Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme die Beiträge meiner Kolleginnen von SPD und GRÜNEN wirklich sehr ernst. Ich nehme ihnen auch ab, wie sie sich hier zur Inklusion verhalten und positioniert haben, und ich freue mich auch, im nächsten Jahr daran anzuknüpfen. Aber trotzdem gehört auch zur ganzen Wahrheit dazu, dass Sie bei all Ihrer Begeisterung nicht selbst darauf gekommen sind, dieses hier heute so vorzulegen, sondern dass es wirklich dieser Volksinitiative bedurfte. Und das müssen Sie aushalten, wenn das benannt wird.
Deswegen möchte ich natürlich auch von meiner Fraktion und mir den vielen Männern und Frauen in dieser Volksinitiative einen herzlichen Glückwunsch aussprechen, die sich viele, viele Stunden ehrenamtlich damit auseinandergesetzt haben, die die Faxen mit den großen Sonntagsreden zur Inklusion dicke hatten, aber erlebt haben, dass der Senat nicht das lieferte, was er liefern musste, und damit viel, viel Arbeit investiert haben, damit die Inklusion besser vorankommt. Und in dem Sinne klingt dieses Jahr friedlich aus. Nächstes Jahr geht es aber munter weiter, weil natürlich die erzielten Ergebnisse Kompromisse sind. Sie sind sehr fundiert, sie bringen die Inklusion von Quantität und Qualität hoffentlich wirklich bedeutend weiter. Aber sie sind ein Schritt und daran erinnere ich Sie spätestens in der nächsten Haushaltsberatung, weil wir daran anknüpfen werden, dass noch längst nicht alles für Inklusion getan wurde.
Ich möchte auch noch einmal deutlich fragen, warum sich die Initiative auf den Weg gemacht hat. Wir haben von der GEW letztes Jahr eine Onlinebefragung gehabt. Daraus möchte ich nur noch
einmal zwei Ergebnisse nennen: 3 Prozent der Befragten fühlten sich nur auf die Arbeit in der Inklusion durch die BSB gut vorbereitet und nur 21 Prozent der Kolleginnen und Kollegen bewerten die Umsetzung der Inklusion in den Schulen als durchgängig positiv.
Wir haben im Moment eine Schulbegleitung, die wirklich nur eher schlecht als recht funktioniert. Wir haben viele Stadtteil- und Grundschulen, die am Limit fahren. Der Krankheitsstand ist hoch, die Frustration ist groß, die Inklusion wird zunehmend infrage gestellt und das Wahlrecht von Eltern mit Kindern mit Behinderungen war bisher eher ein formales als ein wirklich reales. Senator Rabe hat immer gesagt: Sie haben ja das Wahlrecht. Aber wenn man nicht die Wahl hat zwischen zwei gleichrangigen Optionen, dann ist es eben kein echtes Wahlrecht. Da stellen natürlich die ausverhandelten Ergebnisse jetzt wirklich substanzielle Verbesserungen dar. Aber man muss auch die Frage stellen – und die stelle ich nicht an die Volksinitiative, die stelle ich an den Senat, denn er ist verantwortlich –: Was passiert aber denn jetzt mit den Klassen 2, 3, 4, 7, 8 und 9, die erstmals keine Verbesserung haben, die aber auch inklusiv arbeiten?
Ja, aber jetzt ist die Not groß und deswegen ist nicht zu verneinen, dass auch trotz der Volksinitiative noch viel zu tun ist und dass der Senat die Inklusion eben nicht ausreichend stärkt. Es wäre eigentlich für die Stadtteilschulen ein viel schöneres Werbeprogramm, sie in ihrer wertvollen Arbeit zu würdigen und auszustatten, anstatt jetzt irgendwelche Plakate in die Stadt zu hängen, weil Sie dadurch meinen, beliebter bei den Eltern zu werden.
Ich möchte auch noch einmal sagen, dass Sie, finde ich, eine Mitverantwortung dafür tragen, dass jetzt wieder Stimmen lauter werden, die Inklusion rückabwickeln zu wollen. Ich meine, das ist eine fatale Entwicklung. Aber wenn man solche Situationen in Schulen schafft, in denen die Lehrerinnen und Lehrer sagen, sie litten unter der Inklusion und es würde ihnen besser gehen, wenn es die Inklusion nicht gäbe, dann ist das wirklich ein Alarmzeichen. Dann gibt es natürlich auch wieder solchen Stimmen die Möglichkeit zu sagen: Ja, dann lass es uns doch wieder an Schwerpunktschulen machen, dann lass es uns doch wieder zurückdrehen. Deswegen tragen Sie eine Verantwortung dafür, dass Inklusion gelingt, dass Inklusion wirklich ein Menschenrecht für alle ist und dass Inklusion wirklich auch an allen Schulen in Hamburg Realität wird.
Ich freue mich, dass in der Drucksache noch einmal deutlich erwähnt wird, dass jetzt alle Verbesserungen an die Tradition der IR-Grundschulen an
knüpfen. Denn, Frau Duden, Inklusion haben wir zwar mit dem Paragraf 12 jetzt seit 2009, aber wir haben eine 30-jährige Tradition in Hamburg. Ich finde, wir haben eine stolze Tradition der Inklusion. Ich wage zu behaupten, dass in den Integrationsklassen unter den Bedingungen, die damals herrschten, die Inklusion im Grunde schon viel weiter fortgeschritten war, als sie jetzt oft an vielen Schulen unter den knappen Ressourcenvorgaben stattfindet. Deswegen ist das eine gute Idee und ich werde Sie weiterhin daran erinnern, dass wir diese Tradition wiederaufleben lassen wollen.
Ich finde es auch gut, dass es ein Monitoring gibt, dass es einen unabhängigen Blick von außen gibt und dass es eine ständige Berichterstattung über die Wirksamkeit und das Fortschreiten der neuen Maßnahmen gibt.
Ich möchte noch einmal zum Schluss sehr kurz darauf hinweisen, dass wir auch gerade in der Inklusion sehen, wie gespalten unsere Stadtteile sind, dass viele Schulen wirklich noch einmal Extraprogramme brauchen, um gestärkt zu werden, weil sich die soziale Spaltung und die Armut auch in der Inklusion bemerkbar machen. Ich werde weiter dafür kämpfen, dass die Inklusion real an allen Schulen stattfindet. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Boeddinghaus. – Frau von TreuenfelsFrowein von der FDP-Fraktion, Sie haben nun das Wort.
Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Dieser Tag war lange, lange überfällig. In letzter Sekunde, möchte man sagen, wird verhindert, dass Hamburgs Stadtteilschulen unter den immensen Herausforderungen der Inklusion, das wird hier wahrscheinlich keiner bestreiten wollen, fast zusammengebrochen wären. Seit Jahren fordern alle Experten, verlangen Lehrer, Schüler, Eltern und auch wir Liberale endlich eine vernünftige Umsetzung der Inklusion. Seit Jahren warnen wir vor dem Kollaps der überlasteten Stadtteilschulen und dem damit einhergehenden Zusammenbruch des Zwei-Säulen-Modells.
Seit Jahren stellen Sie, Herr Rabe, sich hier hin und leugnen das Problem und bezichtigen alle Kritiker der Schlechtrederei. Das, ehrlich gesagt, fanden wir sehr unredlich und taugt auch nicht dazu, Ihr Unterlassen zu überdecken.
Es muss wieder einmal erst eine Volksinitiative mobilmachen, wie schon bei der Ganztagsschule und jetzt bei der Kita, damit Rot-Grün unter Druck
reagiert. Alles wie gehabt, wir erleben das ja immer wieder: das A-Team losschicken, freundliche Gespräche führen lassen, den Schulsenator irgendwie davon abhalten, dass er das von hintenherum auch noch alles torpediert, immerhin. Die Lösungen des fleißigen Notdienstes, das möchte ich hier auch einmal sagen, können sich durchaus sehen lassen: 295 neue Stellen, endlich Doppelbesetzung für Inklusionsklassen, Investitionsprogramm für barrierefreie Gebäude. Das finden wir gut, auch wenn alles nur peu à peu bis 2032 geschehen soll; und hier setzt meine Kritik an.
Das aber, Herr Rabe, hätten Sie alles schon vor Jahren umsetzen können, das hätte doch alles in diesem Jahrzehnt bei Schülern, Eltern und Lehrern ankommen können, wenn Sie auf uns gehört hätten, denn die Not ist groß. So aber brauchte und braucht es weiter sehr, sehr lange, bis die Entlastung in den Schulen ankommt. Diese Einigung wird die ungeheuren Probleme allein ja nicht lösen. Drei wichtige Punkte fehlen in dieser Einigung besonders.
Erstens: Es wird zwar immer davon geredet, aber wirklich konkrete Pläne für die immens wichtige Fortbildung der Lehrer sind hier nicht vorgesehen.
Zweitens steht die von uns seit Jahren geforderte Stärkung von Förderschulen auch nicht auf Ihrem Einigungszettel. Das ist aber notwendig, um die Wahlfreiheit der Eltern zu gewährleisten und um die Überlastungslage einiger Stadtteilschulen zu entschärfen, insbesondere deswegen, weil wir hier noch einen Übergang haben.
Drittens: Es fehlen Konzepte und bei Rot-Grün, glaube ich, manchmal auch der politische Wille für die Einrichtung differenzierter Lerngruppen in Kernfächern. Nur wer angesichts der Heterogenität der förderbedürftigen Schüler hier flexibler reagiert und ideologische Scheuklappen vielleicht einmal ablegen würde, wird auf Dauer erfolgreich sein.
Der Volksinitiative, das ist hier schon gesagt worden, und ich glaube, das müssen wir alle sehr anerkennen, ist für ihre Beharrlichkeit wirklich zu danken. Wir begrüßen diesen ersten Schritt; der Weg ist lang, doch ohne Konzepte bleibt er steinig.
Ich möchte dazu sagen: Wir werden diesen Schritt auch mitgehen. Wir würden ihn wirklich leichter mitgehen können, wenn Frau von Berg endlich einmal aufhören könnte, uns hier in Form einer, ich
würde einmal sagen, Parlamentsexklusion immer in die einzuteilen, die die Guten sind. Sie hat uns aber nicht als diejenigen benannt, die an ihrer Seite stehen. Das habe ich, ehrlich gesagt, langsam satt. Das trage ich auch nicht mehr mit, weil wir immer mitgearbeitet haben,
weil ich das ziemlich schade finde und weil ich das irgendwie auch nicht so richtig im Sinne einer Inklusion empfinde. Es war eher das Gegenteil, dass diejenigen, die vielleicht einige andere Ideen als Sie haben, aber dennoch das Ganze mittragen, hier immer irgendwie eingeteilt werden: Wir sind die Guten, wir wollen die Inklusion und auf der Seite sitzen wahrscheinlich diejenigen, die diese nicht so richtig wollen. Wir gehen mit, aber wir würden auch gern haben, dass Sie das endlich einmal akzeptieren. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wer sehen wollte, konnte auch schon vor Jahren sehen, dass die Umsetzung einer flächendeckenden Inklusion mit immensen Schwierigkeiten verbunden sein würde, zum Beispiel sowohl bei der materiellen als auch bei der personellen Ausstattung. Inzwischen wird das selbst der verkopfteste Inklusionsbefürworter eingestehen. Dass im Rahmen dieses Großversuchs viele Kinder keine gute Entwicklung nehmen, ja, schutzlose Kinder für falsche Theorien missbraucht werden, scheint ideologisch gestimmten Inklusionsbefürwortern allerdings egal zu sein. Da hilft es auch nicht, mit viel Geld etwas zu verbessern, wenn eine Grundentscheidung in die falsche Richtung vorausgeht.
Wir halten die Grundentscheidung für falsch, möglichst alle Schüler in derselben Schule oder Lerngruppe unterrichten zu wollen. Wir sind für ein bedachtes Vorgehen, das weder Schüler noch Lehrer überfordert. Der Ausgangspunkt muss das Wohl des einzelnen Kindes sein. Jeder einzelne Schüler muss nach seinen individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten optimal gefördert werden. Dazu müssen die Eltern zwischen unterschiedlichen pädagogischen Orten wählen können und deshalb darf das bewährte Sonder- und Förderschulsystem nicht aufgelöst werden.
Ich überspitze das jetzt einmal. Wir sagen nicht und halten die These frei nach Wocken für grundfalsch, dass es völlig egal ist, was das Kind leistet, Hauptsache, sie sind zusammen, sondern wir sa
gen: Entscheidend ist, welche geistigen und körperlichen Voraussetzungen das Kind mitbringt, dann liegt es in unserer Verantwortung, eine begabungs- und behindertengerechte Lerngruppe für das Kind sicherzustellen. Das kann sehr wohl eine gemeinsame Unterrichtung sein, aber häufig ist sie das nicht, wie viele wissenschaftliche Befunde belegen. Für die Einheitsschule immer wieder die UN-Konvention in einer engen und nicht richtigen Interpretation heranzuziehen, weisen wir in aller Entschiedenheit zurück. Sonderund Förderschulen bieten für viele Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Vergleich zu einer gemeinsamen Beschulung Vorteile. Ich will das einmal knapp erklären.
An den Förder- und Sonderschulen arbeiten ausgebildete Sonderschulpädagogen. Die haben das in einem Vollzeitstudium mit einer ersten und zweiten Lehramtsprüfung studiert. An Regelschulen haben Sie in der Regel Lehrer mit anderen Lehramtsbefähigungen, die bestenfalls einmal eine Fortbildung zum Thema Inklusion absolviert haben. Häufig fühlen sie sich überfordert und erleben sich als nicht hinreichend qualifiziert. Sonderpädagogisches Begleitpersonal für Schüler an den Regelschulen ist in der Regel eben nicht durchgängig vorhanden, obwohl dies von den Lehrerverbänden als eine grundlegende Bedingung angesehen wird. In das didaktische Konzept des Unterrichts sind sie ohnehin nicht wirklich eingebunden. Es kommt so fast zwangsläufig zu inakzeptablen Lernzeit- und Betreuungsverlusten. Eine solche Lernumgebung ist in vielen Fällen nicht förderlich.
Schüler mit autistischen Störungen oder beispielsweise schweren Verhaltensstörungen können in großen Klassenverbänden nicht optimal beschult werden. An Förder- und Sonderschulen lernen die Kinder in kleinen Gruppen. Dort gibt es über Jahre gewachsene Vertrauensgemeinschaften zwischen Schülern und Pädagogen. Die Kinder sind behütet und im geschützten Raum ihrer Schule keiner Diskriminierung ausgesetzt. Ausgebildete Sonderpädagogen verfügen über eine spezielle, auf die Handicaps abgestellte Methodik und Didaktik. An den Regelschulen hingegen werden viele Inklusionskinder permanent mit ihrem Handicap konfrontiert. Studien haben gezeigt, dass mit zunehmendem Alter das Selbstkonzept von Inklusionsschülern stark in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Traumatische Erlebnisse und Erfahrungen sind die Folge. Aus der Sonder- und Förderschule heraus können Kinder schrittweise und flexibel im Tempo in die Gesellschaft integriert werden. Die Sonder- und Förderschulen verfügen sowohl materiell als auch personell noch über vorhandene Strukturen und es wäre ein riesiger Fehler, sie jetzt noch weiter zu reduzieren.
Die Inklusion an den Regelschulen kostet dagegen sehr viel zusätzliches Geld: Umbaumaßnahmen, Fortbildungen, spezielle Schülerbeförderung.
Wenn dieses Geld nicht vorhanden ist, wird die inklusive Beschulung krachend scheitern. Wir sind nicht prinzipiell gegen eine gemeinsame Beschulung, das habe ich schon ausgeführt. Für einige Kinder kann sie gut sein und für andere ist sie eine schlechte Lösung. Das Kindeswohl muss an erster Stelle stehen. Deshalb setzen wir uns für Wahlmöglichkeiten und den Erhalt der Sonder- und Förderschulen ein; alles andere ist eine ideologische Fantasterei. Stoppen Sie endlich dieses Bildungsexperiment, es ist in seiner bisherigen Konzeption zum Scheitern verurteilt. Daher lehnen wir den ideologisch aufgeladenen Antrag der Fraktionen von SPD und GRÜNEN ab und unterstützen den Zusatzantrag der CDU. – Vielen Dank.