Protocol of the Session on September 8, 2016

Ich denke, wenn wir eine weitere Wirtschaftskrise bekommen werden wie 2008/2009 und die Wirtschaft dementsprechend umstrukturiert worden ist, wie unsere Freihändlerinnen und Freihändler das gern hätten, werden wir sehenden Auges in das Risiko laufen, dann werden wir ganz anders, mit schlimmen …

(Michael Kruse FDP: Sie wiederum wollen nur reinen Etatismus!)

Wie bitte? Was?

(Michael Kruse FDP: Reinen Etatismus!)

Nein, mit Sicherheit nicht. Freihandel ist ein Wert an sich, aber wir sollten uns über die Standards vernünftig unterhalten und nicht über ein ausverhandeltes Abkommen, in das jeder Germanist etwas anderes hineininterpretieren kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Seien Sie so ehrlich und sagen Sie, Sie können es nicht 100-prozentig definitiv sagen, und gehen Sie nicht das Risiko für unsere Wirtschaft und für unsere Gesellschaft ein. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Als Nächster erhält das Wort noch einmal Herr Hansjörg Schmidt von der SPD-Fraktion.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Jetzt können Sie endlich mal sagen, ob Sie für oder ge- gen CETA sind!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch nur sehr kurz. Erstens: 100-prozentige Sicherheit gibt es in keinem Lebensbereich und insbesondere auch nicht in der Politik.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und bei Ka- rin Prien CDU, Carl-Edgar Jarchow und Mi- chael Kruse, beide FDP)

Ich möchte nur auf zwei Dinge eingehen, weil Sie da auch immer wieder die SPD und die Sozialdemokratie als solches vors Schild setzen. Es geht um das Thema Arbeitnehmerrechte und Arbeitnehmerschutz. In CETA verpflichten sich die Vertragsparteien, Anstrengungen zur Ratifizierung und Umsetzung der ILO-Kernarbeitsnorm zu unternehmen. Und hier schauen wir noch einmal nach Kanada. Kanada hat zwei der insgesamt acht ILO-Kernarbeitsnormen noch nicht ratifiziert. Zum einen die Konvention 138, da geht es um das Mindestalter der Beschäftigten, und zum anderen die Konvention 98 über kollektive Tarifverhandlungen. Am 9. Juni 2016 – vielleicht sind Sie einfach auch noch nicht auf der Höhe der Zeit – hat Kanada mittlerweile die Konvention 138 ratifiziert. Das ist, wie gesagt, das Thema Mindestalter, und die Ratifizierung der Konvention 98 soll folgen. Auch das ist bereits angekündigt.

Und dann noch der letzte Punkt, Umwelt und Verbraucherschutz, weil Sie das in Ihrer Rede eben auch noch einmal angeführt haben.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Fracking zum Beispiel!)

Lesen Sie doch einfach einmal die EU-Verträge. In den EU-Verträgen ist das Vorsorgeprinzip ein EUPrimarrecht. Das lässt sich mit keinem Handelsvertrag dieser Welt außer Kraft setzen, und da brau

chen Sie keine Germanisten. Ich als bekennender Nichtjurist verstehe sogar, dass man das nicht ändern kann. Hören Sie endlich auf, den Leuten an dieser Stelle Sand in die Augen zu streuen. Das ist das typische Rhetorikmittel der Linkspartei, und da unterscheiden Sie sich keinen Deut von der AfD, die das in anderen Bereichen dieser Gesellschaft immer wieder tut.

(Beifall bei der SPD und bei Stephan Gamm CDU und Michael Kruse FDP – Zurufe von der LINKEN)

Danke, Herr Schmidt. – Jetzt erhält das Wort Herr Westenberger von der CDU-Fraktion.

(Zuruf von der LINKEN: Da muss die Not groß sein!)

Genau, was muss die Not groß sein, vor allen Dingen in den Köpfen einiger Leute hier. Was wir gerade erlebt haben, ist hochinteressant.

Ich richte meine Argumente jetzt eigentlich auch überwiegend an die GRÜNEN, denn auf diesem Flügel haben wir die intellektuelle Mitsprache in diesem Haus längst verloren. Der eine wundert sich darüber, dass die Bauernhöfe in Kanada größer sind als in Schleswig-Holstein, und Herr Professor Kruse, der uns hier bislang eigentlich mehr in der Vormittagsrunde nach dem Motto, ich bin Universitätsprofessor und erlauben Sie mir bitte, eine Vorlesung zu halten, unterhalten hat, entdeckt jetzt auch bei TTIP die Nacht der reitenden Leichen und verschwörungstheoretische Ansätze, die ich bislang eher bei Herrn Flocken gesehen habe, die er uns aber auch zum Besten gegeben hat in einer Manier,

(Beifall bei der CDU, der FDP und vereinzelt bei den GRÜNEN)

die im Fernsehen erst ab 24 Uhr gezeigt wird und dann wirklich auch nur für sehr harte Gemüter.

Also, liebe Kollegen und Kolleginnen von den GRÜNEN, TTIP und auch CETA sind demokratisch zu legitimierende Abkommen. Sie sind nichts anderes als Handelsabkommen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Geben Sie sich also die Mühe, sich dem demokratischen Prozess, sowohl auf Europaebene und im Bundestag als auch hier in den Länderparlamenten, zugänglich zu machen. Machen Sie nicht mit bei dem, was DIE LINKE und unsere Kolleginnen und Kollegen von der AfD machen.

Kurz noch zu Fracking, das taucht immer wieder auf. Ein kanadisches Unternehmen, von mir aus auch ein grönländisches Unternehmen, das in Schleswig-Holstein oder in Billbrook Fracking betreiben darf, muss beim gemeinsamen Bergamt in

(Stephan Jersch)

Clausthal-Zellerfeld einen Antrag stellen. Dort schaut man ins Gesetz und da steht, Fracking ist unzulässig. Dann wird dieses Unternehmen genauso behandelt wie Ihr Mineralölunternehmen in Harvestehude. Sie erhalten keine Genehmigung. Und das bleibt auch so. Sollten Sie dann die Freie und Hansestadt Hamburg oder die Bundesrepublik Deutschland vor einem Schiedsgericht verklagen, können Sie sich das Porto sparen. Angewandt wird hamburgisches Recht oder das Recht des jeweiligen Staates, in dem die Anträge gestellt werden. Kein Handelsabkommen ist in der Lage, öffentliches Recht auszuhebeln. Daher noch einmal an die Kollegen und Kolleginnen der GRÜNEN: Sie sind viel zu klug dafür,

(Cansu Özdemir DIE LINKE: Das ist so schleimig!)

um sich diesen Argumenten der linken und der rechten Seite anzuschließen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Michael Kruse FDP – Glocke)

Ich sehe in die Runde, und es liegt keine weitere Wortmeldung vor. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE aus Drucksache 21/5648 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist das mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe dann Punkt 80 der Tagesordnung auf, Drucksache 21/5701 in der Neufassung, Antrag der FDP-Fraktion: Inhalte und Wissen in den Bildungsplänen stärken – Weg von der inhaltsleeren Kompetenzorientierung!

[Antrag der FDP-Fraktion: Inhalte und Wissen in den Bildungsplänen stärken – Weg von der inhaltsleeren Kompetenzorientierung! – Drs 21/5701 Neufassung –]

Diese Drucksache möchte die FDP-Fraktion an den Schulausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Frau von Treuenfels-Frowein von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Präsident, meine Damen und Herren! Bevor Sie dann in der Schuldebatte alle weg sind, will ich schnell eine hoffentlich interessante Debatte in Gang setzen. Eigentlich ist sie schon etwas überfällig, aber wir bringen den Antrag immer gern wieder ein.

Gestern haben wir, jedenfalls Teile von Ihnen, über die Herausforderungen der Schulpolitik diskutiert.

(Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Ich bitte diejenigen, die den Saal verlassen wollen, das wortlos zu tun oder der Rednerin zu lauschen.

Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP (fortfahrend) :* Heute bringen wir dazu endlich einen konkreten Vorschlag zur Verbesserung der Schulqualität, den Sie hoffentlich akzeptieren werden.

Ein zentraler Ansatz ist unserer Auffassung nach die Reform der Bildungspläne. Die Bildungspläne enthalten, wie wahrscheinlich viele von Ihnen wissen, das, was an den Schulen unterrichtet werden soll. In Hamburg könnte man die Bildungspläne überschreiben mit dem Titel "Vorsicht, es könnten Spurenelemente von Wissen enthalten sein". Mehr steht darin nämlich nicht, denn in Hamburg sollen die Schüler vorwiegend sogenannte Kompetenzen erlernen. Um Inhalte und Wissen geht es dabei viel zu wenig.

Zur Verdeutlichung, was das konkret heißt: Der Bildungsplan Geschichte für die Sekundarstufe I hat 29 Seiten, und 5 davon enthalten Inhalte. Auf diesem dürren Rahmen sollen die Schulen selbstständig Curricula erarbeiten. Oder nehmen Sie den Bildungsplan Deutsch für die gymnasiale Oberstufe. Auf 25 Seiten gibt es eine Seite zum Inhalt. Und damit sollen die Hamburger Schüler wettbewerbsfähig sein bei einem gemeinsamen Abitur mit Bayern und Sachsen? Von europa- und weltweiter Wettbewerbsfähigkeit will ich da schon gar nicht mehr sprechen.

Es geht nicht darum, um das klarzustellen, die Kompetenzen ganz abzuschaffen. Das wäre zurück in die Steinzeit, das wollen wir gar nicht, sondern wir wollen ein ausgewogenes Verhältnis von Kompetenzen und Inhalten wiederherstellen. Wenn junge Menschen, also unsere Schüler, vorwiegend Kompetenzen und Selbstdarstellung lernen, verengt das ihren weiteren Lebensweg, und wer in der Schule kein fundiertes Wissen mehr erlernt, der wird auch an der Universität verglichen mit anderen schlechtere Voraussetzungen haben.

(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Und dann zeigt sich, was am Ende des Tages ein verschenktes oder besser gesagt geschenktes Hamburger Abitur light wert ist.

Der traurige Gipfel dieser einseitigen Orientierung ist schließlich die sogenannte Präsentationsprüfung im Abitur. Hierauf gehe ich ein, weil man daran exemplarisch erkennen kann, wie es auch um

(Michael Westenberger)

die Bildungsgerechtigkeit in diesem Zusammenhang bestellt ist. Wer jahrelang in der Schule vornehmlich Kompetenzen erlernt hat, der kommt natürlich in einer wissensbasierten mündlichen Prüfung in Schwierigkeiten. Aber dafür gibt es eine sozialdemokratische Lösung, und die heißt Präsentationsprüfung. In dieser Präsentationsprüfung erhalten die Abiturienten zwei Wochen vor dem Termin ihre Aufgabe. Diese können sie dann zu Hause mit fremder Hilfe in aller Ruhe vorbereiten. Geprüft und benotet wird dann in der Präsentation. Aber was machen denn eigentlich die Abiturienten aus bildungsfernen Stadtteilen, deren Eltern ihnen gar nicht helfen können und die sich vielleicht auch keine fremde Hilfe organisieren oder vielleicht kaufen können? Das sind doch dann die großen Verlierer in der Präsentationsprüfung. Und in Wahrheit ist das Festhalten an der Präsentationsprüfung ein großes Stück sozialdemokratischer Bildungsungerechtigkeit.

(Beifall bei der FDP, der AfD und bei Karin Prien CDU)