Protocol of the Session on April 27, 2016

Viele Stadtteilschulen machen das hervorragend, aber das Besondere ist: Die Stadtteilschule kann noch mehr als das. Sie kann nämlich wesentlich mehr Unterricht bieten. Stellen Sie sich vor, wer am Gymnasium Abitur macht, hat über 10 000 Schulstunden hinter sich, aber an der Stadtteilschule bietet diese Schulform 11 000 Unterrichtsstunden, und das heißt, ein entspannteres, ein nachhaltigeres, ein konzentrierteres Lernen. Die Stadtteilschule hat auch mehr Zeit durch das Angebot der Ganztagsschulen, mit 13 Jahren bis zum Abitur und zehn Jahren zum Hauptschulabschluss, nicht wie früher nur neun Jahre. Diese zusätzliche Zeit kann die Stadtteilschule nutzen, um anspruchsvolles Lernen, gute Pädagogik und soziales Lernen voranzubringen. Ich glaube, es gibt viele Eltern in der Stadt, die sich keine windschnittigen Bildungskarrieristen als Kinder vorstellen. Die Stadtteilschule ist gut aufgestellt, sie kann diese Anforderungen erfüllen, und wir stehen ihr dabei nach Kräften bei.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Der Hamburger Senat steht aus diesen und vielen weiteren Gründen hinter der Stadtteilschule, und

(Senator Ties Rabe)

wir werden allen Versuchen der konservativen Seite entgegentreten. Ich bin sehr froh, Frau Prien an meiner Seite zu sehen. Leider sehe ich die FDP dort nicht, die nämlich offensichtlich die Stadtteilschule wieder in die gescheiterte alte Haupt- und Realschule zurückführen will. Die Stadtteilschule ist weder ein Reparaturbetrieb des Gymnasiums noch eine Haupt- und Realschule früherer Prägung. Wir wollen, dass gute Bildung für alle Kinder offen ist, und deswegen sagen wir nein zu all diesen Versuchen, wieder eine Haupt- und Realschule zu eröffnen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir sagen auch, in die Richtung von ganz links und ganz rechts: Das Hamburger Schulsystem ist überhaupt nicht gescheitert. Wir werden jedem entgegentreten, der Lust darauf hat, in Hamburg wieder große Schulkämpfe zu entfachen. Das hat uns nie vorwärtsgebracht, sondern immer rückwärts. Wir haben ein gutes Schulsystem. Wir wollen es verbessern und bewahren. Deswegen ist unser Reden über die Stadtteilschule entscheidend. Wir selbst haben es in der Hand, die richtigen Signale zu setzen, und deswegen sollte man in jeder Debatte sagen: Liebe Stadtteilschulen, liebe Kollegen, liebe Lehrer, liebe Eltern, liebe 58 000 Kinder, ihr macht das gut, vielen Dank für euer Engagement und euer Vertrauen. Es ist schön, dass es in dieser Stadt Stadtteilschulen gibt, die wirklich gute Arbeit leisten. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt nun Herr Schwieger von der SPD-Fraktion.

Frau Vorsitzende, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Prien, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie dazu aufgerufen haben, keine ideologische Einheitsschuldebatte zu führen, dass Sie dazu aufgerufen haben, nicht in schulpolitischen Aktionismus zu verfallen, und an den Schulfrieden erinnert haben. Ich glaube, das ist ein wichtiger Hinweis von Ihnen gewesen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir sind nicht da, um diesen schulpolitischen Frieden aufzukündigen. Sie können auch nicht an DIE LINKE appellieren, das nicht zu tun, denn DIE LINKE hat ihn nie mit beschlossen.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Stimmt! Wir waren schlauer! – Dr. Andreas Dressel SPD: Man kann auch klüger werden!)

Zur Klugheit sage ich gleich etwas zu dem, was Frau Boeddinghaus gesagt hat.

Frau Boeddinghaus, Sie haben gesagt, das ganze System sei in der Krise. Das ist die typische Schlechtrederei der LINKEN.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Darüber hinaus finde ich besonders interessant, dass Sie darauf hinweisen, keine ideologische Debatte zu führen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Genau!)

Das ist im Umkehrschluss so, als wenn Sie sagen würden, DIE LINKE debattiere ideologiefrei. Das habe ich wirklich nicht verstanden.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube wirklich nicht, dass das Gymnasium-Bashing, das Sie betrieben haben, uns irgendwie weiterhilft. Sie haben ein Bild vom Gymnasium gezeichnet, als wäre dort eine gleichgeschaltete Schülerschar in jeder Klasse, die mit demselben Leistungsniveau, dem gleichen Verhalten dem Lehrer im Frontalunterricht gegenübersteht. Ich bin gestern zufällig in einer achten Klasse eines Gymnasiums gewesen und habe dort hospitiert. Von so einem Bild waren die Schüler weit entfernt und das, was der Kollege dort geleistet hat, fand ich gut.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Frau von Treuenfels-Frowein, ich würde gern auf das Thema Beratungsgespräch eingehen. Wir kommen zu dem Thema Schullaufbahnempfehlung, und dort fehlt mir eine Erklärung. In einer Nachbarschule in meiner Gegend hat ein Klassenlehrer einer vierten Klasse für 70 Prozent der Kinder eine Gymnasialempfehlung. Im nächsten Jahrgang, bei einem anderen Lehrer oder einer anderen Lehrerin, sind es 30 Prozent. Nun fehlt mir die Erklärung dafür, warum von einem Jahrgang zum nächsten die Schüler so viel schlechter geworden sein sollen. Das heißt also, die Laufbahnempfehlung muss auch irgendetwas mit der Einschätzung der einzelnen Schüler zu tun haben. Der Senator hat es angesprochen, auch ich habe immer ein Problem damit, in der Mitte des Schuljahrs einer vierten Klasse zu sagen, wohin die Reise gehe. Ich glaube, dort gibt es viele Wege, die den Schülerinnen und Schülern offenstehen.

Zur AfD muss man nicht viel sagen, die Reden können wir inzwischen selbst schreiben, spätestens nach zwei Minuten haben die Flüchtlinge Schuld.

(Heiterkeit bei Dr. Stefanie von Berg GRÜ- NE und Anna-Elisabeth von Treuenfels-Fro- wein FDP)

Dazu muss man nicht mehr sagen.

(Senator Ties Rabe)

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Herr Abaci und der Senator haben schon darauf hingewiesen, was die Stadtteilschule tatsächlich leistet: Senkung der Schulabbrecherquote, einen großen Teil der Inklusion schaffen, Flüchtlinge beschulen und jedes Jahr 1 000 Rückläufer vom Gymnasium aufnehmen – das sind schwierige Fälle, weil das Scheitern dahintersteht, die Wiedereingliederung ist nicht so einfach – Schaffung einer Berufsperspektive und die Abiturquote steigern, und das, obwohl die Gymnasialempfehlung in den Eingangsklassen nicht sehr häufig ist.

Etwas nachdenklich gemacht – dazu habe ich die Presse in den letzten Tagen studiert – hat mich eine Aussage von Robert Schneider von der Gemeinschaft der Elternräte. Er sagt, es müsse nachdenklich machen, dass jedes Jahr circa 1 000 Kinder das Gymnasium nach der sechsten Klasse verlassen müssten und auf die Stadtteilschule gingen. Er fragt, was eigentlich die Problemschule sei und was das besondere Geheimnis dahinter sei, dass die Stadtteilschule es schaffe, dieses als bestgehütetes Geheimnis zu bewahren.

(Birgit Stöver CDU: Zeit! – Glocke)

Herr Abgeordneter, die Kollegen haben recht, beachten Sie bitte das blinkende Licht und kommen Sie zum Ende.

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, noch innere und äußere Differenzierung anzusprechen, aber das ist eine schulpolitische Debatte unter Lehrern. Ich kann nur sagen, wir stehen zur Stadtteilschule. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Frau Prien von der CDUFraktion bekommt noch einmal das Wort.

Meine liebe Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hatte richtig Hoffnung, Herr Rabe, als Sie anfingen, denn es ist natürlich richtig, in der Debatte an Augenmaß und Vernunft zu appellieren. Das habe ich auch zu Anfang getan, und dabei will ich für meine Fraktion ausdrücklich bleiben. Nur reicht es nicht, Herr Rabe, wenn Sie an dieser Stelle nichts anderes machen, als Ihre eigenen Leistungen zu loben, ohne dass ich sagen will, dass Sie alles immer nur falsch machten. Das ist auch Unsinn.

(Dr. Monika Schaal SPD: Na, also!)

Nein, das reicht eben nicht. Das reicht nicht an dieser Stelle, denn sonst würden die Eltern nicht mit den Füßen abstimmen.

(Kazim Abaci SPD: Ich habe doch gesagt: Weiterhin!)

Wenn Sie diese Entwicklung aufhalten wollen, müssen Sie etwas unternehmen. Ich hatte vorhin angefangen zu benennen, was zu tun ist, und da gibt es Dinge, die nicht gut laufen. Es geht darum, die Ausbildung und Studierfähigkeit der Hamburger Schülerinnen und Schüler deutlich zu verbessern, denn da gibt es erhebliche Defizite. Das wird nur dann gehen, wenn wir die Basisqualifikationen Lesen, Schreiben, Rechnen, aber auch digitale Kompetenz deutlich mehr stärken; und dafür muss man an vielen Stellen mehr üben, als es bisher an Hamburger Schulen getan wird. Da muss man den Leistungsgedanken mehr fördern, als es bisher getan wird. Hierzu hätte ich mir von Ihnen, Herr Senator Rabe, mehr konkrete Vorschläge gewünscht. Das war ein bisschen wenig, was Sie uns heute angeboten haben.

(Beifall bei der CDU)

Frau Boeddinghaus, Sie haben heute ein Zerrbild der Hamburger Gymnasien gezeichnet, das jeder Beschreibung spottet. Die Hamburger Gymnasien beschulen ungefähr 55 Prozent der Hamburger Schüler, und da wollen Sie behaupten, das sei keine Herausforderung im Hinblick auf Heterogenität? Das kann man nicht ernst nehmen. Wenn Sie in der bildungspolitischen Debatte weiter ernst genommen werden wollen, sollten Sie sich Ihre Aussagen zu dieser Frage noch einmal überlegen.

(Beifall bei der CDU)

Wir als CDU stehen dazu. Auch die Hamburger Gymnasien müssen ihren Anteil an der Inklusion wahrnehmen, aber eben nur dort, wo zielidentisch unterrichtet wird. Für zieldifferente Unterrichtung gibt es keinen Platz an leistungsfähigen Gymnasien, und so soll es auch bleiben in Hamburg.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Bitter, bitter, bitter!)

IVK-Klassen gehören selbstverständlich an die Gymnasien. Das fordern wir. Wir haben es mehrfach öffentlich gefordert, Herr Senator. Tun Sie etwas. Wir sehen mit großem Befremden, dass es immer noch nicht gelingt, zum Beispiel im Hamburger Westen mehr IVK-Klassen unterzubringen. Die Schulen haben sich dafür bereit gemacht und wir warten darauf, dass die Schüler auch zugewiesen werden. Das passiert aber bisher nicht. Also, da kann man eine ganze Menge machen, und das sollte auch tatsächlich geschehen.

(Gerhard Lein SPD: Endlich sehnt sich der Westen nach Flüchtlingen! und Beifall)

Na, sehen Sie, es besteht immer noch Hoffnung.

Ich will noch etwas zum Thema Aufnahmeverfahren sagen, weil das auch aus unserer Sicht – und da bin ich mir mit Frau von Berg einig – ein wichti

(Jens-Peter Schwieger)

ger Punkt ist. Wenn man auf der einen Seite sagt, die Stadtteilschulen sollten mit ihren pädagogischen Konzepten und mit der Profilierung werben, die sie haben, muss man auf der anderen Seite – und das gilt für Gymnasien übrigens auch – den Schulen die Möglichkeit geben, einen Teil ihrer Schüler nach den Kriterien auszusuchen, die ihre Profilierung nahelegt. Wenn man das nicht macht, sondern wenn man grundsätzlich Schülerinnen und Schüler nur nach dem Wohnortprinzip verteilt, dann ergibt Profilierung gar keinen Sinn und dann kann dieser Wettbewerb nicht funktionieren.