Protocol of the Session on May 22, 2019

Stimmen Sie also unserem Antrag zu, den deutschen EU-Beitrag nicht zu erhöhen, sondern, wenn möglich, zu senken und eine Reduzierung des EUHaushalts anzustreben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Frau Oelschläger. – Herr Ilkhanipour, bitte, Sie haben nun das Wort für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kollegen der AfD, Sie bringen mich in die Verlegenheit, mich bei Ihnen entschuldigen zu müssen. Das zeigt, man ist selbst nicht vor Vorurteilen gefeit. So habe ich Sie bisher für ein One-Trick Pony gehalten und dachte, Sie könnten nur ein Thema so schön populistisch verpacken. Aber anscheinend sind Sie breiter aufgestellt und schaffen unseriöse Politik auf den verschiedensten Feldern.

(Beifall und vereinzelt Heiterkeit bei der SPD)

Nur damit ich Sie richtig verstehe: Sie fordern uns also mit dem Antrag auf, den Senat aufzufordern, dass dieser die Bundesregierung auffordert, dass diese sich nach der EU-Wahl für eine Haushaltskürzung im EU-Haushalt einsetzt. Ich frage mich manchmal, ob Ihre Leute eigentlich wissen, was Sie für Anträge stellen, zumal Ihre Bundestagsfraktion diesen Antrag hätte stellen können, wenn er ihr selbst nicht so unangenehm wäre, wahrscheinlich weil er schon fachlich unterirdisch ist und lediglich Rechtschreibfehler das hätten toppen können.

Aber immerhin, er ist politisch spannend, da er so entlarvend ist. So zeigt sich doch exemplarisch, dass Ihr rechter Zusammenschluss nicht funktioniert. Irgendein Land first, wir gegen die, hat eben Konsequenzen. Und während Sie den Brexit und den vermeintlichen Erfolg Ihrer Parteifreunde feierten, stellen Sie nun ernüchtert fest, dass dies Konsequenzen hat, und zwar auch finanzielle; willkommen in der Realpolitik, verehrte Kollegen. Daher fordern Sie, pragmatisch, wie Sie sind, kurzerhand den Haushalt zu senken. Bedenkt man allerdings die stetig wachsende Bedeutung der EU, vor allem angesichts der zahlreichen neuen Herausforderungen wie zum Beispiel Migration und Sicherheit, Themen, die Sie sonst auch so gern anführen, ist es doch unerlässlich, die EU finanziell angemessen auszustatten. Auch hier zeigt sich im Übrigen Ihre bestenfalls widersprüchliche, wohl aber eher scheinheilige Politik, Defizite bei den obigen Themen anzuprangern und bei erstbester Gelegenheit der EU die notwendigen Mittel zur Lösung dieser zu entziehen. Aber keine Sorge, auch das wird durchschaut. Zudem erwähnt Ihr Antrag mit keiner Silbe die weiteren Themen, die in Angriff genommen werden müssen, zum Beispiel Energie, Klimapolitik oder Digitalisierung. Auch das kostet. Und Sie vergessen scheinbar, dass gleichzeitig die traditionellen Aufgaben der EU wie gemeinsame Agrarpolitik, Kohäsionspolitik sowie die Förderung von Forschung und Innovationen nicht vernachlässigt werden dürfen. Sie begreifen also, Ihr Antrag geht fehl an dieser Stelle. Zudem ignorieren Sie

(Andrea Oelschläger)

komplett, dass aufgrund der Tatsache, dass auch künftig alle Regionen der EU förderungsfähig sind, auch Hamburg davon sehr stark profitiert – übrigens Fakten, die auch die Brexiteers ihren Landsleuten regelmäßig verschwiegen haben, also ähnliche Methoden. Und auch die anderen Petita Ihres Antrages machen politisch nur wenig Sinn.

Ich versuche es einmal zu erklären. Ziel der Kohäsionspolitik der EU ist es, Konvergenz voranzutreiben, wirtschaftliche, soziale und regionale Unterschiede in den Mitgliedsstaaten in Europa zu verringern. Das macht auch Sinn, denn gerade im Hinblick auf die laufenden Wirtschaftsreformen in den Mitgliedsstaaten zu unterstützen, spielt dies eine wichtige Rolle.

(Beifall bei Martin Dolzer DIE LINKE)

Vielen Dank.

Wenn man jetzt also schauen will, welche Mitgliedsstaaten und Regionen wirtschaftlich und strukturell zurückliegen, um diese beim Aufschließen an den Rest der EU zu unterstützen, bleibt das relative Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt das wichtigste Kriterium. Für die Mittelvergabe werden künftig jedoch weitere Faktoren wie Arbeitslosigkeit, Jugendarbeitslosigkeit, Klimawandel und die Aufnahme von Flüchtlingen und Integration dieser berücksichtigt werden. Die Wohneigentumsquote, wie Sie fordern, als Maßstab einzubeziehen, ist allerdings aufgrund des nicht ansatzweise vergleichbaren Umgangs mit Wohnungseigentum kein geeigneter Maßstab, denn nationalspezifische sowie historische und auch kulturelle Faktoren beeinflussen diesen und lassen vor allem keine Rückschlüsse auf die strukturelle Entwicklung einer Region zu – könnten und müssten Sie eigentlich wissen. Tun Sie wahrscheinlich auch; das ist ja das Schlimme.

(Beifall bei Michael Westenberger CDU)

Kurzum, Ihr Antrag ist ein reiner Stammtischantrag, der zudem fachlich unsinnig ist und teilweise Ihrer eigenen Programmatik widerspricht. Er ist abzulehnen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und ver- einzelt bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Ilkhanipour. – Für die CDU-Fraktion erteile ich nun Herrn Westenberger das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Oelschläger, aus meinem Respekt vor Ihnen als Abgeordnete werde ich mich jetzt daran halten, nicht alles, was Sie gesagt haben, zu würdigen. Aber hier zu sagen, dass das Bundeskanzleramt bereits 14 Milliarden Euro in Aussicht gestellt habe – das werden Sie nie belegen können. Das ha

ben Sie sich entweder ausgedacht oder Sie tratschen etwas weiter, was Sie gehört haben; das ist auf jeden Fall eine politische Lüge.

Bevor ich weiter auf das eingehe, was Sie gesagt haben, würde ich gern den verfassungsrechtlichen Ausflug des Kollegen Ilkhanipour fortsetzen. Wir sollen also in die Haushaltsautonomie des Bundestags eingreifen, und zwar über das Mittel Bundesrat. Sie haben Juristen in Ihren Reihen, die hätten Sie fragen können, und davon gehe ich auch aus; der Fraktionsvorsitzende wird den Antrag ja gezeichnet haben. In Artikel 109 Absatz 1 Grundgesetz – das ist gar nicht so schwer zu lesen – steht:

"Bund und Länder sind in ihrer Haushaltswirtschaft selbstständig und voneinander unabhängig."

Und dann gibt es diesen alten Satz der juristischen Ausbildung: Wenn ich nicht weiter weiß, lese ich einfach weiter.

(Heiterkeit bei Michael Kruse FDP und Ger- hard Lein SPD)

Nach Artikel 110, das ist eine Norm weiter, wird der Haushaltsplan der Bundesregierung auch dem Bundesrat übermittelt. So weit sind Sie noch realitätsnah. Und jetzt kommt es dicke: Der Bundesrat hat nämlich nur ein Einspruchsrecht und kein eigenes Initiativrecht. Ist auch logisch, denn die Königsdisziplin, das Haushaltsrecht des Bundestags, kann natürlich schwerlich von dieser Landesregierung, möge sie auch noch so schwach besetzt sein im derzeitigen Falle,

(Beifall bei der CDU und bei Jennyfer Dutschke FDP – Heiterkeit bei den GRÜ- NEN)

betroffen werden.

Kurzum: Wenn Sie das jetzt erst erkannt haben, sind Sie sichtlich und peinlich berührt. Das sehe ich. Aber ich gehe davon aus, dass zumindest einige in Ihren Reihen genau wissen, welches Spiel Sie hier betreiben. Sie wollen doch nur eins, die vermeintlichen Altparteien – mögen sie altklug sein, aber auch ein gewisses Wissen beherbergen durch ihre langjährige Erfahrung – vorführen mit der Argumentation: Wir, die Retter des Hamburger Steuerzahlers, haben es nicht geschafft, die Altparteien davon abzuhalten, in der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes die Interessen der Hamburger Steuerzahler zu sichern. Das mag auf den ersten Blick unglaublich erfolgreich sein, dabei ist es, bitte genehmigen Sie mir das Wort, dämlich, politisch so unglaublich dämlich, weil es so unglaublich leicht zu durchschauen ist.

Was ich allerdings geschmacklos finde, ist, dass Sie zum zweiten Mal in diesem Haus die Bürgerschaft dafür instrumentalisieren wollen, um nach außen hin zu zeigen: Seht ihr, liebe Bevölkerung, die großen Parteien – oder die vermeintlich

(Danial Ilkhanipour)

großen – in diesem Haus, die hier schon länger sitzen, sind grundsätzlich gegen die Interessen Hamburgs. Sie haben das vor zwei Wochen probiert mit Ihrem auch handwerklich ausgesprochen unfertigen Antrag zu der Städtepartnerschaft mit Israel; da haben Sie ebenfalls versucht, das Haus vorzuführen. Ich finde das unschicklich, unsittlich und eigentlich auch mit der Würde dieses Hauses unvereinbar. – Ich bedanke mich, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN und der FDP)

Herr Westenberger, auch wenn Sie mit den Augen zwinkern, sollten Sie sich gleichwohl an den parlamentarischen Sprachgebrauch halten.

Herr Müller, Sie haben nun das Wort für die GRÜNE Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist schon ein bisschen etwas dazu gesagt worden, warum wir uns in der Hamburger Bürgerschaft um das Haushaltsrecht des Bundestags kümmern sollten. Darüber kann man lange diskutieren. Ich habe das Gefühl, Sie haben hier sehr bewusst ein paar Tage vor der Europawahl diesen Antrag vorgelegt, um einfach noch einmal das Thema "Deutschland first" aufzumachen. Und ich sage Ihnen ganz offen, ich finde, in diesem Punkt handelt die Bundesregierung richtig. Sie sagt: Wir können uns vorstellen, einen Teil der Lücke, die der Brexit reißen wird, zu schließen. Das machen wir als Angebot, geben es einmal hinein in die Gemeinschaft. Aber sie hat auch sehr deutlich gesagt, dass natürlich aufgabenkritische Kürzungen im Raum stehen und überhaupt nicht im Raum steht, dass wir alles kompensieren. Und was ich am besten finde – und das finden Sie gerade nicht so gut –, ist, dass sie mögliche Zuwächse bei der deutschen Zahlung nach Brüssel davon abhängig macht, ob wir die Rechtsstaatlichkeit in Polen und in Ungarn und in Rumänien … Und da werden ja vielleicht noch ein paar andere Dinge sein. Davon machen wir es abhängig, ob ein Cent mehr gezahlt wird und dorthin fließt. Denn das wäre dann tatsächlich nicht mehr nachvollziehbar: dass wir in Deutschland etwas ausgleichen, damit die Zahlungen an die Empfängerländer stabil bleiben, sich gleichzeitig aber an die anderen Regeln, was die Solidarität betrifft, dann nicht gehalten wird. In diesem Punkt unterstütze ich die Bundesregierung, dass dieser Kurs weitergefahren wird.

Und dazu gehört auch die Solidarität bei der Geflüchtetenpolitik in Europa. Wir wissen, dass es die gleichen Länder sind, die sehr gern bei der Solidarität – dem Agrarfonds, der Kohäsion und was auch immer – die Hand aufhalten, aber wenn es dann zu anderen Themen kommt, sagen: Nein

danke, lieber nicht. Da gehören sie dann nicht mehr zu Europa. Das finden wir nicht gut, und wir finden es richtig, dass wir das mit dem EU-Haushalt in Zukunft verbinden. Und das geht nur politisch, wenn man sagt: Wir haben da auch etwas zu verteilen, und wer davon etwas haben und profitieren will, muss sich in Zukunft an die Regeln halten. So. – Es kann auch einmal geklatscht werden; ja.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir GRÜNE sind starke Freunde davon und haben es durchaus in den Raum gestellt, angesichts der Herausforderungen, vor denen Europa steht, zu überlegen, ob Europa nicht auch eigene Steuern erheben sollte. Wir haben das Stichwort Digitalsteuer gehabt. Wir haben seit Jahren das Stichwort Finanztransaktionssteuer, wo wir auch nicht vorankommen. Und ich sage Ihnen: Wir müssen nicht immer nur über mehr und Kürzungen reden. Wir müssen auch einmal darüber reden, dass wir nicht unterschiedliche Unternehmenssteuern in Europa haben. Dass wir nicht die Situation haben, dass Apple keine Steuern in Dublin zahlt und Dublin, obwohl der EuGH gesagt hat, diese 13 Milliarden Euro müssen jetzt bezahlt werden, sagt, nein, wir wollen die gar nicht haben, aber gleichzeitig sagt, wir haben aber auch nichts gegen Geld aus dem EU-Haushalt. Also ich finde, das geht so nicht mehr. Das ist den Bürgerinnen und Bürgern auf diesem Kontinent nicht länger zu erklären.

Das ist der Punkt, wo wir gesagt haben: Wir wollen das neue Europa bauen. Wir müssen die Schwachstellen, die wir haben – weil wir eben noch nicht fertig sind, aber auf dem Weg sicherlich zu dem Besten, das wir hier hatten in Europa –, angehen, damit wir weiter glaubwürdig bleiben bei den Freundinnen und Freunden, die Europa hat. Da müssen wir ran und diese Baustellen richtig angehen und versuchen, sie mit möglichst vielen in Europa zu lösen. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank Herr Müller. – Herr Dolzer, Sie haben nun das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Dieser Antrag der AfD zeigt, dass ihre Lösungsideen für die in der EU zum Teil existierenden Probleme populistisch und gefährlich sind. Faktisch möchte die AfD offensichtlich die Zerstörung der EU durch eine immer stärkere Orientierung auf nationalstaatliche Egoismen vorantreiben. Wenn wir uns nämlich gerade die Haushaltsverhandlungen der EU 2021/2027 anhören, da wurde es thematisiert, was für ein Problem das ist, dass durch den Brexit Haushaltsmittel wegfallen. Und wenn man sieht, dass die EU in einer Krise ist, in der gerade schwache Regionen abgehängt werden, dann noch zu

(Michael Westenberger)

sagen, dass die Haupteinzahler, und darunter eben auch die Bundesrepublik, weniger einzahlen sollen,

(Dirk Nockemann AfD: Wir müssen doch alle sparen!)

wo darum gerungen wird, was überhaupt aus den zu wenigen Mitteln gemacht wird, ist zynisch und zulasten aller Menschen in der Bundesrepublik und in der EU. So darf nicht Politik gemacht werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist doch genau der Kohäsionsfonds, es ist doch der Europäische Sozialfonds, der Landwirtschaftsfonds ELER, der Strukturfonds EFRE, durch die die schwächeren Volkswirtschaften überhaupt gestützt werden und wir die EU zusammenhalten können. Wenn wir die jetzt noch an weitere Kriterien knüpfen, weil wir den Haushalt insgesamt kürzen, weil wir denken, Germany first … Das ist der völlige Unfug und volkswirtschaftlich der Bankrott der EU. Sie wollen die EU so in den Ruin treiben. Das darf so nicht passieren.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN – Dr. Alexander Wolf AfD: So ein Unsinn!)

Da könnte ich mich wirklich ärgern, was für ein volkswirtschaftlicher Unfug das ist, den Sie da machen. Es wurde schon gesagt, die Haushaltshoheit liegt beim Bundestag. Die Logik, die dahinter ist, ist völliger Unfug.

Und dann noch zu sagen, Deutschland solle jetzt weniger einzahlen. Deutschland ist momentan einer der Hauptprofiteure der Europäischen Union. Wir haben Exportüberschüsse, weil wir durch Deregulierung und Agenda 2010 Lohnkosten und Produktionskosten drücken konnten, und viele Länder im Süden haben Importüberschüsse, aus diesem Grund. Deutschland profitiert. Das wissen wir. Deshalb ist die EU in Deutschland auch akzeptierter als anderswo. Und die Bevölkerungen reagieren unterschiedlich darauf. In Italien zum Beispiel damit, dass in der Krise Rechtspopulisten gewählt worden sind. Und Sie wollen genau das weiter befördern, damit Sie immer weiter sagen können: