Eine Dreistigkeit ohnegleichen ist, dass Sie jetzt auch noch versuchen, mit einem Zusatzantrag, den Sie gestern ins Parlament eingebracht haben, die Hamburgische Bauordnung zu ändern, und dann auch noch versuchen, uns als Opposition in ein Verfahren zu zwingen – ich könnte auch sagen, versuchen, uns zu nötigen. Das ist eine Frechheit, Herr Kienscherf, und solche Händel werden wir nicht mitmachen.
Wir lassen uns von Ihnen in dieser Frage nicht erpressen, sondern werden ein vernünftiges parlamentarisches Verfahren durchführen. Wenn Sie gegenüber den Hamburgerinnen und Hamburgern eine Änderung des Baurechts vertreten wollen, die nichts anderes bewirken wird als ein Sonderbaurecht für die Stadt Hamburg, eine höchst fragwürdige Angelegenheit, dann tun Sie das mit Ihrer eigenen Mehrheit, aber lassen Sie uns aus dem Spiel.
Lassen Sie mich zu Ihrem blinden Aktionismus in Sachen Großunterkünfte noch ein paar weitere Bemerkungen machen. Sie kolportieren diese Zahl von 80 000 Unterbringungsplätzen seit Tagen in der Stadt. Sie haben kein einziges Mal einen Beleg für diese Zahlen geliefert und schon gar nicht dafür, dass hier etwa 80 000 Menschen in festen Wohnungen untergebracht werden müssten. Das ist eine Behauptung, die durch nichts belegt ist, und Sie müssten sie belegen, denn für diesen Beleg sind Sie in der Bringschuld, meine Damen und Herren.
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Abaci?
Noch einmal zum Königsteiner Schlüssel: Wenn es Ihnen wirklich ernst ist mit Verhandlungen mit den Flächenländern und insbesondere den Flächenländern in unserer Metropolregion, dann bringen Sie die Verhandlungen doch endlich nach vorn. Dann
und nicht nur so tut, als ob er einen so wahnsinnig großen Einfluss in Berlin hätte. Sie müssen den Ball ins Tor bringen, darum geht es doch.
Warum verhandeln Sie denn nicht auf Bundesebene über eine Novellierung des Wohnortzuweisungsgesetzes? Flüchtlinge haben einen Anspruch auf eine menschenwürdige Unterbringung. Sie haben aber, solange sie Transferleistungen beziehen, keinen Anspruch darauf, in einer bestimmten Stadt oder einer bestimmten Gemeinde untergebracht zu werden. Das kann man gesetzlich regeln, und ich lade Sie dazu ein, daran mitzuwirken und dazu beizutragen, dass Hamburg in dieser Frage entlastet wird.
Es gibt keine andere Metropole in unserem Land, die diesen Hamburger Sonderweg geht. Es gibt keinerlei Veranlassung, für Menschen, deren Bleibeperspektive ungeklärt ist oder die tatsächlich nur einen Aufenthaltsstatus zunächst für ein Jahr oder für drei Jahre erhalten, festen Wohnungsbau zu schaffen. Dafür gibt es keinen Grund, und deshalb sollten wir in Hamburg diesen Weg auch nicht gehen.
Eine Entscheidung über einen Bürgschaftsrahmen in Höhe von einer Milliarde ohne eine vernünftige Bedarfsanalyse und ohne eine grundsätzliche Debatte über die Sinnhaftigkeit Ihres Konzepts macht keinen Sinn und wird zur Farce. Sie entwerten damit erneut die Mitwirkungsrechte des Parlaments. Sie treten Ihren eigenen Anspruch auf Bürgerbeteiligung mit Füßen. Kommen Sie ab von diesem Irrweg. Sie gefährden die Akzeptanz der Unterbringung von Flüchtlingen in unserer Stadt, wenn Sie weiter mit dem Kopf durch die Wand wollen. Wir jedenfalls werden diesen Weg nicht mitgehen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Prien. Frau Abgeordnete, denken Sie bitte künftig an den parlamentarischen Sprachgebrauch. – Das Wort hat Herr Dr. Tjarks von der GRÜNEN Fraktion.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was die Bedarfe angeht, Frau Prien, ist zum jetzigen Zeitpunkt gesichert, dass wir in diesem Jahr viermal so viele Flüchtlinge aufgenommen haben als im vergangenen Jahr,
und dabei haben wir noch einen Monat vor uns. Auch gesichert ist, dass wir in den vergangenen drei Monaten 10 000 Menschen aufgenommen haben, und zwar dauerhaft.
und 4 046 im November. Das macht 3 000 plus 3 000 plus 4 000. Gut, ziehen Sie noch 100 ab, dann sind Sie bei 9 900, also fast 10 000 Menschen, die wir in den vergangenen drei Monaten aufgenommen haben.
Wir erleben seit zwei Jahren, dass immer wenn wir eine Bedarfsprognose bekommen, insbesondere eine Prognose des CDU-geführten Innenministeriums, diese sich am Ende dergestalt als überholt erweist,
(Karin Prien CDU: Das ist Ihre Prognose, Herr Tjarks, nicht die des Bundesinnenminis- ters! – Gegenruf von Ksenija Bekeris SPD: Was ist denn das für ein Unsinn?)
Ausgehend von der aktuellen Situation müssen wir im kommenden Jahr weiterhin etwa 3 000 Menschen pro Monat aufnehmen. Somit entsteht allein im Jahr 2016 ein zusätzlicher Bedarf von 36 000 Plätzen. Nach Ihrer Rede bin ich mir ziemlich sicher, dass wir mit der Geschwindigkeit, die Sie an den Tag legen, diese Menschen nicht menschenwürdig unterbringen können.
Zu Ihrer Aussage, man brauche für die Folgeunterbringung – die Folgeunterbringung, wohlgemerkt – eine zusätzliche Bedarfsanalyse: Ich weiß nicht, was Sie damit bezwecken wollen. Die meisten Menschen, die in die Folgeunterbringung kommen, sind schon da. Wir haben ganz akuten Bedarf, und zwar überall. Wenn wir uns einig sind, dass Zelte, Baumärkte und Container nicht der ideale Integrationsort sind, dann müssen wir irgendwo diese festen Wohnungen bauen, und ich halte es auch für sinnvoll, dass wir sie bauen. Der Bedarf ist eindeutig da. Es ist sogar so, dass wir als Bundesland diese Zahlen nicht oder jedenfalls nicht großartig beeinflussen können. Es gibt zwei, drei Stellschräubchen, aber in der Masse sind wir rechtlich und moralisch verpflichtet, diese Menschen unterzubringen, und dafür müssen wir entschlossen und schnell handeln. Deswegen fand ich es zum Teil ein wenig schwer zu ertragen, mit welchen Argumenten Sie gekommen sind. Sie kritisieren, dass wir nicht schnell handeln.
Ich möchte noch einmal auf die Umfrage des Norddeutschen Rundfunks verweisen, die relativ klar verdeutlicht hat, dass von allen Norddeutschen die Menschen in Hamburg und in Bremen gegenüber den Flüchtlingen am positivsten eingestellt sind. Aber sie haben eine sehr große Sorge: Sie sorgen sich über Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt. Um dieser Sorge begegnen zu können, müssen wir, darin sind wir uns einig, bauen, bauen und bauen. Dieses Programm haben wir vorgelegt. Ich verstehe überhaupt nicht, was das Problem daran ist, dass, wenn wir uns in der Sache einig sind, dieses Programm schnell auf den Weg gebracht wird und wir uns nicht noch überall an jeder Ecke aufhalten, denn dann wird man am Ende nicht fertig werden.
Abgesehen davon, dass eine solche Stigmatisierung meistens von außen entsteht und in der Sache brandgefährlich ist, möchte ich Sie einmal fragen, Herr Thering, ob Sie eigentlich auch Steilshoop und Mümmelmannsberg als Gettos bezeichnen würden. Nein, das würden Sie nicht. Genau. Ich auch nicht. In Steilshoop sind 8 700 Wohnungen mit 20 000 Menschen und in Mümmelmannsberg 5 000 Wohnungen mit 19 000 Menschen. Wir bewegen uns hier in einer völlig anderen Dimension. Dieses ganze Geseiere hat überhaupt keine Rechtfertigung. Sie sollten an dieser Stelle wirklich aufpassen, worüber Sie eigentlich reden.
Das führt mich noch einmal zu dem Punkt von vorhin. Herr Trepoll hat in seiner Erwiderung auf die Regierungserklärung des Bürgermeisters zum Thema Flüchtlinge gesagt, er sehe dieses Projekt kritisch, aber er begleite es gern konstruktiv. Er hat es sozusagen in der Sache gelobt.
Frau Prien läuft durch die Stadt und sagt, damit werde die integrationsfeindliche Stadtentwicklung zementiert. Sie müssten sich vielleicht erst einmal untereinander einig werden, was Sie eigentlich wollen. Und Sie müssen zur Kenntnis nehmen,
dass auch Sie verantwortlich sind für die Flüchtlingspolitik in diesem Land, über die wir reden und mit der wir als Kommune umgehen müssen. Da stehen Sie in der Verantwortung, verdammt noch mal.