Protocol of the Session on May 8, 2019

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Stöver. – Frau Duden, Sie haben nun für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, liebe ausgewählte Anwesende! Herzlichen Glückwunsch zur Schuldebatte des heutigen Tages. Diese Anmeldung befremdet doch etwas, denn man konnte schon aus der Zeitung erfahren, dass wir über den Schulfrieden reden. Aber dank dieser geradezu überaktiven Öffentlichkeitsarbeit, man könnte das auch Durchstecherei nennen, kann ich betonen, dass das Thema der inneren und äußeren Differenzierung auf dem Wunschzettel einiger Verhandler dieser Gruppe steht. Und deshalb finde ich eigentlich …

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Das ist hier der falsche Ort, Frau Du- den!)

Sie sollten nicht über falsche Orte reden.

(Zuruf von Anna-Elisabeth von Treuenfels- Frowein FDP)

Nein, wirklich, Sie nicht.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb muss man doch noch einmal sagen, dass die innere und äußere Differenzierung im Forderungskatalog durchaus enthalten ist. Und da bleibt es völlig unverständlich, dass wir diese Diskussion führen, die im Wesentlichen rückwärtsgewandt war, denn das ist nicht die Schulpolitik dieser Stadt, sondern das war so ein bisschen Resterampe von dem, was man immer einmal sagen wollte. Also das, muss ich ehrlich sagen, ist der Blick in die Vergangenheit gewesen und dient der Zukunft der Hamburger Schulpolitik überhaupt nicht.

(Beifall bei der SPD und bei Olaf Duge GRÜNE)

Zumal es auch deutlich wird, wenn man sich die Antworten der Großen Anfrage durchliest, dass die CDU, die immer wieder diesen KMK-Beschluss von 1994, der dann 2004 noch einmal oder 2014 noch einmal revidiert wurde … dass sich die CDU da eigentlich schrecklich vertan hat, weil es eben auch in diesem KMK-Beschluss den Hinweis gibt, dass man immer anders verfahren kann, wenn es denn die demografischen oder schulstrukturellen Gründe gibt, die in Hamburg eindeutig vorliegen. Hamburg hat hier die Aufgabe, auf diese Besonderheiten zu reagieren. Das ist gute, vorausschauende Schulpolitik.

(Beifall bei der SPD)

Ich will noch einmal eine Bemerkung machen für die Historiker unter uns. Es ist im Übrigen ein gängiges Verfahren, das noch vor 2011 genau auch so angewandt und danach gehandelt wurde. Und was ich überhaupt nicht verstanden habe, ist, dass wir, die wir die Anmeldezahlen für Stadtteilschulen und Gymnasien doch alle noch im Kopf haben, weil das noch gar nicht so lange her ist, dass die verkündet wurden, erkannt haben, dass die Stadtteilschulen die Nase vorn haben. Deshalb sage ich Ihnen, diese Anmeldezahlen machen deutlich, dass es die Eltern und Schüler in dieser Stadt verstanden und begriffen haben, was Stadtteilschulen für eine Aufgabe haben.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blö- meke GRÜNE)

Deshalb nehmen wir diese Große Anfrage zur Kenntnis, und wir werden sie nicht überweisen.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blö- meke GRÜNE und Nebahat Güçlü fraktions- los)

Vielen Dank, Frau Duden. – Für die GRÜNE Fraktion erhält jetzt Herr Duge das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich einmal meine Freude zum Ausdruck bringen, dass bei der An

(Birgit Stöver)

melderunde in diesem Jahr die Anmeldezahlen für die Stadtteilschulen und die Gymnasien fast gleich groß waren. Und ich finde, dass damit die Elternschaft die Stadtteilschulen ebenso anerkannt hat wie auch die Gymnasien. Von einem Alarmzeichen, von dem in der Großen Anfrage der CDU die Rede ist, von einem Alarmzeichen für die Arbeit der Stadtteilschulen kann meines Erachtens überhaupt nicht die Rede sein.

(Beifall bei der SPD und bei Farid Müller GRÜNE und Nebahat Güçlü fraktionslos)

Im Gegenteil muss man eines doch festhalten, und Frau Duden hat das eben schon angesprochen, in der Breite der Elternschaft sind die Stadtteilschulen angekommen. Und das ist, denke ich, ein großes Lob für die Arbeit der Lehrkräfte und des nichtpädagogischen Personals in den Stadtteilschulen, denen es zu verdanken ist, dass diese Stadtteilschulen diese Anerkennung bekommen haben.

"Die Stadtteilschule ist dem Grundsatz des gemeinsamen Lernens verpflichtet und vermittelt den Schülerinnen und Schülern eine grundlegende und vertiefte allgemeine Bildung."

So heißt es in der Antwort des Senats auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion.

Die Binnendifferenzierung, also insbesondere die Berücksichtigung der Lernvoraussetzungen und der Lernentwicklungsstände im gemeinsamen Unterricht, ist aufgrund der heterogenen Zusammensetzung der Schülerschaft in den Stadtteilschulen unverzichtbar. Sie ist Voraussetzung für Unterricht in allen Lerngruppen der Stadtteilschulen. Sonst macht Stadtteilschule keinen Sinn. Und ich möchte die CDU noch einmal darauf hinweisen, Sie haben doch die Stadtteilschulen selbst mit eingeführt und ebenso diese Heterogenität dabei, und da muss Ihnen doch klar sein, dass hier dieses Lernen, auch das mehr individuelle Lernen, ein sehr großes Gewicht hat.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blö- meke und Phyliss Demirel, beide GRÜNE)

Im Gegensatz zur äußeren Differenzierung unterstreicht Binnendifferenzierung viel deutlicher die individuelle Förderung. Das ist es, worum es uns geht. Stadtteilschulen, die erfolgreich binnendifferenziert unterrichten, haben sehr gute Lernergebnisse. Die Schülerinnen und Schüler werden besser gefördert und kommen zu überraschend guten Ergebnissen, wie auch Vergleiche zeigen, wie in der Antwort auf die Große Anfrage zu lesen steht.

Im Gegensatz zur äußeren Differenzierung, bei der schon vor Kennenlernen der Gruppe und der ihr angehörenden Individuen davon ausgegangen wird, dass die Schülerinnen und Schüler alle ungefähr auf dem gleichen Stand seien, also vermeintlich homogen, fällt es dagegen durchaus schwer,

individuelle Angebote zu machen. In weiten Teilen der Bildungsforschung gibt es keinen Zweifel daran, dass Heterogenität und Individualität die Basis für eine differenzierte Unterrichtsentwicklung darstellen. Wir leben außerdem – das muss man noch einmal zusätzlich ergänzen, sehr wichtig – in Zeiten, in denen die Inklusion, liebe Opposition, bei uns eingezogen ist, Gott sei Dank. Wer nach äußerer Differenzierung ruft, hat Inklusion entweder nicht verstanden oder will sie nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Sabine Boeddinghaus DIE LINKE)

Die Realität in einer Großstadt, und das ist das, was demografisch strukturell auch eine Rolle spielt, ist zudem eine andere, es gibt auch auf den Gymnasien keine durchweg homogenen Lerngruppen, schon gar nicht in der Sekundarstufe I. Davon abgesehen können die Schulen nach wie vor selbst entscheiden, wie sie unterrichten, ob sie Außendifferenzierung wählen oder Binnendifferenzierung unterrichten möchten. Wir – und das gilt besonders auch für CDU und FDP – müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich die Fachleute vor Ort, also Schulleitung und Lehrkräfte, in den allermeisten Fällen für die Binnendifferenzierung entscheiden.

Wir GRÜNE sind Freunde, das will ich nicht verhehlen, der selbstverantworteten Schule und vertrauen dieser Kompetenz der Profis an den Schulen. Wenn die Schulen meinen, eine Fachgruppe einteilen zu müssen oder zu wollen, dann können sie das tun.

(Daniel Oetzel FDP: Das ist eine Ressour- cenfrage!)

Mag sein, dass das in dem einen oder anderen Fall sinnvoll ist, und es wird dann auch gemacht. Daraus zu folgern, dass die Binnendifferenzierung die absolute Vorgabe sei, aber nur die äußere Differenzierung das Allheilmittel, ist irreführend. Meine Überzeugung ist, Vielfalt ist die Normalität. Die Annahme, Klassen und Kurse, die ausschließlich mit Kindern mit Rechtschreib- und Matheproblemen besetzt sind, würden gewinnen, erschließt sich mir keinesfalls. Gleiches gilt für leistungsstarke Schülerinnen und Schüler. Auch sie sind nicht in allem gleich stark und leistungsfähig und auch sie verdienen es, in ihrer Individualität gefördert, gefordert und angesehen zu werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Vielen Dank, Herr Duge. – Bitte, Frau Boeddinghaus, Sie haben nun das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Vorsitzende, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir ver

(Olaf Duge)

handeln hier, wie ich hoffe, ein sehr wichtiges pädagogisches Thema, nämlich entscheiden wir als Pädagoginnen und Pädagogen vor Ort – Herr Duge hat das richtig ausgeführt –, wollen wir mit unserer Schülerschaft, die sehr unterschiedlich ist, binnendifferenziert arbeiten, oder wollen wir Kurse implementieren? Ich kann mir vorstellen, dass Sie mir gern jetzt eine ideologische Motivation unterstellen, aber das können Sie doch nicht den Fachkräften in den Stadtteilschulen unterstellen. Und wenn Sie in die Große Anfrage sehen, die ich im letzten Sommer gestellt habe – ich freue mich, dass sie jetzt noch einmal zur Wirkung kommt –, da habe ich dezidiert danach gefragt, und da gibt es den Anhang 6, und wenn man sich den anschaut, dann sieht man, dass fast alle Stadtteilschulen die Auskunft gegeben haben, dass sie in fast allen Fächern binnendifferenzieren. Und das tun sie aus einer pädagogischen Überzeugung, das tun sie, weil alle wissenschaftlichen Studien,

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Alle nicht!)

Frau Stöver, zeigen, dass die Vielfalt der Schülerschaft so groß ist, dass noch nicht einmal zwei Kurse reichen würden. Sie müssten 150 Kurse einrichten, wenn es wirklich nach Ihrer Logik gehen würde. Deswegen ist der richtige Schritt, die Vielfalt anzunehmen, pädagogische Konzepte zu entwickeln, die man durchaus dann können muss. Das ist keine Frage. Wenn man das nicht kann, ist es verheerend. Dann lieber Frontalunterricht und mehrere Kurse. Aber die Binnendifferenzierung, wenn sie gut gekonnt ist und wenn Lehrerinnen und Lehrer sie gelernt haben, ist dann pädagogisch die richtige Antwort auf die Unterschiedlichkeit der Schülerinnen und Schüler, die wir haben. Dazu stehen wir und ich möchte wirklich,

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und bei Cansu Özdemir DIE LINKE, Olaf Duge GRÜNE und Nebahat Güçlü fraktionslos)

dass das hier auch Konsens ist in der überwiegenden Mehrheit des Hauses, denn ich glaube nicht mehr daran, dass ich mich mit der CDU, mit der FDP in dieser wichtigen Frage verständige. Aber ich appelliere wirklich von Herzen und im Sinne der Stadtteilschulen an Rot-Grün, dass sie in den Verhandlungen über den sogenannten Schulfrieden das nicht aufgeben und den Stadtteilschulen nicht in den Rücken fallen. Die Stadtteilschulen sind wirklich in großer Sorge ob dieser Debatte. Das wird durchaus wahrgenommen in der Stadt.

Ich möchte noch einmal sagen, dass wir auch die Zahlen zur Kenntnis nehmen müssen. Nur knapp 5 Prozent der Kinder und jungen Menschen, die an die Stadtteilschulen kommen, haben eine Gymnasialempfehlung. Über 30 Prozent verlassen die Stadtteilschulen mit dem Abitur. Das ist eine so grandiose Leistung, die auch etwas damit zu tun hat, dass die Pädagogik sich eben gerade am Indi

viduum orientiert in einem binnendifferenzierten Unterricht und nicht stigmatisiert und die Kinder auftrennt und sie von vornherein schon in Schubladen steckt und sagt, du wirst es sowieso nicht schaffen. Nein, genau andersherum ist der Ansatz, und das ist eine enorme Leistung der Stadtteilschulen. Das ist auch der Grund, warum sie zunehmend mehr angewählt werden, und dafür müssten wir doch im Grunde alle kämpfen. Ich hoffe wirklich sehr, dass Rot-Grün auf diesem Weg bleibt und die Stadtteilschulen in dem Sinne wirklich stärkt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN, vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Boeddinghaus. – Frau von TreuenfelsFrowein, Sie haben nun das Wort für die FDPFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich denke, in einer Sache sind wir uns hier doch einig – ich glaube, das kann ich einmal vorwegnehmen –, wir wollen alle unsere Schüler bestmöglich fördern. Ich glaube, darauf können wir uns einigen. Aber wie wir das tun, das ist hier die Frage, bei der wir uns, glaube ich, sehr extrem unterscheiden, und vor allem mit welchen Mitteln. RotGrün, das haben Sie gerade wortreich dargelegt, und auch DIE LINKE kennen da nur eine Antwort, und die heißt: Alle müssen gleich sein.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Hören Sie doch mal zu!)

Das ist die Einheitslosung, das ist Ihr Zauberwort.

(Zurufe)