Protocol of the Session on September 8, 2016

In der klassischen mündlichen Prüfung hingegen, so wie wir sie zum Beispiel früher noch hatten, erhält der Schüler 30 Minuten vor der Prüfung die Aufgabe und kann sich nur auf sich selbst und das von ihm selbst erlernte Wissen verlassen. Das ist in Wahrheit Leistungs- und Chancengerechtigkeit richtig verstanden.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Joachim Körner AfD und Karin Prien CDU)

Dieses Problem der Kompetenzorientierung, das ich gerade beschreibe – eigentlich dürfte es gar kein Problem sein, sondern es müsste ein ausgewogenes Verhältnis sein, aber es ist ein Problem, weil es das eben nicht ist –, zieht sich durch die Bildungspläne hindurch. Bei den aktuellen Vergleichsarbeiten KERMIT 3 zeigt sich erneut, Rechtschreibung in der Grundschule ist in Hamburg weiterhin unterster Abschnitt. Und in der Mittelstufe sind die Fähigkeiten der Schüler in Mathe und Deutsch unzureichend. Kein Wunder, wenn man das Rechnen mit Zahlen weitgehend ersetzt durch das Entschlüsseln von Textaufgaben. Das ist Lesekompetenz, aber keine Mathematik.

In Hamburg jedoch bleibt Rot-Grün standhaft auf dem eingeschlagenen Weg. Lieber Abitur für alle als die echte Hochschulreife. Das Leistungsniveau wird deshalb bewusst niedrig gehalten.

Hier ein paar Drehschrauben, die ich für Sie gesammelt habe. Erstens: Kompetenz statt Wissen. Zweitens: Prüfungsthemen im Abitur, die schon lange vorher bekannt sind. Meine Tochter hat gerade in NRW ihr Abitur gemacht; sie hat überhaupt nicht gewusst, in was sie geprüft wird, erst im Abitur selbst, und sie musste alles lernen, was in den letzten zwei Jahren in der Oberstufe dran war. Sie hat ein echtes Abitur gemacht. Drittens: Abiturauf

gaben, die schon in der Frage oft die Lösung enthalten. Also wer das lange gelernt hat, der kann das dann auch entschlüsseln. Viertens: keine externe Zweitkorrektur der Abi-Klausuren, ein ganz wichtiger Punkt. Und fünftens, was ich gerade gesagt habe, Präsentation statt mündlicher Prüfung.

(Glocke)

Frau Treuenfels-Frowein, ich will Ihnen einmal mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Obwohl es jetzt relativ leer hier ist, ist es sehr laut. Bitte fahren Sie fort.

Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP (fortfahrend) :* Was für eine angeregte Debatte, vielen Dank.

Was daraus entsteht, ist dann Studierberechtigung, aber keine Studierbefähigung. Wissen durch Kompetenzen zu ersetzen, ist der falsche Weg. Beides muss in ein vernünftiges Verhältnis gesetzt werden, und deswegen brauchen wir sehr zügig eine Reform aller Bildungspläne. Anfangen müssen wir bei den vier Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch. Das sind die, die 2017 im Aufgabenpool für das Zentralabitur sind. Außerdem muss die Möglichkeit der Präsentationsprüfung im Abitur wirklich dringend abgeschafft werden. Das übrigens haben mir auch sehr viele Lehrer mitgeteilt, unter anderem die meiner Kinder, die gesagt haben, sie halten das für sehr richtig.

Kompetenzen setzen Wissen voraus, deshalb müssen die Bildungspläne auch genau das abbilden und nicht das Wissen wie einen ungewollten Annex bei sich führen. Ich bitte Sie, stimmen Sie unserem Antrag zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt nun Frau Duden von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe interessierte Kollegen! Danke, dass Sie da sind.

(Dr. Stefanie von Berg GRÜNE: Kollegin- nen!)

Und Kolleginnen, Entschuldigung. Heike ist gerade nicht da, aber ich wollte mir trotzdem keine Schwachheiten erlauben.

Erst einmal natürlich Glückwunsch nach NRW zum Abitur Ihrer Tochter.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Danke!)

Das ist sehr beeindruckend. Aber es ist heute in der Tat nicht das erste Mal, dass die FDP sich mit dem Thema Bildungspläne beschäftigt. Gestern in der Aktuellen Stunde ist es auch schon deutlich

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein)

geworden, wie rückwärtsgewandt die FDP teilweise Schulpolitik in Hamburg versteht. Und das ist heute auch in Ihrem Diskussionsbeitrag wieder einmal sehr deutlich geworden.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Heute soll die inhaltsleere Kompetenzorientierung aus den Hamburger Bildungsplänen verschwinden. Wer sich die Mühe macht, die Definition von Kompetenz einmal anzusehen, so zum Beispiel in Gablers Wirtschaftslexikon, der findet am häufigsten genutzt die Definition Fähigkeit und Befugnis, aber heute, also im Jahre 2016, am meisten benutzt die Formulierung Sachverstand und Urteilsfähigkeit. Ich frage mich, soll das wirklich aus den Bildungsplänen herausgenommen werden?

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Habe ich das gesagt, Frau Duden?)

Für die FDP ist dieser Sachverstand eine Minderung der fachlichen Anforderungen. Und für uns, die SPD-Fraktion, ist es eine der wichtigsten Voraussetzungen eines erfolgreichen Lernprozesses.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe schon darauf hingewiesen, dass wir diese Diskussion heute nicht zum ersten Mal führen. Wir haben uns bei der letzten Diskussion in der Bürgerschaft sehr ausführlich auch über Wissen, über Ansammlung von Wissen, über Literaturvermittlung und vieles andere geäußert, das will ich hier nicht wiederholen. Aber ich will deutlich machen, dass in den Rahmenplänen der einzelnen Fächer jeweils steht, was an fachlichen Kompetenzen vorhanden ist sowie die jeweiligen Mindestanforderungen, die dann natürlich auch auf verbindliche Inhalte bezogen werden. Es gibt – das ist anders, als die FDP uns weismachen will – keinen Gegensatz von Wissen und Inhalten.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Kompetenzen beinhalten immer Fachwissen. Wichtig ist doch aber, dass damit auch immer die Auseinandersetzung mit dem Fachwissen verbunden ist. Wichtig ist auch, dass Hamburgs Bildungspläne den Vorgaben der Kultusministerkonferenz entsprechen. Es ist also nicht so, wie die FDP uns heute weismachen will, dass wir in Hamburg mit so einer Art Light-Version von Vorgaben und Bildungsplänen arbeiten.

Wenn die FDP ihren Vorstoß damit begründet, dass Hamburgs Schülerinnen und Schüler fit gemacht werden sollen für das Zentralabitur 2017, so muss man auch hier sehr deutlich machen, dass dieser Vorstoß natürlich viel zu spät kommt.

(Karin Prien CDU: Das stimmt! – Anna-Elisa- beth von Treuenfels-Frowein FDP: Tja, mei- ne Meinung!)

Seit 2013 wurden die Bildungspläne in den Fächern Deutsch, Mathematik und neuere Fremdsprachen mit Hinblick auf das Zentralabitur 2017 überarbeitet. Und zum Bezug auf Sachsen und Bayern, sozusagen die Bildungsmekkas Deutschlands: Auch hier, muss man sehr deutlich sagen, gibt es die Kompetenzorientierung.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Die soll ja auch nicht raus!)

Ich möchte noch einmal einen Punkt sagen zu den Präsentationen. Ihre Bedenken dazu teile ich ausdrücklich, das will ich deutlich machen. Aber man muss auch aufzeigen, dass die Präsentation 2008 eingeführt worden ist und dass es 2012 aufgrund der Initiative der Schulbehörde ermöglicht worden ist, weiterhin mündliche Prüfungen zu machen. Ich glaube, wir alle sollten darauf hinwirken, dass diese mündlichen Prüfungen sehr viel stärker dann auch im Unterricht herangezogen werden.

Was Ihre Bemerkungen betrifft, die Hamburger Schüler hingen überall so zurück, so kann ich mich daran erinnern, dass wir uns am Ende der Sommerpause gemeinsam das Bildungsmonitoring 2016 angeschaut und gesehen haben, dass die Ergebnisse, die Hamburgs Schülerinnen und Schüler dort gebracht haben, sehr wohl im oberen Bereich des Bundesrankings sind. Daher sollten wir nicht sagen, in Hamburg bekomme man sozusagen die Bildung hinterhergeworfen.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Keine Bildung hinterhergeworfen!)

Ich verstehe Ihre Aufregung nicht.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Das merke ich!)

Ich verstehe es nicht. Tut mir leid.

Als Schlussbemerkung möchte ich noch einmal sagen, die FDP unterstellt laufend, dass die Hamburger Hochschulreife nicht gleichwertig sei. Aber ich muss deutlich machen, dass wir in der Hamburger Bürgerschaft vermutlich auch ein paar Leute sitzen haben, die die Hamburger Hochschulreife geschafft haben.

(Beifall bei Sören Schumacher SPD)

Deshalb ist es wichtig festzustellen, dass Hamburgs Abiturienten nicht überfordert sind, wenn sie an Hochschulen kommen. Das möchte die FDP uns in ihrem Antrag gern deutlich machen. Und sie werden gut auf das Zentralabitur 2017 vorbereitet sein, mit allen Kompetenzen, die man dafür braucht.

Wir werden den Antrag ablehnen. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Nun bekommt Frau Prien von der CDU-Fraktion das Wort.

(Barbara Duden)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kollegen! Eigentlich könnte man der SPD dankbar sein, also ich könnte es jedenfalls, weil man hier keine Debattenvorbereitung mehr machen muss, man braucht nur die alten Protokolle aus dem letzten Jahr wieder herauszuholen. Wir haben die gleiche Debatte am 10. Juni 2015 auf Grundlage eines …

(Barbara Duden SPD: Da kann ich doch nichts für!)

Nein, dafür können Sie nichts. Sie können für gar nichts etwas, Frau Duden.

Da haben wir die gleiche Debatte auf Grundlage eines CDU-Antrags geführt, der nahezu inhaltsgleich ist zu dem heutigen, was ich überhaupt nicht schlimm finde, Frau von Treuenfels, im Gegenteil, wir haben uns darüber auch schon häufiger unterhalten, dass wir das in regelmäßigen Abständen immer wieder machen werden. Damit werden wir auch nicht aufhören.

(Milan Pein SPD: Voneinander abschreiben? Das ist ja toll! So kommt man auch auf Stückzahlen!)