Protocol of the Session on February 10, 2016

Auch der Überweisung des CDU-Zusatzantrags stimmen wir zu. Die Debatte im Ausschuss machen wir sehr gern mit. Wir sollten dort auch erörtern, inwiefern es sinnvoll ist, diese neuen Maßnahmen nach einem bestimmten Zeitraum noch einmal zu evaluieren, um zu sehen, ob der erhoffte Integrationseffekt wirklich eintritt oder ob man gegebenenfalls noch nachsteuern muss.

Wir hoffen allerdings, dass die heute vorgelegte Maßnahme nicht die einzige zusätzliche Idee bleibt, wie wir die Integration in unserer Stadt noch weiter voranbringen werden. Aber ich verspreche Ihnen schon jetzt, dass die FDP-Fraktion sich selbstverständlich auch in den nächsten Monaten weiterhin mit Anträgen konstruktiv an dieser wichtigen Frage beteiligen wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Oetzel. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt zunächst einer Überweisung der Drucksache 21/2996 an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisung dieser Drucksache abgelehnt.

Wer möchte dann die Drucksache 21/3175 an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss überweisen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag überwiesen.

Wir stimmen über den gemeinsamen Antrag der Fraktionen der GRÜNEN und der SPD aus Drucksache 21/2996 in der Sache ab.

Wer stimmt dem Antrag zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mehrheitlich bei einigen Gegenstimmen angenommen.

Es bedarf einer zweiten Lesung. Stimmt der Senat einer sofortigen zweiten Lesung zu?

(Mehmet Yildiz)

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erken- nen.)

Das ist der Fall. Gibt es Widerspruch aus dem Hause? – Den sehe ich nicht.

Wer stimmt also dem Antrag aus der Drucksache 21/2996 in zweiter Lesung zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag mehrheitlich bei einigen Gegenstimmen auch in zweiter Lesung angenommen.

Jetzt komme ich zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN, diese Drucksache 21/2996 nachträglich an den Familien-, Kinderund Jugendausschuss zu überweisen.

Wer stimmt dem zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist diese Drucksache nachträglich an den Ausschuss überwiesen.

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 41, Drucksache 21/3020, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Winternotprogramm ausweiten – Erfrierungsschutz auch tagsüber gewährleisten!

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Winternotprogramm ausweiten – Erfrierungsschutz auch tagsüber gewährleisten! – Drs 21/3020 –]

[Antrag der Fraktionen der GRÜNEN und der SPD: Schutz für Obdachlose verbessern und ausreichend Plätze für Wohnungslose in der Öffentlichen Unterbringung bereitstellen – Drs 21/3194 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 21/3194 ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen der GRÜNEN und der SPD vor.

Wer wünscht das Wort? – Frau Özdemir von der Fraktion DIE LINKE, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sage und schreibe 57 000 Unterschriften kamen in kürzester Zeit via Online-Petition für die Öffnung des Winternotprogramms auch tagsüber zusammen. 57 000 Unterschriften – mit der Unterstützung von Hinz&Kunzt, der Diakonie, dem Sozialverband Deutschland und der Caritas, die sich vehement dafür einsetzen, dass das Winternotprogramm auch tagsüber geöffnet wird. Die 57 000 Unterschriften wurden an die Sozialsenatorin Frau Leonhard übergeben. Aber Frau Leonhard ließ sich nicht überzeugen, von keinem der Argumente. Der Einsatz der Sozial- und Wohlfahrtsverbände konnte sie ebenso wenig überzeugen wie die 57 000 Unterschriften oder die 650 Obdachlosen, die tagsüber weiterhin frieren

müssen. Nicht einmal die klirrende Kälte, die wir in den letzten Wochen auch tagsüber hatten, konnte die Senatorin dazu bewegen, das Winternotprogramm tagsüber zu öffnen, einzig kranke Obdachlose dürfen nun auch tagsüber im Winternotprogramm bleiben. Wer noch nicht krank ist, der wird es eben zwischen 9 und 17 Uhr, weil er oder sie raus muss in die Kälte. Sie haben diesen Punkt in Ihren Antrag mit aufgenommen, aber das ist ein Punkt, der nicht neu ist. Das wurde schon vor einigen Wochen nach einem Gespräch von Hinz&Kunzt veröffentlicht.

Ihnen muss bewusst sein, dass die Minusgrade auch tagsüber eine große Gefahr für Leib und Leben sein können. Sie wissen auch, dass Menschen tagsüber erfrieren können. Aber nicht einmal dieses Argument überzeugt Sie. Stattdessen konkurrieren Sie mit anderen Städten in der Bundesrepublik um das unbequemste Winternotprogramm. Genau das führen Sie nämlich als eines Ihrer absurden und wirklich nicht nachvollziehbaren Argumente auf der Internetseite hamburg.de auf, wo Fragen und Antworten aufgelistet sind. Dort sagen Sie zum Beispiel, dass bei einer ganztägigen Öffnung die Sogwirkung nach Hamburg größer wäre. Herr Schweitzer sagte, dass die Beratungsangebote seitens der Obdachlosen angenommen werden müssten und dass durch eine ganztätige Öffnung die Menschen in ihrer Lebenssituation verharren würden und nichts an ihr änderten. Das ist völliger Quatsch. Denn erstens handelt es sich um erwachsene Menschen, die selbst entscheiden können, ob sie das Winternotprogramm verlassen möchten, um sich an einem bestimmten Tag beraten lassen zu wollen, oder ob sie Tagesaufenthaltsstätte aufsuchen möchten. Und zweitens haben wir das Problem, dass die Tagesaufenthaltsstätten überfüllt sind und die Menschen zu der Beratung manchmal gar nicht zugelassen werden, weil die Kapazitäten ausgelastet sind. Und dann stellt sich natürlich auch die Frage, welcher Mensch sich acht Stunden am Tag beraten lässt.

Ich finde es einfach zynisch und unglaubwürdig, auf der einen Seite zu fordern, dass die Obdachlosen sich beraten lassen und die Tagesaufenthaltsstätten aufsuchen sollen, und auf der anderen Seite genau diese Anlaufstellen und Einrichtungen seit Jahren finanziell nicht aufgestockt worden sind, obwohl der Bedarf sich doch erhöht hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass die Kapazitäten ausgelastet sind, darüber reden wir schon seit Jahren, und dennoch hat vor allem der SPD-Senat die Forderungen und Hilferufe der Tagesaufenthaltsstätten einfach, man kann es wirklich so sagen, ignoriert. Seit dem 23. Januar hat jetzt eine weitere Tagesaufenthaltsstätte in der Friesenstraße mit rund 100 weiteren Plätzen geöffnet. Auch das Herz As und die Tagesaufenthaltsstätte in der Bundesstraße haben an den Wochen

(Vizepräsidentin Christiane Schneider)

enden zeitweise geöffnet. Das wird aber wenig an der Situation der Menschen ändern, denn es haben eben kaum gleichzeitig genügend Tagesaufenthaltsstätten mit ausreichender Kapazität geöffnet. Das bedeutet im Endeffekt, dass wieder Menschen abgewiesen werden. Nicht jede oder jeder bekommt eine warme Mahlzeit und nicht jede oder jeder kann die Beratungsangebote in Anspruch nehmen oder wird überhaupt in die Aufenthaltsstätte hereingelassen, weil kein Platz mehr da ist. Das Grundproblem wird hiermit nicht gelöst.

Wie sinnvoll ist überhaupt eine Beratung, wenn die Aussicht der Betroffenen auf eine Verbesserung ihrer Situation so minimal ist wie derzeit? Wie groß sind die Chancen für Obdachlose, in gesicherte Wohnverhältnisse reintegriert zu werden? Bei der derzeitigen Wohnungsbaupolitik des Senats wirklich sehr minimal.

Kommen wir zu dem wichtigsten Punkt, nämlich dem SOG. Der Senat sagt, dass es sich bei dem Winternotprogramm nur um einen Erfrierungsschutz handele und das SOG nicht angewandt werden könne. Hamburg ist aber rechtlich verpflichtet, unfreiwillig Obdachlose unterzubringen. Die Maßnahmen der Gefahrenabwehr sollen eben nicht nur nachts, sondern müssen auch tagsüber umgesetzt werden. Ich glaube, dass der Senat fälschlicherweise davon ausgeht, dass das Winternotprogramm dadurch keine SOG-Unterbringung sei. Es gibt ein Rechtsgutachten der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, die das belegt. Ich möchte daraus ein Zitat vortragen:

"Die Einweisung muss den Mindestanforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung entsprechen. Jederzeit muss das sog. zivilisatorische Minimum gewährleistet werden. Dazu gehört neben einer angemessenen Ausstattung der Unterkunft eine ganztägige Unterbringungsmöglichkeit. Eine räumliche Trennung zwischen einer Unterbringung nachts- und tagsüber ist zulässig, wenn die Einrichtungen in zumutbarer Entfernung liegen und der Obdachlose die Möglichkeit hat, seine Habe sicher zu verwahren."

Die Tages- und Nachtunterkünfte müssen also zeitlich so aufeinander abgestimmt sein, dass dem Obdachlosen jederzeit eine Unterkunft zur Verfügung steht. Das ist aber derzeit in Hamburg eben nicht der Fall.

Alle Abgeordneten haben gestern oder vorgestern den Faktencheck von Hinz&Kunzt bekommen, der wirklich sehr interessant ist. In ihm wird durch namhafte Juristen wie zum Beispiel Ruder oder BERNZEN SONNTAG, die ihre Kanzlei in Hamburg haben, bestätigt, dass die Behörde ihr Winternotprogramm nicht nur ganztätig öffnen kann, sondern sogar rechtlich dazu verpflichtet ist.

Dann kommen Sie mit dem Argument der Reinigung, dass acht Stunden lang gereinigt werden müsse und es dadurch nicht möglich sei, die Obdachlosen im Winternotprogramm tagsüber in Ruhe zu lassen. Das ist als Argument fachlich schon gar nicht haltbar, die Reinigung dauert keine acht Stunden. Deshalb ist das eigentlich nur Quatsch. Sie sollten aufhören, sich hinter diesen absurden Argumenten zu verstecken, die Sie immer wieder anbringen, und das Winternotprogramm auch tagsüber öffnen.

(Dirk Kienscherf SPD: Ganzjährig?)

Wir wissen nicht, ob sich das Wetter in den nächsten Wochen wieder verändern wird. Heute Nacht wird es vielleicht nicht so kalt sein wie vor einigen Wochen, aber es ist eine Gefahr für die Menschen, wenn sie bei Minusgraden tagsüber in der Kälte sind. Und Sie können auch nicht weiterhin ignorieren, dass die Situation mit den Tagesaufenthaltsstätten eben nicht so rosig ist und Obdachlose dadurch den ganzen Tag auf der Straße ausharren müssen, ohne die Möglichkeit zu haben, sich in einem Café aufzuwärmen, weil einfach das Geld fehlt. Darum ist die Stadt dazu verpflichtet, ihnen auch tagsüber die Möglichkeit einer warmen Unterkunft zu geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Özdemir. – Jetzt hat Frau Bekeris von der SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die Forderung nach einer Tagesöffnung des Winternotprogramms klingt auf den ersten Blick richtig, doch auf den zweiten Blick ist der Sachverhalt meist nicht ganz so einfach. Man muss für eine ehrliche Debatte über das Winternotprogramm wissen, was es ist, was es leistet und was es auch nicht leisten kann.

Das Winternotprogramm bietet jeder und jedem, der oder die sich aktuell in Hamburg aufhält und andernfalls draußen schlafen muss, einen Schlafplatz als Erfrierungsschutz in der Nacht. Es bietet täglich von Montag bis Sonntag für 16 Stunden kostenlose Schlafplätze, ausreichende Sanitäranlagen, Verpflegung und Getränke an. Tages- und Nachtunterbringung kann getrennt sein, das haben Sie zitiert. Wir haben den Erfrierungsschutz in der Nacht und die Tagesaufenthaltsstätten tagsüber.

Das Besondere daran ist bei uns die Niedrigschwelligkeit und dass wirklich niemand abgewiesen wird.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

(Cansu Özdemir)

Hamburg kann sich dabei mit seinem Angebot für Obdachlose wirklich sehen lassen, und das sollte auch die Links-Fraktion nicht kleinreden.

Ich möchte noch einmal den Dank an die hauptamtlichen und die ehrenamtlichen Kräfte aussprechen, die das Jahr für Jahr ermöglichen. In diesen Dank möchte ich auch die Nachbarschaften, zum Beispiel im Münzviertel, ausdrücklich einbeziehen, denn deren Solidarität und Akzeptanz ist nicht selbstverständlich.

(Beifall bei der SPD und bei René Gögge GRÜNE)

Eines muss man über das Winternotprogramm auch wissen: In den vergangenen sechs Jahren ist es von 200 auf zeitlich bis zu 1 040 Plätze erhöht worden, und man muss sich schon fragen, woran das liegt. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass das Winternotprogramm zu einem großen Anteil von europäischen Arbeitsmigranten als Übernachtungsoption genutzt wird, und ob diese Menschen in Hamburg Anspruch auf eine öffentlich-rechtliche Unterbringung haben, ist zumindest fraglich.

Gleichwohl haben wir ein Beratungsangebot speziell für diese Menschen geschaffen, denn es ist ein Skandal, wenn Menschen, die tagsüber hart arbeiten, zur Übernachtung vor einem Winternotprogramm abgesetzt werden statt vor einer ordentlichen Arbeitsunterkunft.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Im Winternotprogramm wird wegen der beabsichtigten Niedrigschwelligkeit allerdings nicht weiter gefragt. Bei einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung müsste dies geschehen, das muss man dazu auch wissen. Das Winternotprogramm ist aber nicht als Ersatz für öffentlich-rechtliche Unterbringung oder sogar für Wohnraum gedacht. Das kann es auch nicht sein; es ist ein Erfrierungsschutz. Dafür möchte ich drei Gründe nennen.