Die Sensibilität für das Thema Partnergewalt in der unmittelbaren räumlichen Umgebung ist ein entscheidender Faktor beim Kampf gegen Beziehungsgewalt. Viel zu oft werden Fernseher lauter gedreht, wenn aus der Nachbarwohnung Schreie ertönen. Viel zu oft fallen einem die blauen Flecke der Nachbarin im Treppenhaus oder die übergroße Sonnenbrille im Januar sogar auf. Man kann sich aber dann doch nicht durchringen, sie auch darauf anzusprechen. Diesem Phänomen wirkt StoP aktiv entgegen.
Durch Fortbildung, Aktionsgruppen, Jugendarbeit und Informationsveranstaltungen werden soziale Netzwerke in den Stadtteilen gestärkt und für das Thema Gewalt in Beziehungen sensibilisiert. Die Teilnehmerinnen werden ermuntert, ihre kulturellen Leit- und Selbstbilder zu reflektieren. Dabei wird der Fokus nicht nur auf Frauen gelegt, sondern auch Männer und Jugendliche werden aktiv mit einbezogen. Auch Einzelfallbetreuungen können gewährleistet werden.
Durch aufmerksame Nachbarn, die Stellung gegen Gewalt beziehen, anstatt wegzuschauen, die mutmaßliche Opfer ansprechen, anstatt ihnen aus
dem Weg zu gehen, können nicht nur im Einzelfall Leben und Gesundheit von Menschen gerettet werden, nein, es werden auch langfristig und nachhaltig soziale Netzwerke in den Stadtteilen gestärkt.
StoP leistet bereits in Steilshoop und auf der Horner Geest eine hervorragende Arbeit, zum größten Teil ehrenamtlich. Die Vernetzung mit anderen Institutionen in den Stadtteilen ist vorbildlich. Auch die wissenschaftliche Begleitung – Frau Engels hat es angesprochen – durch die HAW hat einen wertvollen Beitrag bei der Fortentwicklung des Projekts geleistet.
Insgesamt sind die von StoP auf die Beine gestellten Projekte eine riesengroße Bereicherung für die beiden Stadtteile.
Ich freue mich heute besonders, dass hier auf der Tribüne auch Vertreterinnen von StoP von der Horner Geest bei uns sind und der Debatte folgen. Schön, dass Sie da sind.
Unser Ziel muss es jetzt sein, die bestehenden Strukturen finanziell weiter zu stärken, aber auch das erfolgreiche StoP-Konzept auf andere Stadtteile auszuweiten, auch in Stadtteilen, in denen gerade neue Nachbarschaften entstehen.
Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Gewalt in Beziehungen in Hamburgs Stadtteilen durch aktives zivilgesellschaftliches Engagement entgegengewirkt wird. Lassen Sie uns gesellschaftliche Strukturen ausbauen, in denen Opfer von Gewalt, aber auch Gewaltausübende bereit sind, sich anderen anzuvertrauen, wenn sie Hilfe brauchen. Lassen Sie uns gemeinsam die StoP-Initiative unterstützen. Stadtteile ohne Partnergewalt sind etwas, das wir gemeinsam erreichen können. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin gerade etwas verwundert. In dem Petitum heißt es, in dem Antrag für die Umsetzung des Konzepts "StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt" in Hamburger Stadtteilen, insbesondere auch in Nachbarschaften von Flüchtlingsunterkünften, sollten für zwei Jahre 100 000 Euro aus der zentralen Verstärkung für Zuwanderung Einzelplan 9.2 zur Verfügung gestellt werden. Ich habe jetzt bei der Antragsbegründung kein Wort gehört, wofür eigentlich die Mittel speziell aus diesem Einzelplan zur Verfügung gestellt werden sollen.
Zuallererst jedoch: Das Projekt "Stadtteile ohne Partnergewalt" leistet einen wertvollen gesellschaftlichen Beitrag, indem es das Thema häusliche Gewalt aus der Grauzone in das Licht der Öffentlichkeit befördert und durch Kommunikation über alle Kanäle zu einer Enttabuisierung dieses Themas beiträgt. An dieser Stelle einen großen Dank für dieses Engagement. Das ist ein gutes Beispiel für Zivilcourage.
Insofern ist auch der vorliegende Antrag unterstützungswürdig, es gibt jedoch auch ein Aber. Lassen Sie uns hierzu bitte einmal einen Blick nach Steilshoop werfen. Dort begann im Mai 2010 das Projekt, mitgefördert übrigens und auch finanziert von der damals CDU-geführten Sozialbehörde. Danach – das war für zwei Jahre – begann aber eine ziemliche Kleckertour. Immer wieder musste die Bezirksversammlung Wandsbek mit der ihr zur Verfügung stehenden Politik nachhelfen, um das Projekt am Leben zu erhalten. Und ohne die große Arbeit der Ehrenamtlichen wäre es wahrscheinlich gar nicht mehr existent.
Diese immer wiederkehrenden Notfinanzierungsmaßnahmen lassen keine langfristigen Planungen zu, aber Letzteres ist eben gerade für solche Institutionen und Initiativen überlebenswichtig. Deshalb hat die CDU-Fraktion in der Bezirksversammlung Wandsbek im Juni 2015 den Antrag gestellt, dass die zuständige Fachbehörde die Regelfinanzierung des StoP-Projekts in Steilshoop erarbeiten soll. Daraufhin kam im September 2015 eine ziemlich ernüchternde Antwort von der BASFI, nämlich die, dass eine Regelfinanzierung des StoP-Projekts in Steilshoop und in Horn nicht möglich sei.
Das kann ich nun nicht verstehen; in dem vorliegenden Antrag wird zu Recht zum Ausdruck gebracht, was in Horn und in Steilshoop für eine hervorragende Arbeit geleistet wird und dass dieses Konzept jetzt sogar in die anderen Stadtteile kopiert werden solle, aber eine Regelfinanzierung nicht möglich sei, obwohl doch eine Verstetigung eines so wichtigen Projekts, das über den Projektcharakter schon längst hinaus ist, so wichtig wäre.
Das gilt auch für den vorliegenden Antrag. Die Befristung auf zwei Jahre ist mir nicht klar, weil es jetzt schon deutlich ist, dass die Problematik, gerade wenn es auch um das Andocken an Flüchtlingsunterkünfte, an neue Nachbarschaften, wie Sie richtig sagten, über diesen Zeitraum hinausgeht. Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Allerdings teilen wir natürlich die Auffassung, dass StoP ge
eignet ist, auch für die Flüchtlingsarbeit genutzt zu werden, und stimmen daher diesem Antrag zu. – Vielen Dank.
Frau Özdemir, ich hätte Ihnen das Wort erteilt, Sie können sich darauf verlassen. – Das Wort bekommt Frau Özdemir von der Fraktion DIE LINKE.
Meine sehr verehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Unterschiedliche Studien haben gezeigt, dass es in diesem Bereich noch viel zu tun gibt. Wir haben die Zahlen noch einmal gehört. 35 Prozent aller Frauen sind betroffen von körperlicher und/oder sexueller Gewalt, und jede vierte Frau erlebt Gewalt auch durch ihren Partner. Etwa 20 Prozent nur – und das ist, glaube ich, die wichtige Zahl – wenden sich an Unterstützungseinrichtungen. Genau hier setzt auch der Antrag an, den wir sehr richtig und sehr wichtig finden. Aber ich denke, ein Blick in die Studie, die 2014 von der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte veröffentlicht wurde, zeigt eigentlich noch einmal, wie weit wir eigentlich in Deutschland sind und wie wir im Vergleich zu den skandinavischen Ländern, zum Beispiel Schweden, Norwegen oder Dänemark, stehen. Da wurde nämlich sehr deutlich, dass Frauen aus diesen Ländern viel häufiger über die persönlichen Gewalterfahrungen sprechen konnten als in anderen Ländern. Und unter diese anderen Länder fällt auch Deutschland. Dafür gab es unterschiedliche Erklärungen; zum einen, ob es in der Gesellschaft kulturell akzeptiert ist, über Gewalt gegen Frauen zu sprechen, und zum anderen natürlich auch, dass es eine gewisse starke Tabuisierung in einigen europäischen Ländern gibt.
Wichtig ist in dieser Studie, das wurde eben festgestellt, dass in Ländern, in denen die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern größer ist, Frauen viel häufiger über ihre Gewalterfahrung sprechen und auch bereit dazu sind, darüber zu erzählen. Deutschland gehört nicht dazu, und Deutschland hinkt leider noch hinterher, wie wir es auch bei der Istanbul-Konvention beziehungsweise bei der Ratifizierung gesehen haben.
Wir finden das Projekt sehr sinnvoll, weil gerade Nachbarn und Menschen, die nahe beieinander leben, sensibilisiert, geschult und aufgeklärt werden. Das stärkt natürlich auch die Gemeinschaft und die betroffenen Frauen, zum einen als StoPerinnen und zum anderen als Betroffene.
Ein wichtiger Punkt, der sehr oft vergessen wird, ist die Situation der Kinder, die diese Gewalt mitbekommen und miterleben. Kinder werden hier siebenmal häufiger geschlagen als in anderen Familien. Ich denke, das ist schon ein großes Problem,
Wir kennen bei den Kindern auch die bekannten Auswirkungen, von Depressionen bis Suizidgedanken im schlimmsten Falle. Auch in dem Bereich muss es eine Unterstützung geben und, viel wichtiger, die Prävention, damit es nicht dazu kommt.
Wir denken aber auch, dass die Probleme in den Stadtteilen mit diesem Projekt allein nicht gelöst sind. Wir können nämlich sehr deutlich sehen, dass die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern voranschreiten muss und wir einfach auch einmal akzeptieren müssen, dass wir zwar in Deutschland weit, aber noch nicht am Ziel angelangt sind.
Ich habe auch ein gewisses Problem mit der Finanzierung. Mir ist nämlich nicht klar, was eigentlich nach diesen zwei Jahren passieren wird. Wird die Finanzierung fortgesetzt oder nicht? Wird das Projekt dann einfach in den Bach geworfen und vergessen? Wir sehen auch, dass es gerade in diesen Stadtteilen wichtige Einrichtungen und Projekte gibt, die immer wieder scheibchenweise weggekürzt werden. Wir können sehr oft sehen – das ist manchmal so ein bisschen Ihre Taktik –, dass Sie ein oder zwei Projekte herauspicken und hier vorstellen, damit diese Projekte gestärkt werden, um davon abzulenken, wie die Situation der anderen Einrichtungen und Projekte in dieser Stadt eigentlich so ist. Und das ist natürlich sehr problematisch.
Deshalb hoffe ich, dass dieses Projekt in zwei Jahren nicht einfach vergessen wird, sondern wirklich verstetigt
Das Thema Gewalt ist ein Thema, das wir öfter debattieren. Leider haben wir oft nicht ausreichend Lösungen für das, was wirklich das Problem ist,
nämlich die Frage, wie man Gewaltprävention wirklich effizient umsetzen kann. Meistens debattieren wir über Wege, wie wir Opfern helfen können.
Mein Punkt in dieser Debatte ist aber ein anderer, und über den Punkt Gewalt haben auch meine Vorrednerinnen sehr viel Richtiges gesagt, das wir auch unterstützen. Aber ich möchte noch einmal auf das zu sprechen kommen, was Frau Grunwaldt angesprochen hat, nämlich den Aspekt der Finanzierung.
Dieses Projekt gibt es seit über sechs Jahren in Steilshoop – das ist angesprochen worden –, und dort wird das Projekt auch finanziert, ohne dass man dafür die Mittel einer zentralen Reserve für Zuwanderung zweckentfremden musste.