Protocol of the Session on January 20, 2016

ist der Auszug aus dem europäischen Haus, weil Sie mit der Aufgabe der Nationalstaaten, nämlich

der Übertragung von Kompetenzen auf eine supranationale Ebene, nicht zurechtkommen.

(Dr. Bernd Baumann AfD: Sie kommen da- mit nicht zurecht!)

Ginge es nach Ihnen, hätten wir eine Urmeile, die Urmark und sonstige Ergebnisse, aber nichts, aber auch gar nichts,

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

für das wir in den letzten Jahrzehnten gemeinsam eingetreten sind. Ich habe Helmut Schmidt und Helmut Kohl hier im September 2015 bereits – dank Ihrer Anträge – erwähnen dürfen. Nichts von dem, für das diese Herren und auch Damen gekämpft haben, ist etwas, was Sie in diesem Hause wirklich mit Hingabe vertreten, ob Neoliberalist oder nicht.

Glauben Sie allen Ernstes, dass Sie irgendein Problem lösen, wenn Sie hier einen Antrag einbringen, – das muss Ihnen beim Schreiben dieses gequälten Petitums doch wehgetan haben –, der darauf abzielt, unsere Landesgrenzen, juristisch betrachtet, bis an die Republik Österreich zu verlängern? Glauben Sie allen Ernstes – ich nehme jetzt einmal an, dass Sie das nicht tun, sondern dass es reine Polemik ist –,

(Beifall bei Jörg Hamann CDU – Dr. Bernd Baumann AfD: Dass Sie das nicht verste- hen, ist mir klar!)

dass wir, wenn wir die gesamte norddeutsche Landespolizei an der bayerischen Grenze zusammenziehen, die Problematik, die außerhalb Europas entstanden ist, lösen können? Nein. Und damit landen wir bei Ihrem eigentlichen Problem. Sie sind keine richtige Partei, sondern das zusammengewürfelte Ich-bin-anti-Europa, Ich-will,-dass-allesso-schön-bleibt,-wie-es-ist, und bringen keine vernünftigen Lösungsansätze zustande.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN und der FDP – Dr. Bernd Baumann AfD: Anti-EU!)

Wenn Sie Schweden und Dänemark heranziehen, dann schauen Sie doch bitte einmal in einen Atlas; es kann ja auch der Diercke-Atlas von 1949 sein.

(Heiterkeit bei der CDU)

Die Insellagen beider Staaten sind mit denen der Bundesrepublik Deutschland keineswegs vergleichbar. Schweden und Dänemark können sich relativ einfach von dem abschotten, was man Grenze nennt. Aber Sie brauchen sich nur einmal die Völkerwanderung vor knapp 2 000 Jahren anzusehen, wer alles durch unsere deutschen Lande – die Goten und sonstige Leute – marschiert ist. Sie können in diesem Europa die Grenzen nicht einfach dichtmachen.

(Sören Schumacher)

Jetzt noch etwas Versöhnliches, sofern Sie das als solches bezeichnen. Maastricht und Schengen haben doch auch nach Aufgabe des Eisernen Vorhangs funktioniert, und ich glaube, dass alle politischen Kräfte in diesem Lande ein Interesse haben, das von Ihnen zitierte Recht umzusetzen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir demokratischen Parteien in diesem Hause und auch in der Bundesrepublik Deutschland gemeinschaftlich die richtigen Lösungsansätze für Europa finden werden, wie der Kollege Schumacher richtig gesagt hat. Wir werden das Problem in der Hamburger Bürgerschaft nicht gemeinschaftlich lösen können. Wir brauchen ganz Europa dazu. Nur ein richtig gutes, stabiles europäisches Haus wird dies schaffen. Daran glaube ich noch immer fest. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN und der FDP)

Vielen Dank, Herr Westenberger. – Herr Gözay von der GRÜNEN Fraktion, Sie haben jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Baumann, ich glaube, die Debatte hatten wir schon am 2. September 2015 in der Bürgerschaft geführt.

(Dr. Bernd Baumann AfD: Das ist ein Unter- schied! Sie haben die Unterschiede nicht er- kannt!)

Dabei ging es um das Aussetzen des Schengener Grenzregimes der EU. Wir haben Ihnen das versucht zu erläutern. Ich versuche es noch einmal. Also seien Sie mir nicht böse, wenn ich mich wiederhole.

(Dr. Bernd Baumann AfD: Völlig anderes Thema!)

Ich frage Sie, ob Sie …

(Dr. Bernd Baumann AfD: Haben Sie mich verstanden?)

Ich verstehe Sie schon, aber ich frage Sie trotzdem: Kennen Sie den Artikel 1 des Deutschen Grundgesetzes, auf das wir uns immer berufen? Ist er Ihnen bekannt?

(Dr. Bernd Baumann AfD: Das ist aber jetzt sehr rhetorisch! Sehr toll! – Zuruf: Also nein! Sagen Sie es gleich!)

Also nein.

(Vereinzelter Beifall und Heiterkeit bei den Fraktionen)

Die Würde des Menschen, eines jeden Menschen, ist unantastbar, Herr Dr. Baumann.

(Dr. Bernd Baumann AfD: Ich muss mich von Ihnen nicht belehren lassen!)

Nein, nein, ich will Sie nicht belehren.

Und wie lautet der Artikel 16 Absatz 2 des Deutschen Grundgesetzes?

(Zuruf: Na ja, das ist aber keine Quizshow!)

Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. Diese Lehre resultiert übrigens aus der NS-Zeit, in der viele Deutsche auf Asyl angewiesen waren. Sie erinnern sich noch an Ihren Geschichtsunterricht. Und weiter steht dort geschrieben, jeder politisch Verfolgte habe einen vorbehaltlosen einklagbaren Rechtsanspruch auf Asylgewährung.

Ich frage Sie: Wer soll an den Grenzen entscheiden, ob jemand politisch verfolgt ist oder nicht, ob er Kriegsflüchtling ist oder nicht, ob er Wirtschaftsflüchtling ist oder nicht, oder ob jemand ein Krimineller oder ein Terrorist ist? Ich möchte das nicht entscheiden, weil ich alle Menschen, egal woher sie kommen, erst einmal würdige.

Sie wollen, dass wir uns mit Ihrem Petitum über europäische Gesetze hinwegsetzen. Sie wollen, dass wir genauso reagieren wie die Schweden, die Dänen oder die Briten.

(Dr. Bernd Baumann AfD: Alle!)

Sie wollen damit die europäische Gemeinschaft zerstören, am besten mit einem Zaun aus Stacheldraht oder einer Mauer. Sagen Sie jetzt bitte nicht, es habe keiner von Ihnen vor, eine Mauer hochzuziehen. Das haben wir schon einmal gehört.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Bernd Bau- mann AfD: Das wird ja rhetorisch immer besser!)

Aber, Herr Dr. Baumann, zum Glück ist dies heute nicht mehr so einfach wie vor 55 Jahren, denn heute haben wir das Schengener Abkommen, und das ist gut so.

(Dr. Bernd Baumann AfD: Bezug zum In- halt!)

Was war eigentlich das Ziel des Schengener Abkommens? Ich sage es Ihnen: Das Ziel war die Schaffung eines einheitlichen Raums in Europa durch schrittweise Abschaffung von Binnengrenzkontrollen, und zwar auch mit dem Ziel, die individuellen Freiheiten der Bürger zu erhöhen.

(Dr. Bernd Baumann AfD: Die Außengren- zen haben Sie vergessen!)

Und jetzt wollen Sie die Grenzen wieder schließen. Glauben Sie ernsthaft, dass der Flüchtlingsstrom dadurch abreißt? Glauben Sie das wirklich? Glauben Sie, die Vorteile der globalen Märkte abschöpfen zu können, ohne unerwünschte Nebenwirkungen zu erzeugen? Egal, ob wir die von Ihnen am liebsten gesehenen Zäune in Höhe von fünf, zehn oder hundert Metern bauen, wir werden die Flüchtlinge nicht aufhalten. Sie kommen – diesen Fakt müssen wir anerkennen.

(Michael Westenberger)

Ich möchte zum Ende kommen, aber eines möchte ich noch erwähnen. Die Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel, wir schafften das, war vielleicht etwas optimistisch gewesen. Mit Gegenwind aus Ihrer Richtung hatte sie sicher auch etwas gerechnet, aber wohl nicht mit Gegenwind aus ihren eigenen Reihen. War das jetzt naiv von Frau Merkel? Nein, sie hat ihr Herz ohne politisches Kalkül sprechen lassen – davon bin ich überzeugt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, das stimmt!)

Vielleicht hätte sie aber sagen sollen, dass es schwer wird, wir es aber schaffen können, wenn alle mitmachen. Aber wenn ständige Querschläger dazu führen, dass wir uns nicht auf das Wesentliche konzentrieren können, wird es schwer werden, noch schwerer, als es jetzt schon ist. Aber das scheint von Ihnen auch gewollt zu sein.

Damit eines klar ist, Herr Dr. Baumann: Wir werden alle Punkte ablehnen. Das tut mir leid.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Michael Kruse FDP – Dr. Bernd Baumann AfD: Das wundert mich sehr!)

Vielen Dank, Herr Gözay. – Jetzt hat das Wort Herr Dolzer von der Fraktion DIE LINKE.

Liebe Hamburgerinnen und Hamburger, Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!