Protocol of the Session on March 1, 2017

Wenn man die Drucksache des Senats sieht, dann ist das, was über den Natur-Cent, den Naturzerstörungscent, letztendlich nicht finanziert werden soll, nichts anderes als eine Beruhigungspille. Mit kreativen Formulierungen werden hier alle Tore offen gelassen, dann doch Parkbänke oder Wegweiser zu finanzieren. Das ist einfach nicht ehrlich. Und wir wissen, der Senat ist für seine kreativen Maßnahmen durchaus bekannt und hat nicht umsonst deswegen auch ein gewisses Glaubwürdigkeitsdefizit.

(Beifall bei der LINKEN)

Was fehlt, ist die Ausweitung des Grüns in dieser Stadt, die Berücksichtigung von Stadtteilen, Quartieren, in denen Grün bisher noch völlig unterrepräsentiert ist. Stattdessen werden einzelne grüne Leuchttürme noch einmal aufgewertet, was wiederum große Teile unserer Bevölkerung nicht erreichen wird.

(Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Sparr?

Ich gestatte eine Zwischenfrage.

Herr Kollege Jersch, ich muss jetzt doch noch einmal nachfragen, da ist so vieles, was ich nicht so ganz verstehe an Ihrer Rede. Zum einen, Sie sind der Ansicht, es würde sich bei dem Natur-Cent nicht um Mehreinnahmen, die da verteilt werden, handeln. Können Sie mir das erläutern? Die zweite Frage …

Klar, die Grundsteuer wäre so oder so angefallen.

(Dr. Monika Schaal SPD: Das ist ja wieder eine Logik! – Ulrike Sparr GRÜNE: Das ist jetzt aber ein bisschen billig!)

Das ist genau das. Die ist bisher in diesem Haushalt in anderen Töpfen gelandet, und die verteilen Sie einfach nur um.

(Ulrike Sparr)

(Ulrike Sparr GRÜNE: Das sind die Mehrein- nahmen, die durch die Grundsteuer anfallen. Das wollen wir doch einmal festhalten!)

Das sind Abschlagszahlungen.

Die zweite Frage war: Ist Ihnen bewusst, dass wir zum Beispiel auf der Horner Geest eine große Grünzone entwickeln, gerade in einem Stadtteil, der bisher nicht so mit Grünzonen und Parks bestückt war?

Ist Ihnen bewusst, was in der Drucksache steht? Einfach einmal als Gegenfrage, Frau Sparr.

(Beifall bei der LINKEN – Ulrike Sparr GRÜ- NE: Was hat das damit zu tun? – Glocke)

Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt schon zwei Zwischenfragen gehabt. – Herr Jersch hat das Wort und fährt jetzt in seiner Rede fort. Bitte schön.

Was natürlich in der Drucksache des Senats fehlt, sind Verfahrensvorschläge für die Verteilung der Mittel an die Bezirke. Es gibt keine konkret definierten Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Grünanlagen. Das ist eine Drucksache, über die wir hier abstimmen, von der ich erwarte, dass so etwas eigentlich ausgeführt werden könnte. Die Dokumentation wird nachgereicht, und im Zusatzantrag der Regierungskoalition wird vorgesehen, dass diese Dokumentation alle zwei Jahre pünktlich zu den Haushaltsberatungen stattfindet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer weiß, wie Haushaltsberatungen hier abgegangen sind – es sei denn, sie werden anders gestaltet, das steht doch noch offen –, der weiß, dass wir in dieser Zeit nicht wirklich Zeit haben werden, uns grundlegend um diese Thematik kümmern zu können. Und das heißt letztendlich auch, dieser Antrag von RotGrün ist ein Kontrollverhinderungsantrag.

Wir haben mit diesem Antrag aber auch das Problem, dass er nur für bestimmte Flächen in dieser Stadt gilt, für Landschaftsschutzgebiete plus zwei zusätzlich benannte Gebiete, eines davon Oberbillwerder. Auch das ist ein unehrliches Herangehen, als wenn wir nicht andere ökologisch wertvolle Flächen in dieser Stadt hätten und nicht nur die, die bereits definiert worden sind. Und die möglichst ortsnahe Verwendung, die in der Drucksache steht, krankt auch an dem "möglichst". Wir alle wissen, dass auch Ausgleichsmaßnahmen mittlerweile weit entfernt stattfinden. Letztendlich ist es nichts anderes als eine Flächenfraßprämie in der Freien und Hansestadt Hamburg mit einer Abschlagszahlung für Umweltzerstörung.

(Beifall bei der LINKEN – Dirk Kienscherf SPD: Wo wollt ihr die ganzen Wohnungen noch bauen, das ist doch lächerlich! Das ist asoziale Politik!)

Sie führt eigentlich nur zu einem Ruhigstellungscent, bei dem man sich überlegen kann, ob es nicht für die Behörde durchaus sinnvoll ist zu überlegen, weitere Flächen für die Bebauung freizugeben, weil damit fehlende Mittel für die Grünpflege in dieser Stadt frei werden. Und um das Zitat der Kollegin, Frau Dr. Schaal, auszuführen: Hamburg bleibt eine rot-grüne Stadt, der das Wasser ökologisch bis zum Halse steht. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort Hat Herr Dr. Duwe von der FDPFraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist der rot-grüne Werbeblock Nummer 3 heute, der Natur-Cent. Der Natur-Cent hört sich sehr schön an. Wenn man die Verpackung aufmacht, dann bemerkt man: Ich gratuliere den GRÜNEN, dass sie beim Koalitionspartner mehr Geld herausgeholt haben für die Pflege von Grünanlagen und für die Pflege von Naturschutzgebieten. Das ist das Erste.

Das Zweite ist: Ich finde es natürlich toll, wie man das verpackt. Das hat mit den Ursachen gar nichts zu tun. Das ist einfach nur, etwas Geld aus dem Budget des Staates herauszunehmen, und da hat die Behörde für Umwelt ein bisschen mehr Geld herausschlagen können, was natürlich von Vorteil ist. Aber das, was hier begründet wird, ist völlig blödsinnig.

(Wolfgang Rose SPD: Was war das für ein Wort?)

Wenn Sie nämlich schauen, wo die Maßnahmen stattfinden, dann sehen Sie, dass die Maßnahmen logischerweise außerhalb des Innenstadtbereiches stattfinden. Wo sind die Grünanlagen, die dann besser gepflegt beziehungsweise aufgewertet werden sollen? Im Innenstadtbereich.

(Dirk Kienscherf SPD: Stimmt doch gar nicht, lesen Sie mal die Drucksache!)

Also hat dieses eigentlich gar nichts damit zu tun.

Zwei Drittel der Mittel sollen für die Aufwertung und Pflege von Grünanlagen verwendet werden. Wo sind diese Grünanlagen? Wahrscheinlich nicht dort, nur bei Billwerder oder gleich nebenan, sondern eben im Innenstadtbereich. Das heißt also, diejenigen Leute, die davon profitieren, was ich ihnen auch gönne, leben im Innenstadtbereich, und die Eingriffe sind im Außenbereich. Also es hat absolut überhaupt nichts damit zu tun, außer dass man von Regierungsseite natürlich den Natur

(Stephan Jersch)

schutzverbänden sagen kann, sie bekämen ein bisschen Geld und dann könne man dieses Geld für die Natur verwenden. Das ist also eine Mogelpackung, die natürlich aus der Marketingabteilung gekommen ist. Aber ich muss ganz klar sagen, es hat nichts mit den Eingriffen zu tun, die jetzt in Landschaftsschutzgebieten durchgeführt werden sollen.

(Beifall bei der FDP und bei Karl-Heinz Warnholz CDU)

Denn dann müssten die Maßnahmen noch viel näher an den Gebieten sein, wo der Eingriff geschieht. Das passiert dann also nicht.

Und zum anderen: Man kann doch auch leicht sehen, dass es eigentlich nur eine verbesserte Politik der Umweltbehörde sein wird,

(Dirk Kienscherf SPD: Sie sind ja auch ge- gen Wohnungsbau!)

denn die Befugnis, darüber zu entscheiden, was gemacht wird, werden letztendlich nicht die Bezirke haben, sondern die Behörde. Also gut, die Behörde für Umwelt bekommt ein bisschen mehr Geld, und das ist auch gut so, aber nicht aus dem Grund, der hier angeführt wird. Also seien Sie einmal ein bisschen ehrlicher. Herr Kerstan hat sich einmal gerade gemacht, das ist auch in Ordnung, aber wegen des Wohnungsbaus ist das nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Karl-Heinz Warnholz CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Oelschläger von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Idee verfängt auf den ersten Blick, ökologischen Wert von Freiräumen in der Stadt, auch den Erholungswert zu stärken. Etwas für den Naturschutz tun, das klingt erst einmal gut. Schon der Blick auf die Ursachen und Wirkzusammenhänge zeigt aber, dass hier einmal mehr ein hausgemachtes Problem behoben werden soll. Immer stärkere Versiegelung von Flächen hängt auch mit der kopflosen Siedlungspolitik des Senats zusammen. Sie hängt auch zusammen mit dem Dogma, nicht in die Höhe zu bauen.

Auch wir wollen Wohnraum schaffen, wir wollen auch Lebensqualität erhalten. Insofern befürworten wir das grundsätzliche Anliegen, in Naturschutz zu investieren. Den von der Regierungskoalition vorgeschlagenen Weg können wir aber nicht befürworten. Erstens erschließt es sich uns nicht, warum für dieses Projekt ein Sondervermögen genutzt werden soll, das 2001 aus nachvollziehbaren Gründen geschaffen wurde zur Abwicklung konkre

ter Ausgleichsmaßnahmen. Das ist beim NaturCent grundlegend anders. Die zu fördernden Projekte können problemlos auch direkt von der Behörde für Umwelt und Energie verwaltet werden. Wozu diese Trennung gut sein soll, wird schnell klar. Es geht den Koalitionspartnern hier offensichtlich um die Vermarktbarkeit dieses Projekts, und da hilft natürlich eine öffentlich wirksame Zurverfügungstellung von 3 Millionen Euro mehr als eine Anpassung in gleicher Höhe der entsprechenden Haushaltsposition der Behörde.

Vor allem ist der Natur-Cent aber ein Bürokratiemonster. Die Berechnung ist kompliziert und aufwendig. Und weil das bekannt ist, gleichzeitig aber mit den Maßnahmen begonnen werden soll, werden dem Sondervermögen erst einmal pauschal 3 Millionen Euro bereitgestellt, die auch ausgegeben werden können und sollen, und später wird erst das tatsächliche Natur-Cent-Aufkommen berechnet und mit dem Sondervermögen abgerechnet.

Der Finanzsenator betreibt derzeit mit der HSH Nordbank de facto bereits eine geerbte Bank und scheint an Bankgeschäften Gefallen gefunden zu haben, denn letzten Endes gibt hier die Stadt der Konzerntochter Sondervermögen "Naturschutz und Landschaftspflege" ein Darlehen. Erst pauschal veranschlagt, später, teilweise Jahre später, nachsehen, was dabei herauskommt. Das können dann sehr wohl auch weniger als 3 Millionen Euro sein, natürlich auch mehr. Da frage ich mich, ob es nicht wesentlich einfacher und der guten Sache dienlicher gewesen wäre, diesen Betrag fix und zweckgebunden im Haushalt zur Verfügung zu stellen.

Mit nicht viel mehr Erstaunen haben wir Ihren Zusatzantrag zur Kenntnis genommen, in dem Sie wortreich den Senat zur Berichterstattung auffordern. Ja, selbstverständlich tut das not, wenn man diese Konstruktion Sondervermögen wählt. Schön, dass Ihnen das kurz vor Toresschluss auch noch aufgefallen ist. In der vorgelegten Form können wir Ihren Anträgen nicht zustimmen. – Danke.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Senatorin Fegebank.

(Vizepräsident Detlef Ehlebracht übernimmt den Vorsitz.)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es nimmt sicher niemand an, dass sich der Kollege Kerstan heute nicht der Debatte stellen möchte, er lässt sich vielmals entschuldigen, er ist auf einer Dienstreise und hat mich gebeten, heute zum Natur-Cent Stellung zu nehmen, und ich übernehme das sehr gern. Ich vertrete ihn in der Tat auch sehr gern.

(Dr. Kurt Duwe)

Und ich muss sagen, es ist sehr starker Tobak, was einige von Ihnen an Unterstellungen mit Blick auf diesen doch sehr langen, mitunter auch sehr zähen und mühseligen Abwägungsprozess, den wir hier gemeinsam im Senat getroffen haben, tatsächlich darstellen. Der Natur-Cent ist ein Erfolg für den Erhalt, für den Schutz, für die Pflege von Natur und Grünfläche, und das ist ein gemeinsamer Erfolg dieses Senats.