Protocol of the Session on November 28, 2018

sowie die Bedrohung des Fortbestandes des Rechtsstaates vor und legt jetzt dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Klärung vor, ob Zwangshaft gegen hochrangige Politiker anzuwenden ist, wenn sie richterlich angeordnete Fahrverbote ignorieren.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Dirk Kienscherf SPD: Sehr gut!)

Das ist sicher einzigartig in der deutschen Rechtsgeschichte, aber es zeigt, Herr Gamm, wo der Spaß aufhört. Dem EuGH liegt außerdem eine Kla

ge der EU-Kommission wegen überhöhter Stickoxide in Deutschland vor.

Meine Damen und Herren! Ob die von der Bundesregierung vorgesehene Anhebung des zulässigen Jahresmittelwerts von 40 auf 50 Mikrogramm pro Kubikmeter vor dem EuGH Bestand haben wird, ist noch völlig offen. Und es ist auch nicht klar, ob ein Mitgliedsstaat von den europäisch festgesetzten Grenzwerten so ohne Weiteres abweichen kann. Die Bundeskanzlerin meinte dann auch vorsichtshalber dazu:

"Wir haben keine Europäischen Grenzwerte verändert"

sondern nur

"[…] unterschieden zwischen geringeren […] und höherer Überschreitung."

(Dennis Gladiator CDU: Was hat Frau Nah- les dazu gesagt?)

Aktuell wird der Stickoxidgrenzwert in 65 Städten der Bundesrepublik überschritten, und in 15 Städten, Herr Thering, sind es sogar über 50 Mikrogramm pro Kubikmeter.

Meine Damen und Herren! Ich befürchte, die Anhebung der Grenzwerte führt höchstens dazu, dass die Dieselfahrer noch länger auf Nachrüstung ihrer Fahrzeuge warten müssen. Aber da kann ich nur sagen: Es gibt schon etliche Gerichtsentscheidungen zugunsten der Dieselhalter. Und außerdem ist das Klageregister für die Musterfeststellungsklage seit gestern eröffnet. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Frau Sparr von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Gamm, Sie machen sich mal wieder die Welt, wie sie Ihnen gefällt.

(Dennis Thering CDU: Singen Sie doch mal! Das ist doch Ihr Markenzeichen!)

Nachdem Sie uns eine Zeit lang erzählen wollten, die Messstationen seien alle falsch aufgestellt und deshalb seien die Werte zu hoch, machen Sie nun eine Pirouette und nutzen genau diese Werte zur Attacke. Kann man machen, ist aber nicht sehr glaubwürdig.

Dabei muss uns die Welt nicht unbedingt gefallen, und ein Grund des Missfallens ist natürlich, dass die Luftbelastung noch nicht auf das wünschenswerte Maß zurückgegangen ist. Der Luftreinhalteplan, der ein gut durchdachtes Dokument ist, sieht das übrigens auch erst für 2020 vor. Wir befinden uns da mit einer Vielzahl von Maßnahmen auf einem guten Weg: mit mehr öffentlichem Nahverkehr, mehr Fahrradverkehr, mehr Elektromobilität,

(Dr. Monika Schaal)

um nur ein paar Punkte zu nennen. Die Durchfahrtsverbote für ältere Dieselfahrzeuge sind nur ein Baustein, und nicht der größte.

Aber sehen wir uns an, worüber wir genau reden: Im Oktober 2017 betrug der Stickoxidwert an der Max-Brauer-Allee im Durchschnitt 39 Mikrogramm, diesen Oktober waren es 48 Gramm – zweifellos nicht schön. Nur muss man eins dabei bedenken: Die Max-Brauer-Allee ist die Zufahrtsstraße für den Lessingtunnel, und der war im Oktober 2017 noch gesperrt. Schon deshalb haben damals viele Fahrzeuge die Max-Brauer-Allee gemieden.

(André Trepoll CDU: Wieder eine Baustelle nicht koordiniert!)

Das muss man im Hinterkopf haben, wenn man darüber nachdenkt.

(Zuruf: Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt!)

In diesem Jahr ist der Tunnel wieder frei und zudem hatten wir gerade im Oktober noch eine Sommerwetterlage, was auch nicht ohne Auswirkungen auf die Luftqualität bleibt.

(André Trepoll CDU: Ah, das Wetter ist wie- der schuld!)

Das ist nicht schuld, aber es hat Auswirkungen.

(Zurufe von der CDU)

Wie es wirklich gelaufen ist, werden wir aber erst sehen …

(Glocke)

Es ist zu laut, aber Sie merken es selbst.

Ich warte, bis hier Ruhe eingekehrt ist,

(Zuruf: Ja, das ist gut! Dann wird es keine Ruhe mehr geben!)

und bitte darum, die Uhr anzuhalten.

Wie es wirklich gelaufen ist, werden wir aber erst sehen, wenn wir den tatsächlichen Jahreswert seit Beginn der Durchfahrtsverbote kennen, also frühestens im Juni 2019.

(Jörg Hamann CDU: Prinzip Hoffnung, wie immer! – Zuruf von Dennis Thering CDU)

Im Übrigen sollten Sie vielleicht doch etwas vorsichtiger sein mit Ihrer Polemik. Frau Schaal hat es schon angedeutet oder vielmehr genauer ausgeführt: Sie wissen genau, wie die Gerichte in Sachen Luftreinhaltung urteilen, und ich möchte Ihnen gar nicht unterstellen wollen, dass Sie hier rechtsstaatliches Handeln infrage stellen.

Wir in Hamburg können die Situation noch mit relativ kleinen Einschnitten einigermaßen in den Griff

bekommen. Grundsätzlich läuft es aber momentan eher in Richtung Fahrverbotszonen; Frau Schaal hat es schon erwähnt. Stuttgart wird ab 1. Januar 2019 die ganze Innenstadt für alte Diesel sperren, und in Essen wird im nächsten Sommer ein ganzer Autobahnabschnitt nebst Umgebung und zahlreichen Stadtteilen gesperrt werden müssen.

(Michael Kruse FDP: Finden Sie das gut?)

Wobei man eins deutlich sagen muss: Die Gerichtsurteile der letzten Monate sind so etwas wie eine Notfallmaßnahme, weil die Bundespolitik immer noch nicht aufgewacht ist. Seit Jahren ist die Fahrzeugindustrie betrügerisch unterwegs und kann sich dabei immer noch auf der sicheren Seite fühlen. Wo bleibt die deutliche Ansage Ihres Verkehrsministers Scheuer, dass wenigstens endlich die Hardware-Umrüstung von der Industrie bezahlt werden muss?

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD – Dirk Kienscherf SPD: Richtig!)

Wo bleibt der deutliche Hinweis Ihres Wirtschaftsministers Altmaier,

(Zuruf: Der fährt Fahrrad!)

dass die deutsche Fahrzeugindustrie endlich die Innovationen entwickeln muss, die wir für eine zukunftsfähige Wirtschaft wirklich brauchen?

(André Trepoll CDU: Das Stickoxid-Problem beim Diesel ist doch schon längst gelöst!)

Also weg vom SUV, weg von immer mehr PS, weg vom Verbrennungsmotor,

(Michael Kruse FDP: Fragen Sie mal, was effizienter ist als der Verbrennungsmotor!)

Entwicklung von neuen Antriebsarten, mehr Elektrofahrzeuge, auch brauchbare Elektrobusse aus deutscher Produktion. Nichts kommt von da.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Stattdessen überlegen Sie in Berlin, wie Sie es hinbekommen, die Grenzwerte irgendwie aufzuweichen, damit alles weitergehen kann wie bisher. Das ist der eigentliche Skandal.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)