Protocol of the Session on October 14, 2015

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Der Senat und auch wir in der Bürgerschaft tun alles, um hier Abhilfe zu schaffen. Das kann nur gelingen, wenn alle Ebenen – Hamburg, die Bundesebene und die europäische Ebene – zusammenarbeiten. Das hat der Senat früh erkannt und hat viele kluge Initiativen auf den Weg gebracht.

Ich möchte noch einmal auf drei Initiativen zu sprechen kommen, die in der Debatte untergegangen sind und die man Ihnen gar nicht oft genug in Erinnerung rufen kann. Das ist erstens die Initiative zur Erleichterung beim Baurecht in Bezug auf die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften, zweitens die Initiative zur Verteilung der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge und drittens die Forderung einer strukturellen und nachhaltigen Beteiligung des Bundes an den Kosten für die Flüchtlinge. Die Lösung, die hier am 24. September gefunden wurde, entlastet nämlich nicht nur die Kommunen, sondern schafft auch Anreize für den Bund, die Fluchtursachen zu bekämpfen und eine tragfähige europäische Regelung zur Verteilung der Flüchtlinge zu finden. Das ist doch am Ende der Schlüssel, und da muss auch der Bund mit im Boot sein.

(Beifall bei der SPD)

Auch auf Hamburger Ebene verfolgt die rot-grüne Koalition einen gemeinsamen Plan. Dazu möchte ich Ihnen noch einmal einige Punkte nennen. Die

Hamburgerinnen und Hamburger zeigen durch ihr ehrenamtliches Engagement, dass wir eine weltoffene und solidarische Stadt sind. Dieses Engagement entlässt die staatlichen Stellen – Behörden und Politik – nicht aus der Verantwortung, aber es entlastet sie natürlich ungemein. Darum war von Beginn an unser Schwerpunkt, dieses Engagement zu stärken – Sie kennen dazu unsere Anträge aus dem Plenum zum Forum Flüchtlingshilfe – und die Bezirke monetär zu unterstützen.

Noch einmal zum Forum Flüchtlingshilfe. Ich weiß nicht, ob Sie verstanden haben, was wirklich dahinterstecken soll. Am 18. Dezember wird es ein Auftakttreffen geben.

(Karin Prien CDU: Super!)

Bei diesem Treffen werden sich die verschiedenen Initiativen vorstellen und verbindlich arbeitende Arbeitsgruppen bilden können. Wir wollen nämlich mit diesem Forum Flüchtlingshilfe diskutieren, koordinieren, aber auch Dinge weiterentwickeln, und das muss sorgfältig gemeinsam mit den Akteurinnen und Akteuren vorbereitet werden. Diese Arbeit läuft schon, und das ist eine zügige Umsetzung von parlamentarischen Initiativen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben unsere Kapazitäten der öffentlichen Unterbringung immer anhand der verfügbaren Prognosen des BAMF ausgebaut, und diese Prognosen sind im Monatstakt gestiegen. Wir haben immer unterteilt in kurzfristige Sofortlösungen, damit niemand in der Stadt obdachlos sein muss, in mittelfristige Lösungen für Flächen oder Gebäude, die eine begrenzte Zeit lang genutzt werden können, und auch langfristige Lösungen haben wir mit bedacht und sind wir angegangen. In der Folgeunterbringung werden bis Ende des Jahres Tausende Plätze zusätzlich geschaffen worden sein, und Ende nächsten Jahres sollen die 5 600 Wohnungen bezugsfertig sein und 5 000 weitere Plätze in der Folgeunterbringung geschaffen werden – und das ist für die Stadt ein richtiger Kraftakt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Auch die Wohnungslosen in Hamburg sind immer Teil unserer Planungen gewesen. Ich möchte noch einmal das Winternotprogramm hervorheben und auch die zusätzlichen Übernachtungsplätze, die wir hier gemeinsam beschlossen haben. Auch das muss man in dieser Lage mit bedenken.

Man muss aber auch sagen, dass zu den Sofortmaßnahmen die Zelte gehören. Ich habe schon oft gesagt, dass wir die Zelte nicht gewollt haben und auch jetzt nicht wollen. Sie waren und sind eine Notlösung, weil die große Zahl an zeitgleich zu uns kommenden geflüchteten Menschen uns kaum Spielraum gelassen hat, um bessere Lösungen zu finden. Bevor Missverständnisse auftreten: Zeltunterbringung ist nie gut. Ich habe großes Verständ

nis für Flüchtlinge, die darauf aufmerksam machen, und das muss auch schnellstmöglich geändert werden. Es wird mit Hochdruck daran gearbeitet. Herr Sprandel hat eine große Aufgabe auf dem Tisch und er geht sie auch an.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben die Beratungsstruktur für Flüchtlinge zum Beispiel dadurch verbessert, dass die ÖRA auch in die Erstaufnahmeeinrichtung geht, und wir haben mit dem W.I.R-Projekt schnellere Hilfestellung vor Ort in den Erstaufnahmeeinrichtungen ermöglicht, damit Flüchtlinge Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Es gilt nämlich anzuerkennen, dass viele Menschen hier bleiben werden und wir sie integrieren wollen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben die Abstimmungsprozesse zwischen den verschiedenen Behörden immer wieder angepasst – erst jetzt wieder mit der Schaffung der Zentralen Koordinierungsstelle. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, ich kenne den Reflex, nun zu rufen: Das war aber unsere Idee. Dazu möchte ich Ihnen zwei Dinge sagen: Erstens ist es mir einigermaßen egal, wessen Idee im Moment hilft, um die Lage der Menschen zu verbessern.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN und der FDP)

Der Senat hat es aber in diesem Zusammenhang getan und er hat es gut getan.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens bleibt festzustellen: Wir haben bisher keine Turnhallen genutzt, die dem Schulsport zur Verfügung stehen. So schlecht, wie Sie das alles darstellen, sind wir nämlich nicht, im Gegenteil, gemessen an der Arbeit, die geleistet werden muss, schafft Hamburg das ziemlich gut.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es kommt kein anonymer Flüchtlingsstrom zu uns. Es kommen Menschen, die vor Tod, Gewalt und schlimmsten Qualen geflüchtet sind, und ich möchte noch einmal den Appell an Sie loswerden: Lassen Sie uns ihnen helfen. Wir können das.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Bekeris. – Nun hat Frau Möller von der GRÜNEN Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit mehr als drei Stunden reden wir über Flüchtlingspolitik und haben noch nicht annähernd das gestreift, was das ganze Ausmaß der flüchtlingspolitischen Aufgabe in Europa oder weltweit angeht. Wir haben zum Beispiel noch

nicht über die Türkei gesprochen, weil Außenpolitik nicht unser Thema ist – dies nur als kleiner Hinweis. Wir können dieses Thema in der Bürgerschaft ruhig und gut und gern in einem groß gespannten Bogen besprechen. Von daher gab es heute einen guten Aufschlag durch die Regierungserklärung, durch die auch etwas abgehobeneren Reden der Fraktionsvorsitzenden – etwas abgehoben, Herr Dressel. Ein großer Bogen in durchaus positivem Sinne, ohne allerdings über Außenpolitik zu reden. Dabei wissen doch alle, was gemeint ist, und sicherlich haben viele von Ihnen auch die Lage der Länder des Arabischen Frühlings im Hinterkopf. Und dann landen wir immer wieder auf dieser Ebene, auch in den Ausschüssen, wo es heißt, es würde nicht einmal versucht, etwas zu ändern, es würden Dinge mit Füßen getreten und so weiter. Wir müssen aber auch einmal einen Schritt weiterkommen.

Für alle, die es sehen wollen, wird doch sichtbar, dass das, was zu langsam angelaufen ist, was nicht geklappt hat, was sich an Unstimmigkeiten in der Öffentlichkeit, innerhalb der Behörden, im Zusammenspiel auf verschiedenen Ebenen gezeigt hat, doch in den vergangenen Wochen und Tagen und manchmal sogar innerhalb von Stunden immer wieder korrigiert und nachgesteuert wurde und wird – einerseits durch öffentliche Kritik, durch Ihre, durch unsere Kritik, durch Selbsterkenntnis, wie auch immer. Es gibt eine klare Entwicklung hin zu weniger Fehlern, zu systematischerer, sortierterer Arbeit in der Flüchtlingsaufnahme und -betreuung und vor allem zu einer verlässlichen Verständigung, Information, Zusammenarbeit und Einbeziehung all der vielen Ehrenamtlichen und Freiwilligen. Das, finde ich, könnten Sie wenigstens ein bisschen zur Kenntnis nehmen und dementsprechend hier auch einmal erwähnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das ist nur so ein kleiner Wunsch. Das andere ist natürlich, dass wir zu Recht immer wieder darüber reden, was eigentlich auf Bundesebene passiert, und man gern auch Ländervergleiche macht. Frau Prien, Sie haben über den "Tagesspiegel" berichtet, Sie singen Lobesworte auf Bayern, das vieles vor allem mit Unterstützung der Bundespolizei schafft. Aber Sie reden doch lieber nicht über Berlin, glaube ich, denn selbst wenn Berlin weniger Zelte hat, hat es auf jeden Fall eine Unzahl von Zelten in öffentlichen Parks für Menschen, die überhaupt nicht mehr wissen, wo sie unterkommen sollen. Auch das ist eine Situation, die wir hier vermeiden wollen und zum Glück auch bisher nicht haben. In Einzelfällen gibt es das hier auch, das ist schon richtig, aber nicht in den Dimensionen wie in Berlin.

Die Vergleiche mit den anderen Bundesländern helfen uns im Detail nicht. Wir können von den besseren Strukturen lernen, wir können unsere Ar

(Ksenija Bekeris)

beitsmarktprogramme, die für die Zugewanderten und Flüchtlinge aufgelegt werden, vergleichen, und wir können auch den Standard vergleichen. Und doch ist es in jedem Bundesland anders. Auch das sollte man akzeptieren und nicht immer damit kommen, überall passiere etwas, nur in Hamburg nicht. Es stimmt schlicht und einfach nicht.

Wir sollten uns aber gemeinsam um das kümmern, was auf Bundesebene passiert. Wir sollten uns da überhaupt nichts vormachen – und auch das führt sicherlich wieder zu einem größeren politischen Streit –, denn es ist aus meiner Sicht völlig klar, dass weder Repression noch Verschärfung des Asylrechts und ähnliche Impulse den Hebel umlegen können. Auch Transit- oder Wartezonen werden überhaupt nichts daran ändern, dass Menschen weiterhin zu uns kommen. Was wir brauchen, ist die Beschleunigung von Verfahren und dann das schnelle Angebot an Bildung, Qualifizierung und Arbeitsmöglichkeiten, an Aufnahme in diese Gesellschaft. Dafür tun viele Bundesländer viel, dafür tut auch Hamburg viel, und daran werden wir auch weiterarbeiten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Möller. – Das Wort hat Frau Schneider von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich gemeldet, weil ich auf einen Punkt zu sprechen kommen möchte, der für uns LINKE sehr wichtig ist. Offensichtlich gibt es bei allen Differenzen in diesem Haus eine große Übereinstimmung darin, dass ein zentrales Mittel der Krisenbewältigung die Einteilung der Flüchtlinge in gute und schlechte ist. Wir tragen diesen Kurs nicht mit.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir appellieren an den Senat und die ihn tragenden Fraktionen, der Asylrechtsverschärfung am Freitag im Bundesrat nicht zuzustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt keine Möglichkeit, die Fluchtbewegung von Millionen Menschen zu blockieren, solange sich an den Fluchtursachen nichts ändert. Abschreckung, Abschottung, Zäune, Repression, Schikane verstärken das Leid der Flüchtlinge, erhöhen die Gefahr und treiben die Zahl der Toten in die Höhe – und diese Zahl ist schon unerträglich hoch –, ändern aber nichts daran, dass Menschen immer und immer wieder versuchen, Krieg, Verfolgung und Elend zu entkommen, und in anderen Ländern Schutz suchen. Deshalb darf das Asylrecht nicht weiter eingeschränkt und verschärft werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Man redet so neutral und unverfänglich vom Westbalkan. Auch Sie, Herr Bürgermeister, der Sie jetzt hinausgegangen sind, weil Sie das natürlich nicht gern hören wollen, haben das getan. Die Festlegung der Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsländer richtet sich – jeder weiß es – im Wesentlichen gegen die Minderheit der Roma. Mit dieser Festlegung von sicheren Herkunftsstaaten verlieren die Roma das Recht darauf, dass ihr Schutzersuchen, ihr Antrag auf Asyl, individuell geprüft wird.

(Milan Pein SPD: Stimmt doch nicht!)

Ein individuelles Recht – und das Asylrecht ist ein individuelles Recht – wird für Roma per Dekret abgeschafft.

(Milan Pein SPD: Das stimmt doch nicht!)

Ausweitung der sicheren Herkunftsländer ist nicht, wie Sie, Frau Möller, gesagt haben, schlechte Symbolpolitik. Sie ist schlecht, ja, aber sie ist keine Symbolpolitik. Sie ist real und hat real schlechte Auswirkungen. Diese Regelung verweigert den Roma faktisch das Recht, die Gründe, warum sie einen Schutzstatus beantragen, überhaupt angemessen darzulegen. Ihnen wird schon die Möglichkeit geraubt, einen solchen Status zu erhalten. Diese Festlegung macht es für Roma, für diese einzige europäische Minderheit, absolut unmöglich, den Zyklus von Antiziganismus, Diskriminierung, Entrechtung und Marginalisierung zu durchbrechen. Sie macht es überall unmöglich, auch hier. Deshalb soll der Senat der Asylrechtsverschärfung im Bundesrat nicht zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Er soll auch deshalb nicht zustimmen: Es ist vorgesehen, für bestimmte Gruppen von Flüchtlingen die Sozialleistungen auf das physische Existenzminimum zu reduzieren. Aus migrationspolitischen Erwägungen soll die Absenkung von Leistungen unter das Niveau des menschenwürdigen Existenzminimums gedrückt werden. Das hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom Juli 2012 ausdrücklich ausgeschlossen – ich zitiere –: