Die, die es nicht können, werden mit ihren Problemen allein gelassen mit der Folge, dass Hamburger Abschlüsse im Bundesvergleich immer weniger wert sind. Ihre Experimente auf Kosten der Kinder sind unverantwortlich. Die eigentliche Ursache für den Mangel an leistungsstarken Schülern auf den Stadtteilschulen ist doch die viel zu große Heterogenität in Leistungsvermögen und Leistungswillen. Diese Spreizung haben Sie jetzt ebenfalls aus ideologischen Gründen noch vergrößert. Zum einen, indem Sie eine Inklusion betreiben – das wurde vorhin gesagt – mit der Brechstange, die von den Stadtteilschulen verkraftet werden muss. Zum anderen kommt Ihre Politik der grenzenlosen Zuwanderung jetzt in den Klassenzimmern an.
In den Stadtteilschulen sitzen schwächer Begabte und Hochbegabte in einer Klasse mit Inklusionsschülern und mit Flüchtlingen. Wer kann, flieht in
Richtung Gymnasien. Ich kann die Eltern der Kinder gut verstehen. Alle Eltern versuchen, das Beste für ihre Kinder zu erreichen. Ihre Stadtteilschulen sind das ganz offensichtlich aus Sicht der Mehrheit der Eltern nicht. Da sind die Zahlen, die Statistiken, sehr klar und deutlich. Allerdings führt diese Abstimmung mit den Füßen über Ihre Politik natürlich dazu, dass sich die Tendenz zur neuen Resteschule, wie sie das "Hamburger Abendblatt" vor drei Wochen böse nannte, genauso verstärkt wie der Trend zum kaum noch wertvollen Abitur. Reparieren sollen das dann die Professoren an den Unis, vor allem aber die Unternehmen, die sich auf Hamburger Abschlüsse immer weniger verlassen können. Und wenn, dann eher so, dass die Handwerksbetriebe Schüler aus dem Umland nehmen, weil dort etwas weniger Nachhilfe nötig ist. Wenn wir noch – ich betone: noch – den Schulfrieden als Prämisse setzen wollen, ist nicht noch mehr Gleichmacherei geboten, sondern ein Mehr an Differenzierung.
"Als Enquetekommission hatten wir 2007 ein Schulsystem mit zwei Säulen empfohlen. Eine Situation wie die aktuelle hat sich damals jedoch niemand träumen lassen. Wir waren vom Vorbild anderer Bundesländer ausgegangen, in denen sauber differenziert wird und in homogeneren Lerngruppen äußerst gute Ergebnisse erreicht werden."
Dagegen erscheint es als Albtraum, was sich in Hamburg derzeit abspielt. Ich zitiere noch einmal, bezogen auf so naive und weltfremde Behauptungen wie die, mit Binnendifferenzierung sei der Lernerfolg am größten, und das vor der Realität der heutigen Flüchtlingsbeschulung:
"In einer Stadt, in der fast jeder zweite Schüler einen Migrationshintergrund hat, muss man sich bei diesem Konzept fragen, ob so ein Unsinn tragbar ist."
"Wenn zwischen Siebtklässlern auch noch 14- bis 15-Jährige sitzen, kann sich zudem wohl jeder vorstellen, dass es oft nicht einmal um das Erreichen von Lernzielen, sondern lediglich darum geht, Unterricht überhaupt zu ermöglichen."
"nicht beabsichtigt war, aus erfolgreichen Haupt- und Realschulen mit gut funktionierender interner Durchlässigkeit Zwangskooperationen mit über 1 000 Schülern zu schaffen […]"
Kurz danach fällt das böse Wort von der Resteschule, das ich vorhin schon erwähnte. Damit bringt sie im Ergebnis eine Rückkehr zum dreigliedrigen Schulsystem ins Gespräch.
Wir, die AfD-Fraktion, haben heute einen Antrag eingebracht, der nach dem Vorbild Bayerns und Brandenburgs Eignungstests für die Gymnasien einführen will zur Stärkung von Gymnasien sowie von Stadtteilschulen. Darüber werden wir in Kürze hier diskutieren. Damit werden nicht alle Probleme gelöst, aber ich stelle die Frage: Wann fangen Sie endlich an, Ihre Bildungspolitik an Vernunft und gesundem Menschenverstand auszurichten, anstatt Ihren gleichmacherischen Utopien zu folgen? – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die alljährliche Diskussion zur Anmeldung an Stadtteilschulen und Gymnasien, zum Schulformwechsel und dem Anteil von Schülerinnen und Schülern, die in der fünften Klasse mit oder ohne Gymnasialempfehlung ankommen, ist wieder voll entbrannt, jedes Jahr aufs Neue. Die Auseinandersetzungen finden wieder im üblichen Spektrum statt. Auf der einen Seite wird angemahnt, dass die Stadtteilschule gestärkt werden müsse. Das wird nicht das erste Mal gefordert und das wird auch nicht das erste Mal versprochen. Das einzige, was stärker geworden ist in den Stadtteilschulen, ist die Belastung.
Die Feststellung auf der anderen Seite, dass das Zweisäulensystem gescheitert sei, ist auch nicht neu, aber sie hilft eben nicht weiter, denn gescheiterte Systeme halten sich verdammt lange. Ich darf nur an das Hartz-IV-System erinnern oder den Bachelor/Master. Auch das Zweisäulensystem ist objektiv gescheitert. Aber man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass es nicht abgeschafft wird. Was wir brauchen, sind deshalb Lösungen für die Kinder, die Jugendlichen und die Eltern hier und heute.
Sie haben recht, Frau von Berg, es gibt nicht die Stadtteilschule; der Schulsenator lobt in diesem Zusammenhang immer wieder zwei Schulen: die
Heinrich-Hertz-Schule und die Gyula Trebitsch Schule. Beide haben ein Alleinstellungsmerkmal für Hamburg, nämlich, dass sie Stadtteilschule und Gymnasium unter einem Dach haben. Herr Senator Rabe verweist auf die alljährlich hohen Anmeldezahlen, auf die guten Erfolge und darauf, dass Schülerinnen und Schülern, denen das Lerntempo im Gymnasialzweig zu schnell ist, kein Schulwechsel bevorsteht, sondern lediglich ein Klassenwechsel. Ich frage mich, warum nicht versucht wird, diese Erfolge auf das Zweisäulensystem auszudehnen. Als langjährige Lehrkraft an der Gyula Trebitsch Schule, an der die Schülerinnen und Schüler des Stadtteilschulzweigs bis zur elften Klasse und die des Gymnasialzweigs bis zur zehnten Klasse unterrichtet werden, habe ich als ausgesprochen positiv empfunden, dass es danach eine gemeinsame Oberstufe gibt. Vom ersten bis vierten Semester findet dann der Unterricht in den Kursen nicht mehr getrennt nach Stadtteilschülern und Gymnasiasten statt.
Es gibt in Hamburg einige Standorte, an denen Stadtteilschulen und Gymnasien in räumlicher Nähe sind, zum Beispiel Horn, Oldenfelde, Hamm, Öjendorf, Finkenwerder, Allermöhe. Da gibt es eine ganze Menge. Ich finde, die Schulbehörde sollte mit diesen Schulen Kontakt aufnehmen mit dem Ziel, eine Partnerschaft nach dem Modell von Heinrich-Hertz- und Gyula Trebitsch Schule in Hamburg auszudehnen. Der neueste Vorschlag von Ihnen, Herr Senator Rabe, mehr äußere Differenzierung in den Stadtteilschulen auszudehnen, löst die Probleme in diesem Schulwesen nicht. Das löst auch nicht die Probleme der Stadtteilschule, und die hat Probleme. Es verstärkt das starke Auseinanderdriften der beiden Säulen zusätzlich, und damit wird der Weg zurück ins dreigliedrige Schulsystem beschleunigt. Dreigliedrig heißt, Frau Prien, nach Hauptschule, Realschule und Gymnasialniveau zu trennen. Das ist dreigliedrig und dahin führt eine äußere Differenzierung, aber das kann nicht der Sinn sein.
Stattdessen sollte der Schulsenator die Schulformempfehlung der vierten Klasse beenden und das veranlassen, was im Schulgesetz steht, nämlich, den Eltern eine Schullaufprognose an die Hand zu geben. Wir haben in Hamburg keine zwei gleichberechtigten Wege zum Abitur, Herr Abaci. Wir haben keine gleichberechtigten zwei Säulen. Die Frage ist doch: Wieso findet in der Stadtteilschule eine Berufsorientierung und in den Gymnasien eine Studienorientierung statt, wenn doch 40 Prozent der Ausbildungsplätze an Abiturienten gehen? Wir haben es mit einer unverantwortlich starken sozialen Selektion zwischen Stadtteilschulen und Gymnasien zu tun. Bildungsgerechtigkeit sieht anders aus. Partnerschulen mit gemeinsamer Oberstufe könnten ein Hebel sein, um dem entgegenzuwirken. Ich finde, man sollte es versuchen. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, an den Anfang einer jeden Schuldebatte, gerade in Hamburg, gehört der Appell an Ernsthaftigkeit, Gelassenheit und Vernunft und daran, sich die Wirklichkeit in aller Vielschichtigkeit genau anzuschauen. Wenn wir das in Bezug auf die Stadtteilschulen tun, dann sehen wir auch Herausforderungen. Die Herausforderung, über die wir heute diskutieren, ist, dass seit fünf Jahren die Anmeldequote nach Klasse 4 bei den Gymnasien zwischen 55 und 57 Prozent beträgt und bei den Stadtteilschulen zwischen 45 und 43 Prozent. Wenn wir die Wirklichkeit betrachten, müssen wir aber unsere Augen nicht nur darauf ausrichten, sondern auch andere Dinge sehen, an die ich erinnern will. Die Stadtteilschule hat es geschafft, in den letzten fünf Jahren die Zahl der Schulabbrecher in Hamburg um ein Viertel zu reduzieren.
Die Stadtteilschule hat es auch geschafft, die Zahl der guten Bildungsabschlüsse deutlich zu erhöhen. Selbst mit dem schwierigen Zentralabitur machen heute an den Stadtteilschulen doppelt so viele Schülerinnen und Schüler das Abitur als noch vor fünf Jahren. Auch das ist ein großer Fortschritt, und einen letzten will ich ergänzen. 50 Prozent mehr Jugendliche schaffen dank der Stadtteilschule direkt nach der Schule den Übergang in eine ordentliche Ausbildung. Das sind alles Dinge, die auch die Wirklichkeit beschreiben und die uns sagen lassen müssen, Hamburgs Stadtteilschulen sind großartige Schulen. 58 000 Schülerinnen und Schüler, übrigens viel mehr als am Gymnasium – wir tun immer so, als ob das nicht der Fall sei –, lernen dort. 5 500 Pädagogen leisten gute Arbeit. Und an den Anfang gehört auch die Aussage: Wir können froh und dankbar sein, dass wir in Hamburg diese guten Stadtteilschulen haben.
Natürlich gehört dazu, dass sich die Regierung um diese Schulform kümmert, denn es gibt sie erst seit fünf Jahren, das Gymnasium dagegen seit 200 Jahren und die Grundschule seit 100 Jahren. Hier geht es um eine neue Schulform, die Rückenwind braucht, und den haben wir nach Kräften entfaltet.
Ich will einige Punkte nennen. Wir haben in den letzten fünf Jahren, damit es überall Stadtteilschulen gibt und ein gutes regionales Angebot vorhanden ist, acht neue Stadtteilschulen gegründet: in Barmbek, in Rissen, in Meiendorf, in Öjendorf, in Billstedt, auf der Veddel, in Harburg und in Steilshoop. Wir haben auch den Schulbau dramatisch angekurbelt. Herr Abaci sagte es schon, 700 Millio
nen Euro – das ist eine Summe, die uns nicht ganz unbekannt vorkommt – werden allein dafür aufgebracht, die Hälfte aller Stadtteilschulen komplett neu zu bauen oder zu grundsanieren. Wir haben zudem alle Stadtteilschulen zu Ganztagsschulen gemacht und damit die Zahl der Ganztagsangebote verdoppelt.
Wir haben dafür gesorgt, dass alle Stadtteilschulen eine Oberstufe bekommen und das, liebe Kollegen, insbesondere Frau Suding von der FDP, nicht aus ideologischen Gründen, sondern weil wir der Überzeugung sind, dass man Kindern in der vierten Klasse noch nicht an der Nasenspitze ansieht, was einmal aus ihnen wird, und weil wir eine Partei sind und eine Politik machen, die an die Chance, auch an die zweite Chance, glaubt. Deswegen haben heute alle Stadtteilschulen eine Oberstufe, und das war richtig so.
Selbstverständlich haben wir die Stadtteilschulen dafür auch besonders gut ausgestattet, liebe Frau Boeddinghaus.
Ich will darauf hinweisen, dass wir an der Stadtteilschule, als ich mein Amt begonnen habe, für 1 000 Schüler 81 Pädagogen hatten, und jetzt sind es 92. Das ist übrigens, Herr Abaci hat es gesagt, fast 40 Prozent mehr Personal als bei einem gleich großen Gymnasium, und eine dramatische Personalsteigerung. Ohne unsere Regierung hätten die Stadtteilschulen in der damaligen Ausstattung heute fast 700 Lehrerinnen und Lehrer weniger. Auch das ist ein klares Signal dieses Senats zur Stärkung der Stadtteilschulen.
Wenn wir über die Weiterentwicklung der Stadtteilschule reden, dann tun wir das im Moment, weil wir beeindruckt sind von den Anmeldequoten, die an Gymnasien viel höher sind. Wir diskutieren hier mit großer Aufregung, aber ich sage Ihnen ganz offen, dass ich verstehen kann, dass Hamburger immer nur Hamburg ansehen. Aber hier kann es nicht schaden, einmal über den Tellerrand hinauszuschauen. Die Entwicklung zum Gymnasium hin ist eine Entwicklung in ganz Deutschland, besonders in den Großstädten. Hamburg ist übrigens nicht einmal Spitzenreiter, wie immer behauptet wird. In der Zahl der Gymnasiasten liegen Städte vorn wie Köln-Bonn oder Berlin-Potsdam. Wenn Sie jetzt sagen, das seien doch alles die Rot-Grünen, dann frage ich Sie: Wissen Sie, in welchen Städten besonders viele Gymnasiasten sind, mehr als in Hamburg? In München, Nürnberg und Dresden.
Deswegen ist das kein Problem der Hamburger Stadtteilschule und kein Hamburger Phänomen, es ist eine Tendenz in ganz Deutschland. Aber in diesen anderen Ländern und Städten regt sich nicht einmal jemand darüber auf. Dort freut man sich sogar, dass da die freie Schulwahl gilt, und deswegen sollten wir nicht eine Krise der Stadtteilschule herbeireden, weil in Hamburg das passiert, was überall auf der Welt passiert. Eine letzte Anekdote: Heidelberg hatte eine Anmeldequote von 70 Prozent beim Gymnasium. Davon sind wir weit entfernt. Das muss man auch wissen und deswegen lohnt es nicht, wegen dieser Anmeldelage eine Krise herbeizureden.
Allerdings sage ich ganz offen: Das Gymnasium kann sich auch zu Tode siegen, und den Preis bezahlen jedes Jahr Hunderte von Kindern, die an dieser Schule scheitern. Den Preis zahlen auch ihre Mitschüler, die durchaus in einer Atmosphäre des Scheiterns und der Belastung lernen müssen, und das wollen wir nicht. Wenn wir es also schaffen wollen, solche und viele andere Dinge besser zu machen, dann müssen wir uns mit den Hoffnungen und den Erwartungen befassen, die viele Kinder mit der Schulwahl verbinden, wenn sie aufs Gymnasium gehen. Mit diesen Erwartungen kann eine Stadtteilschule gut umgehen. Die Erwartungen sind doch klar, warum sich Menschen am Gymnasium anmelden. Sie erwarten guten Fachunterricht, meistens in klassischen Unterrichtsfächern, eine gute Bildung, durchaus Leistung, auch Anstrengung, und sie erwarten, dass sie mit ihren Begabungen gefördert werden. Das kann doch alles die Stadtteilschule erfüllen.
Viele Stadtteilschulen machen das hervorragend, aber das Besondere ist: Die Stadtteilschule kann noch mehr als das. Sie kann nämlich wesentlich mehr Unterricht bieten. Stellen Sie sich vor, wer am Gymnasium Abitur macht, hat über 10 000 Schulstunden hinter sich, aber an der Stadtteilschule bietet diese Schulform 11 000 Unterrichtsstunden, und das heißt, ein entspannteres, ein nachhaltigeres, ein konzentrierteres Lernen. Die Stadtteilschule hat auch mehr Zeit durch das Angebot der Ganztagsschulen, mit 13 Jahren bis zum Abitur und zehn Jahren zum Hauptschulabschluss, nicht wie früher nur neun Jahre. Diese zusätzliche Zeit kann die Stadtteilschule nutzen, um anspruchsvolles Lernen, gute Pädagogik und soziales Lernen voranzubringen. Ich glaube, es gibt viele Eltern in der Stadt, die sich keine windschnittigen Bildungskarrieristen als Kinder vorstellen. Die Stadtteilschule ist gut aufgestellt, sie kann diese Anforderungen erfüllen, und wir stehen ihr dabei nach Kräften bei.