Protocol of the Session on February 10, 2016

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir sorgen außerdem dafür, dass der soziale Wohnungsbau in unserer Stadt vorangetrieben wird. Übrigens sind auch die viel kritisierten Wohnunterkünfte mit der Perspektive Wohnen hier ein wichtiger Schritt. Mit ihnen werden wir Tausende neue Sozialwohnungen in der ganzen Stadt bekommen. Das sollte insbesondere DIE LINKE freuen.

Die Menschen in Hamburg, egal ob deutsche Wohnungslose, Flüchtlinge oder osteuropäische Arbeitsmigranten, dürfen nicht in die Situation kommen, im Winter auf der Straße bleiben zu müssen. Für den Notfall brauchen wir also das Winternotprogramm. Viel wichtiger ist aber: Alle Menschen brauchen ein gutes Zuhause. Wir dürfen also nicht einfach das Winternotprogramm immer weiter ausbauen, wir müssen den Obdach- und Wohnungslosen bessere Perspektiven bieten, sodass sie erst gar nicht auf den Erfrierungsschutz im Winternotprogramm angewiesen sind. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Engels. – Jetzt hat Frau Dutschke von der FDP-Fraktion das Wort.

Frau Engels, wie Sie das Thema in Teilen Ihrer Rede bagatellisieren, gefällt mir wirklich nicht.

(Präsidentin Carola Veit übernimmt den Vor- sitz.)

(Mareike Engels)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist wichtig, dass wir diese Debatte heute führen, weil wir diejenigen nicht aus dem Fokus verlieren dürfen, die kein Zuhause haben, das ihnen im Winter Wärme und Zuflucht bietet. Angesichts anders dominierter Schlagzeilen und Herausforderungen geraten die Menschen manchmal in den Hintergrund, die doch eigentlich an vielen Orten allgegenwärtig sind. Mehrere Hundert Obdachlose müssen jeden Morgen die Unterkünfte des Winternotprogramms verlassen. Es trifft allerdings nicht zu, dass die einzige Perspektive dann der Verbleib im Freien ist.

Hamburg verfügt über verschiedene Tagesaufenthaltsstätten und Bahnhofsmissionen. Im Fall von Krankheit sind auch Gesundheitshilfen wie die Krankenstube verfügbar. Wir Freidemokraten unterstützen aber vor allem Maßnahmen, die Hilfe zur Selbsthilfe darstellen. Denn neben temporärer Hilfe muss langfristig gedacht werden, und dazu gehört insbesondere, dass wir Maßnahmen entwickeln, die über die Unterbringung von Obdachlosen hinausgehen und dem Einzelnen Perspektiven für ein selbstbestimmtes Leben jenseits staatlicher Institutionen und Abhängigkeiten aufzeigen.

(Beifall bei der FDP)

Es kann und sollte nicht Inhalt der Obdachlosenhilfe sein, die Menschen dabei zu unterstützen, sich in prekären Lebenssituationen einzurichten und diese Strukturen zu verfestigen. Eine grundsätzliche 24-Stunden-Öffnung des Winternotprogramms würde aber diesen Effekt mit sich bringen. Dabei muss es doch Ziel sein, die Lage der Betroffenen nachhaltig zu verbessern. Die Intention der LinksFraktion, Obdachlosen auch tagsüber den Aufenthalt in Unterkünften des Winternotprogramms zu ermöglichen, ist aus humanitären Gründen nachvollziehbar. Deshalb halten wir es für erforderlich, so viel Flexibilität einzuräumen, dass in begründeten Ausnahmefällen eine Öffnung des Winternotprogramms auch tagsüber möglich ist, so wie es der Antrag der Regierungsfraktionen hier am Beispiel von Krankheit vorsieht. Wir sehen aber auch, dass die vollständige Öffnung des Notprogramms Verweisberatungsangebote konterkarieren kann, die dafür gedacht sind, perspektivische Angebote für Wege aus der Obdachlosigkeit zu unterbreiten. Aber genau das sollte das Ziel sein, und daran sollten wir gemeinsam arbeiten. Wir lehnen den Antrag der Links-Fraktion daher ab und stimmen dem Antrag der Regierungsfraktionen zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Herr Ehlebracht von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Diesen

Punkt hätten wir vorhin schon in der vergangenen Tagesordnung unter TOP 14 behandeln können zur Drucksache 21/2905. Da hätte er Sinn gemacht, weil nämlich in ihm die Ursache für die dauerhafte Lösung angesprochen wurde gegen die Not, die alljährlich mit dem Winternotprogramm gemildert werden soll. Die Lösung ist so einfach, dass Sie vielleicht den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen. Deswegen sage ich es Ihnen noch einmal, es fehlen Wohnungen. Stellen Sie einfach ausreichend Wohnungen für diese Gruppe zur Verfügung, für die vordringlich Wohnungssuchenden. Wie, hatten wir schon betont. Stattdessen bevorzugen Sie immer wieder zur kalten Jahreszeit, das Winternotprogramm für Obdachlose anzuwerfen. Jedes Jahr aufs Neue mit einer solchen Selbstverständlichkeit, als ob es das Natürlichste von der Welt wäre und es kein anderes Mittel gäbe, um dieser Obdachlosigkeit zu begegnen.

Aber dann wird festgestellt, dass das Programm Lücken hat in der Versorgung von 9 bis 17 Uhr. Zu blöd, dass der Winter tagsüber keine Pause macht. Sie versuchen nun, in diesem Winternotprogramm die Lücken unter anderem mit Unterstützung kirchlicher und freier Träger durch 660 Tagesaufenthaltsplätze in neun Einrichtungen für geschätzte 2 000 Obdachlose in Hamburg durch ein Tagesangebot zu schließen. Das ist an sich lobenswert. Ich frage mich aber, woher Sie diese Zahl von 2 000 Obdachlosen haben und was das für eine Schätzung ist, die Sie in Ihrem Antrag 21/1620 erwähnen? Den Antrag der AfD, nach 2009 eine neue Erhebung vorzunehmen, in der nämlich noch von 1 029 Obdachlosen die Rede war, haben Sie jedoch abgelehnt. Wenn Sie den angenommen hätten, wüssten wir es jetzt vielleicht genauer, über wie viele Obdachlose wir tatsächlich zu sprechen haben. Sind es jetzt vielleicht 2 500 oder 1 500? Sie bieten im Zuge des Winternotprogramms auch seit dem 15. Januar 2016 1 040 Übernachtungsplätze an, die zu gut 91 Prozent ausgelastet sind. Was machen Sie jetzt eigentlich, – 1 040 Plätze, wie gesagt, – wenn dieser Winter einmal ernst macht und ein wirklicher Winter wird und dann ein paar Tage lang durchgehend Minusgrade herrschen und, ausgehend von Ihrer Schätzung, ein paar Hundert Menschen mehr vor der Tür stehen? Dann bin ich gespannt auf die Statements, die Sie abgeben würden.

Wenn man schon nicht willens oder fähig ist, ein Problem systematisch anzugehen und dieses mit nachhaltigen Mitteln dauerhaft aus der Welt zu schaffen, oder es zumindest auf ein Minimum reduziert, dann ist ein Winternotprogramm natürlich immer noch besser als nichts. Aber verwerflich ist, dass Sie so tun, als ob dies der Weisheit letzter Schluss sei, denn das ist es nicht. Es ist einfach so, dass die Obdachlosigkeit, egal, wer hier regierte, in den letzten Jahren eigentlich mehr verwaltet als bekämpft wurde.

(Jennyfer Dutschke)

Nun bringt DIE LINKE den Antrag ein, für alle obdachlosen Menschen die Quartiere des Winternotprogramms ganztägig zu öffnen. Für alle 2 000 Obdachlosen, oder von welcher Zahl wird hier ausgegangen? Sind es die 2 000, von denen die SPD annimmt, dass es 2 000 sind? Ich erinnere nochmals an den Antrag, den wir gestellt hatten und den auch DIE LINKE abgelehnt hat. Das kann man natürlich jedes Jahr erneut beantragen, und wieder wird der Senat dann auf diverse Drucksachen verweisen, so, wie es letztendlich geschehen ist, die Drucksachen 21/1862, 21/2034 und 21/2288, und wird es dann, wie bereits angekündigt, nicht machen, der Antrag wird abgelehnt werden. Ich frage mich bei der Ernsthaftigkeit dieses Themas: Was sind das für Spielchen, die hier gespielt werden? Ist das eine interfraktionelle ABM-Maßnahme, die Sie durchziehen?

(Wolfgang Rose SPD: Was soll denn der Quatsch!)

Das kann ich nicht verstehen. Und dann soll das Beratungsangebot noch erweitert werden – hört sich auch gut an –, flankiert von einer bedarfsgerechten Finanzierung, deren Quelle uns leider nicht verraten wird. Alles gut zur Behandlung von Symptomen und zur eigenen Profilierung. Man hat sich wieder eingesetzt für die Armen, für die Ärmsten der Armen.

(Ekkehard Wysocki SPD: Gibt's noch 'mal Butter bei die Fische, oder was?)

Ja. Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie schon mitbekommen, dass da Butter drin ist.

(Zurufe)

Und für Sie wiederhole ich das jetzt noch einmal, denn den ersten Teil haben Sie anscheinend verpasst.

Bauen Sie einfach mehr Wohnungen. Bauen Sie einfach mehr Wohnungen für vorrangig Wohnungssuchende. In Bezug auf die Gruppe der Obdachlosen gehört dazu noch ein begleitendes Sozialkonzept, denn wir wissen, dass es hier um eine besondere Menschengruppe geht, die eine besondere Unterstützung braucht.

Wir haben einen Zusatzantrag eingereicht, der eine Finanzierung dafür aufzeigt – das war ein Ansatz für eine Lösung mit Perspektive –, und den haben Sie natürlich reflexartig abgelehnt.

(Ksenija Bekeris SPD: Zu Recht!)

Sie wollen auch lieber weiterhin diese Fleißpunkte sammeln, indem Sie sich gegenseitig Schriftliche Kleine Anfragen und Anträge stellen und einreichen, statt dieses Thema wirklich bei der Ursache anzupacken.

Wenn das nicht so ein ernstes Thema wäre, würde ich Ihnen noch viel Spaß beim Kurieren dieser Symptome wünschen. Aber stattdessen fordere ich

Sie einfach auf, nicht mit einem Winternotprogramm die Folgen einer nicht ausreichenden Anzahl von Wohnungen kaschieren zu wollen. Gehen Sie die Ursache einfach an. Und für Sie noch einmal ganz speziell das Stichwort Wohnungen: Stellen Sie Wohnungen zur Verfügung. – Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort hat nun Frau Senatorin Leonhard.

Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will gern die Gelegenheit ergreifen, in dieser sehr differenzierten Debatte noch einmal zwei, drei Dinge richtigzustellen und zu erläutern. Ich glaube, dass es insgesamt wichtig ist, dass wir uns in einer sehr abgeklärten, sehr vernünftigen und alle Rahmenbedingungen beachtenden Weise dem Thema Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit und daneben dem Thema Winternotprogramm widmen.

Zum Thema, was tun wir bei der Frage, wie wir Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen in sicheren Wohnraum bringen, haben wir vorhin eine lange Debatte geführt. Da steht sehr vieles in dieser Drucksache, und wir haben unter anderem, das möchte ich gern in Richtung der FDP sagen, diese Gesellschaftsgründung in Erwägung gezogen, weil uns nämlich die freien Wohnungsunternehmen, also die freie Wirtschaft, da nicht richtig geholfen haben und ehemals Wohnungslosen keinen Wohnraum vermietet haben, sondern wir als Staat müssen dort als Mieter auftreten. Und um diesen Menschen zu helfen, schaffen wir Wohnungen, wir bauen die jetzt selbst. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Darüber hinaus geht es für viele Menschen nicht nur um die Frage, ob sie den Formalien nach eine Wohnung bekommen können in Hamburg, sondern es gibt auch zahlreiche Menschen, die leider aufgrund verschiedenster Faktoren nicht so einfach – wie es in der Fachsprache genannt wird – wohnfähig sind. Und genau für diese Menschen, die oft auch im Winternotprogramm auftauchen, machen wir diese zusätzlichen Beratungsangebote. Gerade für diese Menschen ist es eben wichtig, dass sich die Zustände nicht auf Basis eines Winternotprogramms verfestigen, sondern dass wir ihnen die Hand reichen, unter Umständen mit Begleitung. Wir arbeiten jetzt an verschiedenen Konzepten, wie sie mithilfe von Stiftungen vielleicht doch noch einmal selbstbestimmt im eigenen Wohnraum in der öffentlichen Unterbringung – wir machen uns da gar keine Illusionen, dass es immer um eine eigene Wohnung am freien Markt gehen kann – selbstbestimmt leben können. Für diese Gruppe ist es wichtig, auch wenn es sich nicht in der ersten

(Detlef Ehlebracht)

Sekunde erschließt, dass es für sie notwendig ist, das Winternotprogramm tagsüber zu verlassen, um Beratungsangebote überhaupt annehmen zu können.

(Beifall bei der SPD und bei Phyliss Demirel und Farid Müller, beide GRÜNE)

Die Debatte im Sozialausschuss im November war sehr gut, und es hat sich gezeigt, dass wir gerade bei strengen Wetterlagen am Wochenende eine Lücke haben bei der Frage, wo man sich tagsüber aufhalten kann. Da hat sich die Behörde aufgemacht und wie versprochen – und das wollte ich eigentlich nur richtigstellen – mit Tagesaufenthaltsstätten Gespräche darüber geführt, wer sich vorstellen kann, gegen zusätzliche Ressourcen, das heißt, wir hätten die Mittel zur Verfügung gestellt, auch am Wochenende Öffnungszeiten anzubieten. Unser Ziel war es, mindestens zwei Stätten zu finden. Leider haben sich diese Gespräche sehr lang hingezogen, sodass wir schließlich entschieden haben, es selbst zu machen, weil wir eine Tagesaufenthaltsstätte auf jeden Fall haben wollten. Das ist diese zusätzliche Stätte von f & w fördern und wohnen. Und darüber hinaus ist es gelungen, mit den bisherigen Anbietern dankenswerterweise dieses alternierende System mit auf den Weg zu bringen, dass man sich die Wochenenden teilt. Insofern haben wir Wort gehalten. Es gibt zwei zuverlässige Angebote von Tagesaufenthaltsstätten an den Wochenenden. Das ist gelungen, weil wir es selbst gemacht haben an dieser Stelle, um Wort zu halten gegenüber den Obdachlosen in dieser Stadt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Darüber hinaus will ich gar nicht alles kommentieren, was hier gesagt wurde. Für uns als Senat ist es wichtig, das Winternotprogramm niedrigschwellig zu erhalten. Das teilen viele Fraktionen in diesem Hause ebenso. Auch deswegen können wir es nicht schrittweise zu einer öffentlichen Unterbringung weiterentwickeln, weil das dann nämlich Konsequenzen für all die Menschen hat, die möglicherweise keinen Rechtsanspruch haben, es jetzt aber in Anspruch nehmen können aus purer Not heraus. Wir wollen dieses Angebot weiterhin erhalten. Und es ist bei Weitem nicht so, dass wir mit anderen Städten in der Bundesrepublik um den schlechtesten Standard ringen. Das finde ich fast schon ein bisschen ungehörig, wenn man sich das Hamburger Winternotprogramm einmal anschaut.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn man es mit Berlin vergleicht, wo man erst um halb zehn Uhr abends kommen darf, wo man seine Sachen jeden Tag wieder mitnehmen muss, wo man froh seinmuss, überhaupt noch am nächsten Tag wieder hereinzukommen, so sind das alles Dinge, die in Hamburg nicht passieren. Wir handeln einfach und finden es richtig, das was wir

tun, nicht an die große Glocke zu hängen, beispielsweise die formlose Erweiterung des Winternotprogramms im Januar, die notwendig war. Wir wollen es gemeinsam mit den Nachbarschaften tun, die da einiges leisten, indem sie diese Menschen nebenan akzeptieren. Und es ist auch nicht immer einfach, denn Menschen, die von Wohnungslosigkeit betroffen sind, bringen auch manchmal Konflikte mit. Es sind Nachbarschaften, die das akzeptieren, die uns da sehr helfen. Sie nehmen unsere Zusage der Öffnungszeiten sehr ernst. Deswegen werden wir sie in diesem Winter nicht verändern. Wir sind aber auf Hinz&Kunzt und alle anderen, die es betrifft, zugegangen und haben gesagt, wir wollen gemeinsam darüber sprechen, wie wir es im nächsten Jahr machen. Wir haben feste Rahmenbedingungen, von denen wir glauben, dass es möglich ist. Beim Thema kranke Menschen kommen wir ihnen entgegen und stellen 100 zusätzliche Plätze zur Verfügung. All das haben wir gemacht, insofern kann nicht davon die Rede sein, dass wir vor Problemen die Augen verschließen. Wir versuchen, sie im Rahmen des rechtlich Möglichen zu lösen, ohne prekäre Zustände zu verfestigen.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Frau Özdemir von der Fraktion DIE LINKE.

(Zuruf von Kazim Abaci SPD)

– Darf ich selbst entscheiden, ob ich reden möchte oder nicht, Herr Abaci? Vielen Dank.