Protocol of the Session on December 13, 2018

(Urs Tabbert SPD: 170!)

170, Entschuldigung, korrekt, insgesamt 170 Stellen.

Das ist auch etwas Positives. Das war allerdings auch dringend notwendig. Da stimmen wir alle überein. Das kann ich also vorwegnehmen. Aber drei Dinge fehlen Ihnen für eine gute Justiz- und auch generell für eine gute Haushaltspolitik. Das ist einmal der Gestaltungswille. Man muss nämlich gestalten wollen. Es ist leider auch – das muss ich sagen – in Teilen die Sachkenntnis, die fehlt, und, das ist der politische Unterschied, es sind die falschen Prioritäten, die Sie setzen.

Ich fange einmal beim Gestaltungswillen an. Der Gestaltungswille ist in den letzten dreieinhalb Jahren nirgendwo in der Justizpolitik seitens des Senats zumindest zutage getreten, sondern er ist immer vom Parlament ausgegangen. Es ist immer ausgegangen von der Opposition, von der Presse, von den Personalräten, von der Gewerkschaft. Da muss man sich doch einmal die Frage stellen, will ich überhaupt an der Spitze der Justizbehörde gestalten und etwas bewegen? Oder warte ich immer nur ab und lasse alles auf mich einprasseln? Das kann nicht der Anspruch der Justizpolitik sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Der zweite Punkt ist die fehlende Sachkenntnis. Da möchte ich die konkreten Beispiele anhand dieses Haushaltes noch einmal wiedergeben. Wir stimmen überein, immer und immer wieder in den Debatten, dass die Gerichte zu entlasten sind. Jetzt gibt es Personal, mit dem entlastet wird. Das ist richtig. Es gibt aber auch Verfahren, mit denen entlastet werden kann. Dann lese ich, dass das Einzige, was der Justizsenator in diesem Bereich gefordert hat, das Herabsetzen einer Eintrittsschwelle in Verfahren für kleine Streitwerte ist,

Nachbarschaftsstreitigkeiten und Ähnliches, die ich vom Sofa aus als Bürger einreichen können soll. Das entlastet nicht die Gerichte, das belastet die Gerichte.

(Beifall bei der CDU)

Es findet sich auch nicht im Haushalt wieder, dass sich das irgendwo im Ansatz niederschlagen wird.

Das Zweite sind die Gerichtsvollzieher. Erfreulicherweise haben wir jetzt wieder eine ordentliche Besetzung der Gerichtsvollzieher, das ist lange ein großes Problem gewesen. Das ist das eine. Und ganz praktisch nehmen Sie auf der anderen Seite den Gerichtsvollziehern die Möglichkeit des Parkens, also die Sondergenehmigung des Landesbetriebes Verkehr. Das kostet Zeit und Gebühren; die kommen auch nicht mehr hinein ins Haushaltssäckel. Was ist das für eine Haushaltspolitik und was ist das für eine Personalpolitik?

(Beifall bei der CDU)

Dann können wir nahtlos weitermachen, und zwar beim weiteren Personalbedarf. Da beschließt also die Große Koalition in Berlin und schreibt das auch in den Koalitionsvertrag hinein, SPD und CDU, 2 000 Stellen in der Justiz schaffen zu wollen. Eine gute Sache. 2 000 Stellen, das kann nicht alles bei Bundesgerichten sein, das kommt natürlich auch bei uns hier im Land an. Darum müssen wir uns kümmern, damit wir vernünftig nachweisen können, wo die größten Bedarfe sind.

Dann frage ich den Senat, und er antwortet mir, die zuständige Behörde habe keine Kenntnisse über die Berechnungsgrundlagen des Deutschen Richterbundes, die dieser Berechnung mit den 2 000 Stellen zugrunde liegen. Vielleicht einfach einmal nachfragen, woher denn die Damen und Herren Richter ihre Eingaben haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das ist das eine. Da wir uns auch in Hamburg von den anderen Bundesländern insofern differenzieren, weil wir die einheitliche Personalbedarfsplanung anders machen, nämlich nicht so wie die anderen Bundesländer, da fragt man sich, worauf basieren eigentlich diese langfristigen Personalplanungen? Mir hat es sich bis heute nicht erschlossen.

Dann kommt der Punkt Staatsanwaltschaften. Die Staatsanwaltschaften sind nach wie vor das große Problem bei uns in der Justiz. Daran wird dieser Haushalt auch nicht viel ändern. Da tritt die mangelnde Sachkenntnis leider noch einmal offen zutage. Nehmen wir den Antrag hier, den Haushaltsantrag der SPD, Drucksache 21/15374, zur Staatsanwaltschaft. Da wird gefordert, vier Amtsanwaltsstellen sollen geschaffen werden. Wenn es denn möglich ist, Klammer auf, in den nächsten zwei Jahren, denn das ist der Haushalt, Klammer zu, sollen die umgewandelt werden in Rechtspfle

gerstellen. Das wird nicht passieren. Sehen Sie sich einmal Ihre Personalplanung an. Da haben wir nämlich einen Bedarf in 2019 von 19,19 und in 2020, wenn alles gut läuft nach Ihren eigenen Personalprognosen, von 11,19 unbesetzten Stellen. Das kann gar nicht passieren. Insofern frage ich mich, was dieser Antrag hier soll.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir müssen sehr konkret die Hauptabteilung 2 stärken. Dazu finden Sie unseren Haushaltsantrag und ich hoffe, Sie stimmen dem zu. Wir müssen uns um die Servicekräfte kümmern. Bis 2025 wird der Personalbestand auf den Geschäftsstellen nach Ihren Zahlen 339 Vollkräfte verlieren. Dann ist es gut, dass wir mehr ausbilden in Hamburg, aber das reicht nicht aus. Wir müssen auch Quereinsteiger holen und die qualifizieren. Ansonsten können wir das gar nicht ersetzen.

Und last, but not least, die Justizvollzugsbediensteten. Für die – wenigstens für die, die im Grunde genommen im unteren Bereich verdienen, wenn man das einmal vergleicht in der hamburgischen Verwaltung, und die wenig Aufstiegschancen haben – fordern wir die Anhebung der Stellenzulage auf 200 Euro monatlich und die Ruhegehaltsfähigkeit; ein sehr konkreter Vorschlag zur Verbesserung der Situation dieser Bediensteten der Freien und Hansestadt Hamburg.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich muss abkürzen, die Zeit läuft aus. Herr Kienscherf ist leider nicht mehr da. Ehrlichkeit ist in der Tat eine große Tugend. Die müssen wir hier auch hochhalten.

(André Trepoll CDU: Wie kommen Sie da auf Herrn Kienscherf?)

Genau. Deswegen wollte ich das gerade sagen.

Wenn ich mir angucke, wie viele Leute Sie hier durch die Präsidialstäbe in den letzten dreieinhalb Jahren durchgejagt haben, 125 Stück, die alle in die Behörden hinein sind, dann sind das entweder alles Hochqualifizierte oder sie haben es einfach nicht ausgehalten unter den Senatoren. Das können Sie sich überlegen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie müssen bitte Prioritäten besser setzen. Das ist das A und O. Das sind sehr konkrete Dinge, die brauchen wir nicht immer generell abstrakt zu benennen. Nehmen Sie nur den Opferschutzbeauftragten, den Sie nicht haben wollen und der sich hier dementsprechend auch nicht wiederfindet. Der Opferschutzbeauftragte ist unheimlich wichtig. Geben Sie nicht Hunderttausende Euro für Fahrräder aus. Können Sie natürlich machen, das ist Ihnen unbenommen, aber dann lassen Sie doch die Opfer nicht auf der anderen Seite hinten runterfallen. 5 000 Euro für den Opferfonds sind lächerlich.

Schauen Sie sich doch die beiden prominenten Beispiele hier in der Hansestadt an, die sind gar nicht lange her. Da haben Sie auf der einen Seite den Angriff eines Häftlings im Landgericht gehabt, der ein selbst gebasteltes Messer mitbrachte. Der Staatsanwalt und der Rechtsanwalt haben sich dem sozusagen entgegengestellt und haben da unter Einsatz ihres eigenen Lebens und ihrer eigenen körperlichen Unversehrtheit geholfen, dass die Zeugin nicht erstochen wurde. Wer kümmert sich im Anschluss an die Verhandlung um diese Menschen? Wir lesen und hören und sehen nur, dass es Strafverfolgung gibt. Dasselbe bei dem Doppelmord am Jungfernstieg, wo eine Mutter und ein einjähriges Kind getötet worden sind. Wer kümmert sich um die Mutter, die das sterbende Kind in den Armen hielt? Die hat ein schweres Trauma erlitten. Die hat sich gekümmert. Der Staat tut es nicht. Es tut allein der WEISSE RING. Das kann es nicht sein. Wir müssen uns mehr um Opferschutz kümmern.

Deswegen meine Bitte: Seien Sie künftig mutig, gestalten Sie Justizpolitik und kümmern Sie sich um die dringenden Sorgen in den verschiedenen Abteilungen. – Danke.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Seelmaecker. – Herr Tabbert, Sie haben jetzt für die SPD-Fraktion das Wort.

(André Trepoll CDU und Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Ohne Kusch!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Regierungskoalition setzt mit dem neuen Haushalt ihre Personaloffensive in der Justiz mit zusätzlichen 27 Stellen fort.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vor allem die Staatsanwaltschaft und die Sozialgerichtsbarkeit, aber auch das Hanseatische Oberlandesgericht stehen hierbei im Fokus. In den letzten Jahren haben wir solide, zuverlässig und innovativ gearbeitet. Übrigens – und deswegen macht die Justizpolitik in dieser Legislaturperiode auch besonders viel Spaß – etwas im Gegensatz zur Rede des Kollegen Seelmaecker habe ich die Zusammenarbeit im Justizausschuss meist als sehr sachorientiert und auch oppositionsseitig sehr konstruktiv erlebt. Das stand so ein bisschen im Gegensatz zu den doch etwas kleinen Karos, mit denen Sie hier aufgefahren sind, werter Herr Kollege Seelmaecker. Parkplätze für Gerichtsvollzieher, Mitarbeiter in Präsidialstäben,

(Beifall bei Anna Gallina und Dr. Carola Timm, beide GRÜNE)

ich glaube, das sind nicht so die sehr großen Linien, bei denen wir uns doch in der Regel einig sind.

(Richard Seelmaecker)

Das finde ich sehr erfreulich, im Übrigen nicht nur unter den Koalitionsfraktionen, sondern grundsätzlich auch mit der CDU und der FDP; beispielsweise wollen wir einen starken Rechtsstaat, wir wollen effektive Bekämpfung von Straftaten, wir betrachten Verbrechensbekämpfung ganzheitlich unter dem Aspekt der Strafverfolgung, die wir stärken,

(Dirk Nockemann AfD: Ist das ein Glaubens- bekenntnis?)

wir betrachten sie unter dem Aspekt übrigens auch des Opferschutzes, mit dem Resozialisierungsund Opferhilfegesetz.

(Zuruf von Anna-Elisabeth von Treuenfels- Frowein FDP)

Da wird noch mehr passieren, Frau Kollegin von Treuenfels-Frowein, da sind wir uns einig.

Wir betrachten sie unter dem Aspekt von Resozialisierung von Straftätern, denn Resozialisierung – da sind wir uns auch einig – ist der beste Opferschutz.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir wollen auch – und ich glaube, da sind wir uns ebenfalls einig – einen Rechtsstaat, der wie im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit wirksam für die wirtschaftlich Schwächeren da ist und effektiven Rechtsschutz bietet. Aber wir wollen auch einen Rechtsstaat und einen Rechtsstandort Hamburg, der der hamburgischen Wirtschaft eine leistungsfähige Justiz zur Verfügung stellt und den Wirtschaftsstandort Hamburg etwa im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes stärkt.

Wir wollen einen Strafvollzug, der die Arbeit seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wertschätzt, und wir wollen einen Datenschutzbeauftragten, der in voller Unabhängigkeit effektiv seiner gesetzlichen Aufgabe nachkommen kann.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

All dies gewährleistet der Justizhaushalt 2019/2020, und wo er dies aus Sicht der Regierungsfraktionen noch nicht genug getan hat, haben wir noch nachgelegt und das, wie ich zu meiner Freude feststelle – auch dies steht etwas im Gegensatz zum Duktus Ihrer Rede, Kollege Seelmaecker –, in großer Übereinstimmung mit CDU und FDP, etwa was die Anträge zur Stärkung der Staatsanwaltschaft oder auch der Gerichte angeht. Im Übrigen bleiben Sie teilweise noch hinter unseren Anträgen zurück.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

So treiben wir den Stellenausbau – die Zahl 170 seit 2015 wurde genannt – weiter voran, 27 neue Stellen, und das alles jenseits dessen, was wir noch erwarten dürfen aus dem Pakt für den Rechtsstaat, wofür wir hier in Hamburg, wenn man