Protocol of the Session on May 11, 2016

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Prien. – Frau Engels von der GRÜNEN Fraktion, Sie haben jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Seit ich das letzte Mal zu dem Thema gesprochen habe, hat sich die Situation in Hamburg für die geflüchteten Frauen und Mädchen deutlich verbessert. Damals war ich in großer Sorge, dass wir Frauen, die vor dem Krieg geflohen sind und häufig geschlechts

spezifische Gewalt erlitten haben und bei uns Asyl suchen, nicht adäquat schützen können. Aus dieser Sorge heraus hatte ich mich dafür stark gemacht, dass geflüchtete Frauen in den Hamburger Unterkünften besseren Schutz und mehr Ruhe finden. Ich bin sehr froh, dass auf unsere parlamentarische Initiative hin die Situation in den Hamburger Unterkünften nun erheblich verbessert wurde.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Rot-Grün hat in den vergangenen Monaten ein umfangreiches Programm für den Gewaltschutz in den Unterkünften auf den Weg gebracht. Dabei lag ein Fokus unter anderem auf den Zentralen Erstaufnahmen, weil, wie wir alle wissen, gerade dort die Qualität im letzten Jahr leider stark abnehmen musste und deswegen viele Schritte notwendig waren. Dort gibt es jetzt entweder abgetrennte Compartments oder separate Container für Frauen und ihre Kinder. Auch abgetrennte Schlafbereiche und Rückzugsräume wurden eingerichtet. Die meisten Unterkünfte der Folgeunterbringung haben getrennte Flure oder Häuser für Frauen. Es gibt abgetrennte und abschließbare Sanitäranlagen und fast überall ausreichend beleuchtete Grundstücke und Gänge. Laut Bericht muss nur die Schnackenburgallee hinsichtlich der Beleuchtung verbessert werden. Es gibt sowohl eine Erstaufnahme und als sogenannte Folgeunterbringung Unterkünfte, die nur für Frauen vorbehalten sind. Erst vergangene Woche konnte ich mir selbst ein Bild von der Unterkunft im Museum der Arbeit machen. Diese geschützte Atmosphäre und Ruhe, die gerade viele junge Mütter, die erst vor wenigen Wochen entbunden haben, dort hatten, empfinde ich als sehr angenehm.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was ich dort auch als sehr nachahmenswert für andere Unterkünfte empfunden habe, waren die Extra-Sanitärcontainer für Kinder, die nicht nur, was die Höhe angeht, für sie eingestellt waren, sondern auch eine Privatsphäre für sie bedeuten.

Die BASFI hat gemeinsam mit den Fachberatungsstellen ein mobiles Angebot geschaffen, das auf die Bedürfnisse der Unterkünfte zugeschnitten ist und aufsuchende Arbeit leisten kann. Personalressourcen wurden aufgestockt und eine Koordinierungsstelle geschaffen. Sowohl Ehren- als auch Hauptamtliche werden inzwischen hinsichtlich geschlechtsspezifischer Gewalt sensibilisiert. Außerdem muss bis August auf unser Ersuchen hin jede Unterkunft ein konkretes, praktikables, einrichtungsspezifisches Gewaltschutzkonzept vorlegen. Diese Schutzkonzepte werden dann beständig weiterentwickelt und überprüft. Sie sehen, der Gewaltschutz und damit die Qualität in den Unterkünften wurden stark verbessert. Das halte ich für einen wirklich guten Fortschritt und bin froh, dass wir uns für dieses Ziel gemeinsam so nachdrücklich eingesetzt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Aber natürlich ist auch die Stadt weiterhin gefordert, nicht nur die Qualität der Unterkünfte weiterhin zu verbessern – noch immer leben Geflüchtete in Zelten und Baumärkten –, sondern auch die Wohnungspolitik so voranzutreiben, dass wir wieder mehr Sozialwohnungen in der Stadt haben und immer mehr Menschen ein eigenes Dach über dem Kopf bieten können. Das hat die rot-grüne Koalition in Angriff genommen, aber hier liegt noch ein langer Weg vor uns.

Ich beobachte mit großer Sorge,

(Joachim Lenders CDU: Ich auch!)

wie die Haltung gegenüber Flüchtlingen in einigen Teilen unseres Landes immer negativer wird. Auch in Hamburg hören wir vermehrt flüchtlingsfeindliche Stimmen, und das macht mich traurig. Dabei sind auch immer wieder die Rechte von Frauen ein Thema. Ich bin davon überzeugt, dass wir als Gesellschaft uns nicht davon verunsichern lassen dürfen, dass immer wieder absurde Ängste geschürt werden, dass Sündenböcke gesucht werden, und auch nicht davon, dass Ereignisse wie die in der Silvesternacht dazu führen, dass über Geflüchtete pauschale Urteile verhängt werden, die auf falschen rassistischen Annahmen und kulturalistischen Engführungen beruhen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Es ist nach Silvester umso wichtiger, dass wir für die Rechte von Frauen eintreten, und zwar ausnahmslos immer und überall. Jede Form von Gewalt, jede einzelne Gewalttat gegen Frauen ist inakzeptabel. Wir dürfen nicht vergessen, dass Frauen weltweit von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind – in Deutschland jede vierte Frau. Es ist in unserer Verantwortung, diese Gewalt nicht zu dulden.

Genau deshalb reicht auch der aktuelle Gesetzentwurf der Bundesregierung zum reformierten Sexualstrafrecht nicht aus. Ich erwarte, dass die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen endlich genauso gut geschützt wird wie das Eigentum und hoffe, dass sich die Bundestagsabgeordneten darauf noch einigen können.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Und wenn ich schon auf Bundesebene bin, möchte ich an dieser Stelle auch sagen, wie wütend ich über den eingeschränkten Familiennachzug durch das Asylpaket II bin. Dies geht vor allem zulasten von zurückgebliebenen Frauen und Kindern. Vor Schließung der Balkanroute waren dort das erste Mal über die Hälfte Frauen und Kinder auf der Flucht. Auch ihnen wurde nur ein halbwegs sicherer Fluchtweg versperrt. In puncto Gewaltschutz von Frauen und Kindern war das leider ein großer Rückschritt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ein Fortschritt könnte im Bund erreicht werden, wenn nun auch der Gewaltschutz in den Unterkünften, zum Beispiel in Form von verpflichtenden Gewaltschutzkonzepten, gesetzlich verankert wird.

Meine Damen und Herren! Hamburg setzt sich mit dem Programm zum Gewaltschutz in den Unterkünften nun gute Standards. Ich bin froh, dass wir zu diesem Thema in der Bürgerschaft und vor allem im Sozialausschuss so gut zusammengearbeitet haben. Wir haben einige Forderungen der LINKEN im Ausschuss angenommen, zum Beispiel zum Punkt mehr weibliches Sicherheitspersonal. Ich setze stark darauf, dass wir diese konstruktive Zusammenarbeit fortsetzen. Ich bin nach wie vor sehr dankbar über die Hilfsbereitschaft der Hamburgerinnen und Hamburger, die sich in Unterkünften für Flüchtlinge engagieren. Sie zeigen, was Solidarität praktisch bedeutet, und so manch einer in dieser Stadt sollte sich daran ein Vorbild nehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Jetzt ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die geflüchteten Frauen und Mädchen sich bei uns gut integrieren können und Chancen erhalten. Dazu gehört, dass sie genau wie ihre Männer und Brüder die deutsche Sprache lernen, zur Schule gehen und Ausbildungsmöglichkeiten ergreifen. Dafür werden wir uns besonders einsetzen. Starke Frauen sind wichtig für unsere Gesellschaft und für eine gelungene Integration. Darauf sollten wir viel stärker unser Augenmerk lenken und mit der Frauenförderung und unserer Integrationspolitik genau hier ansetzen. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Engels. – Frau Özdemir von der Fraktion DIE LINKE, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg übernimmt den Vorsitz.)

Es gibt in der Tat positive Fortschritte. Ich möchte ganz konkret noch einmal aufzählen, welche Punkte wir besonders gut finden. Zum einen finden wir es sehr gut, dass es Einrichtungen ausschließlich für Frauen mit bisher 470 Plätzen gibt. Bald kommen im Moritz-Liepmann-Haus weitere 80 Plätze hinzu.

Wir finden gut – Frau Engels hat es erwähnt –, dass einige Punkte aus unserem Antrag berücksichtigt wurden, zum Beispiel das Melde- und Beschwerdemanagement oder die gendersensiblen Einstellungsverfahren – für uns sehr wichtige Punkte, und deshalb sind wir sehr froh, dass sie aufgenommen wurden. Wir finden auch gut, dass

das Projekt "Stadtteile ohne Partnergewalt", kurz StoP, gestärkt wird. Das ist ein wichtiges Projekt, weil es niedrigschwellig ist und viele Frauen erreichen kann. Auch die Aufstockung der Beratungsstellen, zum Beispiel intervento, savîa oder NOTRUF für vergewaltigte Frauen und Mädchen, ist ein positiver Schritt, den wir begrüßen.

Wir haben aber auch Punkte, zu denen wir sehr deutlich sagen, dass sie unbedingt verbessert werden müssen. Wir wissen, dass das ein Prozess ist; es kann etwas dauern. Aber ganz besonders wichtig ist uns die Wohnsituation der Mädchen und Frauen in den größeren Unterkünften. Hier können wir noch sehen, dass es eine große Heterogenität der Standards und somit auch des Schutzes vor Übergriffen und Gewalt gibt. Konkret die Wegebeleuchtung, aber auch getrennte Dusch- und Sanitärbereiche sind Punkte, die so schnell wie möglich umgesetzt werden müssen.

Zu den Beratungsstellen: Wir begrüßen die Aufstockung. Das ist ein Anfang. Doch die Praxis wird den tatsächlichen Bedarf zeigen, und falls die Mittel nicht ausreichen, muss es die Möglichkeit geben nachzusteuern.

(Beifall bei der LINKEN)

Was uns fehlt – und das ist ein Problem, das es schon seit Längerem in Hamburg gibt, auch bevor die Flüchtlinge in so großer Zahl in die Stadt gekommen sind –, sind muttersprachliche niedergelassene Therapeutinnen und Therapeuten. Dieses Problem muss behoben werden. Gerade vor dem Hintergrund der geflüchteten Frauen, die schwere Traumata erlebt haben, ist es wichtig, dass wir auf eine zeitnahe therapeutische Verarbeitung dieser Gewaltfolgen hinwirken.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein letzter Punkt: Wir finden es sehr wichtig, dass beim Sicherheitspersonal darauf geachtet werden muss, dass vermehrt Frauen eingestellt werden. Uns ist dieser Punkt so wichtig, weil Frauen auch in den Unterkünften Ansprechpartner finden müssen und es für sie einfacher ist, weibliche Sicherheitsleute anzusprechen als männliche.

Es gibt noch viel zu tun, aber ich denke, mit dieser Drucksache sind wir auf einem guten Weg. Ich sage bewusst "wir", weil auch ich eine konstruktive Zusammenarbeit im Ausschuss erlebt habe. Mir ist wichtig, dass das noch etwas zügiger geht. Und ich finde es ganz wichtig, dass die Frauen und Mädchen so schnell wie möglich aus den großen Unterkünften herauskommen, damit die Integration überhaupt möglich ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei Mareike En- gels GRÜNE)

(Mareike Engels)

Vielen Dank, Frau Özdemir. – Das Wort hat Frau Dutschke von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen und Kolleginnen! Die ersten Meldungen über die tragischen Schicksale von Flüchtlingsfrauen und -kindern in Erstaufnahmen haben uns aus anderen Bundesländern erreicht. Das ist nun knapp ein Jahr her. Es ging um Fälle sexueller Belästigung und Gewalt, aber es ging auch um Vergewaltigung, Missbrauch und Zwangsprostitution.

In Hamburg werden leider auch immer wieder Fälle von sexueller Belästigung und sexuellem Missbrauch von Kindern und von Frauen, insbesondere in Erstaufnahmen, bekannt. Der sexuelle Übergriff auf ein fünf Jahre altes Mädchen in der Unterkunft Heselstücken oder der sexuelle Missbrauch eines sechs Jahre alten Jungen in der Zentralen Erstaufnahme Bahrenfeld sind erschreckende und ernüchternde Beispiele einer Realität, die wir so nicht hinnehmen dürfen. Ähnliche Schicksale wie die dieser jungen Menschen treffen auch viele andere.

Diese Fälle wurden bekannt, nachdem diverse Maßnahmen zum Schutz bereits realisiert wurden. Einer bekannten Hamburger Zeitung gegenüber äußerte ein Mitarbeiter von f & w fördern und wohnen, dass ein beträchtlicher Teil der weiblichen Flüchtlinge mindestens Belästigungen durch einzelne Bewohner erleiden müsse. Es ist also leider davon auszugehen, dass viele Fälle sexuellen Missbrauchs und Gewalt nicht bekannt werden, nicht aufgeklärt werden, die Opfer keinen Schutz erfahren und die Täter nicht bestraft werden.

Seit dem Bekanntwerden erster Fälle von sexualisierter Gewalt in Hamburger Erstaufnahmen haben der Senat und die zuständigen Behörden sich bemüht, die Situation für Frauen und Kinder zu verbessern. Das erkennen wir an. Nach Auskunft des Senats gibt es nun rund 470 Plätze plus 80 in Einrichtungen, die ausschließlich Frauen vorbehalten sind. Die Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Kollegen von Rot-Grün hat allerdings auch zutage gebracht, dass zurzeit fast 1 500 allein reisende weibliche Flüchtlinge in Hamburg sind. Somit kann nur ein Drittel der allein reisenden weiblichen Flüchtlinge in Hamburg in einer Einrichtung mit besonderem Schutz untergebracht werden. In allen Zentralen Erstaufnahmen gibt es nach Aussage des Senats inzwischen zwar entweder abgetrennte Compartments oder separate Container für besonders schutzbedürftige Personen, abschließbare Toiletten und Duschräume sind jedoch Mangelware. Von 38 Erstaufnahmen verfügt nur die ZEA am Festplatz Schwarzenberg uneingeschränkt über abschließbare Toiletten und Duschräume, und das ist einfach zu wenig.

(Beifall bei der FDP)

Abschließbare sanitäre Anlagen müssen ein Mindeststandard sein, und darum verstehe ich nicht, warum das in der Drucksache nicht als Mindeststandard vom Senat erklärt wird. Die Situation bei den abschließbaren Schlafräumlichkeiten sieht leider auch nicht viel besser aus. Denn etwa 60 Prozent aller Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen verfügen nicht über abschließbare Zimmer. Das ist problematisch, denn offene Türen in sanitären Anlagen und Schlafstätten erleichtern Tätern den Zugang zu potenziellen Opfern und erschweren den Selbstschutz. Das ist ein Risiko, dem wir abhelfen könnten und müssen.

Wir haben schon darüber gesprochen, dass Ende August ein einrichtungsspezifisches, konkretes, praktikables Schutzkonzept für jede Einrichtung vorliegen soll. Ich hoffe, dass dann die Mindeststandards konkretisiert werden und vor allen Dingen auch die Umsetzung dieser Schutzkonzepte schnell erfolgt und nicht noch ein Jahr auf sich warten lässt.

(Beifall bei der FDP)

Zur Größe der Unterkünfte: Unsere Auswertung hat ergeben, dass 80 Prozent der bekannten Vorfälle sexuellen Missbrauchs und Gewalt an Frauen und Kindern sich in Einrichtungen ereignet haben, in denen über 550 Plätze vorhanden sind. Dass hier immer noch Frauen und kleine Kinder oder Frauen mit kleinen Kindern untergebracht werden, ist ein Defizit. Da müssen wir ran. Das muss man aufarbeiten. Das ist ein Risiko, gegen das man etwas tun kann. Alles in allem bleibt festzuhalten, dass es noch eine Menge zu tun gibt, um schutzbedürftigen Flüchtlingen in Hamburg den Schutz zu gewähren, den sie zum Teil brauchen.

Die Kollegin Prien hat die Diskriminierung von Christen angesprochen. Auch das ist ein Thema, dem man sich politisch nicht verschließen kann und für das man Lösungen finden muss. Das heißt folglich vor allem, dass wir den Begriff Gewaltprävention mit echter Präventionsarbeit füllen müssen und es nicht allein um Maßnahmen des Opferschutzes gehen kann, sondern wir echte Prävention brauchen. Wir hatten – das ist noch gar nicht so lange her – einen Antrag zur Gewaltprävention in Erstaufnahmen eingereicht, weil wir einen Beitrag leisten wollten, um dieser Situation etwas entgegenzusetzen. Leider ist diese Initiative im Ausschuss abgelehnt worden.