Protocol of the Session on May 25, 2016

(Dirk Nockemann AfD: Woher haben Sie denn den Unsinn?)

vertritt nicht die Werte, die wir den zu uns kommenden Menschen vermitteln sollten. Eine Partei, deren Spitzenpersonal für Ausgrenzung, antiquierte Geschlechterrollen und die Ablehnung alternativer Lebensentwürfe steht, hat eine Konfrontation mit den Werten einer offenen Gesellschaft weitaus nötiger als die meisten der hier nun lebenden Schutzsuchenden.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Heiterkeit bei Dr. Alexander Wolf AfD)

Wir werden den Antrag ablehnen. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort bekommt Frau Schneider von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Baumann hat in seiner Rede deutlich gemacht, dass die Alternative für Deutschland wirklich ein tiefer Abgrund ist.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN, der SPD und bei Jennyfer Dutschke FDP)

Ich werde mich trotzdem sachlich mit dem Antrag auseinandersetzen, weil auch dieser Antrag das schon deutlich macht.

Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland eine ganze Reihe von Instituten nicht nur für Migrationsforschung, sondern für vergleichende Kulturforschung, zum Beispiel in Marburg oder Passau oder an der Viadrina in Frankfurt an der Oder. In Hamburg gibt es – Frau Oldenburg hat einiges aufgezählt – wie an vielen Universitäten das Institut für Ethnologie. Die Ethnologie befasst sich als vergleichende Wissenschaft mit der kulturellen Vielfalt der Menschheit. Warum also will die AfD in Hamburg ein neues Institut für vergleichende Kulturforschung und Integration ins Leben rufen? Weil sie nicht den Ansatz der kulturellen Vielfalt, sondern einen ganz anderen, geradezu entgegengesetzten

Ansatz verfolgt. Ich möchte Artikel 2 der allgemeinen Erklärung zur kulturellen Vielfalt zitieren, die die UNESCO-Generalkonferenz 2001 verabschiedet hat:

"In unseren zunehmend vielgestaltigen Gesellschaften ist es wichtig, eine harmonische Interaktion und die Bereitschaft zum Zusammenleben von Menschen und Gruppen mit zugleich mehrfachen, vielfältigen und dynamischen kulturellen Identitäten sicherzustellen. Nur eine Politik der Einbeziehung und Mitwirkung aller Bürger kann den sozialen Zusammenhalt, die Vitalität der Zivilgesellschaft und den Frieden sichern. Ein so definierter kultureller Pluralismus ist die politische Antwort auf die Realität kultureller Vielfalt."

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

"Untrennbar vom demokratischen Rahmen führt kultureller Pluralismus zum kulturellen Austausch und zur Entfaltung kreativer Kapazitäten, die das öffentliche Leben nachhaltig beeinflussen."

So die UNESCO.

Dieser Aufgabe stellt sich unsere Gesellschaft seit Jahrzehnten. Es hat lange gebraucht, bis sich die Bundesrepublik Deutschland darauf eingestellt hat, Einwanderungsland zu sein. Aber die zivilgesellschaftlichen und auch die staatlichen Institutionen haben sich den damit verbundenen Herausforderungen zunehmend gestellt, gerade in Stadtgesellschaften wie unserer. Die Herausforderungen bleiben angesichts der großen Zahl schutzsuchender Menschen auch in Zukunft groß, aber an der Leitidee der von mir zitierten UNESCO-Resolution, nämlich von kultureller Vielfalt zu kulturellem Pluralismus, führt kein Weg vorbei, es sei denn, man will zurück.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von Dr. Bernd Baumann AfD)

Ja, die AfD will zurück. Sie vertritt mit ihrem Antrag knallhart die Idee der deutschen Leitkultur. Die deutschen Werte, der deutsche Kulturkreis sind für sie das Maß aller Dinge, an dem alles gemessen wird und dem sich alles zu unterwerfen hat. Sie haben eine Hierarchisierung der Welt vorgenommen, in der Deutschland das Zentrum und schon Süditalien völlig fremd ist.

(Dr. Bernd Baumann AfD: Nordeuropa habe ich gesagt!)

Von wegen Europa.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn die AfD von Integration spricht, meint sie Assimilation. Das ist rückwärtsgewandt, einseitig und ethnozentristisch. Als gäbe es eine unveränderba

(Phyliss Demirel)

re Kultur, ein unverrückbares Wertesystem, das alle Herkunftsdeutschen teilten, als wäre die fremde Kultur, die die Neuankömmlinge mitbringen, defizitär und müsste, solle Integration gelingen, durch unsere – völlig vagen – Werte und Prinzipien ersetzt werden. Kein Gedanke bei Ihnen, dass sich durch Austausch Neues entwickelt und sich ohne Austausch nichts Neues entwickelt. Kein Gedanke an einen interkulturellen Dialog,

(Dr. Bernd Baumann AfD: Schließt sich überhaupt nicht aus!)

in den alle hier lebenden Menschen, wenn man sie nur lässt, etwas einzubringen haben und aus dem sich Neues entwickelt, übrigens auch neue Wertnormen.

Niemand ist so naiv zu glauben, dass das Zusammenwachsen der sich durch die Aufnahme Geflüchteter ändernden Gesellschaft konfliktfrei abgeht. Aber das lässt sich im Zusammenhang mit dem AfD-Antrag nicht debattieren, weil Sie nicht das Ziel einer solidarischen Entwicklung dieser Gesellschaft verfolgen. Nein, Sie verfolgen auch mit diesem Antrag – das ist in Ihrer Rede deutlich geworden – wieder eine Vorstellung von Integration, die Hierarchisierung von Menschengruppen, Unterordnung und Ausschluss meint. Überdeutlich ist in Ihrem Antrag und erst recht in Ihrer Rede das Bestreben, einen großen Teil der Zuwanderer und Schutzsuchenden, insbesondere diejenigen aus Afrika und dem Orient, als mit deutscher Kultur unvereinbar abzustempeln und auszugrenzen – und das unter der Fahne der Kultur. Vor 90 Jahren hätten Sie das, was Sie heute vergleichende Kulturforschung nennen, ungeschminkt Rassenkunde genannt. Das ist in Ihrer Rede deutlich geworden.

(Beifall bei der LINKEN, vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü und Dora Heyenn, beide fraktionslos)

Ich zitiere Adorno:

"Das vornehme Wort Kultur tritt anstelle des verpönten Ausdrucks Rasse, bleibt aber ein bloßes Deckbild für den brutalen Herrschaftsanspruch."

Das haben Sie hier demonstriert. – Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN, vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü und Dora Heyenn, beide fraktionslos – Dr. Bernd Baumann AfD: Sie vielleicht! Das habe ich nie gesagt!)

Das Wort bekommt Frau Dutschke von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen! Herr Dr. Baumann, was wollten Sie uns mit dieser Rede eigentlich sagen? Schaffen Sie es nicht einmal, Ih

re eigene politische Idee so zu verkaufen, dass man sie unterstützen kann? Schaffen Sie es nicht ein einziges Mal, für Zustimmung zu werben?

(Beifall bei Katja Suding FDP – Dr. Bernd Baumann AfD: Wir haben doch Zustim- mung!)

Sie haben aber selbst keine Lösung – das ist doch der Punkt. Wir haben jetzt in dieser Stadt über 20 000 Flüchtlinge, die allein im letzten Jahr gekommen sind. Die sind hier. Wenn Sie jetzt anfangen, ein Institut zu gründen, irgendwelche Forschungen in Angriff zu nehmen und anschließend irgendetwas daraus machen zu wollen: Wie viele Jahre sind bis dahin vergangen? Auch Sie haben keine Lösung und wir müssen uns jetzt und nicht erst in zehn Jahren vernünftig mit Lösungen auseinandersetzen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Ich möchte noch einmal auf die Einlassungen zum Thema Werte zu sprechen kommen, die Sie zumindest in Ihrem Antrag niedergeschrieben haben. Wir leben in einer offenen freiheitlich-demokratischen Gesellschaft, in der eine Vielzahl von Einstellungen, Lebensweisen und Vorstellungen toleriert wird. Wenn es darum geht, welche Werte und Normen unserer Kultur Flüchtlingen vermittelt werden, orientieren wir uns an dem Werterahmen, der durch unser Grundgesetz abgebildet wird – und der ist mehr als deutlich.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

In dem als Lüth-Urteil bekannt gewordenen und viel zitierten Grundsatzurteil zur Grundrechtsdogmatik betont das Bundesverfassungsgericht, dass es das Grundgesetz als Wertesystem betrachte. Nach diesem Urteil darf keine bürgerlich-rechtliche Vorschrift im Widerspruch zum verstandenen Wertesystem stehen. Insofern ist das Grundgesetz rund um gesellschaftliche Werte und Normen in unserem Land ein sinnvoller Rahmen. Wenn Ihnen das nicht reicht, dann weiß ich nicht, in welcher Welt Sie leben. Aber ein Minimalkonsens ist darin festgehalten und dieser gilt für uns alle.

(Beifall bei der FDP und bei Michael Wes- tenberger [CDU] – Dr. Bernd Baumann AfD: Sagen Sie das den sozialen Brennpunkten!)

Wo wir in der Tat auch Defizite sehen – das sind nicht nur Defizite dieses Senats, sondern auch Fehler, die in der Vergangenheit vielfach begangen wurden –, ist die Frage, wie wir unsere Werte vermitteln. Genau in dieser Frage gibt es sicherlich noch viel aufzuarbeiten, aber dazu leistet Ihr Antrag wirklich keinen Beitrag.

Zur Forschungslandschaft wollte ich auch noch Folgendes sagen – das haben die Kolleginnen sehr gut ausgeführt –: Wir haben über 18 deutsche

(Christiane Schneider)

Universitäten und Hochschulen, an denen man Abschlüsse in den Studiengängen Kulturwissenschaften oder interkulturelle Studien erwerben kann.

(Dr. Bernd Baumann AfD: Das ist etwas ganz anderes!)

Insofern brauchen wir kein Institut extra für Hamburg. Das sage ich einfach noch einmal, um auf eine sachliche Ebene zurückzukommen. Wir lehnen Ihren Antrag ab und aufgrund der Darstellungen, die Sie hier erbracht haben, Ihr Überweisungsbegehren ebenfalls. – Danke.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Frau Güçlü.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In den Vorgängerlegislaturperioden haben wir in diesem Haus viel erlebt und was wir damals unter Schill erleben mussten, hielt ich für den Höhepunkt des Verlusts an Debattenkultur. Aber, Herr Baumann, Sie schaffen es immer wieder, sich in negativer Hinsicht zu toppen. Es ist ein Armutszeugnis, unterirdisch und dieses Hauses nicht würdig, auf diese Art und Weise Debatten zu führen, in denen Sie nicht nur, wie Herr Hamann es genannt hat, mit wirren Begriffen hantieren, sondern bewusst falsche Infos streuen.