Protocol of the Session on October 1, 2015

Es gibt Großküchen, die davon leben, ein leckeres, möglichst gesundes Essen für ältere Menschen zu produzieren, die nicht mehr selbst kochen wollen oder können. Es ist gut, dass wir so ein Angebot in der Stadt haben. Bei einer staatlichen Subventionierung von Produktionsküchen könnte es möglicherweise zu einem unfairen Wettbewerb von Großküchenanbietern kommen.

Der Antrag der AfD ist gegenüber den Hilfsbedürftigen bevormundend und zeugt von einem Verständnis von Sozialpolitik, das wir nicht teilen.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg und René Gögge, beide GRÜNE)

Wir werden den Antrag ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE – Jens-Peter Schwieger SPD: Das war doch mal sauber hergeleitet!)

Das Wort bekommt Frau Grunwaldt von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kollegen von der AfD-Fraktion, Ihr Antrag macht mich ehrlich gesagt ein wenig ratlos. Ich habe selten so viel Wirrwarr gelesen.

(Michael Kruse FDP: Sie haben den Antrag der LINKEN nicht gelesen!)

Und wenn ich jetzt auch noch höre, dass Sie das Thema Armutsbekämpfung rein betriebswirtschaftlich betrachten, dann finde ich das schon mehr als erschütternd.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Unabhängig von den rechtlichen Ausführungen, die die Kollegin eben gemacht hat, wird in der Antragsbegründung alles wild durcheinandergewürfelt: Niedriglohn, Alleinerziehende, Altersarmut, Asylbewerber. Das alles will ich jetzt nicht auseinanderklamüsern, das hat der Antrag auch nicht verdient. Entscheidend ist aber, dass der Kern Ihrer Forderung, Transferleistungen in Sachleistungen umwandeln zu wollen, eine Entmündigung und Geringschätzung der betroffenen Menschen darstellt.

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich frage mich, was Sie in Wirklichkeit wollen. Wollen Sie Armenküchen einrichten, oder wollen Sie Armut bekämpfen? Was unterstellen Sie den bedürftigen Menschen? Dass sie nicht mit Geld umgehen können? Dass sie sich nicht richtig ernähren können? Oder dass sie alles für – wie haben Sie es genannt, ich weiß es gar nicht mehr so genau – Suchtgeschichten ausgeben? Das ist eine Unterstellung, die wir definitiv nicht mittragen können.

Außerdem widersprechen Sie sich in Ihrem eigenen Antrag. Anfangs sprechen Sie von den alten Menschen, die aus Scham keine Grundsicherung beantragen, aber in eine Produktionsküche sollen sie gehen. Dann sagen Sie, dass den Menschen durch die regelmäßige Einnahme des Essens in Produktionsküchen ernährungsbewusstes Verhalten vermittelt wird. Das Problem dabei ist nur, dass sie das Essen vorgesetzt bekommen. Die Menschen sollen sich aber, wenn möglich, gesundes Essen selbst zubereiten. Das wird so in Ihrem An

(Brigitta Schulz)

trag nicht vermittelt. Da lobe ich mir doch unsere Hamburger Tafel, die circa 80 soziale Einrichtungen mit Lebensmitteln beliefert und somit 15 000 Bedürftige pro Woche versorgt, und das nicht nur mit vorgekochtem Essen, sondern sie bietet tatsächlich 25 Kochkurse an.

Ich finde es ein wenig abenteuerlich, dass Sie dann noch den großen Bogen dahin gehend schlagen, dass die Produktionsküchen für Bedürftige auch der Sozialkompetenz der Schüler zugutekommen.

In jedem Fall ist das der völlig falsche Ansatz. Richtig ist, Alleinerziehende bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstützen. In Hamburg benötigen 23 400 Menschen, die älter als 64 Jahre sind, staatliche Unterstützung. Dieses Problem muss angegangen werden, und da helfen auch Ihre öffentlichen Küchen nicht. Insofern lehnen wir den Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Frau Dr. von Berg von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wie meine Vorrednerinnen ausgeführt haben, ist dieser Antrag vor allen Dingen fachlich und politisch sehr ungenau und, wie auch schon der gestrige Antrag, wirklich schlecht recherchiert. Es beginnt schon mit der Überschrift. Wenn Sie sich die genau durchlesen, dann müssen die bedürftigen Menschen die Essensausgabe organisieren. Das ist echt peinlich.

Dann geht es weiter mit einem mathematischen Fehler. Sie sagen, eine Küche koste 750 000 Euro, also eine Dreiviertelmillion. Für 20 Küchen werden dann aber auf einmal 20 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das passt mathematisch auch nicht so richtig. Das sind also schon einmal zwei eklatante Fehler, die ich in diesem Parlament peinlich finde.

Weiter geht es damit, dass Sie weder Folgekosten bedenken noch ausrechnen, aber solche Dinge muss man schon bis zum Ende durchdenken. Es ist nämlich so, dass diese 3,50 Euro pro Mittagessen für nichtschulische Teilnehmerinnen und Teilnehmer überhaupt nicht realistisch sind. Darüber sollten Sie sich vielleicht einmal mit Caterern unterhalten. Dann müssten Sie sich auch mit Caterern darüber unterhalten, wie viele Essensportionen für eine Mahlzeit gekocht werden müssen. Es müssen verbindlich 200 Mahlzeiten pro Essensausgabe sein. Wir haben ausgerechnet, dass das alles pro Standort pro Jahr 280 000 Euro kosten würde. Wenn das noch betriebswirtschaftlich sein soll,

dann weiß ich nicht, wo Sie Ihren Betriebswirtschaftskurs gemacht haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Sie müssen auch bedenken, dass es natürlich Konzessionsverträge mit den Caterern gibt. Man kann von ihnen doch nicht verlangen, jetzt auch noch Abendessen zuzubereiten und am Wochenende zu öffnen. Das sind alles Personalkosten, die hinzukommen und die die Kolleginnen und Kollegen von der AfD nicht bedacht haben. Sie haben wirklich schlampig gearbeitet, das kann ich gar nicht anders sagen.

Und wenn Sie sich einmal in den Produktionsküchen der Schulen umsehen und sich deren Konzepte anschauen, dann wüssten Sie, dass viele dieser Ideen, die in Ihrem Antrag durcheinandergewürfelt werden, schon jetzt auf freiwilliger Basis umgesetzt werden.

Wie meine Vorrednerin, Frau Grunwaldt, sehr eindrücklich dargelegt hat, ist Ihr Antrag wirklich eine wirre Ansammlung von falschen Daten und falschen Zahlen. Sie werfen Altersarmut mit Niedriglohnsektor in einen Topf, setzen Bedürftigkeit noch obendrauf und Küchen noch obendrauf. Sie setzen irgendwelche Schülerinnen und Schüler und Begegnungen am Wochenende und am Abend noch obendrauf. Da ist nichts genau,

(Sylvia Wowretzko SPD: Tja, AfD halt!)

da ist keine politische Zielrichtung zu erkennen, irgendwie ist das ein Konglomerat von allem. Ihre Lösungen sind letztendlich Armenküchen. Ihre Lösungen sind Sach- statt Geldleistungen. Wie schon ausgeführt wurde, sind das wirklich billige Lösungen, das sind überhaupt gar keine Lösungen. Angesichts dieser komplexen Ausgangslage, die wir bei uns vorfinden, empfehlen wir Ihnen wirklich, sich einmal die Sozialgesetzbücher unseres Landes in aller Ruhe durchzulesen und tatsächlich auch komplexe Antworten zu suchen anstatt billige Lösungen anzubieten. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Celik von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die AfDFraktion beschreibt in ihrem Antrag die Ursachen der Altersarmut, zieht daraus aber vollkommen falsche Schlussfolgerungen. Statt Vorschläge für die Bekämpfung der Ursachen von Altersarmut einzubringen, zielen Sie mit Ihrem Antrag darauf ab, neue Abhängigkeiten zu schaffen und die Menschen ihrer Würde zu berauben. Es ist auch unerträglich, wie Sie in der Begründung Ihres Antrags die Menschen zu Kostenfaktoren degradieren. Ihr Vorschlag, Geldleistungen durch Sachleistungen

(Franziska Grunwaldt)

zu ersetzen, zeugt davon, dass Sie in Ihrer radikalen Marktideologie den Sozialstaat als Ballast sehen und weiterschleifen wollen.

Unsere Fraktion findet es zutiefst beschämend, dass in einer der reichsten Städte Europas viele Menschen nicht mehr von ihrer Rente leben können und wir über Essensausgabe an bedürftige Menschen debattieren müssen. Ich frage den Senat: Wie lange wollen Sie noch tatenlos zusehen, wie die Altersarmut in unserer Stadt stetig steigt? Die Zahlen können Sie auch dem Antrag der AfDFraktion entnehmen. 7 Prozent aller in Hamburg lebenden Rentnerinnen und Rentner sind zusätzlich auf Zuschüsse für Grundsicherung angewiesen, weil ihre Renten unterhalb der Armutsgrenze liegen. Damit ist und bleibt Hamburg unter einer SPD-Regierung die Hauptstadt der Altersarmut.

Ich war heute beim Festtag zum Internationalen Tag der älteren Menschen, der vom DGB Hamburg Senioren und dem Landesseniorenbeirat ausgerichtet wird. Es waren viele SPD-Bürgerschaftsabgeordnete anwesend, auch die Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks war zugegen. Viele Seniorinnen und Senioren, die sich ehrenamtlich engagieren, beteiligten sich an der Veranstaltung. Mehrere Personen aus dem Publikum haben in der Fragerunde unter tosendem Beifall den Senat aufgefordert, endlich etwas gegen die Altersarmut zu unternehmen und vor allem viel mehr altersgerechte und bezahlbare Wohnungen zu bauen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie schon auf unsere Forderungen nicht hören, dann hören Sie doch auf die Menschen, die sich in Seniorenbeiräten engagieren, und tun Sie endlich etwas gegen die Altersarmut.

(Sylvia Wowretzko SPD: Aber zum Antrag ist das nicht, oder?)

Wir als Fraktion fordern zum Beispiel schon seit Langem den massiven Bau von Sozialwohnungen. Auch wenn Sie sagen, Sie täten etwas dafür, ist doch Fakt, dass mehr Sozialwohnungen aus der Bindung fallen als neue geschaffen werden.

Meine Damen und Herren! Das Ausmaß der Altersarmut ist dramatisch. Immer mehr ältere Menschen gehen einer Erwerbstätigkeit nach, zumeist aus purer Not, oder sie sammeln Pfandflaschen; auch das gehört mittlerweile in Hamburg zum Stadtbild. Altern in Würde sieht ganz bestimmt anders aus. Daran werden auch Armenküchen, maskiert als erweiterte Schulspeisung, nichts ändern. Im Gegenteil, damit schafft und etabliert man neue Strukturen der Abhängigkeit und verteilt kleine Almosen, mit denen man alte Menschen im wahrsten Sinne des Wortes abspeisen will. Es muss aber darum gehen, die Ursachen der Altersarmut zu bekämpfen, Bedürftigkeit zu verhindern und gar nicht erst entstehen zu lassen. Ruhestand in Würde, soziale Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben in

sozialer Sicherheit, das müssen die erklärten Ziele sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Um drohende Altersarmut zu verhindern, müssen die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt erheblich verbessert werden. Nur wenn genügend gute Arbeitsplätze mit gutem Lohn oder Gehalt vorhanden sind, können die Menschen ausreichende Rentenansprüche erwerben. Und wenn Sie, wie der Senat es beschlossen hat, den Landesmindestlohn auf 8,67 Euro setzen, dann treiben Sie die Menschen, die davon leben müssen, direkt in die Altersarmut.

Frauen sind in besonderem Maße von Armut generell und von Altersarmut betroffen. Sie stellen den größten Teil der zu Niedriglöhnen Beschäftigten. Im Durchschnitt bekommen sie 60 Prozent weniger Rente als Männer. Zu niedrige Löhne, Lücken in der Erwerbsbiografie durch Erziehung der Kinder oder die Pflege von Familienangehörigen führen zu Armutsrenten.

Eine weitere gravierende Ursache für drohende Altersarmut sind die Rentenkürzungen. Anstelle von Suppenküchen bedarf es einer sozial gerechten Rentenpolitik, damit Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, im Alter nicht zu Bittstellern und Almosenempfängern degradiert werden. Die Zeiten niedriger Löhne und Gehälter, der Erwerbslosigkeit, der Kindererziehung und der Pflege von Angehörigen müssen deutlich besser abgesichert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen genügend öffentliche Angebote zur Kinderbetreuung und zur Pflege von Angehörigen. Wir brauchen auch genügend altersgerechte Sozialwohnungen mit angemessenen Mietpreisen. Nur durch die Bekämpfung der Ursachen lässt sich Altersarmut nachhaltig bekämpfen und verhindern. Nur so wird gewährleistet, dass alten Menschen das zusteht, was sie verdienen: ein Ruhestand in Würde, soziale und kulturelle Teilhabe und vor allem ein selbstbestimmtes Leben in wohlverdienter sozialer Sicherheit. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau Dutschke von der FDP-Fraktion.