Protocol of the Session on May 31, 2017

Und zur AfD und der Meinungsfreiheit: Herr Nockemann, als Verfechter der Meinungsfreiheit sollten Sie vielleicht noch einmal mit Ihrer Bundesvorsitzenden sprechen. Die wollte nämlich gerade die Presse- und Meinungsfreiheit – und das ausgerechnet auch noch hier in Hamburg – einschränken. Damit ist sie vor drei Wochen unterlegen beim Landgericht Hamburg.

(Dr. Bernd Baumann AfD: Was meinen Sie denn?)

Frau Alice Weidel, korrigieren Sie mich, wie sie richtig ausgesprochen wird, hat "extra 3" juristisch unter Feuer genommen und gesagt, die Berichterstattung in "extra 3" über sie sei einzustellen, das sei alles nicht mehr der Meinungs- und Pressefreiheit entsprechend. Aber sie hat die einstweilige Verfügung nicht bekommen. Das zeigt, mit Meinungsfreiheit ist da kaum was und mit Satire und Humor schon einmal gar nicht. Das hat sie nämlich nicht verstanden.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Dr. Timm von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Seelmaecker, es geht hier nicht um die Senatsauffassung, sondern um den Antrag der AfD, und deshalb möchte ich dazu

(Richard Seelmaecker)

jetzt auch sprechen. Ich gebe Ihnen aber recht in dem Punkt, dass es nicht um Verbote geht und erst recht nicht um Zensur, sondern es geht inhaltlich um den Schutz der Persönlichkeitsrechte. Das ist ebenfalls eine wichtige Sache.

Natürlich ist die Meinungsfreiheit unbestritten ein sehr hohes Gut in der Demokratie, aber sie hat Grenzen, und diese Grenzen bestehen eben im Persönlichkeitsrecht. Das ist gerade durch die unbarmherzige Öffentlichkeit, Anonymität und Schnelligkeit des Internets sehr schnell beeinträchtigt, denn das Internet bietet Raum für Fake News, Hasskommentare, Schmähkritik – richtig üble Sachen. Und genau das, was da im Internet passiert, beeinträchtigt die Meinungsfreiheit. Meinungsfreiheit braucht wie alle Freiheiten einen Raum, um sich zu entfalten. Das geht nur in einem Kommunikationsklima, das den freien Austausch von Meinungen ermöglicht in einem offenen Diskurs, der auch andere Meinungen zulässt. Hasskommentare sind das Gegenteil. Bei Hasskommentaren geht es darum, die eigene Meinung mit Gewalt durchzusetzen. Das zerstört den konstruktiven Diskurs in einem freiheitlichen Diskussionsklima, denn Hasskommentare sind dazu da, andere fertigzumachen und sie mundtot zu kriegen. Wer auf diese Weise einen auf den Deckel bekommt, der sagt irgendwann seine Meinung nicht mehr.

Hierzu hat übrigens auch die AfD ihre Historie, insofern kann ich ihr Problem mit der Bekämpfung von Hasskommentaren verstehen.

(Beifall bei den GRÜNEN, vereinzelt bei der SPD und der LINKEN und bei Anna-Elisa- beth von Treuenfels-Frowein FDP)

Wer noch ein Problem damit hat, das sind die Firmen, Internetriesen wie Facebook, die natürlich eine möglichst uneingeschränkte Kommunikation in ihren sozialen Netzwerken wollen. Aber es geht nicht, dass es dort grenzenlose Beleidigungen gibt. Alle Versuche, und das ist der entscheidende Punkt, die Firmen dazu zu bringen, selbst etwas dagegen zu tun, haben nichts gebracht. Netzwerkbetreiber, insbesondere Facebook, haben strafbare Inhalte über lange Zeit auf Rügen hin nicht oder wenn, dann nur verzögert gelöscht. In diesem Punkt übernimmt Facebook keine Verantwortung für die 30 Millionen deutschen Nutzerinnen und Nutzer. Verbraucher, die auf die Löschung von beleidigenden Inhalten drängen, sind immer hingehalten worden und werden auch jetzt nur vertröstet. Insofern wäre da ein bisschen Löschkultur im Netz dringend angebracht.

Auch ein lang andauernder runder Tisch beim Bundesjustizministerium hat daran nichts geändert. Deshalb muss jetzt endlich etwas passieren, wir brauchen verbindliche Regelungen und zur Not eben auch mit Bußgeldern, wenn es gar nicht anders geht. Das bezieht sich auf eindeutige Fälle von Hasskommentaren und Schmähkritik; die müs

sen geahndet werden. Darunter fallen beispielsweise gewaltverherrlichende, diskriminierende, rassistische, fremdenfeindliche, sexistische, menschenverachtende oder verfassungsfeindliche Beiträge.

Es mag sein, dass der Gesetzentwurf dafür nicht die optimale Lösung ist und dass da noch nachgebessert werden muss. Aber der Antrag der AfD, und um den geht es hier, verkennt das Problem, dass gegen Hasskommentare gerade deshalb etwas getan werden muss, weil die Betroffenen sonst ihre Meinungsfreiheit gar nicht ausleben können. Deshalb ist der Antrag abzulehnen und die Zielsetzung, Hasskommentare zu bekämpfen, weiter zu verfolgen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Jersch von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn es einerseits um den Schutz der Menschen und andererseits um die Meinungsfreiheit geht, dann werden wir am Ende auf jeden Fall mit Beschädigungen aus dieser Debatte und aus der Praxis herauskommen. Das lässt sich mit Sicherheit nicht verhindern. Aber spätestens seit ich hier den Abgeordneten Nockemann am Anfang gehört habe, weiß ich – wenn ich es nicht schon vorher gewusst hätte –, warum wir handeln müssen in diesem Staat. Denn was hier gefordert wird, ist ein Freibrief für weitere Fake News, es ist ein Freibrief für Beleidigungen und rassistische Hetze in den Social Media im Internet. Das kann nicht wirklich das Ziel sein, weil wir alle – fast alle – anerkennen müssen, dass hier Handlungsbedarf besteht, da gewisse Regelungen in diesem Staat eben nicht mit der Technik Schritt gehalten haben und mit der Wahrnehmung der Menschen, so wie sie heute zu ihren Informationen kommen.

Auf der anderen Seite haben wir die Global Player der Social Media, die eigentlich im Großen und Ganzen nichts anderes machen als Dienst nach Vorschrift. Es kann nicht wirklich angehen, dass Fake News, auch von der Partei hier am rechten Rand verbreitet, über die Wahlkampfunterstützung des Umweltministeriums für Hillary Clinton drei Monate lang gerichtlich beklagt werden mussten, bis diese Meldung verschwunden ist. Das ist die Freiheit, die Sie haben wollen

(Dirk Nockemann AfD: Sperren Sie doch den Richter ein!)

und die wir mit Sicherheit zum Schutz der Menschen in diesem Staate nicht haben wollen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

(Dr. Carola Timm)

Aber es ist auch schon erwähnt worden, dass dieses Gesetz seine Schwächen hat. Es hat mehr als Schwächen, es ist ein äußerst schwaches Gesetz, obwohl es letztendlich ein Instrument an die Hand gibt, das ein scharfes Schwert ist – ein scharfes Schwert mit viel Missbrauchspotenzial. Deswegen gilt es, dieses scharfe Schwert genauer zu formulieren, weiter an diesem Gesetz zu arbeiten und es feiner zu machen.

Vor allen Dingen wird dieses Gesetz allein das Problem nicht lösen. Wir brauchen für dieses Gesetz natürlich begleitende Maßnahmen. Das Gesetz kann nur ein zusätzlicher Bestandteil sein. Wir müssen mehr an der Medienkompetenz arbeiten – Hamburg hat hier deutlich Schwächen – und an der politischen Bildung und wir müssen zivilgesellschaftliches Engagement fördern.

(Beifall bei Sabine Boeddinghaus DIE LIN- KE)

Nur mit diesem Gesamtpaket werden wir diesem Problem von der rechten Seite vor allen Dingen entgegentreten können.

Ihr Versuch, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mehr oder weniger abzuschaffen, schlägt genau in die gleiche Kerbe. Das ist relativ offensichtlich. Ich denke, wenn wir hier zusammen ein ordentliches Gesetzeswerk, das keine Lücken hat und entsprechende Handlungsmöglichkeiten einräumt, erarbeitet bekommen – nicht mit der heißen Nadel gestrickt, wie es im Moment der Fall ist, anscheinend mit dem Fokus auf die Bundestagswahl und den Erfahrungen aus den Wahleingriffen in den USA geschuldet –, dann werden wir etwas Ordentliches auf die Beine stellen können.

Der AfD sei an dieser Stelle noch einmal gesagt, dass wir Ihren Antrag natürlich ablehnen werden, der nichts anderes ist als ein Lasst-uns-weiter-sohetzen-im-Netz-Antrag. Und über Ihr Petitum braucht man im Ausschuss überhaupt nicht zu diskutieren, denn darin steht eigentlich nur: Wir wollen nichts. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau von Treuenfels-Frowein von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vorab muss ich einmal feststellen: Ausgerechnet Sie von der AfD, die zum Beispiel Ende 2015 eine echte Hetzjagd im Netz auf unsere Kollegin von Berg angezettelt haben, befassen sich jetzt mit dem Thema Hetze. Das finde ich einmal wirklich interessant, das finde ich ein echtes Ding, Sie wollen einen weiteren Freibrief. Doch bevor ich mich jetzt weiter an Ihnen abarbeite, komme ich

zum Thema. Ich hätte dazu ernsthaft noch einiges zu sagen.

(Beifall bei der FDP, der SPD, den GRÜ- NEN, der LINKEN und bei Jörg Hamann CDU)

Zum Thema. Es ist gut und wichtig, dass wir uns auch in der Bürgerschaft mit diesen Fragen beschäftigen, denn die Debatten in den sozialen Netzwerken sind in der Tat zunehmend von einer geradezu enthemmten Verrohung gekennzeichnet. Diese sinkende Hemmschwelle führt unsere Gesellschaft in eine sehr bedenkliche Richtung. Persönlicher Austausch wird ersetzt durch vermeintlich anonyme Internetaussprache. Da generiert sich der nette Nachbar plötzlich als Hate Speaker. Als Politik – da sind wir uns, glaube ich, einig – sind wir alle in der Verantwortung zu handeln, auch insbesondere wegen des mangelnden Einsatzes und Engagements von Facebook und Co. Aber auch wenn die Zielsetzung eine richtige ist, halten wir dieses neue Gesetz für verkehrt. Wir finden, dass es eher neue Probleme schafft, als sie zu lösen. Und wir lesen heute erstaunt in der Presse, dass unser Bürgermeister Scholz unsere Bedenken teilt. Der Entwurf sei merkwürdig unwuchtig. Recht hat er. Dabei war es doch gerade sein Parteifreund Maas, der Genosse, der dieses Gesetz auf den Weg gebracht hat. Man lernt nicht aus.

Das gleiche Verwirrspiel zeigt sich auch bei den GRÜNEN, nur umgekehrt. Während sich Konstantin von Notz oder Renate Künast in Berlin als Retter der Meinungsfreiheit im Netz aufspielen, irrlichtert Senator Steffen einmal wieder in Hamburg herum und generiert sich sogar als Initiator des Gesetzes. Liebe Kollegen von SPD und GRÜNEN, das ist überhaupt keine klare Linie und dieses Hin und Her bringt nichts als Unsicherheiten.

(Beifall bei der FDP)

Ein Blick aufs Gesetz aber zeigt, dass erstens die Wahrung der Meinungsfreiheit in einem demokratischen Rechtsstaat nicht privaten Unternehmen anvertraut werden kann. Genau das sieht dieses Gesetz aber vor. Ob man sich jetzt darauf vorbereitet hat oder nicht, das kann wirklich fast jeder Laie, der nicht Jurist ist, daraus entnehmen. Facebook und Co werden also in eigener Sache zu Ermittler, Staatsanwalt und Richter in einer Person, und das geht nicht.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Statt mit einem Schnellschuss rechtsstaatliche Grundsätze aufzugeben und quasi über Bord zu werfen, muss die Justiz doch wohl so ausgestattet werden, dass sie Beleidigungen und Hasskommentare verfolgen kann. Genau darauf kommt es an.

(Beifall bei der FDP)

(Stephan Jersch)

Zweitens ist die Vorlage der Großen Koalition auch lückenhaft, und zwar in der Weise, dass die Hasskommentare auf weniger kontrollierten Plattformen wieder erscheinen werden. Man kann doch nicht glauben, dass diese Hate Speaker sagen, wenn wir jetzt nicht mehr auf Facebook dürfen, dann machen wir gar nichts mehr. Die gehen auf kleine Plattformen und die sollen nicht kontrolliert werden. Da ist schon wieder eine Rechtslücke, die man unbedingt schließen muss.

Drittens: Die 24-Stunden-Löschfrist, bewehrt mit hohen Bußgeldern, wird doch im Zweifelsfall, da sind wir uns wahrscheinlich alle einig, zu großflächigen sofortigen Löschaktionen führen. Das ist wieder eine Gefahr für die Meinungsfreiheit, und die können wir nicht hinnehmen.

(Dr. Jörn Kruse AfD: Zensur halt!)

Meine Damen und Herren, aus diesem Problemkatalog ergibt sich für uns nur eine Konsequenz: Herr Maas muss diesen Gesetzentwurf zurückziehen. Falls es wirklich möglich sein sollte, dieses Gesetz – ich finde, dass es wirklich so viele Lücken hat – noch zu verbessern, möge er das tun. Aber wir finden, dass dieses Gesetz so in keinem Fall verabschiedet werden darf.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der AfD)

Statt im Eiltempo etwas durchzupeitschen, das am Ende schadet und eigentlich auch nur Populisten neue Munition liefert – die können sich dann nämlich wieder schön als Opfer generieren –, braucht es einen transparenten Prozess mit Fachleuten und Zivilgesellschaft. Danach wäre ein neuer Auftakt sinnvoll und das auch vielleicht mit einer Diskussion darüber, ob wir eigentlich weiter zulassen wollen, dass sich die Netzwerke nur als technische Infrastruktur begreifen, oder ob sie nicht vielmehr auch Inhalteanbieter sind. Erkennt man ihnen nämlich diesen Status zu, gelten dieselben medienrechtlichen Vorschriften wie für Zeitungen und Rundfunk.

Aber welche Regel auch immer am Ende steht, die Maxime für uns Freie Demokraten muss sein: Hate Speech bekämpfen – ja, aber den Rechtsstaat dabei aufgeben – nein. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der AfD)