Protocol of the Session on October 12, 2016

(Beifall bei der LINKEN)

Und das in einer Situation, in der wir alle über die explosionsartige Zunahme von Vermögen diskutieren. Ich bezeichne das, was hier geschieht und in den vergangenen Jahren geschehen ist, als Klassenkampf. Als erfolgreichen Klassenkampf, leider nicht von unten, sondern von oben. Aber dem müssen wir begegnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will noch einmal sagen, um was es konkret ging. Die Begründung des Bundesverfassungsgerichts, mit der die alte Erbschaftsteuer außer Kraft gesetzt worden war, kämpfte vor allen Dingen dagegen, dass sie sagte, die Verschonung des betrieblichen Vermögens müsse verändert werden und ebenso die willkürlichen Betriebsaufspaltungen, mit der praktisch begründet wird, dass es nicht um die Familienunternehmen geht, die so schön in der Diskussion immer stattgefunden haben und die die Lobbygruppen so gern reingedrückt haben, sondern wesentlich um hohes und großes Betriebsvermögen, das in Cash-Gesellschaften aufgeteilt wird und dementsprechend im Wesentlichen nicht die Familienunternehmen davon profitieren, sondern praktisch diese Gesellschaften.

Das neue Gesetz hat einige Kleinigkeiten verändert und auch verbessert, das will ich gar nicht infrage stellen, aber der zentrale Kern hat sich nicht verändert. Weitgehende Begünstigungen bis hin zur Möglichkeit völliger Steuerfreiheit sind weiterhin vorgesehen, auch für große Aktienpakete, großes Immobilienvermögen, für land- und forstwirtschaftliches Vermögen. Und es geht eben nicht um die mittelständischen Familienunternehmen, sondern um die reichsten Familien der Republik. Das ist eine große Steuersubventionierung, wenn man durchliest, was das Bundesverfassungsgericht dazu festgestellt hat, in Höhe von 50 Milliarden Euro in den letzten zehn Jahren. Von daher ist

es meiner Meinung nach absolut notwendig, um in dieser Gesellschaft weiterhin existieren zu können, dass wir auch dagegen etwas machen, und die Erbschaftsteuer wäre ein wichtiges Instrument dafür.

(Beifall bei der LINKEN)

Bedeutend ist es zusätzlich deswegen für uns – wir haben doch gerade die Haushaltsberatungen –, weil wir angesichts von 250 Milliarden Euro vererbtem Vermögen nur 5 Milliarden Euro Einnahmen haben, dass man hier leicht eine Erhöhung der Einnahmen bekommen kann, die wir gerade in den Haushaltsberatungen in Hamburg gegenwärtig so dringend brauchen. Das haben wir immer wieder festgestellt in den letzten Tagen.

Es zeigt sich auch an einer anderen Stelle, nur um das einmal deutlich zu machen, was gesellschaftlich hier geschieht. Fragen Sie einmal herum, wer sich heutzutage eine Wohnung in Hamburg kaufen kann. Das sind nicht diejenigen, die gut verdienen, sondern es sind nur diejenigen, die erben. Das müssen wir gegenwärtig feststellen, und daran müssen wir etwas in dieser Gesellschaft verändern, sonst wird sich Leistung nicht mehr lohnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Von daher haben wir meiner Auffassung nach eine Situation, in der wir eine Kampagne haben, in der diese wesentlichen Kennzahlen gar nicht mehr angeschaut worden sind, sondern es ist die Kampagne der Familienunternehmen, die einfach nicht stimmt, wie alle diejenigen, die sich darum kümmern, festgestellt haben. Und ich stelle leider fest, dass die auf der rechten Seite dieses Parlaments diesem Lobbyismus voll gefolgt sind. Wir werden das auch gleich in den Beiträgen noch einmal hören.

Bei der SPD hören wir unterschiedliche Stellungnahmen.

(André Trepoll CDU: Das ist immer so!)

Frau Nahles hat deutlich gesagt, wir stellen eine Oligarchie der Reichen fest, noch vor 14 Tagen im "Spiegel" in einem Interview. Und ich sage einfach, da halte ich es einmal mit der bayrischen Verfassung. Die bayrische Verfassung sagt, die Erbschaftsteuer diene auch dem Zweck, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen Einzelner zu verhindern. Das unterstütze ich, und Frau Nahles sollte daran denken und Herr Scholz bei der Abstimmung am Freitag auch.

(Beifall bei der LINKEN – Heike Sudmann DIE LINKE: Und Herr Seehofer auch!)

Die GRÜNEN haben diesen Kompromiss im Bundestag mit guten Gründen abgelehnt. Ich bin einmal gespannt, wie die Entscheidung am Freitag aussehen wird. Wir lehnen diesen Kompromiss ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Bevor ich Herrn Quast von der SPD-Fraktion das Wort gebe, noch der Hinweis, dass die Aktuelle Stunde heute bis 16.30 Uhr dauert. Wenn Sie mögen. – Herr Quast, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die wichtigste Botschaft im Zusammenhang mit der Reform des Erbschaftsteuergesetzes ist, dass die Politik es geschafft hat, verfassungsgemäße Regelungen zu schaffen und die zentralen Kritikpunkte des Bundesverfassungsgerichts zu heilen. Die Politik hat es nämlich geschafft, unangemessene Verschonung großer betrieblicher Vermögen, die Freistellungsregelungen in Bezug auf die Lohnsummenregelung auf Unternehmen mit fünf Mitarbeitern zu begrenzen, und dass die Verschonung von Verwaltungsvermögen eingeschränkt wird. Und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die Gefahr bestand doch, dass das Verfassungsgericht am Ende eine Entscheidung trifft, die die Aussetzung der Erhebung dieser Steuer bedeuten würde. Das heißt, keine Steuereinnahmen mehr und nicht mehr Steuereinnahmen, wie Sie es hier propagieren, Herr Hackbusch, was sicherlich schön wäre. Und es wäre vor allen Dingen offen, ob und wann es jemals im Bundesrat und Bundestag zum gleichen Zeitpunkt eine Mehrheit geben würde, um dann wieder eine Erbschaftsteuer einzuführen. Wir erleben es doch an anderer Stelle, dass wir seit 20 Jahren keine Mehrheiten zustande bekommen. Und dann, Herr Hackbusch, tritt das ein, was Sie gerade beklagt haben, nämlich ein Eldorado für Vermögende. Dann erst recht. Und das galt es zu verhindern.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Denn die Steuer ist besonders für die Länder wichtig. Das Aufkommen 2015 lag bei 6 Milliarden Euro, Hamburg plant, in den nächsten Jahren jeweils 200 Millionen Euro aus der Erbschaftsteuer einzusetzen für die Aufgaben, die diese Stadt hat. Für viele wichtige Aufgaben im Bereich Bildung, im Bereich Wirtschaftsförderung, im Bereich Soziales. Und ich frage Sie: Wer wäre denn der Erste, der monieren würde, wenn am Ende dafür die Mittel nicht mehr da wären, wenn wir für Soziales nichts mehr machen könnten? Dann sind Sie es doch, Herr Hackbusch, und auch zu Recht, der das beklagen würde. Deswegen geht es darum, dass wir dieses Steueraufkommen für Hamburg sichern, und deswegen haben wir ein Ergebnis erzielt, das ein Kompromiss war. Ja, alle mussten Zugeständnisse machen, und es besteht sicherlich kein Grund zur Euphorie, aber entscheidend ist, dass wir diese Steuer erhalten.

(Beifall bei der SPD und bei Farid Müller GRÜNE)

Man darf auch nicht verschweigen, dass gleichwohl unter Leitung des Ersten Bürgermeisters auch Verbesserungen erreicht wurden im Vermittlungsverfahren. Schlupflöcher wurden nachhaltig gestopft, die Cash-GmbH ist jetzt endgültig vom Tisch, bei der Ermittlung des Unternehmenswertes wurden im Sinne des Steueraufkommens Verbesserungen erreicht, und die sogenannte Bereicherungsgrenze für Familienunternehmen wurde eingeführt, sodass Entnahmen, die stärker als 37,5 Prozent des Gewinns sind, sich nachteilig auswirken würden.

Ebenfalls ein wichtiger Punkt: Die voraussetzungslose und zinsfreie zehnjährige Stundung von Steuerzahlungen ist ebenfalls entfallen. Also wir müssen nicht in Sack und Asche gehen, es gibt auch Erfolge zu verzeichnen im Vermittlungsverfahren, und dafür, glaube ich, gebührt unser Dank dem Verhandlungsgeschick unseres Finanzsenators und des Ersten Bürgermeisters. Deswegen ist es auch konsequent, am Freitag im Bundesrat diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Alles hätte besser werden können, aber auch viel schlimmer, insbesondere, wenn die Bayern sich stärker hätten durchsetzen können. Das wurde verhindert, deswegen lassen Sie uns diesen Weg jetzt gehen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Herr Kleibauer von der CDU-Fraktion hat nun das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Ergebnis des Vermittlungsausschusses zur Neuregelung des Erbschaftsteuerrechts ist angesichts der schwierigen Ausgangslage, die es bei diesem Thema durchaus gab, ein vernünftiger Kompromiss. Es schafft Planungssicherheit, insbesondere für die vielen betroffenen mittelständischen Familienunternehmen. Und es ist gut, dass viele Ideen – nicht nur von der LINKEN, sondern insgesamt aus dem rot-grünen Lager, viele Ideen –, viele Angriffe auf die privaten Unternehmen zum Nachteil familiengeführter Unternehmen hier abgewendet werden konnten. Insofern ist es ein gutes Ergebnis, was dort erzielt wird.

(Beifall bei der CDU)

Es ist auch gut, dass die Politik eine Entscheidung getroffen hat. Ich hätte mich zwar auch gefreut, wenn man die Fristen, die das Bundesverfassungsgericht gesetzt hatte, vielleicht nicht bis zum allerletzten Moment ausgereizt hätte, das habe ich durchaus schon an früherer Stelle gesagt. Aber die Lage war nun einmal so, wie sie war, und im Endeffekt wurde eine Lösung erreicht.

Im Übrigen, Herr Hackbusch, wenn man sich die Entscheidung des Verfassungsgerichts von vor einigen Jahren einmal durchliest, hat das Verfas

sungsgericht ausdrücklich festgestellt, dass es sehr gute Gründe gäbe, Betriebsvermögen in Familienunternehmen für den Fall der Schenkung oder Erbschaftsteuer zu begünstigen. Und dazu stehen wir auch. Gerade in Hamburg muss man doch sagen, Familienunternehmen sind hier das Rückgrat der Wirtschaft, und da müssen wir doch in diesem Moment auch für Planungssicherheit sorgen und können nicht neue Irritationen in diesem Umfang hier hineinbringen mit Ihrer Debatte.

(Beifall bei der CDU)

Im Übrigen, Herr Hackbusch, Sie tun immer so, als sei das ein großes Geschenk an die Familienunternehmen. Da muss man sich doch auch die Regelungen einmal durchlesen. Das ist nicht ohne jegliche Auflage, sondern die Begünstigung ist gebunden an den Erhalt von Arbeitsplätzen, an die Fortführung des Unternehmens über einen sehr, sehr langen Zeitraum.

(Joachim Lenders CDU: So ist es!)

Da übernimmt jemand unternehmerisches Risiko, da übernimmt jemand auch Auflagen, und genau für den Fall gilt das.

(Joachim Lenders CDU: Genau!)

Und das Betriebsvermögen ist häufig so, dass es in der Bilanz natürlich da ist, aber dass es faktisch im Betrieb gebunden ist, dass überhaupt keine Mittel da sind, noch hohe Steuerlasten zu begleichen, Herr Hackbusch. Ich habe nicht das Gefühl, dass Sie das begreifen, aber man muss es in dieser Öffentlichkeit sagen, es werden nicht alle Unternehmer immer pauschal begünstigt.

(Beifall bei der CDU)

Herr Quast hat die Zahl genannt, es waren über 6 Milliarden Euro Aufkommen aus der Erbschaftsteuer im letzten Jahr, mehr als 100 000 Fälle, die steuerpflichtig waren. Auch das zeigt doch, es greift und es ist nicht so, dass ein Gesetz besteht, von dem alle nur begünstigt sind. Nein, das Erbschaftsteueraufkommen ist wichtig und das bleibt auch so, und die Erbschaftsteuer ist sicherlich auch wichtig für die soziale Marktwirtschaft, für den sozialen Zusammenhalt.

Sie haben das Wort Klassenkampf in den Mund genommen. Ich habe das Gefühl, der wird hier von Ihnen hereingetragen, weil es Ihr Leitgedanke ist zu sagen, private Unternehmer, privates Kapital seien schlecht, ohne dass Sie selbst irgendwann glaubhaft eine Alternative zu diesem Konzept dargelegt haben. Da kann man nur sagen, Unternehmer sind auch welche, die ins Risiko gehen,

(Heike Sudmann DIE LINKE: Das Risiko lohnt sich! Sie werden ja immer reicher!)

die auch in schlechten Zeiten haften und die mit dem Aufbau, mit Investitionsentscheidungen, mit dem Aufbau von Arbeitsplätzen und mit dem Erhalt

von Arbeitsplätzen sehr viel für den sozialen Zusammenhalt in diesem Land beitragen.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

Man kann mit so einem Verhandlungsergebnis glücklich sein oder nicht. Ich glaube, jede Fraktion, jede Seite hätte irgendwelche Aspekte, zu denen sie gesagt hätte, das hätte man besser machen können. Aber eines sage ich sehr deutlich, Herr Hackbusch: Wenn die Bundesländer sagen, sie kriegen es nicht gebacken, sie rufen den Vermittlungsausschuss an, dann muss man sich dort auch einbringen. Und Ihre Partei stellt doch einen Ministerpräsidenten in diesem Deutschland, wenn ich mir das richtig ansehe, Herrn Ramelow aus Thüringen. Herr Ramelow aus Thüringen ist Mitglied im Vermittlungsausschuss, war bei den Sitzungen aber gar nicht dabei. Dann frage ich mich doch, Herr Hackbusch, was für ein wirkliches Interesse Sie denn überhaupt haben,

(Zuruf von Heike Sudmann DIE LINKE)

hier zu einer Neuregelung beizutragen.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

Insofern setzen wir darauf, dass der Senat im Bundesrat zustimmt, so wie das heute schon zu lesen war. Ob das jeder so euphorisch kommentiert wie der Erste Bürgermeister, bleibt einmal dahingestellt. Es ist im Moment ein gangbarer Weg und es ist gut, wenn er am Freitag im Bundesrat eine breite Mehrheit erhält.