Protocol of the Session on January 30, 2019

(Dr. Ludwig Flocken fraktionslos: Das zeigt, dass er keine Argumente hat!)

Wenn in den letzten Jahren eine steigende Ablehnung, ein steigender Unmut vieler Bürger mit der EU zu konstatieren ist, der sich dann unter anderem auch im Auftreten von sogenannten eurokritischen Parteien äußert, dann sollte man eben nicht einfach so tun, weiter so, und noch das, was da auf einem Gleis sich in die falsche Richtung entwickelt, vertiefen, wie es Claude Juncker oder wie es Emmanuel Macron wollen, sondern dann muss man eben die Sorgen und Nöte der Bürger ernst nehmen, auf den Prüfstand stellen, das beibehalten, was gut ist, und das reformieren, was zu reformieren ist. Nur so kann die EU eine Zukunft haben. Und dafür stehen wir: für sinnvolle Reformen, damit das Projekt nicht scheitert an einem übersteigerten Glauben an Euro und an Dogmatik, sondern die Realität der Bürger muss zur Kenntnis genommen werden. Dafür stehen wir als Demokraten, mag das als Populismus beschimpft werden oder nicht. Wir sind hier die demokratischen Anwälte der Bürger. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Zurufe)

Jetzt sehe ich doch zum ersten Thema noch eine Wortmeldung. – Dr. Anjes Tjarks für die GRÜNE Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will dann doch noch einmal kurz spontan auf den Wortbeitrag von Ihnen, Herr Wolf, replizieren. Der Punkt ist doch: Sie haben immer wieder vorgetragen in dem Duktus, es gibt die EU-Eliten und wir sind hier das Volk. Auch Herr Kruse hat das wieder gemacht und über die vermeintlichen EU-Eliten gesagt, sie würden hier nichts repräsentieren und nichts verstehen. Und dann passt es einfach nicht, Herr Wolf – und das ist ein inhaltliches Argument –, dass Sie sich hier hinstellen und die europäische Volksvertretung abschaffen wollen. Wenn Sie die ganze Zeit dagegen sind und sagen, wir wollen die EU demokratisieren, wir wollen sie demokratisch gestalten, dann müssen Sie das Parlament stärken und nicht abschaffen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der FDP und bei Stephan Gamm CDU)

Und was machen Sie? Sie wollen die Diäten kassieren, da herumsitzen, nichts tun und das Parlament abschaffen. Das passt doch von vorn bis hinten nicht zusammen. Und das zeigt einfach, dass Ihre Argumentation in Wahrheit dahingehend ist: Wir wollen das irgendwie reformieren, aber wenn man das nicht reformieren kann, dann werden wir auch austreten. Das ist doch der eigentliche Punkt, über den Sie hier reden müssen. Dann wird doch genau das passieren, nur noch potenziert, weil wir noch vernetzter sind und noch sinnvoller in diese Prozesse eingebunden, und dann werden Sie sehen, dass ein Europa der Vaterländer nicht existiert und vor allen Dingen keine friedliche, gemeinsame Zukunft in Wohlstand haben wird. Das sind die Argumente, mit denen Sie sich einmal auseinandersetzen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und ver- einzelt bei der CDU)

Herr Dolzer, Sie haben recht, wenn Sie sagen, Sie wünschen sich den Brexit nicht. Ich wünsche ihn mir auch nicht und würde gern vieles dafür tun und mir wünschen, dass alle – und ich glaube, das wollen ehrlicherweise auch alle – etwas dafür tun, dass genau dieses No-Deal-Szenario nicht eintritt. Aber wenn man sich das immer so vor sich her wünscht, dann muss man auch einmal fragen: Was ist eigentlich die Realität der Situation? Und die Realität ist doch, dass wir nach zwei Jahren Verhandlung in einer Situation sind, in der ehrlicherweise Theresa May, wenn man einmal diese komplette Debatte um den Backstop weglässt, für Großbritannien kein schlechtes Abkommen verhandelt hat, sondern ein Abkommen, mit dem sehr viele Leute sehr gut miteinander leben können.

Wenn man jetzt aber den Backstop betrachtet, dann haben wir doch eine Situation, dass das britische Parlament gesagt hat: Wir wollen hier die Quadratur des Kreises. Wir wollen nicht No Deal, wir wollen aber auch nicht das Abkommen, das auf

(Christel Nicolaysen)

dem Tisch liegt mit dem Backstop. Der sagt inhaltlich – und da müssen Sie auch einen inhaltlichen Vorschlag machen –: Wir wollen eine unsichtbare Grenze, die aber gleichzeitig eine Schengen-Außengrenze ist, die vital für alle vier Grundfreiheiten der Europäischen Union ist. Und Sie können dazu keinen Vorschlag machen, weil es weltweit dieses Prinzip nicht gibt. Sie können keine unsichtbare Grenze installieren und gleichzeitig sagen, die wird irgendwie kontrolliert. Und insofern wünschen wir uns natürlich, dass es anders kommt. Aber dann muss man sich an der Stelle auch einmal mit einem sinnvollen Vorschlag nach vorn bewegen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Martin Dolzer DIE LINKE: Ich habe genü- gend Vorschläge gemacht, Herr Tjarks!)

Jetzt liegt mir aber keine Wortmeldung zu dem ersten Thema mehr vor.

Dann kommen wir zum zweiten Thema, angemeldet von der LINKEN:

Lange Schlangen, vergebliches Warten, überarbeitete Mitarbeiter_innen – unhaltbare Zustände in bezirklichen Ausländerbehörden schleunigst beenden!

Das Wort bekommt Frau Schneider für die Fraktion DIE LINKE.

Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Vielleicht haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, in der letzten Woche das "Hamburg Journal" oder "Panorama 3" gesehen, den Bericht über die Situation in der bezirklichen Ausländerabteilung in Wandsbek. Um 8 Uhr macht das Amt auf, ab 2 Uhr nachts stehen Menschen an, auch im Winter. Um 6 Uhr öffnen Wachleute wenigstens das Gebäude. Von den vielleicht 70 Menschen, die um 8 Uhr vor der Tür stehen, bekommen rund 20 noch einen Termin. Die Wartezeit beträgt derzeit durchschnittlich sechs Stunden ab Zuteilung der Servicenummer. Das heißt, für viele oder für etliche beträgt sie bis zu acht bis zehn Stunden. Das ist ein Arbeitstag. Viele müssen sich einen Tag freinehmen. Onlinetermine sind in Wandsbek nicht zu buchen.

Ist Wandsbek jetzt eine Ausnahme? Nein, Wandsbek ist keine Ausnahme, woanders ist es nicht viel besser, vor allem nicht in Harburg und Billstedt. Zum Beispiel Harburg. Auch hier wächst die Schlange ab 3 Uhr, 4 Uhr, 5 Uhr morgens auf. Auch hier gibt es anschließend Wartezeiten, laut der Antwort auf meine letzte Anfrage sollen es zwei bis drei Stunden sein, der Bezirksamtsleiter hat im letzten Jahr von bis zu sieben Stunden, auch ab Vergabe der Servicenummer, gesprochen.

Es gibt keine Sitzplätze, die meisten müssen draußen warten, weil der Vorraum zu klein ist, weder draußen noch drinnen Sitzplätze, es gibt auch keine Überdachung. Und es ist Winter. Auch in Wandsbek hat niemand daran gedacht, jetzt im Winter wenigstens die Räume in der Nacht zu öffnen oder beheizte Container aufzustellen.

Ist das eine Momentaufnahme? Nein, das ist keine Momentaufnahme, diese Situation besteht mindestens seit einem Jahr, sie ist aufgewachsen, sie ist in den letzten Jahren aufgewachsen, sie ist seit Anfang 2018 katastrophal. Die Zustände sind von Ignoranz und Respektlosigkeit gegenüber den Menschen geprägt, die keinen deutschen Pass haben, aber oft besonders dringliche Anliegen, zum Beispiel die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels. Und die dafür nicht nur einmal, sondern manchmal zweimal, dreimal kommen müssen, ihren Urlaub dafür nehmen müssen und die jedes Mal lange Wartezeiten haben.

Diese Zustände sind aber auch Ausdruck mangelnden Respektes und mangelnder Fürsorge gegenüber den Beschäftigten.

(Beifall bei der LINKEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Der hohe Krankenstand, der weiterhin steigt, ist Ausdruck von Überarbeitung und Stress. Im ersten Halbjahr 2018 betrug der Krankenstand durchschnittlich 12, 15 oder 16 Prozent, je nach Stelle. In der jüngsten Anfrage, deren Antwort gestern gekommen ist, antwortet der Senat gar nicht mehr zu dem Krankenstand. Angeblich müsse man das alles händisch auszählen und das könne man nicht.

Es ist doch nicht so, dass nichts getan worden ist. Es sind Stellen geschaffen worden, wenngleich spät, nämlich erst zu 2018, es sind befristete Aushilfskräfte zur Unterstützung eingesetzt worden, es gibt Abordnungen und Entlastung durch das Einwohnerzentralamt. Aber diese Maßnahmen greifen bisher nicht. Es ist schwer, die Stellen zu besetzen, viele sind auch nicht besetzt. Das Problem gibt es nämlich seit 2018 oder teilweise 2017 so krass in allen deutschen Großstädten und noch in vielen mittleren Städten. Der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Es gibt lange Einarbeitungszeiten. Und, wie gesagt, der Krankenstand wächst, und wenn einmal eine Stelle besetzt wird und der Krankenstand steigt, dann ist auch klar, dass auch nicht mehr Arbeitszeit zur Verfügung steht.

Und vieles wurde eben nicht geleistet. Zum Beispiel eine Evaluation im Sinne serviceorientierter Verbesserung gab es, Stand September 2018, nur im HWC und in Bergedorf. Warum nicht in den anderen? Immerhin, für 2019 ist eine Organisationsuntersuchung geplant.

Das Problem aber ist, diese Entwicklung wurde 2015, 2016, 2017 verschlafen. Schon 2015, im Sommer der Migration, war klar, dass man sich in

(Dr. Anjes Tjarks)

den Bezirksämtern auf wachsende Anforderungen einstellen muss. Die Zahl der Bürgerinnen und Bürger ohne deutschen Pass würde zunehmen, und sie hat zugenommen, zum Beispiel in Wandsbek und Harburg von 2013 auf 2017 um 37 beziehungsweise 39 Prozent. Die Entwicklung war also absehbar. Man hat sich nicht vorbereitet, sondern ist irgendwann 2017 aufgewacht. Ich erinnere an Harburg, da ist das Rathausforum eröffnet worden, da ist die neue bezirkliche Ausländerstelle, da ist Platz für zwölf Arbeitsplätze, und es war klar, schon 2017, das würde nicht reichen. Das geht zulasten der Menschen, die auf die Dienstleistungen angewiesen sind, und zulasten der Beschäftigten. Verantwortlich ist der Senat.

Gut, dass es jetzt eine Ausweichstelle in Meiendorf geben soll. Aber was soll die in Billstedt und Harburg nützen? Gut, dass neue Stellen geschaffen wurden, aber wie wollen Sie die besetzen? Es ist nicht leicht zu lösen, das Problem, jedenfalls nicht schnell, aber wir sagen, es müssen einige Sofortmaßnahmen ergriffen werden. Schnelle Verbesserung des Terminmanagements, Evaluation überall, die Wartesituation muss verbessert werden durch Öffnung der Gebäude oder beheizte Container, warme Getränke und so weiter. Und berichten Sie doch bitte regelmäßig im Bezirks- und Verfassungsausschuss. – Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Vielen Dank. – Als Nächster erhält das Wort Frank Schmitt für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Abgeordnete, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Richtig ist, es gibt derzeit in und vor bezirklichen Ausländerdienststellen zum Teil erhebliche Schlangen und Wartezeiten. Richtig ist, es können Anliegen von Kundinnen und Kunden nicht immer am Vorsprechtag bearbeitet werden und es muss ein Termin vereinbart werden. Wir wissen, dass eine solch angespannte Lage allen Beteiligten viel abverlangt. Wir wissen, gerade aufenthaltsrechtliche Themen sind bei den betroffenen Menschen oft angstbesetzt, und wir bedauern diese Situation. Wir wissen auch, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der bezirklichen Ausländerdienststellen geben ihr Bestes, und hierfür gebührt ihnen unser aller Dank und Anerkennung.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und ver- einzelt bei der LINKEN)

Auch wir halten die derzeitige Situation nicht für akzeptabel. Richtig ist aber auch, es sind bereits zahlreiche Maßnahmen zur Entlastung der bezirklichen Ausländerdienststellen eingeleitet und auf den Weg gebracht. Meine Kollegin Anna Gallina und ich haben Anfang Dezember mit unserer

Schriftlichen Kleinen Anfrage 21/15459 die Situation der bezirklichen Ausländerabteilungen abgefragt. Der Antwort des Senats sind unter anderem auch die Maßnahmen zu entnehmen, welche die Situationen in den bezirklichen Ausländerdienststellen entspannen sollen. Diese Maßnahmen sind zusätzliche Unterstützungskräfte, temporäre und dauerhafte Übernahme von einzelnen Aufgaben der bezirklichen Ausländerabteilungen durch das Einwohnerzentralamt und die Kasse Hamburg, und ein Konzept für die bessere Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Außerdem hat die Behörde für Inneres und Sport ein Organisationsprojekt für dieses Jahr angekündigt, in dem mögliche Optimierungen in der Organisation und Aufgabenzuordnung untersucht werden sollen und das sich auch mit Fragestellungen nach Ressourcen, personeller Ausstattung, IT-Ausstattung und Räumlichkeiten auseinandersetzen soll.

Seit gut einem Jahr sind die Bezirksämter mit der Bezirksaufsicht in der Finanzbehörde und der Innenbehörde dabei, ihre Sachbearbeitungskapazität zu stärken. In Vorausschau auf die kommenden Kunden wurden zusätzliche Stellen geschaffen, aktuell sind 20 Stellen ausgeschrieben.

Richtig ist auch, die bereits eingeleiteten und sich in der Umsetzung befindlichen Maßnahmen zeigen Wirkung. Das geht auch aus den Anlagen der aktuellen Anfrage und auch zu Ihren Anfragen, Frau Schneider, zu diesem Thema hervor. Die Wartezeiten gehen teilweise zurück,

(Zuruf von Christiane Schneider DIE LINKE)

es gibt Tage, an denen nicht alle Servicemarken nachgefragt werden. Aber leider ist eben auch festzustellen, dass die Wirkung noch nicht genügt, trotz der bereits eingeleiteten Unterstützungsmaßnahmen mit zusätzlichen Fach- und Unterstützungskräften ist die Lage in den bezirklichen Ausländerdienststellen teilweise weiterhin angespannt.

Deswegen ist es richtig, dass die Innenbehörde, die Bezirksämter und die Finanzbehörde nicht nachlassen, kurzfristig umsetzbare Maßnahmen zur Entspannung der angespannten Situation zu entwickeln und umzusetzen. Im Bezirksamt Wandsbek wird seit dem 7. Januar das Terminangebot erhöht, die Öffnungszeiten wurden ausgeweitet, um die Wartezeiten zu reduzieren. Wir begrüßen als SPD-Fraktion, dass unser Bezirkssenator Dressel in Abstimmung mit Innensenator Grote sowie den beteiligten Bezirksämtern entschieden hat, zur Entlastung die vorhandenen Räumlichkeiten im Bereich des Ankunftszentrums in Meiendorf kurzfristig als Ausweichstandort nutzen zu wollen. Für Pass- und Meldeangelegenheiten wurde Meiendorf schon einmal zur Entlastung der Kundenzentren genutzt, das hat sich bewährt und es ist gut, auf diese Erfahrung zurückzugreifen. Am Ende, davon bin ich überzeugt, wird alles gut, und

(Christiane Schneider)

wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Schmitt. – Als Nächster erhält das Wort Dr. Jens Wolf für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde zum Thema bezirkliche Ausländerabteilungen ist wichtig und sie kommt zum richtigen Zeitpunkt, denn der Senat hat doch gerade gestern angekündigt, die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit den Bezirksverwaltungen zu erheben.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Aber nicht in diesen!)

Aber er tut das nur in den Kundenzentren,

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

und zwar dort, wo derzeit mit 120 Prozent Personalstärke gearbeitet wird, mit Schichtbetrieb und mit längeren Öffnungszeiten. Dort, wo man nach jahrelangem Druck der Opposition endlich einmal etwas getan hat, dort holt man sich jetzt das Lob ab. Das ist nicht objektiv, sondern unredlich und staatlich bezahlter rot-grüner Wahlkampf.