Protocol of the Session on July 13, 2016

Genau, zur Ursache.

Wir hatten im Sommer und im Herbst 2015 eine Situation, die hier immer so leicht geschichtsklitternd übergangen wird, nämlich die Situation, dass zum Teil 400 bis 500 Menschen täglich in Hamburg angekommen sind, die Situation, dass wir in den vier Monaten von August bis November als Stadt 12 000 Menschen aufnehmen und unterbringen mussten. Es waren also 3 000 Menschen pro Monat, und das ist alles in einer sehr kurzen Zeit gekommen und auch in einer Zeit, in der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge von Herrn de Maizière schon viermal die Prognose angepasst und am Ende gesagt hat, es sei irgendwie eine Glaskugel, und sie trauten sich jetzt nichts Weiteres zu sagen. Und in dieser Situation, in der man davon ausgehen musste, dass es in Wahrheit auch so weitergehen kann – es hätte doch nicht so sein müssen, wie es jetzt gekommen ist, es hätte auch so weitergehen können –, muss Politik handeln. Und da hat Politik gehandelt und gesagt, okay, wir müssen in anderen Dimensionen denken. In dieser Situation ist das Programm Flüchtlingsunterkünfte mit der Perspektive Wohnen entstanden.

(Jörg Hamann CDU: Größenwahn war die Dimension!)

Nein, das ist etwas, das nämlich in Wahrheit eine vernünftige Planung war und eine Realität – Herr Hamann, ich versuche, das jetzt ein wenig werbend für Sie zu machen –, vor der Sie sich immer gedrückt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Natürlich war dieses Programm der Keim des Streits – ich würde nicht sagen, Brand, ich finde, das ist in dem Zusammenhang keine gute Metapher, aber der Keim des Streits. Aber gleichzeitig – Herr Hamann, wenn Sie das einmal gelesen hätten, was vor Ihnen liegt, das wäre gut – ist es auch der Keim der Lösung gewesen, weil nämlich alle anerkannt haben, dass man in dieser Stadt, um vernünftig Integration zu betreiben, sehr viele Wohnungen bauen muss, und zwar nicht langsam und teuer

(André Trepoll CDU: Das war nicht die Be- gründung! Sie sind nicht ehrlich!)

oder überhaupt nicht, wie Sie das eben vorgeschlagen haben, sondern man muss es dann am

Ende auch auf die Straße bringen. Das ist relativ wichtig.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich denke, dass deswegen natürlich auch der Keim der Lösung Folgendes war: Man kann sich die Frage stellen, ab wann eine Wohnung in den allgemeinen Wohnungsmarkt übergeht, und entlastet damit natürlich nicht nur den allgemeinen Wohnungsmarkt, sondern bietet auch geflüchteten Menschen die Chance auf eine feste Wohnung mit einem regulären Mietvertrag. Und genau deswegen ist natürlich in diesem Thema auch der Keim der Lösung. Die Wahrheit ist, dass die Initiative gesagt hat, wir sollten noch viel mehr Wohnungen bauen, als wir uns das ohnehin schon vorgenommen haben.

(Karin Prien CDU: Aber nicht in Perspektive Wohnen!)

Nur dann gehört zur Wahrheit auch dazu, dass man sich überlegen muss, Frau Prien, wo man die Wohnungen baut und dass man sie baut. Und dafür, das gehört zur Ehrlichkeit dazu, braucht man auch Flächen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Aus meiner Sicht – und ich finde, das ist ein grundsätzliches Politikverständnis, wenn es solche Konflikte in der Stadt gibt – muss man reden, und zwar sehr viel reden. Es war am Anfang auch nicht einfach, das muss man dazu sagen. Und wenn man redet, dann ist es auch fair, dass man sagt, man redet mit einer Ergebnisorientierung. Genau dazu haben Sie uns auch aufgefordert, nämlich eine Ergebnisorientierung zu liefern und uns zu einigen. Sie waren doch nicht nur am Rande Beobachter, sondern auch durchaus aktive Berater. Und am Ende des Tages ist ein Konvolut herausgekommen – denn wenn man mit Ergebnisorientierung redet, dann will man sich auch einigen –, in dem es sehr viele Punkte gab, über die wir im Parlament auch schon geredet haben und die, wie Sie auch zu Recht gesagt haben, zum Teil auch in Ihren Anträgen schon enthalten waren.

Das Entscheidende ist – und das war für uns sozusagen die Basislinie und auch sehr wohltuend, denn wenn man dann einmal miteinander redet, ist es auch so, dass man noch einmal die wahre Motivlage der Menschen erfährt, die man sonst nur aus den Zeitungen kennt –, dass wir uns sowohl zur moralischen als auch zur rechtlichen Unterbringungsverpflichtung der Stadt bekennen. Das wäre anderweitig eine rote Linie für uns gewesen, denn wir müssen natürlich vor dieses Haus treten mit der Aussage, wir schaffen das auch am Ende des Tages, egal, wie viele Menschen kommen. Und das ist eine sehr wichtige Aussage, die dieser Antrag am Anfang trägt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Der zweite Punkt war, dass wir uns alle einig waren, dass wir es ermöglichen wollen, da aktuell nicht mehr so viele Menschen neu hinzukommen, sehr viele Erstaufnahmen abzubauen, und dadurch auch viele prekäre Erstaufnahmen. Wir wollen es schaffen, die prekären Erstaufnahmen, die Zelte, die Baumärkte, die Lagerhallen, Schritt für Schritt zu schließen. Auch das war eine gute Botschaft aus der Mitte der Verhandlungen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Und der Kern des Antrags, die sogenannte 3x300er-Regel, ist eine sehr sinnvolle, sehr kluge Regelung. Sie besagt, wir wollen kleine, dezentrale Einrichtungen bauen; das ist, glaube ich, möglich mit den aktuellen Zugangszahlen. Sie ist gleichzeitig atmend, das heißt, sie verträgt auch Unterschiede. Sie sagt, wir wollen alle Einrichtungen langfristig reduzieren, übrigens auch die in den nicht so bevorzugten Stadtteilen, denn genau darum geht es, dass alle Einrichtungen sukzessive abschmelzen, und zwar auf unter 300 im Durchschnitt. Und dazu muss man natürlich mehr Einrichtungen bauen, das ist doch völlig klar. Es ist auch ein sehr gutes Zeichen der Volksinitiative, es ist ein Bekenntnis, dass wir viel mehr Einrichtungen bauen müssen, und das gibt natürlich den politischen Rückenwind, das dann am Ende zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Für uns war auch die Frage Flüchtlingsunterkünfte mit der Perspektive Wohnen wichtig, dass man im großen Teil die Wohnungen erhält, weil es nämlich wichtig ist, dass Wohnungen in dieser Stadt gebaut werden. Sie entlasten nicht nur Erstaufnahmen, nicht nur öffentlich-rechtliche Unterbringungen, sie entlasten auch den allgemeinen Wohnungsmarkt. Und das ist doch ein zentrales Ziel. Genau deswegen kann man eben nicht plopp, plopp, plopp, die ganzen Dinge absagen, sondern man muss jetzt schauen, wie man es vernünftig macht.

Es ist der Kern der elf Bürgerverträge, dass wir uns Standort für Standort angesehen haben in Bezug auf das, was man dort machen kann. Wir hatten hier auch einen 25-Punkte-Plan verabschiedet, der ein bisschen belächelt wurde, ob wir es ernst meinen oder es nur auf dem Papier steht.

(André Trepoll CDU: War das der abge- schriebene Plan aus Harburg?)

Und letztlich ist es doch so, dass diese Bürgerverträge, lieber Herr Trepoll, die operative Umsetzung des 25-Punkte-Plans sind, bezogen auf die Einrichtung, was sie brauchen und was man dort machen kann. Ich nehme das einmal zum Beispiel, weil Sie immer über die sozialen Quartiere reden: Bei Eidelstedt gab es die klare Maßgabe, dass es Eidelstedt, wenn dieses Projekt realisiert wird, besser geht als vorher. Und das stellen wir sicher.

(Zurufe von der CDU: Was?)

Ja, indem wir 350 frei finanzierte Wohnungen am Hörgensweg bauen.

Ich glaube, das wird dazu führen, dass die Kaufkraft und auch die soziale Durchmischung in Eidelstedt deutlich besser werden. Heute kommt die Nachricht hinzu, Herr Heißner, dass das Bürgerhaus Eidelstedt für 1,9 Millionen Euro vom Bund gefördert wird. Damit das auch realisiert wird, haben wir das an Land gezogen. Und am Ende wird dieser Stadtteil davon profitieren, lieber Herr Heißner.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte mich abschließend kurz mit dem Vorwurf der sozialen Schieflage beschäftigen, wobei es mich ein bisschen wundert, dass die CDU jetzt die Vorkämpferin für Billbrook, Billstedt und Jenfeld geworden ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – André Trepoll CDU: Gucken Sie einmal, was die CDU in Wilhelmsburg gemacht hat!)

Aber nur einmal ein Beispiel. Hier ist der Artikel aus dem "Hamburger Abendblatt":

"CDU warnt vor neuem sozialem Brennpunkt, bald 4 000 Flüchtlinge in Osdorf."

Er erschien am 21. April 2016 im "Hamburger Abendblatt", Frau Prien war maßgebliche Treiberin dieses Artikels von Herrn Schmoock.

(Zuruf von Jörg Hamann CDU)

Jetzt hören Sie einmal zu, Herr Hamann.

Wenn ich mir ansehe, um welche Unterkünfte es geht, dann haben wir die Unterkunft Rugenbarg in Osdorf, 1 620 Plätze, sie wird nach dem Bürgervertrag am 30. September 2016 geschlossen. Wir haben die Turnhalle der Graf-Baudissin-Kaserne, 350 Plätze, geschlossen am 31. Dezember dieses Jahres. Und wir haben dann den Lise-MeitnerPark, der ist zwar nicht in Osdorf, aber wird hier schlank mitgezählt, er wird zum 30. Juni nächsten Jahres von 912 auf 456 reduziert.

Dann hatten Sie – das war der eigentliche Anlass der Berichterstattung – sich über Baufeld C am Blomkamp Ecke Grubenstieg mokiert, aber das kommt nicht. Und gleichzeitig haben wir Blomkamp Baufeld A und B von 820 auf 442 Flüchtlinge reduziert.

(Jörg Hamann CDU: Was wollen Sie uns da- mit sagen?)

Das heißt, dass wir genau auf diese Punkte Rücksicht genommen haben. Sie müssen einmal zur Kenntnis nehmen, dass wir genau darauf Rücksicht genommen haben in diesen Verträgen, und dass das ein Kernanliegen von Rot-Grün ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Karin Prien CDU: Und was ist in Billstedt?)

Ich finde, dass diese Einigung mit der Volksinitiative letztlich genau das Verfahren abbildet, das wir uns mit der Volksinitiative oder Volksgesetzgebung gegeben haben. Die Bürger laufen los, sammeln 10 000 Unterschriften, es gibt eine Anhörung im Parlament, es gibt eine Senatsanhörung, man muss reden im besseren Fall, man übernimmt, man schließt einen Kompromiss oder man lässt es laufen. Das sind die drei Möglichkeiten. Wir haben uns für den Mittelweg entschieden, wir reden und schauen, ob wir zu einer gemeinsamen Lösung kommen. Die CDU war auf der anderen Seite gut dabei, ist am Montag, genauso wie unsere Fraktion im Übrigen, von Herrn Schomacker quasi exklusiv informiert worden. Und ich glaube, deswegen gibt es eigentlich auch für Sie gute Gründe, dem Verfahren dort zuzustimmen. Ich denke, das ist nicht nur ein Musterbeispiel für direkte Demokratie, sondern es ist eben auch etwas, das zeigt, dass das Parlament an Stärke gewonnen hat.

(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Es ist so, dass sich Volksinitiativen an die Hamburgische Bürgerschaft richten und nicht an den Hamburger Senat. Und deswegen verhandelt natürlich auch die Hamburgische Bürgerschaft über die Frage Übernahme von Volksinitiativen, und niemand anders.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Als wir das damals mit der Primarschule gemacht haben, Herr Trepoll, und Frau von Treuenfels-Frowein auf der anderen Seite saß, haben wir die SPD auch nicht extra dazu eingeladen, sondern das haben wir dann schon quasi unter uns ausgemacht und damals, wie bekannt, nicht geschafft.

(Heiterkeit bei der SPD)

In der Sache – ich möchte nicht über die CDU reden –, Frau Suding, teile ich die Argumentation, dass ein Brand gelöscht wird, den wir selbst gelegt haben, nicht. Das ist nicht meine Metapher, die ich verwendet habe. Man muss in der Sache dazu sagen, dass Sie aus meiner Sicht dort die geschichtliche Situation aus dem letzten Jahr nicht erkennen. Und ehrlicherweise ist es schon wenig, wenn man aus Ihrer PM nicht einen Satz zum Inhalt erkennt. Aber das wird noch unterboten durch die Kolleginnen und Kollegen von der AfD, die gesagt haben, das Kernthema unserer Partei sei die Flüchtlingskrise. Jetzt wird der wegweisende Beschluss zur Flüchtlingskrise gefasst. Und Sie schaffen es nicht am Montag,

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Montag tagen wir doch gar nicht!)

nicht am Dienstag und bis heute auch nicht, irgendetwas dazu inhaltlich zu sagen. Man kann es

gut und man kann es schlecht finden, aber eine Partei, die nichts sagt, braucht man eigentlich nicht. – Herzlichen Dank.