einem zweiten Kompass, bis hin zur Pflicht von ausreichendem Seekartenmaterial. Auch das ist heute immer noch ein Problem. Nicht zu glauben!

3. Neben der Erhöhung der Anforderungen bei der technischen Bauweise, beispielsweise der Bau kleinerer

Tankkammern, darauf wurde heute schon hingewiesen, sind die Bestimmungen für die Zulassung von Schiffsbesatzungen zu verschärfen. Und darüber reden wir nun schon seit Jahren. Der Preiskampf im Schiffstransportverkehr bringt beim Fehlen entsprechender Mindestanforderungen die sogenannten Billigflankenschiffe hervor, deren Besatzungen ohne die erforderliche Ausbildung gefährliche Lasten transportieren. Hinzu kommen, und das wissen wir alle, Kommunikationsprobleme, die durch die Vielsprachigkeit der Mannschaft bedingt sind. Hier sehen wir weiterhin dringenden Handlungsbedarf.

4. Eskortpflicht – zum Beispiel für Schiffe mit besonders gefährlicher Ladung Es ist im Rahmen des Helsinki-Abkommens und seiner Weiterentwicklung zu überprüfen, welche Kriterien die Pflicht zur Begleitung eines Tankers oder sonstiger Frachtschiffe rechtfertigen.

5. Für den geplanten Neubau eines Ölbekämpfungsschiffes für die Ostsee am Standort Rügen ist seitens des Bundes zu prüfen, ob es sinnvoll ist, das Schiff mit der Eignung zum Schleppen auszustatten. Bei uns vorhandene eigene Schlepperkapazitäten – auch darauf wurde schon hingewiesen – haben meist nur einen Pfahlzug bis zu 20 Tonnen. Alle Schlepperleistungen, die darüber hinaus benötigt werden, müssen wir von in der Ostsee stationierten Schleppern holen oder aus Dänemark anfordern. Darüber gibt es Verträge, das funktioniert bisher, aber angesichts der geplanten Errichtung von Ölterminals im Baltikum und der massiven Förderung nordrussischer Erdöl- und Erdgasvorkommen erscheint es notwendig, eigene Schlepperkapazitäten zum Beispiel mit 100 Tonnen Pfahlzug vorzuhalten.

Ich könnte die Aufzählung von Ideen fortsetzen, die unserer Ansicht nach geeignet wären, den Schiffsverkehr in der Ostsee sicherer zu machen. Denken wir an das Anlaufverbot für Schiffe, die den Sicherheitsstandards nicht genügen, oder an die Idee einer Verankerung der Pflicht, Schlepperhilfe bei ernsthaften Betriebsstörungen in Anspruch zu nehmen.

Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag der Koalitionsfraktionen, meine ich, ist eine Grundlage für weitere Aktivitäten der Landesregierung gegeben. Jedoch können wir der Intuition des CDU-Antrages hinsichtlich einer Task Force nur insoweit folgen, dass es vernünftig ist, den Einsatz aller Beteiligten effektiver zu koordinieren. Die Kompetenz, in einer Unglückssituation bei Kenntnis der konkreten Lage selbst Prioritäten zu setzen und danach Entscheidungen zu treffen, sollte sich unser Land allerdings nicht nehmen lassen. Insofern lehnen wir die Idee der CDU, alle Einsatzkräfte einem Oberkommando zu unterstellen, ab.

Die Anträge auf der heutigen Landtagssitzung zeigen, dass immer dann, wenn wieder einmal durch ein Schiffsunglück allen vor Augen geführt wird, dass diese Auswirkungen verheerend sind, Politik besonders aktiv wird und die Notwendigkeit weitreichenderer Regeln oder die Durchsetzung schon beschlossener Maßnahmen eingefordert werden. Anhand unserer Vorschläge wird deutlich, dass es uns nicht nur um die hier lang und breit dargelegte Nachsorge und Heilung bei Eintritt eines Ereignisses geht. Nein, vielmehr wird immer klarer, dass auch im Schiffsverkehr das Vorsorgeprinzip konsequenter umgesetzt werden muss.

Dass dieses Prinzip nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich ist, kann am Fall der „Exxon Valdez“ deutlich gemacht werden. Nach der Havarie des Öltankers 1989, bei dem circa 40.000 Tonnen Rohöl den Prince William Sund in Alaska verschmutzten, wurden für die Beseitigung der Ölverschmutzung 2,5 Milliarden Dollar ausgegeben, für die erforderlichen Naturschutzmaßnahmen 900 Millionen Dollar zurückgestellt und 59 Milliarden Dollar stehen alleine für Schadensersatzansprüche im Raum. Allein der einmalige Jahresbetrag der Verzinsung der Mittel für die Reinigung – nehmen wir an bei fünf Prozent – würde ausreichen, die Betriebs- und Unterhaltungskosten der deutschen Ölwehrflotte für 50 Jahre zu decken. Und wenn wir dann noch in Rechnung stellen, dass allein bei den 20 größten Tankerunfällen seit 1979 zwei Millionen Tonnen Rohöl ausgelaufen sind – das ist die fünfzigfache Menge der „Exxon Valdez“ –, ist klar, welcher volkswirtschaftliche und ökologische Schaden hier entstanden ist.

Ich denke, allein diese Zahlen sind Ausdruck dafür, dass wir dringenden Handlungsbedarf haben. Und die Katastrophe des Tankers „Erika“ – dort waren wir ja in erster Linie Beobachter – zeigt uns, dass wir alles dazu tun sollten, dass wir nicht zukünftig Beteiligte sind, gerade in unserem sensiblen Raum. In diesem Sinne bitte ich Sie um die Zustimmung zum Koalitionsantrag.

Lassen Sie mich noch kurz auf den CDU-Antrag eingehen. Den CDU-Antrag lehnt die PDS-Fraktion aus verschiedenen Gründen ab und wir sind auch nicht für eine Überweisung.

(Unruhe bei der CDU – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Erstens habe ich schon gesagt, wo wir uns inhaltlich von der CDU unterscheiden, nämlich bei dem von Herrn Thomas sehr militanten Anspruch, den er hier formuliert hat. Da haben wir einfach andere Ansätze.

(Unruhe bei der CDU – Zuruf von Georg Nolte, CDU – Glocke des Präsidenten)

Zweitens denken wir, dass die anderen Punkte Ihres Antrages im Koalitionsantrag gefasst sind.

Drittens denke ich, dass mit diesem Antrag der Handlungsauftrag an die Regierung klar ist.

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Georg Nolte, CDU: Bei der nächsten Havarie ist großes Geschrei. – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Im Übrigen können wir uns nach den Kommissionsempfehlungen auch im Ausschuss weiter mit dem Thema befassen.

Und an Herrn Thomas gerichtet, der, wie der Minister selber feststellte, hier sehr ausführlich und beeindruckend zum Thema gesprochen hat: Eins hat mich bei seiner Rede wirklich nachdenklich gemacht, und zwar ob die Erkenntnisse, die er hier alle dargelegt hat, was man denn alles tun müsste, erst jetzt gekommen sind

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

oder ob Sie diese Erkenntnisse schon hatten, als Sie in der Regierung waren und hätten handeln müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Entweder haben Sie in der Opposition so viel Zeit gehabt, dass Sie jetzt klüger geworden sind, ansonsten kann ich mir nicht erklären, warum Sie vorher in diesem Bereich nicht aktiver gewesen sind. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Zuruf von Bärbel Kleedehn, CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Klostermann von der SPD-Fraktion. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue mich, dass wir uns diesem Thema widmen, was ein sehr ernstes ist. Ich freue mich auch über die weitgehende Übereinstimmung der Ansichten.

Die tiefgehende Analyse des Abgeordneten Thomas haben wir zur Kenntnis genommen. Wir haben die Ansätze der beiden Anträge zur Kenntnis genommen. Und sachlich inhaltlich, glaube ich, ist jetzt nichts mehr hinzuzufügen, selbst wenn man noch dieses oder anderes an Beispielen – auch vor unserer Küste – an Fehlverhalten, an navigatorischem Fehlverhalten und anderem, aufführen könnte. Ich möchte darauf verzichten.

Ich möchte noch mal hervorheben, dass es aus meiner Sicht in erster Linie immer noch die zentrale Frage ist: Bin ich navigatorisch auf dem richtigen Dampfer und mit dem richtigen Personal am richtigen Ort gut vorbereitet? Und das ist eine Frage, die nicht erst seit den Irrfahrten des Odysseus in der Seefahrt zu Hause ist, sondern man musste sich immer schon bestimmten Regeln und natürlichen Gegebenheiten anpassen. Da dieses heute oft nicht passiert, müssen wir es einfordern, wir müssen es anprangern und wir müssen versuchen, das zu ändern.

Ich denke auch, dass die „Pallas“, oder besser gesagt, das Wrack der „Pallas“, was nun am Rande des Nationalparkes Wattenmeer liegt, ein Mahnmal ist für Jahrzehnte oder länger und dass dieses Mahnmal uns immer wieder darauf aufmerksam machen muss, welche Gefährdung Natur und Menschen im Küstenraum erleiden können und unter welchem Damoklesschwert wir stehen.

Wenn ich davon ausgehe, dass diese Übereinstimmung hier im Hohen Hause – wir haben ja die Öffentlichkeit heute hergestellt, was unser Recht ist, was unsere Pflicht ist – besteht, dann sehe ich auch keinen Grund, warum die CDU-Fraktion dem Antrag von SPD und PDS nicht zustimmen könnte. Ich meine, dass wir der Regierung nicht die Arbeit abnehmen können, indem wir in einem Ausschuss oder im Parlament ein Sicherheitskonzept erstellen. Konzeptionelles Arbeiten ist Aufgabe der Administration. Wir haben uns eingemischt, wir haben die Landesregierung verstärkt ermuntert, bestärkt und damit ist aus meiner Sicht unsere Aufgabe zunächst erfüllt.

Wir sollten uns jetzt nicht wochenlang in den Ausschüssen mit dem Grobecker-Bericht beschäftigen oder vielleicht noch vorher, sondern wir sollten uns durchaus informieren lassen durch den Umweltminister, kritisch diese Ergebnisse in den Ausschüssen betrachten – ich denke natürlich in erster Linie an den Umweltausschuss –, uns das vorstellen lassen und dort hinterfragen. Aber im Moment, meine ich, ist uns und der Sache besser gedient, wenn wir heute zu einer Abstimmung kommen. In diesem Sinne ist die Intention. Alle anderen Dinge zur Begründung habe ich hier eigentlich schon im ersten Redebeitrag ein

gebracht. Seitens der SPD-Fraktion werden wir den CDUAntrag ablehnen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.