Protocol of the Session on November 14, 2018

und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien vorgegeben. Dabei bin ich relativ sicher, dass die Hamburger 2013 nicht davon ausgegangen sind, dass fünf Jahre später von den insgesamt 7 690 benötigten Kilometern Stromnetzausbau gerade einmal 950 Kilometer fertiggestellt sind. Sie sind nicht davon ausgegangen, dass die Stromspeicher fehlen. Und sie sind gewiss nicht davon ausgegangen, dass im Jahr 2017 1,4 Milliarden Euro Windstrom wegen fehlender Leitungen verschwendet werden würden.

Die Hamburger Bevölkerung ist sicher auch nicht davon ausgegangen, dass die BUE und Vattenfall eine gemeinsame Fernwärmelösung aushandeln, die dann in einer Unternehmensberatung mit einem Businessplan bewertet wird, und dass am Ende Vattenfall dafür Geld erhält, diese Lösung an Hamburg abzutreten. Denn genau das ist passiert. Vattenfall bekommt den Kaufpreis nicht für die Leitungen, sondern überspitzt gesagt für das neue Konzept – ein Konzept, das Vattenfall auch gern gemeinsam mit der Freien und Hansestadt Hamburg umgesetzt hätte, und zwar ohne dass Hamburg 1 Milliarde Euro in die Reparatur der Leitungen investieren müsste.

Eigentlich können wir nur hoffen, dass im nächsten Volksentscheid neben "demokratisch" auch vom gesunden Menschenverstand etwas steht. Denn nach dem gesunden Menschenverstand machen wir mit dem Rückkauf des Fernwärmenetzes einen großen Fehler. Nicht nur die Wirtschaftsprüfer träumen von einem künftigen Fernwärmeunternehmen ab 2024 mit grandiosen Gewinnen. Das kann so kommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht so kommt, ist allerdings bedeutend höher. Bitte glauben Sie mir, ich habe in meinem Leben schon einige Businesspläne gesehen und kaum einer ist auch nur halbwegs so ausgegangen, wie es am Anfang beurteilt worden ist.

Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer, das müssen wir immer wieder feststellen.

(Farid Müller GRÜNE: Aber die Entschei- dung stand nicht an! Das haben die Ham- burgerinnen und Hamburger schon entschie- den!)

Der Umweltsenator hat im Ausschuss sogar schon von Plan B und der Stilllegung Wedels und dem Ersatz durch mobile Heizkessel und Biogasanlagen geträumt, wunderbar CO2-frei. Ich bin dankbar, dass das Wort Betriebskosten dann doch noch irgendwann gefallen ist. Aber das zeigt genau das, was Herr Kruse gerade gesagt hat: Es ist letztendlich noch gar kein wirkliches Konzept da.

Der Kaufpreis ist mit 950 Millionen Euro zu hoch. Der aktivierungsfähige Unternehmenswert beträgt maximal 765 Millionen Euro. Mit dem Kauf gibt es sofort eine Abschreibung einschließlich einer Drohverlustrückstellung des Unternehmens in Höhe von

(Michael Kruse)

185 Millionen Euro. Mit diesem Betrag lässt sich eine Müllverbrennungsanlage bauen oder drei neue Schwimmbäder. Das allein sollte Sie, meine Damen und Herren, ins Grübeln bringen. Und bezahlen werden es am Ende entweder die Fernwärmekunden oder alle Hamburger.

Wirtschaftlich begründet wird der zu hohe Kaufpreis auch mit einer Steuerersparnis. Bei der Drucksache war man noch davon ausgegangen, dass es sich spezifisch um eine Ersparnis auf die Fernwärmeunternehmen handelt. Aber so ist es nicht. Es handelt sich ganz allgemein um Verluste der HGV, die später mit Gewinnen verrechnet werden können. Mit Fernwärme hat die Steuerersparnis gar nichts zu tun, so bestätigte es Herr Jensen im Ausschuss. Wenn Ihnen also jemand 100 Euro schenkt, dann haben die neuen Schuhe 100 Euro weniger gekostet? – Kann eigentlich nicht sein.

Dr. Dressel sagte zu Recht, nachträglich ist es immer schwierig zu sagen, welche Motivation die Entscheider eines Volksentscheids hatten beziehungsweise wie sie den Entscheid verstanden haben. In diesem Volksentscheid ist für jeden etwas dabei: sozial gerecht, klimaverträglich und nicht zuletzt zulässig. Es ist eigentlich kein Wunder, dass der meiste Strom, der in Hamburg fließt, noch aus Kohle gewonnen wird – 94,2 Prozent aus fossilen Energieträgern, so berichtete das Statistikamt Nord kürzlich. Ökostrom ist bis zu 65 Prozent teurer als Strom, bei dem nicht gefragt wird, woher er kommt, und viele Hamburger können sich eine solche Biostromrechnung einfach nicht erlauben. Auch die Fernwärmekunden haben selbstverständlich solche Sorgen. Die verklausulierte Garantie des Bürgermeisters wird sie nicht vor Erhöhungen schützen. Sozial gerecht ist das nicht.

Wir stimmen gegen den Erwerb von 74,9 Prozent der Anteile an der Vattenfall Wärme GmbH, denn ohne den Rückkauf wäre das gleiche Fernwärmekonzept umgesetzt worden,

(Farid Müller GRÜNE: Sie stellen sich gegen das Volk!)

nur ohne das hohe Risiko.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Da kann ich nur sagen: Wir sind das Volk!)

Und ein Rückkaufdebakel vergleichbar mit der HSH wollen die Hamburger gewiss nicht.

(Glocke)

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt Frau Dr. Schaal von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte gern drei Punkte aus der Diskussion doch noch einmal aufgreifen.

Hier wurde die abgegebene Preisgarantie in Zweifel gezogen von Herrn Gamm und von Herrn Kruse. Wir sollten uns einmal angucken, wie die Entwicklung auf dem Energiemarkt tatsächlich im Moment ist. Die Internationale Energieagentur hat vor ein paar Tagen gewarnt, dass der Energiebedarf vor allen Dingen in Asien sehr stark steigt und dadurch die Preise auch in Europa steigen werden und auch die Versorgungssicherheit gefährdet werden könnte. Mit dem Fernwärmemodell, das der Senat vorgelegt hat, sind wir vom Weltmarkt bei der Energiebeschaffung unabhängig. Wir haben die Energiequellen vor Ort und die nutzen wir und machen uns nicht vom Weltmarkt abhängig. Deshalb können wir auch garantieren, dass die Energiepreise kontrollierbar und stabil bleiben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Des Weiteren: Herr Gamm als der größte Ökonom aller Zeiten stellt sich hier hin und zieht Investitionen in Zweifel. Ja, es ist richtig, es wird eine Million – nein, korrekt – eine Milliarde investiert werden.

(André Trepoll CDU: Was auch immer! – Mi- chael Kruse FDP: Hauptsache raus mit der Kohle! – Zuruf von Anna-Elisabeth von Treu- enfels-Frowein FDP)

Es wird investiert werden, denn ohne das geht es nicht, und wir wissen doch alle aus der Lehrstunde Ökonomie Nummer eins, dass Investitionen Einkommen schaffen und Werte bilden. Nun weiß ich nicht, warum Sie Investitionen hier an sich kritisieren.

Und dann zum Dritten. Herr Kruse, Sie haben hier lächerlich und sich darüber lustig gemacht, dass der Senat überhaupt nicht wisse, wie es weitergeht. Sicher, es wird ein Carve-out kommen. Sie haben ja erfahren können, dass das seine Zeit dauert. Wir haben es bei Stromnetz erlebt,

(Michael Kruse FDP: Da war es aber vorbe- reitet!)

wir haben es bei Gasnetz erlebt, und wir werden es jetzt auch erleben bei der Fernwärme. Es ist aber so, dass wir das Fernwärmenetz, Herr Kruse, noch nicht in den Händen haben, wir haben es erst ab Anfang Januar und es gebietet sich auch aus Anstandsgründen, erst über die Zerteilung des Bärenfells zu reden, wenn man den Bären erlegt hat. Das heißt, es ist unanständig, solange der Mehrheitseigner noch im Haus ist, sozusagen schon die Nachfolge zu regeln. Insofern werden wir das alles im Januar erfahren. Deswegen war es unser Wunsch, dass der Senat uns gleich im Januar erzählt, wie es weitergeht mit der Fernwärme, denn es gibt in der Tat noch viel zu tun.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

(Andrea Oelschläger)

Das Wort bekommt Herr Gamm von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe dieses Zitat schon in einer der letzten Sitzungen des Haushaltsausschusses gebracht, aber ich fühle mich, wenn ich diese Drucksache lese, doch wieder daran erinnert. Und zwar hat Heiner Müller in einem Interview mit Alexander Kluge gesagt:

"Optimismus ist nur ein Mangel an Information."

Genau das scheint die Grundlage dieser Drucksache gewesen zu sein,

(Zurufe von Farid Müller und Dr. Anjes Tjarks, beide GRÜNE)

denn wir wissen genau: Das Ziel, Wedel abzuschalten, ist immer weiter nach hinten geschoben geworden. Ursprünglich war die Rede von 2021. Dann ist es 2022 geworden. In der Drucksache steht 2024. Doch als Herr Beckereit im Oktober einmal in den Projektplan gegangen ist und ihn skizziert hat, ist deutlich geworden, auch 2024 wird nicht zu halten sein. Sie sind dort im kompletten Blindflug unterwegs, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, der FDP und bei An- drea Oelschläger AfD)

Diese Diskussion ist doch sehr eigenartig. Ich glaube, es gibt mittlerweile kaum eine Aussage des Senats, die nicht gleichzeitig noch mit einem Gutachten belegt wird. Ich kann mich nicht erinnern, dass es so etwas schon einmal gab.

(Michael Kruse FDP: Und einem Gegengut- achten!)

Und mit einem Gegengutachten, genau.

Also ob all diese Millionen dort so gut investiert sind, wage ich einmal zu bezweifeln. Und eines möchte ich den Kollegen von der SPD sagen: Diese Entscheidung wird insbesondere für Sie ein bitteres Nachspiel haben. Denn die GRÜNEN können sich positionieren und sagen: Wir haben den Volksentscheid umgesetzt. Das stimmt sogar.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Warum sind Sie dann dagegen?)

Und gleichzeitig werden sie sich etikettieren mit diesem angeblich so innovativen Wärmekonzept, was natürlich inhaltlich totaler Unfug ist. Aber sie werden damit in den Bürgerschaftswahlkampf ziehen. Das Einzige, was bei der SPD hängen bleibt, wird die Preisgarantie sein, von der Sie noch nicht sagen können, wie sie denn umgesetzt wird. Das ist auch nicht in der Drucksache erkennbar. Damit werden Sie noch relativ viele Probleme bekommen, davon bin ich fest überzeugt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Wenn man insgesamt die Debatte um energiewirtschaftliche Fragen betrachtet, dann muss man schon feststellen, dass leider der Populismus auch in diesem Themengebiet Einzug gehalten hat. Es gibt mittlerweile ein Maß an Irrationalität und an einer emotionalen Aufgeladenheit, die ich teilweise wirklich als unerträglich erachte. Es sind dieselben Mechanismen, die wir von der rechten Seite kennen. Die werden bei diesen Themen ganz genauso verwendet. Das heißt: Man nimmt sich ein Thema, ignoriert die Realität oder verbiegt sie bis zur Unkenntlichkeit, würzt das Ganze mit Angst und lädt es emotional auf. Und das ist dann die Basis, auf der wir diese Diskussion führen, sodass nach meinem Gefühl der Austausch sachlicher Argumente teilweise gar nicht mehr möglich ist.

Dieses Argument, Wedel verstopfe die Netze und blockiere damit erneuerbare Energien, stimmt einfach nicht. Es hat eine hohe Flexibilität. Es kann innerhalb von zehn Minuten die Leistung um plus/minus 500 Megawatt regeln.

(Glocke)

Und das ist gesetzlich vorgeschrieben. Das müssen Sie doch zur Kenntnis nehmen, auch wenn es Ihnen nicht gefällt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)