Protocol of the Session on October 12, 2016

Insofern setzen wir darauf, dass der Senat im Bundesrat zustimmt, so wie das heute schon zu lesen war. Ob das jeder so euphorisch kommentiert wie der Erste Bürgermeister, bleibt einmal dahingestellt. Es ist im Moment ein gangbarer Weg und es ist gut, wenn er am Freitag im Bundesrat eine breite Mehrheit erhält.

(Beifall bei der CDU)

Herr Müller von der GRÜNEN Fraktion bekommt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Für uns GRÜNE ist dies ein schwieriger Kompromiss, weil er aus unserer Sicht Deutschland nicht besonders weiterbringt in puncto Steuergerechtigkeit. Aber immerhin ist dieser Kompromiss nach der Prüfung von vielen Verfassungsexperten zumindest wohl verfassungskonform, und das ist das Mindeste, das man nach dieser langen Zeit auch erwarten kann von einem Gesetzentwurf von Bundesrat und Bundestag.

Die Ausgangslage vor dem Vermittlungsausschuss war alles andere als optimistisch im Sinne von mehr Steuergerechtigkeit, insbesondere der CDUTeil der Bundesregierung und auch das Bundesland Bayern haben darauf gedrängt, im Grunde genommen an ihrem Entwurf nichts zu ändern. Das war aber auch für uns Länder natürlich kein Weg, denn wir wollten ein Gesetz zustande bringen, das aus unserer Sicht wenigstens verfassungskonform ist. Es wird in jedem Fall in Karlsruhe landen, aber mit gutem Gewissen in einen neu

(Thilo Kleibauer)

en Streit in Karlsruhe zu laufen, ich glaube, das kann kein Weg sein für uns in den Ländern.

In puncto Steuergerechtigkeit ist dennoch einiges erreicht worden. Der Kollege Quast hat das eben schon ein bisschen ausgeführt. Wir haben, und das ist nicht ganz unwichtig, die Stundungsregel, die bisher galt, im Grunde genommen zehn Jahre lang, abgeräumt. Wenn man ein Erbe antrat, wurde man vom Finanzamt gefragt, ob man jetzt zahlen oder es gestundet haben wolle. Dann haben natürlich alle gesagt, da es zinslos ist, mache man das einmal in zehn Jahren, einen besseren Kredit könne man gar nicht bekommen. Also das Thema haben wir in dieser Form abgeräumt und es gilt noch ein Jahr, nämlich 6 Prozent Steuerzinssatz, den wir alle in diesem Land zahlen, wenn wir nicht sofort beim Finanzamt alles hinterlegen. Das ist ein Stück weit mehr Gerechtigkeit und es ist ein gutes Zeichen, das von diesem Kompromiss ausgeht.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Es ist auch gelungen, die Besteuerung von Finanzunternehmen wie Vermögensverwaltungen und Cash-GmbHs zu ermöglichen, denn das war bisher nicht vorgesehen. Wir wissen alle, dass diese Steuervermeidungs-GmbHs sehr erfolgreich waren, und das ist überhaupt nicht im Sinne der Steuergerechtigkeit und des Gemeinwohls. Also auch das ist korrigiert worden.

Ein besonders ärgerlicher Punkt ist ebenfalls korrigiert worden, dass nämlich Unternehmer oder Unternehmen und deren Inhaber Luxusgüter, die sie eigentlich privat genutzt haben, umdeklarieren konnten in steuerbegünstigtes Betriebsvermögen. Auch das haben wir mit diesem Kompromiss beseitigt. Auch das ist nichts, was draußen verstanden wird, das ist nichts, was mit Steuergerechtigkeit zu tun hat, und es hat auch nichts mit dem Erhalt von Familienunternehmen zu tun. Gut, dass das jetzt gegessen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Dann gab es noch einmal die Frage, wann man nun und in welcher Höhe von Erbschaftsteuer befreit wird.

(Erster Vizepräsident Dietrich Wersich über- nimmt den Vorsitz.)

Und an die 100-prozentige Befreiung – dazu hat Karlsruhe im Urteil gesagt, sie sei einer der Hauptgründe, warum es verfassungswidrig sei und einer Neuregelung bedürfe – müssen wir herangehen. Hier haben wir es immerhin geschafft, dass eine Verschonung gegeben ist, wenn ein 20-prozentiger Anteil von Verwaltungsvermögen vorliegt.

Also, wir haben einiges erreicht. Was wir nicht verhindern konnten ist, dass die großen Vermögen, die nicht nur Familienunternehmen betreffen, sondern eben auch Privatvermögen, im Grunde ge

nommen viel zu gut weggekommen sind. Das hat nichts damit zu tun, dass Arbeitsplätze gefährdet sind. Und auch das haben wir nicht der SPD und der rot-grünen Seite zu verdanken, sondern das haben wir ausschließlich der CDU und Bayern zu verdanken, dass hier sehr wenig Bereitschaft war, sich zu bewegen. Das ist schade und auch traurig, denn ich glaube, dass die Menschen in diesem Land sehr genau verstehen, was wir jetzt beschließen müssen.

Ich glaube, wir müssen den wirtschaftlichen Akteuren und auch den Erben von großen Vermögen ein bisschen mehr zumuten, als wir es jetzt am Freitag beschließen. Wir wissen aber auch, dass es dazu momentan keine Mehrheit in diesem Land gibt, und deswegen ist es gut, dass wir heute darüber reden und dass es zur Debatte angemeldet ist. Wir müssen uns erklären. Und dieser Kompromiss muss auch erklärt werden.

Aber ich will Ihnen sagen, warum wir GRÜNE in Hamburg beschlossen haben, warum wir schweren Herzens zustimmen werden: Wir glauben, dass nach so langer Zeit eine völlige Blockade des Politikbetriebs gegen das Verfassungsgericht gerade Wasser auf den Mühlen derer wäre, die an dieser Demokratie rütteln wollen, die sie infrage stellen und immer von den Altparteien reden. Ich glaube, dass es richtig war, dass wir hier eine politische Lösung finden, auch wenn sich nicht alle Parteien mit ihren Konzepten durchgesetzt haben. Ich finde das gut am Ende und das ist auch ein Wert, den man nicht unterschätzen darf.

(Glocke)

Zum Schluss: Hamburg kann auf 280 Millionen Euro Erbschaftsteuer nicht verzichten. Das stand tatsächlich zur Debatte; zudem haben wir gerade die Haushaltsberatungen.

(Glocke)

Ich kann nur sagen, das war ein sehr wichtiger Grund, dass wir zustimmen werden am Freitag.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Müller. – Als Nächste erhält das Wort Katja Suding von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! In einem Punkt muss ich der LINKEN recht geben. Der Hamburger Senat darf diesem Kompromiss zur Erbschaftsteuer nicht zustimmen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Aber aus ande- ren Gründen!)

Damit hören tatsächlich die Gemeinsamkeiten auf, denn es ist richtig, dass natürlich unsere Argumente für diese Forderung vollkommen andere sind als

(Farid Müller)

diejenigen, die wir jetzt gerade von Norbert Hackbusch gehört haben.

Der LINKEN geht es allein um eine deutlich höhere Besteuerung von Erben, und die kann aus ihrer Sicht gar nicht hoch genug sein. Dass Ihr Ansinnen vor allem die kleineren und mittleren Unternehmen trifft, dass Sie damit auch Arbeitsplätze, die vor allen Dingen von diesen Unternehmen geschaffen werden, damit gefährden, ist Ihnen offenbar egal.

Aber solche Fakten interessieren Sie auch weniger, Ihnen geht es vor allen Dingen darum, dass Sie eine Neiddebatte führen wollen, aber diese Debatte brauchen wir ganz und gar nicht.

(Beifall bei der FDP und bei Stephan Gamm CDU)

Was wir dagegen brauchen, ist eine Neufassung der Erbschaftsteuerreform. Und wir brauchen eine, die drei Kriterien erfüllt; nämlich eine, die erstens verfassungskonform ist und nicht Gefahr läuft, dass sie in einigen Monaten wieder gekippt wird; die zweitens dafür sorgt, dass größere Vermögen bei der Übertragung zur Finanzierung des Gemeinwesens auch da sind, und zwar unabhängig von der Art des Vermögens, das da übertragen wird; und die drittens dazu führt, dass inhabergeführte Unternehmen eben nicht in ihrer Existenz gefährdet werden.

Der vom Vermittlungsausschuss vorgelegte Kompromiss, der bereits im Bundestag beschlossen wird und am Freitag im Bundesrat auf der Tagesordnung steht, erfüllt leider keines der drei genannten Kriterien. Hier wurde eine wirklich große Chance vertan.

(Beifall bei der FDP)

Wenn man sich den Kompromiss ansieht, dann findet man darin keine nachhaltigen Verfahrensvereinfachungen, fast keine. Das deutsche Erbschaftsteuersystem bleibt zu kompliziert und damit auch in seiner Verwaltung und seiner Umsetzung viel zu teuer. Diejenigen, die sich darüber am meisten freuen werden, sind die Steuerberater. Für sie ist dieser Kompromiss ein wahres Konjunkturprogramm.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Da ist doch die FDP auch wieder dabei! – Kazim Abaci SPD: Das ist doch Ihre Klientel!)

Wie bitte?

Außerdem finden sich im vorgelegten Kompromiss immer noch umfangreiche Verschonungsregeln von Betriebsvermögen, und daran, wir haben es bereits gehört, ist die Erbschaftsteuer vor dem Bundesverfassungsgericht doch schon einmal gescheitert. Jetzt sind die wieder drin, da überzeugen mich auch nicht die Ausführungen des Kollegen Kleibauer oder von Herrn Müller. Ich glaube nicht,

dass Sie recht haben. Und es ist wieder so, dass für die Unternehmen jetzt erneut eine Rechtsunsicherheit besteht. Es ist nichts schlimmer für diese Unternehmen als zu wissen, dass bei einer der nächsten Klagen, die mit Sicherheit kommen werden, das Ganze wieder gekippt werden kann.

Zudem ist niemandem zu vermitteln, dass auf der einen Seite immer neue Belastungen für Unternehmen und Mittelstand beschlossen werden – da war die Bundesregierung sehr erfolgreich – und auf der anderen Seite viel zu wenig von der Bundesregierung dafür getan wird, dass die großen Konzerne, Unternehmen wie Google, Apple, Starbucks oder Ikea, endlich ihren angemessenen Steuerbeitrag leisten. Diese Unternehmen nutzen unsere Infrastruktur, sie erzielen ihre Gewinne hier in Deutschland, sie leisten aber kaum einen Anteil an der Finanzierung der staatlichen Aufgaben. Daran muss sich dringend etwas ändern, und zwar schnell.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Wir hätten uns eine viel grundsätzlichere Reform der Erbschaftsteuer gewünscht und keine halbgaren Kompromisse. Dazu hatten wir sehr konkrete Vorschläge gemacht.

Erstens: Wir wollen einen einheitlichen Steuersatz, und der muss für alle Arten der Vermögensübertragung gelten, also für ein privates Aktienpaket genauso wie für eine Unternehmensbeteiligung. Dieser Steuersatz müsste bei etwa 10 Prozent liegen, was nach unseren Berechnungen sicherstellen wird, dass das Gesamtaufkommen aus der Erbschaftsteuer für die Länder damit im Wesentlichen gleich bleibt.

Zweitens: Bei der Erbschaftsteuer handelt es sich um bereits versteuertes Vermögen, deshalb wollen wir einen Freibetrag von 1 Million Euro.

Und drittens: Die aus unserer Sicht verfassungswidrigen Verschonungsregeln für Unternehmensvermögen sollen abgeschafft werden.

Im Ergebnis hätten wir weniger Bürokratie und niedrigere Kosten bei der Erhebung der Erbschaftsteuer, weil sie einfacher zu berechnen wäre. Die Erbschaftsteuer wird gerechter sein, weil Ausnahmen und Privilegien wegfallen. Kleine und mittlere Unternehmen und Familienbetriebe bekommen wieder Planungssicherheit und können investieren und neue Arbeitsplätze schaffen. Und den Ländern bleiben die Einnahmen auf dem bisherigen Niveau erhalten.

Wir fordern den Senat daher auf: Stimmen Sie dem vorgelegten Kompromiss im Bundesrat am Freitag nicht zu, sorgen Sie lieber dafür, dass ein besserer Vorschlag vorgelegt wird. Die Eckpunkte haben wir Ihnen gerade skizziert. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Als Nächste erhält das Wort Frau Oelschläger von der AfD-Fraktion.