Protocol of the Session on October 1, 2015

(Beifall bei der FDP)

Über die schlappe Absichtserklärung hinaus, die gleiche zehnprozentige Miniverbesserung für Kinder bis zu drei Jahren um ein Jahr vorzuziehen,

haben Sie in der neuen Legislaturperiode immer noch nichts zu bieten. Das ist immer noch das Gleiche, was Sie von Anfang an sagen. Fakt ist, dass Hamburg weiterhin das Schlusslicht unter den westdeutschen Bundesländern bleibt, und das, obwohl die Kita-Träger sich an den Kosten für die Qualitätsverbesserungen beteiligen. Fakt ist auch, dass der rot-grüne Senat im letzten Familienausschuss eingestehen musste, dass wohl noch mehr Bedarfe im Bereich Kinderbetreuung über die bisherige Haushaltsplanung hinaus auf uns zukommen. Das dürfte für die Verbesserung der Qualität in diesem Bereich auch nicht gerade zuträglich sein.

(Beifall bei der FDP)

Vielleicht helfen da die möglichen Rückforderungen, die der Senat aufgrund des Kita-Streiks an die Träger stellen könnte. Unser FDP-Antrag zu dieser Frage wird morgen Abend im Familienausschuss beraten, und ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse dazu.

Meine Damen und Herren! Es ist ein denkbar schweres Erbe, das der Senator Scheele a. D. seiner Nachfolgerin überlassen hat, und es wirft ein denkbar schlechtes Licht auf Ihre Haushaltskompetenz, liebe Kollegen von Rot-Grün. Kein Wunder, dass Sie jetzt genau mit den frei werdenden Mitteln aus dem Betreuungsgeld planen. Der Bund muss also wie schon bei vielen anderen Stellen wieder einmal für Sie einspringen, muss es wieder einmal für Sie richten. Seriöse Haushaltsplanung sieht wahrlich anders aus.

(Beifall bei der FDP und bei Philipp Heißner CDU)

Es ist an dieser Stelle übrigens wieder bezeichnend. Bei jeder Debatte, die wir über die Kita-Qualität führen, stellen Sie sich vorne hin und sagen, wir bräuchten die Bundesmittel. Dann stelle ich mich hier vorn hin und frage Sie, was Sie machen, wenn Sie die Bundesmittel nicht bekommen. Daraufhin sagen Sie, im Koalitionsvertrag stehe, wir machen es sowieso. Und jetzt hat eben Herr Schmitt hier vorn gestanden und wieder gesagt, ohne die Bundesmittel könnten wir es nicht richten. Es wäre wirklich toll, wenn Sie sich einmal entscheiden würden, wie Sie diese Verbesserungen im Kita-Bereich umsetzen wollen, statt sich im Grunde bei jedem Redebeitrag zu widersprechen und immer wieder das Gegenteil zu behaupten.

(Beifall bei der FDP und bei Philipp Heißner CDU – Zuruf: So ein Quatsch!)

Wenn man das vorliegende Dokument liest, sieht man, wie weit Rot-Grün mittlerweile den eigenen Ansprüchen hinterherhinkt. Das Ziel der allgemein anerkannten notwendigen Betreuungsquoten von 1:7 im Elementarbereich und 1:4 im Krippenbereich wird für die Jahre 2025 und 2026 in Aussicht gestellt. Diese Prognose ist schon etwas älter; in

(Mehmet Yildiz)

sie ist noch nicht eingeflossen, dass aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen große zusätzliche Herausforderungen auf viele Kitas zukommen werden. Dieser Zeitplan, den sich Rot-Grün gesetzt hat, ist schon jetzt wieder Makulatur. Insbesondere Sie, werte Genossinnen und Genossen der SPD, haben mit einigen falschen Weichenstellungen, wie zum Beispiel dem übereilt eingeführten kostenlosen Kita-Mittagessen, bereits in der vergangenen Legislaturperiode dazu beigetragen, dass wir jetzt vor dem Problem stehen, die Qualität der Kitas nicht ausreichend schnell verbessern zu können. Nun fehlen Ihnen schlicht die Mittel, um eine angemessene Verbesserung der Qualität sicherzustellen. Das ist unseriöse Schaufensterpolitik zulasten der Kleinsten. Wir brauchen dringend eine Umsteuerung in diesem Bereich.

(Beifall bei der FDP und bei Philipp Heißner CDU)

Vielen Dank, Herr Oetzel. – Nun hat Herr Dr. Flocken von der AfD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete! Der avisierte Betreuungsschlüssel von 1:4 ist kein realer Betreuungsschlüssel, da aufgrund von Verwaltungsarbeit, Dokumentation, Elterngesprächen, Urlaub, Fortbildung und häufiger Krankheit sicher weit weniger herauskommt als 1:4.

(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Wer schon einmal in einer Kita war, weiß, dass die Betreuung im Elementarbereich zu einem großen Teil aus Windelwechseln besteht. Das will ich überhaupt nicht schlechtreden. Glücklicherweise ist auch das eine Tätigkeit, bei der man die Gelegenheit hat, das Kind einzeln anzusprechen, Kontakt mit ihm aufzunehmen, egal ob es ein bockiges Kind ist oder ein Kind, das mithilft. Das gelingt nicht immer, manchmal können Kinder dabei nicht wie Individuen behandelt werden.

Eine andere Sache ist, dass durch die plötzliche massive Exposition der Kleinkinder mit vielfältigen und für ihr Immunsystem fremden Bakterien und Viren häufig Infektionen des Atmungs- und auch des Verdauungstrakts einhergehen, oft im Abstand von wenigen Wochen. Typischerweise werden auch fiebernde Kinder in der Krippe abgegeben, oft nachdem gegen den Rat von Kinderärzten fiebersenkende Mittel gegeben wurden.

(Anna Gallina GRÜNE: Das ist doch Quatsch!)

Natürlich wird das gemacht, das wissen Sie doch. Sie wissen doch, dass die Frauen nur acht oder zehn Tage ihrer Arbeit fernbleiben können

(Anna Gallina GRÜNE: Die Männer auch!)

und die Kinder wesentlich häufiger krank sind.

Es wird Druck auf Ärzte ausgeübt, sinnlose Antibiotikagaben mit den Ihnen bekannten Folgen zu verschreiben. Fiebersenkende Mittel schwächen die Abwehrkräfte und provozieren Komplikationen und Chronifizierung. Es liegen dann apathische Kinder neben lebhaften Kindern in einem Raum, dazwischen diejenigen, die mit einer ausgeprägten Ausschüttung von Stresshormonen reagieren – und dabei soll dann Spracherwerb stattfinden. Ich weiß, wie gering die Quote derjenigen Parlamentarier ist, die selbst Kinder haben. Deshalb möchte ich einmal die wesentlichen Schritte beim Spracherwerb skizzieren.

Bis zum Alter von 17, 18 Monaten können die meisten Kinder wenig mehr als fünf Worte sprechen. Danach setzt die Phase ein, in der der Wortschatz mit einem Erwerb von ungefähr fünf Worten pro Tag explodiert. Weitere fünf, sechs Monate später beginnt dann die Zweiwortsprache und ab Beginn des dritten Lebensjahrs werden zuerst einfache Sätze gebildet, und wenn es gut läuft, ist das Kind dann mit drei Jahren so weit, dass es zwar noch keine perfekten, aber grammatikalisch korrekte Sätzen sprechen kann. Jetzt behaupten Sie, es sei für die Migranten wichtig, dass in diesem Alter ein doppelter Spracherwerb stattfindet. Das ist möglich, wenn alles optimal läuft, wenn das Kind gesund ist, wenn nicht irgendwelche Schäden vorliegen, wenn klare Verhältnisse herrschen; zum Beispiel wenn der Vater Englisch und die Mutter Deutsch spricht oder wenn die Großeltern die eine, die Mutter die andere Sprache sprechen oder wenn die Tagesmutter oder die Erzieherin in der Kita alle ganz klar und korrekt die gleiche Sprache sprechen und die andere Sprache zu Hause gesprochen wird. Das ist ein sehr störanfälliges System. Wenn das alles funktioniert, kann ein Kind zwei Sprachen gleichzeitig lernen. Wenn aber irgendetwas schiefläuft, dann kann ein Kind mit vier, fünf und später sechs Jahren, wenn es eingeschult worden ist, keine der Sprachen wirklich gut sprechen. Für einen wirklichen Spracherwerb ist es bei Migrantenkindern, die zu Hause nicht Deutsch sprechen, völlig ausreichend, wenn sie mit drei Jahren in den Kindergarten kommen. Im Alter von drei bis sechs Jahren kann jedes normale Kind hervorragend Deutsch lernen. Das ist auch der Grund, warum die Mehrheit der Eltern ihren Kindern diese Zustände nicht zumutet. Meistens wird das nur aus der Not heraus gemacht; die Geringverdiener machen das. Wer mehr verdient, sucht nach anderen Möglichkeiten.

Wer wollte da einer Verbesserung dieser Situation nicht zustimmen? Wie ich geschildert habe, sind allerdings einige dieser Dinge durch den Betreuungsschlüssel überhaupt nicht beeinflussbar. Jetzt frage ich Sie: Wer aber wollte nicht der Unterstüt

(Daniel Oetzel)

zung einer jungen Familie zustimmen, deren Budget sich durch den Nachwuchs drastisch vermindert hat und die ihrem Kind etwas Besseres geben will als das, was ich eben geschildert habe? Genau das verweigern Sie den armen Familien und wollen nun die Situation der Krippen verbessern. Es ist ja nicht Ihr eigenes Geld, sondern das Geld, das Sie den Familien durch ständig steigende Steuern und Abgaben weggenommen haben.

Ich weiß, dass Sie mit Vielfalt, Freiheit, Gleichberechtigung und Toleranz große Probleme haben. Ich würde Ihnen wirklich gönnen, dass Sie Ihr ideologisches Steckenpferd reiten, wenn Sie dabei ein Minimum an Fairness walten ließen. Ich werde meiner Fraktion deshalb empfehlen, Ihrem Antrag nicht zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Vereinzelter Beifall bei der AfD)

Herr Abgeordneter, darf ich Sie darauf hinweisen, dass wir lediglich eine Drucksache zur Kenntnis nehmen sollen. Gleichzeitig hat sich aber auch die Senatorin zu Wort gemeldet. – Frau Senatorin Dr. Leonhard, Sie haben es.

Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Angesichts des vielen, was zu diesem Thema schon gesagt wurde, möchte ich nur auf wenige Kernpunkte eingehen, die mit dem Ersuchen zu tun haben und uns auch in der Zukunft noch beschäftigen werden. In weiten Teilen dieses Hauses ist es unbestritten, dass frühkindliche Bildung von besonderer Bedeutung für das gesunde und chancengerechte Aufwachsen von Kindern ist. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass ein früher Kita-Besuch dazu beiträgt, später in der Schule weniger Sprachförderbedarf zu haben. Nicht umsonst hat sich Hamburg relativ früh mit dem Ausbau seines Kita-Systems auf den Weg gemacht, um möglichst vielen Kindern und Eltern Zugang zu guter Bildung und Betreuung zu ermöglichen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir wollen nicht vergessen – und das ist, glaube ich, bundesweit beispielhaft –, dass seit Beginn des Krippenausbauprogramms schon 2008, das möchte ich ausdrücklich sagen, sich die Zahl der unter dreijährigen Kinder in früher Bildung und Betreuung mehr als verdoppelt hat, und wir nehmen durchaus wahr, dass immer mehr Eltern auch explizit die Krippenbetreuung anwählen. Auch das spricht dafür, dass es eine hohe Grundzufriedenheit mit dem Angebot in der Stadt gibt und dass die Verfügbarkeit, die wir herstellen, richtig ist.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Mit dem Ersuchen, über dessen Umsetzungsstand ich heute zum ersten Mal berichte, hat die Bürger

schaft den Senat aufgefordert, zudem konkrete Schritte zur Verbesserung der Qualität in den Hamburger Kitas vorzunehmen. Im vergangenen Dezember ist dazu ein umfangreicher Antrag beschlossen worden, der eine schrittweise Verbesserung der Qualität zunächst in der Krippe und später auch im Elementarbereich vorsieht. Gut ist, dass die erste Stufe im April dieses Jahres in Kraft getreten ist. Das war eine große Anstrengung und wir sind ausdrücklich froh darüber, dass es im gemeinsamen Einverständnis, welch großen Aufwand es erfordert, in einer Millionenstadt wie Hamburg eine Betreuungsquote hinzubekommen, wie wir sie erreicht haben – und sie ist in diesem Jahr nochmals gestiegen –, gelungen ist, auch die großen Kita-Träger und -Verbände mit an Bord zu nehmen, und diese sich mit einem 0,5 Prozentpunkte großen Beitrag an der Finanzierung dieser Verbesserungen beteiligen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Deutlich an die CDU und die FDP gerichtet: Trotz aller genannten Fortschritte in Sachen Qualität sind wir uns darüber im Klaren, dass sowohl der quantitative als auch der qualitative Ausbau weiter vorangetrieben werden müssen. Quantität, denn wir haben noch immer Stadtteile, wo es noch nicht genug Krippen- und Kita-Angebote gibt und wo wir noch besser werden müssen im Sinne von Chancengerechtigkeit, und Qualität – darüber haben wir schon viel gesprochen –, weil es eben sehr darauf ankommt, dass Kinder immer Bezugspersonen haben, die gut ausgebildet und für sie da sind. Hier wollen wir uns gemeinsam auf den Weg machen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Ob Ihnen das nun gefällt oder nicht, der Ländermonitor Frühkindliche Bildung von der Bertelsmann Stiftung – wenn man schon Studien zitiert, dann muss man sich auch die Mühe machen, sie vollständig zu lesen – attestiert uns, dass sich das Betreuungsverhältnis stark verbessert hat. Er hat schon immer attestiert, dass wir qualitativ relativ gut aufgestellt sind und beim Betreuungsschlüssel Nachholbedarf haben. Hieran müssen wir anknüpfen. Mit dem Ersuchen, das einen regelmäßigen Bericht vorsieht, unterstützt auch die Bürgerschaft die Umsetzung der im Dezember vergangenen Jahres zwischen BASFI und den Kita-Verbänden abgeschlossenen Eckpunktevereinbarung.

Im nächsten Schritt wird am 1. August nächsten Jahres und damit sogar noch ein Jahr früher als geplant die Fachkraft-Kind-Relation auch für Kinder im Alter von bis einschließlich 36 Monaten um 10 Prozent angehoben. Ziel ist es, bis zum Sommer 2019 im Krippenbereich einen Personalschlüssel von 1:4 zu erreichen. Das sind anspruchsvolle Ziele und deswegen sind wir sehr froh, dass es – und somit komme ich zum zweiten Punkt des Er

(Dr. Ludwig Flocken)

suchens – auf Betreiben des Hamburger Senats gelungen ist, mit der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht das Ungerechtigkeit vorantreibende Betreuungsgeld zu kippen, und dass es durch den engagierten Einsatz von Hamburg und vielen anderen Ländern im Zusammenhang mit den Flüchtlingsberatungen auf Bund-Länder-Ebene gelungen ist, dass dieses Geld jetzt auch in die Kitas in den Ländern investiert werden darf. Das ist gut und wird uns bei der Umsetzung helfen und auch dabei, die große Integrationsherausforderung, die vor uns liegt, in dieser Stadt anzupacken.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es ist unbestritten, dass Hamburger Kitas gute Arbeit leisten. Das belegen die hohen Betreuungsquoten. Die pädagogischen Fachkräfte, die KitaLeitungen und die Kita-Träger tragen mit ihrer täglichen Arbeit dazu bei, dass Krippen und Kitas nicht nur als Betreuungseinrichtungen, sondern auch als Bildungsinstitutionen gelten. Kindertagespflege ermöglicht hamburgweit vielen Eltern große Flexibilität. Ohne ihre engagierte und professionelle Arbeit wäre diese erreichte Qualität nicht möglich. Gemeinsam mit den beteiligten Akteuren werden wir weitere Schritte zur Qualitätsverbesserung verlässlich unternehmen, so, wie wir es versprochen haben. Das sind wir den Eltern und auch den in den Kitas Beschäftigten schuldig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Nun liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich stelle fest, dass die Bürgerschaft von der Drucksache 21/1479 Kenntnis genommen hat.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 20, Drucksache 21/1504, Bericht des Ausschusses für Sport und Olympia zum Thema "Hamburgs Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Spiele – Sachstandsbericht Sportstättenkonzept".

[Bericht des Ausschusses für Sport und Olympia zum Thema: "Hamburgs Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Spiele – Sachstandsbericht Sportstättenkonzept" – Drs 21/1504 –]

Hier sind die Fraktionen übereingekommen, auf die Debatte zu verzichten.