Protocol of the Session on April 12, 2017

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auf das Thema der medizinischen Versorgung bin ich hier zweimal eingegangen und werde das trotzdem gern noch einmal tun. Denn es ist völlig klar, dass dieses ein besonderes Thema in der Diskussion im vergangenen Jahr war, auch im Zusammenhang mit dem Umstand, dass wir auf einem Bauabschnitt – dem vierten Bauabschnitt, dem Gebiet Vogelkamp – selbstverständlich die öffentlich-rechtliche Unterbringung etabliert haben. Das heißt, wir haben uns diese Frage vorgenommen. Und was wir tun, ist: Erstens darauf hinwirken – man kann natürlich niemanden zwingen –, dass sich Ärzte in NeugrabenFischbek ansiedeln. Es geht um die Etablierung von zwei Praxisstandorten. Ins Auge gefasst ist zweitens ein Ärztehaus in diesem Quartier. In welchem Zeitraum sich das realisiert, müssten wir bei der zuständigen Behörde fragen. Das werden wir natürlich auch gern für Sie tun.

Vielen Dank. Gibt es seitens der fraktionslosen Abgeordneten noch eine Frage? Das scheint nicht der Fall zu sein.

[Bereits Ende 2013 hat der damalige Senator Scheele angekündigt, neue Plätze zur geschlossenen Unterbringung Minderjähriger – insbesondere Intensivstraftäter – aus Hamburg zu schaffen und den Bedarf hierfür auf 10–12 Plätze beziffert; dreieinhalb Jahre später, in denen immer wieder Jugendliche trotz gerichtlicher Erlaubnis nicht geschlossen untergebracht werden konnten, gibt es nach wie vor keine einzige Hamburger Einrichtung. Inwiefern kann man den Versprechungen des Senats zur Schaffung einer geschlossenen Unterbringung nach dreieinhalb Jahren ohne jedes Ergebnis noch Glauben schenken? (Fra- gethema der CDU-Fraktion)]

Dann rufe ich die zweite Frage auf, die von der CDU-Fraktion eingereicht worden ist.

(Heike Sudmann)

Protokollerklärung siehe Seite 4064

Wer möchte die Fragestellung vortragen? – Herr Heißner, bitte schön, Sie haben das Wort für maximal eine Minute.

Bereits Ende 2013 hatte der damalige SPD-Senator Scheele angekündigt, eine Einrichtung für Hamburger Kinder und Jugendliche zu schaffen, für die eine geschlossene Unterbringung notwendig und gerichtlich auch genehmigt ist. Der Bedarf hierfür wurde damals auf zehn bis zwölf Plätze beziffert. Im Grunde sind wir jetzt wieder auf dem Stand wie vor dreieinhalb Jahren. Die Kooperation mit Bremen ist gescheitert. Rot-Grün hat dort mir nichts, dir nichts gesagt, man lasse das jetzt wieder sein. Und dreieinhalb Jahre später ist nichts passiert.

Vor dem Hintergrund dieser Saumseligkeit sozialdemokratischer Sozialsenatoren: Inwiefern kann man den Versprechungen des Senats zur Schaffung einer geschlossenen Unterbringung nach dreieinhalb Jahren ohne jedes Ergebnis noch Glauben schenken?

Frau Senatorin, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Heißner! Der Senat bedauert die Entscheidung Bremens, die gemeinschaftliche Errichtung einer Einrichtung mit intensivpädagogischen Angeboten und fakultativ geschlossen nicht mehr weiterzuverfolgen, sehr. Wir sind jetzt in die Planungen eingestiegen, welche Alternativen wir zu der gemeinsamen Einrichtung mit Bremen verfolgen werden. Dazu zählen Überlegungen, gemeinschaftlich mit anderen Landkreisen oder Bundesländern zu arbeiten, ebenso wie andere Fragen. Wir glauben weiterhin, dass es einen geringen Anteil von jungen Menschen gibt, die nur über diese Form von pädagogischem Angebot wieder empfänglich und erreichbar für andere Hilfesettings sind. Insofern glauben wir, dass es weiterhin einen geringen Bedarf geben wird. Also können Sie sicher sein, dass der Senat in Hamburg das Thema geschlossene Unterbringung und alle Alternativprüfungen, die damit verbunden sind, weiter betreiben wird.

(Beifall bei der SPD)

Eine Nachfrage, Herr Heißner.

Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass Sie, obwohl das schon seit vielen Wochen wieder bekannt ist, noch keinerlei konkrete Planungen in Hamburg vorangetrieben haben, wie es jetzt in Hamburg für diese Kinder und Jugendlichen vorangeht? Und wenn nein, was haben Sie konkret bisher weiter geplant?

Frau Senatorin.

Bei der Prüfung von Alternativen geht es nicht nur darum, in Hamburg einen Standort zu finden, sondern es geht auch darum auszuloten, ob es weitere Partner für eine solche Einrichtung geben kann. In diesem Prozess befinden wir uns gerade. Und wir werden selbstverständlich im Rahmen dessen, was in dieser Frage auch nötig ist, an die parlamentarischen Gremien herantreten, wenn wir so weit vorangeschritten sind, dass es in die Konkretisierung geht.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. Gibt es Nachfragen der anderen Fraktionen? Ja. Es liegen Wortmeldungen vor. – Von der SPD-Fraktion Herr Lohmann, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Senatorin! Es wird auch künftig deutschlandweit zu richterlichen Verfügungen kommen in Bezug auf geschlossene Unterbringung. Wem obliegen dann die Konzeption, die Qualitätssicherung und die Aufsichtspflicht? Und was bedeutet das für Hamburg?

Die Aufsichtspflicht für eine Jugendhilfeeinrichtung, zum Beispiel für eine geschlossene Unterbringung, hat immer der örtlich zuständige Jugendhilfeträger. Das ist die jeweilige Gemeinde und/oder der Landkreis, in dem sich eine solche Einrichtung dann örtlich befindet. Wir haben nach wie vor im SGB VIII die behördliche Zuständigkeit geregelt.

Die Konzeption und die Aufsicht über die Einhaltung der Konzeption und die Genehmigung einer solchen Einrichtung muss man dann ein bisschen getrennt betrachten. Die Konzeption einer solchen Einrichtung methodisch und inhaltlich obliegt dem anbietenden Träger, die Überwachung und Einhaltung und die Heimaufsicht dann wiederum dem örtlich zuständigen Jugendhilfeträger.

Für Hamburg bedeutet das konsequent, wenn man Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung einer solchen Einrichtung nehmen will und auch aufsichtsführende Behörde sein möchte, dann müsste sich das im Grunde in unserem Hoheitsgebiet abspielen, da, wo wir zuständiger örtlicher Jugendhilfeträger sind. Die gemeinschaftliche Lösung mit Bremen hatte den Vorteil, dass wir uns über den Jugendhilfeträger PTJ inhaltlich einbringen und gleichzeitig mit unserem Partner Bremen in gewisser Weise die örtliche Zuständigkeit und Aufsicht in gemeinschaftlichem Abkommen regeln konnten.

(Beifall bei der SPD)

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg)

Vielen Dank. – Dann haben wir Frau Gallina von der GRÜNEN Fraktion.

Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie noch einmal erläutern könnten – wir haben doch in Hamburg auch noch die Koordinierungsstelle, die sich durchaus auch solcher Fälle annimmt –, wie diese eigentlich arbeitet und vielleicht auch, wie sich die Arbeit in den letzten Jahren entwickelt hat.

Vielen Dank. Vor dem Hintergrund, dass die geschlossene Unterbringung die Ultima Ratio ist, die Lösung oder die Maßnahme, die zum Tragen kommt, wenn alle anderen Hilfesettings nicht funktionieren, haben wir in Hamburg gemeinsam mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband eine Koordinierungsstelle eingerichtet, die sich der Suche und der Konzeption von besonders anspruchsvollen, intensivpädagogischen Hilfesettings widmet. Das ist, wenn Sie so wollen, eine Stufe unterhalb von geschlossener Unterbringung zumindest an dieser Stelle. Diese Koordinierungsstelle haben wir aufgestockt, um den unmittelbaren Bedarf für schwer zu erreichende Kinder und Jugendliche abzudecken, den wir in Hamburg sehen. Dies geschieht zum Teil auch durch mehrere Träger, die verschiedene Arbeitsschwerpunkte haben. Wir haben festgestellt, dass, wenn es gelingt, es sich sehr bewährt hat, auch komplexe Hilfebedarfe so zu erfüllen, dass möglicherweise mehrere Träger zusammenarbeiten können, um die Haltefähigkeit einer Einrichtung, in der ein Jugendlicher zum Beispiel ist, auch zu erhöhen und die pädagogischen Möglichkeiten noch einmal zu erweitern. Daher setzen wir sehr stark auf diese Koordinierungsstelle. Wir glauben trotzdem, dass es womöglich noch mehr braucht, deswegen haben wir diese Planung mit Bremen gemacht. Trotzdem ist sie eine sehr wertvolle Ergänzung und auch eine deutliche Verbesserung bei der Suche, wenn es um sehr komplexe und sehr aufwendige Bedarfe für einzelne Kinder und Jugendliche geht.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächste Frau Boeddinghaus von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön.

Im Koalitionsvertrag geht doch Rot-Grün davon aus, dass es eine kleine einstellige Zahl von jungen Menschen geben soll, die womöglich in die geschlossene Unterbringung kommen sollen. Jetzt hat aber Marcel Schweitzer, der Sprecher der BASFI, vor Kurzem gesagt, der Bedarf in Hamburg läge bei 15 jungen Menschen ungefähr. Ich würde gern wissen, von welcher Prognose Sie ausgehen? Und vor dem

Hintergrund, wie viele junge Menschen betreut die Koordinierungsstelle zurzeit, denn sie ist doch gerade zur Vermeidung der geschlossenen Unterbringung eingerichtet worden und arbeitet in diese Richtung?

In der Regel arbeiten Einrichtungen, die auch geschlossene Bereiche haben, in sogenannten Phasenmodellen. Das heißt, und das entspricht auch voll der Regelung des Koalitionsvertrags, eine Einrichtung, die geschlossen worden ist und die sich auf eine kleine einstellige Zahl bezieht mit einem kleinen geschlossenen Bereich. Ziel ist, dass die jungen Menschen so kurz wie möglich, aber so lange wie nötig in diesem geschlossenen Bereich sind und dass sie sich möglicherweise nach wenigen Wochen weiterentwickeln in einen teilgeöffneten Bereich und/oder dann, wenn es sich sehr bewährt hat, in ein normales, stationär untergebrachtes Hilfesetting, dass dann zum Beispiel auch den Besuch einer Schule außerhalb der Einrichtung und vieles mehr zulässt.

Es sind beide Aussagen richtig. Wir sehen den Bedarf für ungefähr grob zehn bis zwölf Jugendliche in Hamburg, die jährlich womöglich geschlossen untergebracht werden müssten. Und gleichzeitig brauchen wir nicht mehr als vier geschlossene Plätze, weil die nicht das ganze Jahr von denselben Jugendlichen belegt sind. Unser Ziel ist dagegen, die geschlossene Phase, und das ist auch das Ziel der Einrichtung in aller Regel, so kurz wie möglich zu halten und nicht über Gebühr auszudehnen.

Zur Arbeit der Koordinierungsstelle ist mir noch einmal wichtig zu sagen, dass es hier nicht um die GU-Vermeidung in erster Linie geht, sondern darum, komplexe, sehr herausfordernde Jugendliche mit einem guten, tragfähigen, langfristig wirksamen Hilfesetting zu versorgen, an dem auch mehrere Träger teilhaben können. Nicht alle diese Kinder und Jugendlichen, die über die Koordinierungsstelle schließlich zu einem guten Angebot kommen, sind automatisch GU-Fälle, wenn das nicht gelingen sollte. Da werden auch sehr viele Fragen beantwortet, wo es Schnittstellen zur psychiatrischen Versorgung zum Beispiel gibt. Da geht es auch manchmal darum, Träger und Angebote miteinander zu verknüpfen, wo es beide Kompetenzen braucht, um einen Jugendlichen zu stabilisieren und einen guten Weg in der Jugendhilfe und womöglich darüber hinaus zu gewährleisten, der auch sonst nicht zwingend in die geschlossene Unterbringung kommen müsste. Insofern ist es eine wichtige Institution zur Entwicklung von intensivpädagogischen Angeboten, unter Einbeziehung der in Hamburg daran beteiligten Träger – es sind auch nicht alle dabei –, aber es ist nicht in erster Linie eine GU-Vermeidungseinrichtung, sondern sie erreicht noch viel mehr an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächster Herr Oetzel von der FDPFraktion.

Frau Senatorin, Sie haben in der ersten Antwort auf die Eingangsfrage auch von Alternativplanungen gesprochen. Vor dem Hintergrund, dass doch eine der beiden Regierungsfraktionen, nämlich DIE GRÜNEN, eigentlich grundsätzlich gegen eine solche geschlossene Unterbringung ist, würde mich interessieren, welche Alternativplanungen das sind und mit welcher Konsequenz der Senat die Planungen dieser geschlossenen Unterbringung betreibt.

(Beifall bei Philipp Heißner CDU)

Beim Thema Alternativplanungen geht es vor allen Dingen um die Frage: Arbeitet man bei diesem Thema mit einem Kooperationspartner, einem anderen Landkreis, einem anderen Bundesland zusammen oder nicht? In welcher Weise bauen wir parallel zu der Frage, dass es möglicherweise auch nicht für alle Jugendlichen das ausreichende Angebot ist, alles darüber hinaus an intensivpädagogischen Angeboten in Hamburg noch aus? Sie wissen, dass wir auch da seit Jahren einen gewissen Bedarf haben und auch einen Bedarf daran, immer neue, andere, zum Teil auch inhaltlich anders gelagerte sich überschneidende Formen von Psychiatrie und anderen Angeboten und Hilfesettings zu haben. Das gehört alles in die Frage Alternativplanungen hinein. Und es geht natürlich auch um die Frage, wenn wir es als Hamburg allein machen, wie groß und in welcher Weise und auf welchem Gebiet so etwas überhaupt sinnvoll stattfinden kann.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Dann noch Herr Baumann von der AfDFraktion.

Frau Senatorin, die Polizei hat im Februar 393 Kinder, Jugendliche und Heranwachsende als Intensivtäter ausgeschrieben in Hamburg. Sie haben gerade noch einmal bestätigt, dass Sie die Planungen von Herrn Scheele, die wohl schon vier Jahre alt sind, von zehn bis zwölf Plätzen aufrechterhalten. Warum sind das so wenige, wenn man berücksichtigen muss, dass Richter gemeinhin doch nur überweisen, wenn sie guten Gewissens davon ausgehen können, dass genügend Plätze zur Verfügung stehen, die auch mit guten pädagogischen Konzepten versorgt sind?

Sehr geehrter Präsident, sehr geehrter Herr Abgeordneter! Nicht alle Kinder und Jugendlichen, die auf der Obachtliste der Polizei geführt werden, sind, trotz zum Teil sehr komplexen und herausfordernden Verhaltens, Kandidatinnen oder Kandidaten für eine geschlossene Unterbringung. Das ist eine freiheitsentziehende Maßnahme, die sehr hohe Hürden hat. Da braucht es ein psychiatrisches Gutachten, eine Beistandschaft, einen gerichtlichen Beschluss, vieles mehr, was vorliegen muss, und vor allen Dingen die Überzeugung, dass andere Angebote diese jungen Menschen auf gar keine Weise erreichen, sondern dass der Freiheitsentzug auch ein Mittel ist, um die letzte Möglichkeit, diese Jugendlichen mit etwas anderem als zum Beispiel Haft zu erreichen.

Es gibt auf der Obachtliste eine sehr unterschiedliche Konstellation von Altersgruppen und von Delinquenzgruppen, wo Jugendliche eine längere Zeit schon nicht mehr auffällig geworden sind, also offensichtlich auch durch andere Angebote erreicht werden. Insofern kann man nicht die Zahl der Kinder und Jugendlichen auf der Obachtliste und den Bedarf an geschlossener Unterbringung festsetzen. Es gibt hier wirklich hohe Hürden und ist in der Jugendhilfe die allerletzte Maßnahme vor beispielsweise Haft.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. Gibt es noch Fragen der fraktionslosen Abgeordneten? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann endet die heutige Senatsbefragung.

Ich rufe dann auf den Tagesordnungspunkt 5, die Berichte des Eingabenausschusses.

[Bericht des Eingabenausschusses: Eingaben – Drs 21/8447 –]

[Bericht des Eingabenausschusses: Eingaben – Drs 21/8448 –]

[Bericht des Eingabenausschusses: Eingaben – Drs 21/8449 –]

Zunächst der Bericht aus 21/8447. Hier zunächst zu Ziffer 1.