Protocol of the Session on July 13, 2016

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dass Sie sich dann am Ende – das verdient schon Anerkennung, Herr Dr. Dressel, Herr Dr. Tjarks – gegen diese Bunkermentalität im Senat durchgesetzt haben, dass Sie in die Verhandlungen gegangen sind, ist Ihnen anzurechnen. Und deshalb haben wir uns auch aufgrund unseres klaren Kurses, über den wir uns am Anfang lange ausgetauscht haben, auch mit der besonderen Rolle und Verantwortung, die wir in Berlin tragen, klar an die Seite der Initiativen gestellt. Wir haben ihnen, Sie haben das gesagt, mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Wir haben einen regelmäßigen Austausch gesucht, wir haben zusammen Unterschriften gesammelt, wir haben gemeinsam Forderungen und Maßnahmen erarbeitet für die einzelnen Stadtteile, wir haben Zahlen zugeliefert, Fakten und auch Transparenz hergestellt.

(Dirk Kienscherf SPD: Sie möchten auch mit unterschreiben!)

Das ist die Arbeit, die wir als Opposition im Laufe des Verfahrens geleistet haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir hätten natürlich, Herr Dr. Dressel, diese Arbeit gern hier im Parlament geleistet, aber dazu waren Sie als Regierungsfraktion nicht bereit. Diese für ganz Hamburg sehr wichtige Frage der Flüchtlingsunterbringung und Integration hier mit dem gesamten Parlament zu beraten, wäre aus unserer Sicht angezeigt gewesen. Auch bei den Verhandlungen außerhalb des Parlaments mit dem Dachverband haben Sie die Opposition in keiner Form beteiligt. Erst die zur Verfügung stehende Zeit weitestgehend tatenlos verstreichen lassen und dann kurz vor Toresschluss ein Verhandlungsergebnis mit 130-seitigem Zusatzantrag inklusive mehrerer Bürgerverträge dem Parlament als Tischvorlage vorzulegen, ist natürlich, und das muss man so klar benennen, eine Farce für die parlamentarische Demokratie, daran führt kein Weg vorbei, und das muss man als selbstbewusster Parlamentarier deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Außer Ihnen beiden, Herr Dr. Dressel und Herr Dr. Tjarks, war kein Abgeordneter in diesem Hause tatsächlich in der Lage, innerhalb von 24 Stunden diese Drucksache in gebührender Ausführlichkeit und Tiefe zu prüfen.

Dennoch soll heute, nur einen Tag später, über so weitreichende Verhandlungsergebnisse ohne jede fachliche Beratung abgestimmt werden. Damit wird nicht nur die parlamentarische Kontrollfunktion der Bürgerschaft faktisch ausgeschaltet, sondern es gehen wirklich parlamentarische Rechte verloren. Natürlich haben Sie die 70 Abnicker in den eigenen Reihen, das wird auch wahrscheinlich reichen, aber insgesamt haben Sie dem Parlament damit keinen Gefallen getan.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Wolf- gang Rose SPD: Das ist eine Frechheit!)

Und natürlich geht es uns nicht allein um Verfahrenskritik. Der wichtigste Punkt der Einigung, da sind wir uns sicherlich alle einig, ist, dass Hamburg kleinere, integrationsförderlichere Flüchtlingsunterkünfte bekommen soll. Flüchtlingsghettos ohne jede Integrationsperspektive bleiben Hamburg nun Gott sei Dank weitestgehend erspart. Das ist gut so, und wir sind auch froh, dass damit ein Volksentscheid vermieden werden konnte. Zu Recht ist gesagt worden, eine Hängepartie bis 2017 hätte der Stadt, hätte dem Klima in der Stadt, hätte auch der politischen Auseinandersetzung sicherlich nicht geholfen. Die Initiative konnte viele ihrer und auch unserer Kernanliegen erfolgreich durchsetzen. Die Unterbringung von Flüchtlingen wird auch von RotGrün nicht mehr nur als Verwahrungsthema gesehen, sondern die wichtige Frage,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist so pein- lich! – Zurufe von der SPD)

wie Integration gelingen kann, ist jetzt endgültig in den Mittelpunkt gerückt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dass nun diese Zahl 300 eine wichtige Rolle spielen soll, dass ein Hamburger Verteilungsschlüssel möglichst gerecht zwischen Bezirken und Stadtteilen erarbeitet werden soll, sind gute Lösungsmöglichkeiten. Diese dezentrale, kleinteiligere Unterbringungslösung haben wir hier immer wieder eingefordert, seit Monaten haben wir das getan. Und das ist ein echter Fortschritt. Dieser wäre vor Monaten noch gar nicht denkbar gewesen, das werden Sie auch einräumen müssen. Wie der Verteilungsschlüssel jetzt konkret aussehen soll, lassen Sie noch offen. Es sind zwar Grundsätze erkennbar, aber das ist auch noch nicht mehr. Und für die Vereinbarung der konkreten Maßnahmen der bereits geplanten Unterbringung in den einzelnen Stadtteilen hat Rot-Grün nun die Form sogenannter Bürgerverträge gewählt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das war doch bei euch in Neugraben, der erste Bürgerver- trag!)

Das Wort Vertrag ist natürlich in diesem Zusammenhang schon sehr irreführend, denn die Bürgerverträge, teilweise zulasten Dritter, haben keine bindende Wirkung, das räumen Sie auch selbst ein. Die Initiative sagt es auch sehr ehrlich, es gäbe zu wenig Verbindlichkeit. Und es ist natürlich gerade auch ein Wesensmerkmal von Verträgen, dass es eine Bindungswirkung gibt, die hier jetzt ausgeschlossen wird, es ist stattdessen eine politische Absichtserklärung. An deren Umsetzung kann man glauben, aber Glaube allein ist in der Politik kein guter Berater. Und deshalb finde ich es richtig, dass die Initiative stolz ist auf das erreichte Ergebnis, dass sie durchatmen kann, aber ich sage auch mit einer gewissen politischen Erfahrung, auch einer gewissen politischen Erfahrung gegenüber Rot-Grün, es wird darauf ankommen, dass wir uns insbesondere auch die Umsetzung anschauen.

Wir haben es in vielen Punkten erlebt, beim Thema Busbeschleunigung, beim Thema Kita, beim Thema Fluglärm, wo es erst große Einigungen gab und dann in der Umsetzung doch sehr oft stockte oder man genau das Gegenteil gemacht hat von dem, was man vorher versprochen hat. Wir haben es gestern erst gehört aus den Bezirken, da werden die Bezirksfraktionen jetzt noch einmal schnell angerufen und gefragt, ob sie einer Aufstockung auf 600 Einrichtungen zustimmen könnten, bevor das hier umgesetzt werde, es gibt Bauanträge für 400 Einrichtungen. Also all das ist natürlich das Thema, mit dem man sich jetzt auseinandersetzen muss.

(Ksenija Bekeris SPD: Was ist das denn für ein Klein-Klein?)

Dieser Kompromiss kann auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es gerade in sozial schwäche

ren Stadtteilen weiterhin sehr große Unterkünfte geben wird. Wir haben gerade in den letzten Tagen in Hamburg-Mitte erfahren, dass dort noch einmal eine Einrichtung aufgestockt wird. Wir reden da über einen relativ kleinen, sehr begrenzten Raum von fast 2 000 Flüchtlingen, die dort untergebracht werden. Deshalb sollten wir auch nicht vergessen, diese Stadtteile in den Blick zu nehmen bei der weiteren Diskussion.

Und es bleibt leider auch beim absoluten Tabubruch, Landschaftsschutzgebiete für die Flüchtlingsunterbringung zu bebauen. Auch der Sonderweg Hamburgs, auf Expresswohnungsbau zu setzen, bleibt unsinnigerweise bestehen. Hier und an vielen anderen Stellen haben Sie trotz der laufenden Verhandlungen vollendete Tatsachen geschaffen. Wir bleiben dabei, dass der Expresswohnungsbau und die Bebauung von Landschaftsschutzgebieten der falsche Weg sind. Wohnungsbau kann nicht nur nach der Maßgabe schnell, viel und billig erfolgen.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Sondern wenig, teuer und langsam!)

Die im Kompromiss vereinbarten Verbesserungen und Maßnahmen für die soziale Infrastruktur, die Integration, die dezentrale, kleinteilige Unterbringung werden viel Geld kosten. Darüber haben Sie gar nichts gesagt, Herr Dr. Dressel. Wie viel, dazu können Sie wahrscheinlich auch noch gar nichts sagen. Trotzdem erwarten Sie heute von uns eine Zustimmung. Im Ergebnis der nur kurzen Prüfung Ihres Antrags, die möglich war, sagen wir heute Ja zur Initiative und zu ihrem Verhandlungserfolg

(Dr. Andreas Dressel SPD: Und Nein zur Politik!)

und Nein zum rot-grünen Verhandlungsweg.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Auch das ist ein Wesensmerkmal der parlamentarischen Demokratie. Rot-Grün hat verhandelt, ohne das Parlament daran in irgendeiner Weise vorher zu beteiligen, also tragen Sie auch allein die politische Verantwortung, meine Damen und Herren. Das muss Ihnen klar sein.

(Beifall bei der CDU)

Auf diese großen, integrationsfeindlichen Massensiedlungen zu setzen, war falsch von Anfang an. Es war zur Hochzeit der Flüchtlingskrise falsch, es ist heute genauso falsch.

(Dirk Kienscherf SPD: Und Ihre Kanzlerin auch!)

Kein anderes Bundesland, keine andere Stadt in Deutschland wollte diesen fatalen Weg beschreiten. Zusammengefasst sind wir als CDU-Bürgerschaftsfraktion deshalb heute aus drei Gründen zufrieden. Erstens: Hamburg bleibt ein polarisierender Volksentscheid in der Flüchtlingsfrage er

spart. Das Beispiel Brexit zeigt sehr deutlich, dass es nicht nur um sachorientierte Abwägungsfragen bei solchen Entscheidungen geht, sondern dass viel mehr eine Rolle spielt.

Zweitens: Es ist gut, dass es keine zusätzlichen Integrationshypotheken für die Flüchtlinge und für die Hamburger durch weitere Massenunterkünfte hier gibt.

Und drittens, auch wenn Sie das anders darstellen wollen: Es bleibt die größte politische Niederlage und Fehleinschätzung, die Rot-Grün seit dem Beginn seiner Zusammenarbeit in dieser Stadt getroffen hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, liebe Vertreter der Initiative! Auch wenn es mühsam ist, hat sich einmal mehr in dieser Stadt gezeigt: Opposition wirkt. – Herzlichen Dank.

(Lang anhaltender Beifall bei der CDU – Hei- terkeit und Zurufe von der SPD – Dirk Kien- scherf SPD: Er hat Humor!)

Das Wort bekommt Herr Dr. Tjarks von der GRÜNEN Fraktion.

(Milan Pein SPD: Wie will die CDU denn jetzt abstimmen?)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Trepoll, im Ernst, nach dieser Rede frage ich mich eigentlich, warum Sie nicht zustimmen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielleicht müssten wir das A-Team noch um ein weiteres A erweitern das nächste Mal, dann würde es auch am Ende für die Zustimmung reichen, aber wir kommen auch ohne das A von André durch, denn der Kompromiss, den wir gefunden haben, ist ein guter.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich freue mich, dass wir uns in der Sache einig sind, dass wir es geschafft haben, einen sehr polarisierenden Volksentscheid, einen Volksentscheid über schutzbedürftige Menschen in Hamburg zu vermeiden. Ich finde, wir haben da ein ordentliches Verhandlungsergebnis hingelegt. Und gleichzeitig sage ich das nicht nur in die Richtung, sondern auch in die Richtung da oben, weil es nämlich immer so ist, dass es für jeden Kompromiss am Ende zwei Seiten braucht und auch zwei Seiten, die unterschreiben wollen in genau so einer Situation. Ich glaube, es ist wichtig, dass sich sowohl das Parlament als auch die Bürger dieser Verantwortung bewusst sind, denn das zeigt eben auch, dass die direkte Demokratie in Hamburg mittlerweile eine Kultur der Gemeinsamkeit entwickelt hat, wie man am Ende des Tages Probleme, die wirklich herausfor

(André Trepoll)

dernd sind, gemeinsam lösen kann. Wir haben das bei der Busbeschleunigung gemacht, wir haben das beim Ganztag gemacht und jetzt auch bei der Integration. Und das ist eine gute Botschaft für die Stadt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte noch einmal auf den Ausgangspunkt zurückkommen.

(Birgit Stöver CDU: Ja, zur Ursache!)

Genau, zur Ursache.