Protocol of the Session on December 1, 2016

(Glocke)

Schauen Sie sich erst einmal die Anfragen und die Antworten an, dann werden Sie sehen, wie Ihr Senat mit diesem Transparenzprozess umgeht. Das haben die Hamburgerinnen und Hamburger wirklich nicht verdient.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Dann können wir zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE aus der Drucksache 21/6746 kommen.

Wer diesem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 49, Drucksache 21/6736, Antrag der FDP-Fraktion: Sport hat viele Facetten – eSport ist eine davon!

[Antrag der FDP-Fraktion: Sport hat viele Facetten – eSport ist eine davon! – Drs 21/6736 –]

Die Fraktionen der SPD, GRÜNEN und FDP möchten diese Drucksache an den Sportausschuss überweisen.

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Herr Oetzel von der FDP-Fraktion bekommt es, und ich sage gleich vorbeugend schon: Es wäre nett, wenn es etwas leiser wäre.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Und jetzt zum Sport. In der Nacht vom 29. Oktober auf den 30. Oktober dieses Jahres fand das Finale einer Weltmeisterschaft statt, die insgesamt 350 Millionen Menschen verfolgt hatten. Es ging um knapp 6 Millionen Dollar Preisgeld und das Spiel wurde in Deutschland live im Fernsehen übertragen. Am Ende unterschied sich das Finale vor allem dadurch von üblichen Sportereignissen, dass sich in

der Endrunde zwei Teams aus einem Land, nämlich beide aus Südkorea, gegenüberstanden. Ich spreche von der LoL-Weltmeisterschaft, der League of Legends, mit über 100 Millionen Spielern das meistgespielte PC-Spiel in der westlichen Welt.

eSport oder auch elektronischer Sport ist schon lange kein Randphänomen mehr. 36 Millionen Deutsche bezeichnen sich selbst als Computerspieler, natürlich nicht alle im kompetitiven Bereich, aber dennoch mit einer hohen Sensibilität für das elektronische Kräftemessen. Mittlerweile bilden sich in Deutschland Stück für Stück auch professionelle Strukturen heraus, beispielsweise hat Ende 2015 Schalke 04 seine eigene eSport-Abteilung gegründet. Auf der diesjährigen Mitgliederversammlung wurde dann die Gründung eines professionellen FIFA-Teams bekannt gegeben, also elektronischer Fußball. Das wäre vielleicht auch, nebenbei bemerkt, eine neue Perspektive für unseren HSV, wenn es so weitergeht.

(Thomas Kreuzmann CDU: HSV digital?)

Leider nimmt Deutschland im Bereich eSport trotz des massiven Interesses der Bevölkerung international keinen guten Platz ein. In mehr als 60 Ländern wird eSport von etablierten Sportverbänden bereits anerkannt und teilweise auch vom Staat gefördert. Der Deutsche Olympische Sportbund stellt sich noch quer, da eine etablierte Vereinsund Verbandsstruktur noch fehlt. An dieser Stelle liegt das Problem, und hier wollen wir mit unserem Antrag ansetzen: Solange eSport nicht als gemeinnützige Sportart im Sinne der steuerrechtlichen Förderung auf Bundesebene anerkannt ist, ist es schwer, eine starke Vereins- und Verbandsstruktur zu etablieren. Genau diese Vereinsstruktur ist allerdings für die Anerkennung durch den DOSB notwendig, und solange es diese Anerkennung nicht gibt, hat es der eSport schwer, als gemeinnütziger Sport anerkannt zu werden. Die Katze beißt sich hier also selbst in den Schwanz.

Diesen Kreis wollen wir Freien Demokraten zerschlagen, denn eSport erfüllt alle Voraussetzungen einer Sportart. Die Sportler müssen, um im Wettkampf erfolgreich zu sein, verschiedene geistige und motorische Fähigkeiten beherrschen und immer wieder trainieren. Hand-Auge-Koordination, Reaktionsgeschwindigkeit, Spielverständnis, Spielübersicht, räumliches Orientierungsvermögen, laterales Denken, taktische Ausrichtung oder körperliches Durchhaltevermögen sind nur einige der Beispiele. Im Hochleistungsbereich sind täglich mehrstündige Einheiten zum Training von Wahrnehmungsvermögen, Reaktionsgeschwindigkeit oder Feinmotorik unerlässlich. Professor Froböse von der Deutschen Sporthochschule kommt nach Auswertung seiner diesjährigen aktuellen Studie zu folgendem Schluss – ich zitiere –:

(Cansu Özdemir)

"Der Cortisolspiegel liegt ungefähr auf dem Niveau von Rennfahrern. Dazu kommt noch ein sehr hoher Puls, teilweise liegt die Herzfrequenz zwischen 160 und 180 Schlägen pro Minute, das entspricht einem sehr, sehr schnellen Lauf, fast einem Marathonlauf. Dazu kommen noch die hohen motorischen Ansprüche, deswegen ist der eSport aus meiner Sicht anderen Sportarten mindestens ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen."

(Zuruf von Jörg Hamann CDU)

In Deutschland sind Dart, Schach und Rennfahren anerkannte Sportarten, Gärtnern und Dackelzucht sind anerkannt gemeinnützige Zwecke. Es ist an der Zeit, eSport die Anerkennung zukommen zu lassen, die seiner gesellschaftlichen Bedeutung und Realität gerecht wird.

Ich freue mich sehr über die angekündigte Überweisung des Antrags an den Sportausschuss und bin sehr gespannt auf die Beratungen dort. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Herr Schemmel von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Daniel Oetzel, zunächst einmal vielen Dank für die Anmeldung dieser Debatte zum Thema eSport, ein Thema – Sie haben es geschildert –, das in seinen Dimensionen vielen sicherlich noch nicht bekannt ist, und ein Thema, mit dem sich eine tiefergehende Auseinandersetzung lohnt. Das wollen wir als SPD-Fraktion und als Koalition gern mit allen zusammen angehen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Einige durchaus beeindruckende Zahlen und Fakten haben Sie bereits genannt und angesichts der etwas fortgeschrittenen Zeit will ich das nicht wiederholen. Die zentrale Frage mit Blick auf das Thema Gemeinnützigkeit – Sie haben es angesprochen – ist letztlich die Frage danach, ob eSport denn nun tatsächlich eine Sportart ist oder nicht, und – so ging es jedenfalls mir bei der Vorbereitung – je intensiver man sich mit diesem Thema beschäftigt, je mehr man liest, je mehr man sich mit den Leuten unterhält, auf je mehr Argumente dafür und dagegen man stößt, desto schwieriger wird es, sich schnell eine abschließende Meinung zu bilden. Diese Kernfrage beschäftigt nicht nur den Deutschen Olympischen Sportbund, der für eine Anerkennung zuständig ist, sondern sie beschäftigt auch Sporthochschulen, Landessportbünde, eine mittlerweile breite Medienöffentlichkeit und andere Länderparlamente.

Ich kann es Ihnen nicht ersparen: In NordrheinWestfalen hat es einen gleichlautenden Antrag gegeben. Dort wollte die FDP den Gordischen Knoten nicht durchschlagen; die FDP hat diesem Antrag der Piraten nicht zugestimmt.

(Dr. Monika Schaal SPD: Aha!)

Aber es gibt sicherlich Anzeichen, die dafür sprechen, den eSport als Sport anzusehen. Viele Länder – Sie haben es geschildert – sind diesen Weg bereits gegangen. Es wird sich auch in Deutschland an vielen Orten in Teams organisiert und zusammen trainiert. Vor allem erfordert das Spielen, insbesondere das professionelle Spielen, besondere Fähigkeiten. Sie haben den Sportwissenschaftler Professor Froböse angesprochen. Er hat dazu ausgeführt:

"Betrachtet man […] die kognitiven und mentalen Anforderungen wie schnelle Reaktion, Antizipation und Taktik, so werden einige Parallelen zum 'richtigen' Sport deutlich."

Daher sei es legitim, beim eSport von Sport zu sprechen.

Aber es gibt zu der Frage, ob eSport eine Sportart ist, auch eine Reihe kritischer Punkte, und auf die sind Sie weder in Ihrem Antrag noch in Ihrer Rede eingegangen. Das sollten Sie als Sport- und Jugendpolitiker durchaus tun. Sie schreiben, dass der DOSB eine Anerkennung verweigert, und sind eben kurz auf einen der Gründe eingegangen. Der DOSB ist zu dem Ergebnis gekommen, dass beim eSport eine eigene, Sportart bestimmende motorische Aktivität nicht gegeben sei. Ebenso bestünden Zweifel hinsichtlich der Gewährleistung der Einhaltung ethischer Werte, und vor allem seien ausgereifte Verbandsstrukturen bisher nicht vorhanden. Ich denke, zu den ersten beiden Punkten lässt sich kontrovers diskutieren; dass bisher keine Verbandsstrukturen vorhanden waren, ist so. Wir müssen abwarten, wie sich die in diesem Jahr neu gegründeten Strukturen bewähren.

Es gibt noch eine Reihe weiterer Punkte, die Kritiker immer wieder vorbringen und die auch erwähnt sein sollen, so die ausgeprägte Kommerzialisierung und der bislang wenig vorhandene Wille, im eSport Gemeinnützigkeit anzustreben. Der Wissenschaftliche Dienst des Berliner Abgeordnetenhauses kam zu dem Ergebnis, dass eSport kein Sport sei. Auch der Direktor des Berliner Landessportbundes, Dr. Brandi, meint, dass eSport mit den Grundsätzen des Sports nicht vereinbar sei, und weist zudem eindringlich darauf hin, dass es eigentlich eine Sache des organisierten Sports sei, darüber zu entscheiden, ob eSport eine Sportart ist oder nicht, und nicht eine Sache des Staats. Der große Anteil der sogenannten Ego-Shooter mit gewaltverherrlichenden Inhalten im eSport muss ebenso kritisch betrachtet werden. Es wird kritisiert, dass eSport kein Element der Bewegungskul

(Daniel Oetzel)

tur sei, auch sei die Frage offen, welche Bildungsinhalte im Gegensatz zu anderen Sportarten vermittelt werden sollen. Die Themen Internetabhängigkeit und negative Folgen des übermäßigen Computerspielens, insbesondere bei Jugendlichen, sollen in diesem Zusammenhang bedacht werden. Die Frage nach einem funktionierenden Anti-Doping-System ist zu stellen, und es bedürfen daneben auch lizenz- und steuerrechtliche Fragen noch der Klärung.

Man muss sich nicht jeden dieser Kritikpunkte zu eigen machen und nicht jedes Pro-Argument teilen, aber man sollte sie alle kennen und man sollte sie diskutieren und vertiefen. Unser vorläufiges Fazit daher: Wir sehen die Bedeutung und Entwicklung im eSport und finden eine Debatte darüber richtig, wie man eSport letztlich einordnen soll. Zum jetzigen Zeitpunkt, bei den jetzt vorliegenden Gutachten und Bewertungen, bei den kaum vorhandenen Vereins- und Verbandsstrukturen, ist aber in vielen Punkten noch gar nicht absehbar, in welche Richtung die Reise geht. Daher ist es aus unserer Sicht vernünftig, sich mit diesem Thema im Sportausschuss zusammen mit dem Gesundheitsausschuss und dem Wirtschaftsausschuss zu befassen und dort im kommenden Jahr mit Experten die bestehenden Fragestellungen und die Auswirkungen in allen Bereichen zu diskutieren, die im Zusammenhang mit dem eSport von Bedeutung sind. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Kreuzmann von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Grunde genommen ist alles gesagt worden zu eSport. Was man dazu noch sagen kann: Die CDU-Fraktion unterstützt die Überweisung an den Sportausschuss. Und um mich Herrn Schemmel anzuschließen: Es ist nicht einfach, zu katalogisieren, Sportart oder nicht. Man kann auch den DOSB nicht kritisieren in seiner Einschätzung der Verbandsstruktur oder Verbandstätigkeit. Er hat seine Statuten, er hat seine Regelungen. Im Sportbereich gibt es in der Bundesrepublik klare verwaltungsrechtliche Vorgaben, um Dinge zu definieren, und erst im Anschluss kommt dann die gemeinnützige Anerkennung über die steuerrechtlichen Vergünstigungen.

Ich selbst kenne diese Gaming-Strukturen seit über 20 Jahren: FIFA Inter Soccer Cup 1993.

(Hansjörg Schmidt SPD: International Soc- cer!)

Inzwischen ist FIFA allen bekannt in einem großen Markt. Man darf das nicht unterschätzen: Dieser Game-Bereich ist ein großer volkswirtschaftlicher und weltwirtschaftlicher Faktor. Man darf aber auch

von unserer Seite kritisch anmerken: Das, was Sie als Weltübertragung oder großes Forum der LiveÜbertragung von solchen Spielen sehen, ist stark unterstützt von den gesamten Hardware-Entwicklern und -Unternehmen, die weltweit führend sind, Intel, SteelSeries, NVIDIA, Grafikbereich und so weiter. Die organisieren und bezahlen diese Veranstaltungen und eben auch die Top-Spieler in der Spitze.

Die anderen Faktoren, die sicherlich auch Frau Blömeke von ihrer Warte aus ansprechen will – ich will Ihnen nichts unterstellen –, wären dann die Suchtfaktoren und andere Faktoren. Das möchten wir dann aber sehr intensiv und ruhig und gelassen im Sportausschuss debattieren. Ansonsten möchte ich mich schleunigst wieder in mein Team begeben, um das nächsthöhere Level zu erreichen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Blömeke von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wie gut Sie mich kennen, Herr Kreuzmann, Sie haben schon fast das Richtige gesagt.

Vorab: Ich bin der FDP auch sehr dankbar, dass sie diesen Antrag gestellt hat, weil ich glaube, dass Sie mit diesem Thema eine Diskussion anfachen, die jetzt wirklich zeitgemäß ist. Es ist aber eine Diskussion, die zum einen wahrscheinlich die Bürgerschaft spaltet – die eine Hälfte wird für eSport sein, die andere Hälfte dagegen – und zum anderen genauso die Gesellschaft, in der sicherlich auch sehr unterschiedliche Meinungen dazu vorhanden sind. Deswegen ist es sehr gut, dass wir diesen Antrag an den Ausschuss überweisen. Ich bin schon unheimlich neugierig auf die Expertinnen- und Expertenanhörungen, die wir dann im Sportausschuss machen werden. Das wird sehr spannend.

Aber – jetzt kommt es, Herr Kreuzmann – ich verhehle nicht, dass ich persönlich Ihren Antrag am liebsten freiweg sofort abgelehnt hätte. Ich oute mich hier als absolute Gegnerin von eSport, also nicht nur von dessen Gemeinnützigkeit, sondern von eSport schlechthin. Ich finde, man muss der Ehrlichkeit halber einen Punkt deutlich erwähnen – wenn wir nur über Fußball und FIFA-Spiele reden würden, könnte ich noch eher darüber reden –: Hinter diesem harmlosen Begriff "eSport" verbergen sich nämlich in der Tat überwiegend gewaltverherrlichende Spiele. Jeder von Ihnen kann ins Internet gehen und den Begriff eSport eingeben, dann werden Sie die Hitliste der zehn besten Spiele im eSport aufgelistet bekommen, und ich sage Ihnen ehrlich: Für mich ist ein Spiel schrecklicher als das andere. Beispielhaft will ich Spiele

(Marc Schemmel)

nennen wie World of Tanks, wo es darum geht, in Panzergefechten die Überhand zu behalten. – Ich weiß, Herr Kreuzmann, Sie sind mitten im Spiel. Vielleicht mögen Sie diese gewaltverherrlichenden Spiele. Ich mag sie nicht.

(Jörg Hamann CDU: Das ist cool, wir kämp- fen gegen die Großen!)