Protocol of the Session on January 29, 2020

Wer wünscht nun das Wort?

(Banner werden von den Bürgerschaftslo- gen heruntergelassen.)

Bevor Frau Dr. Schaal von der SPD-Fraktion das Wort bekommt, unterbreche ich kurz die Sitzung und bitte die Ratsdiener, mit dem Einsammeln der – wie nennt man das? – Banner zu beginnen.

Unterbrechung: 15.52 Uhr

Ich möchte darauf hinweisen, dass diese Demonstrationen vor unserer Debatte in diesem Haus nicht zulässig sind und das Fotografieren auch nicht. Das war der erste Punkt, den ich anmerken würde, und ich bitte Sie, das einzustellen.

Ich bitte noch einmal darum, mit dem Einsammeln dieser Banner zu beginnen, und weise darauf hin, dass wir, wenn das jetzt nicht freiwillig eingezogen wird, dann die Polizei bitten müssten, es zu machen. Ich glaube, das möchte jeder von uns verhindern. – Es reicht nicht, wenn Sie diese Banner zu sich in die Loge zurückziehen. Sie müssten wirklich abgebaut werden und das relativ unver

züglich, auch die Plastikkabelbinder. Ich weise noch einmal darauf hin, dass das durchaus ein ernst gemeinter Appell von mir ist, und es liegt an Ihnen, jetzt mitzuhelfen, dass die Sitzung wieder fortgeführt werden kann. Sonst müssen wir wirklich die Polizei bitten, dass sie Ihre Personalien feststellt. – Ich bitte auch die in der hinteren Loge, schon einmal mit den Arbeiten zu beginnen. – Dann gebe ich noch einmal den ernst gemeinten Hinweis mit dem Fotografieren. Das Fotografieren ist nicht erlaubt, und ich bitte, es zu unterlassen.

Ich denke, wir haben diese Situation hier vergleichsweise liberal gelöst; man hätte es anders lösen können. Ich würde jetzt gern mit der Debatte fortfahren.

Wiederbeginn: 15.55 Uhr

Ich habe Ihnen schon erzählt, was alles als Drucksache vorliegt, und habe dann Frau Dr. Schaal von der SPD-Fraktion gebeten, das Wort zu nehmen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vielen Dank. Ja, vielleicht auch noch ein Wort an die Tribüne. Wir wissen sehr wohl, was auf der Straße vor sich geht. Wir wissen sehr wohl, dass sehr viele junge Leute für schärferen Klimaschutz auf der Straße demonstrieren. Sie bringen dieses eine Interesse voran, aber wir haben hier im Parlament noch auf mehr Rücksicht zu nehmen. Wir müssen sozialen Ausgleich schaffen. Und das tun wir hier, und der Verantwortung werden wir auch beim Klimaschutz gerecht.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Anjes Tjarks GRÜNE)

Das Klimapaket des Senats haben wir ab dem 7. Januar 2020 in einer öffentlichen Anhörung zur Diskussion gestellt. Wir haben dazu in zwei Ausschüssen, in zwei Expertenanhörungen mit vier Ausschüssen 19 Experten gehört. Wir haben den Senat befragt, und wir haben die Verfassungsänderung im Verfassungsausschuss erörtert. Das ist in der kurzen Zeit schon eine beachtliche Leistung.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Anjes Tjarks GRÜNE – André Trepoll CDU: So kann man es ausdrücken!)

Vielen Dank an alle Fraktionen, auch an Sie, Herr Trepoll, dass wir das Thema heute einvernehmlich auf die Tagesordnung setzen konnten. So können wir noch in dieser Wahlperiode das gesamte Klimaschutzgesetz und auch die Verfassungsänderung in 14 Tagen endgültig verabschieden – noch in dieser Wahlperiode, möchte ich hinzufügen.

(André Trepoll CDU: Aber nicht vollständig!)

Mit der Verfassungsänderung sind wir im Bundesvergleich weiterhin vorn, denn kein anderes Bundesland hat die Begrenzung der Erderwärmung als

(Vizepräsidentin Barbara Duden)

Staatsziel in seine Landesverfassung aufgenommen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Stephan Jersch DIE LINKE)

Der Verfassungsausschuss ist unter anderem auch der Frage nachgegangen, welche Rechtsfolgen die Ausweitung der Staatszielbestimmungen auf den Klimaschutz und auf das Rechtssystem dann haben. Das Staatsziel wird in Abwägungsprozessen und bei der Auslegung von Ermessensfragen, etwa bei der Beeinträchtigung von Eingriffen in Eigentumsrechte, herangezogen, kann aber auch im Zusammenhang mit Volksinitiativen eine Rolle spielen und prägt so die Rechtswirklichkeit. Es ist mehr als Deklaratorik. Ferner bedeutet das Staatsziel Klimaschutz eine politische Selbstbindung der politischen Gremien, die keineswegs mit der Vorlage des Klimaplans erledigt ist. Verantwortung für die Begrenzung der Erderwärmung zu übernehmen bedeutet, dass auch in künftigen Jahren immer wieder zu prüfen ist, ob und wie die getroffenen Maßnahmen für den Klimaschutz angewendet und möglicherweise aufgestockt werden müssen. Damit wird das Staatsziel, die Erderwärmung zu begrenzen, zum Motor eines wirksamen Klimaschutzes. Das ist ein starkes Signal an die Politik.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Den Bericht des Verfassungsausschusses zu lesen ist durchaus spannend. Vielen Dank allen, die daran mitgearbeitet haben.

Dass wir am Ende wegen des anstehenden Notifizierungsverfahrens das Klimaschutzgesetz doch noch ändern mussten, ist ärgerlich, aber auch heilbar, denn die nächste Bürgerschaft wird nach Abschluss des Verfahrens bei der EU-Kommission die entnommenen Paragrafen wieder ergänzen und ins Gesetz einfügen können. Während der Anhörung sind die Experten darauf nicht eingegangen, sondern haben Klimaplan und Klimaschutzgesetz positiv und als beispielgebend kommentiert. Natürlich haben sie auch Hinweise gegeben, was noch zu tun wäre, denn die Arbeit beginnt erst jetzt. Vor allen Dingen muss der Senat die Rechtsverordnungen auf den Weg bringen. Dazu ermächtigen wir den Senat heute beziehungsweise in 14 Tagen.

Die Anhörungen haben zahlreiche Hinweise gegeben, denen es sich noch nachzugehen lohnt. Fünf Punkte haben die Regierungsfraktionen in ihren Antrag aufgenommen. Wir brauchen dazu erst einmal aktuelle Daten für Energieverbräuche und Emissionen. Wir wollen die Klimaanpassung fachlich weiter ausdifferenzieren und ein umfängliches Monitoring aufbauen. Und wir wollen – das möchte ich hier ausdrücklich betonen, denn das ist für die Energiewende und den Klimaschutz sehr wichtig –, dass Strom aus erneuerbaren Quellen durch Reduzierung von Steuern und Umlagen zusammen

mit Netzentgeltanpassungen und dem vereinbarten CO2-Preis flexibel, netzdienlich und wirtschaftlich eingesetzt werden kann. Für entsprechende Gesetzesänderungen soll der Senat sich auf Bundesebene, ich kann schon sagen, erneut starkmachen. Das ist ein großes Thema und beschäftigt die Fachwelt nicht nur in Hamburg.

Ich bitte um Zustimmung, auch zu unserem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Gamm von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesem Haus herrscht weitgehend Einigkeit darin, die Anstrengungen für mehr Klimaschutz zu steigern und diesem Handlungsfeld einen höheren politischen Stellenwert einzuräumen. Daher ist es auch folgerichtig, den Klimaschutz in die Hamburgische Verfassung aufzunehmen. Auch die CDUFraktion wird dieses Vorhaben unterstützen und der Verfassungsänderung zustimmen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Interessant ist, dass die GRÜNEN in Bayern ein solches Vorhaben gerade verhindert haben. Offenbar steht selbst bei den GRÜNEN der Klimaschutz nicht immer an erster Stelle, sondern nur dann, wenn er einen taktischen oder populistischen Zweck erfüllt. Klar ist jedoch auch, dass allein durch den Verfassungsrang für den Schutz des Klimas noch nichts erreicht ist.

Und damit gelangen wir auch schon zum Hamburger Klimaplan und zum Hamburgischen Klimaschutzgesetz. Pleiten, Pech und Pannen, das sind die Begriffe, die mir dazu einfallen, wie dieser Senat bislang beim Thema Klimapolitik agiert hat. Der fast schon hilflose Versuch, den über ein Jahr verspäteten Klimaplan in der Phase des heißen Wahlkampfes doch noch als großen Wurf oder großen Erfolg zu verkaufen, ist völlig misslungen. Dabei spricht bereits die Chronologie der Ereignisse Bände. Zuerst gab es eine Pressemitteilung darüber, dass der Senat konspirativ getagt hat, um über den Klimaplan zu beraten. Was da genau besprochen wurde, wurde natürlich nicht kommuniziert. Dann ein weiterer Höhepunkt: die geradezu bizarre Vorstellung des Hamburger Klimaplans durch unseren Bürgermeister Peter Tschentscher und Senator Kerstan, bei der man sich die Frage gestellt hat, wer wem als Erstes ins Wort fällt. Also das, glaube ich, hat selbst Journalisten teilweise ratlos zurückgelassen. Später stellte sich dann noch heraus, dass gegen EU-Recht verstoßen beziehungsweise dieses nicht beachtet wurde und somit drei Bereiche des Klimagesetzes wieder herausgenom

(Dr. Monika Schaal)

men werden müssen. Und, das möchte ich an dieser Stelle sehr deutlich sagen, es handelt sich dabei eben nicht um eine, wie von Senator Kerstan mehrfach behauptet, Lappalie. Und den peinlichen Versuch der grünen Umweltbehörde, die verspätete Information von uns Abgeordneten am Ende der Bürgerschaftskanzlei in die Schuhe zu schieben, möchte ich hier gar nicht weiter kommentieren.

Dann legen Sie einen Tag vor der Abstimmung auch noch einen Antrag vor, weil Ihnen dann doch nach sage und schreibe zweieinhalb Jahren aufgefallen ist, dass Sie sämtliche Klimamaßnahmen de facto gar nicht steuern können, weil Ihnen die Emissionsdaten immer erst mit einer Verzögerung von zwei Jahren vorliegen.

(Zuruf von Dr. Monika Schaal SPD)

Auch das Thema Fachkräftemangel haben Sie schlichtweg vergessen, aber, na ja, einen Tag vor Einreichen, das kann man nach zweieinhalb Jahren ja machen. Das ist Stückwerk und handwerklich mangelhaft.

(Beifall bei der CDU und bei Andrea Oel- schläger AfD)

Da stellt sich schon die Frage: Was haben Sie eigentlich seit Mitte 2017 gemacht? Auch die Senatsbefragung auf Grundlage der zuvor durchgeführten Expertenanhörung hat im Kern doch nur offengelegt, dass Rot-Grün sich zwar mit den theoretisch erzielbaren CO2-Einsparwerten befasst hat, jedoch nicht aussagefähig darüber war, welche konkreten Auswirkungen nun auf die Menschen und Betriebe in unserer Stadt zukommen werden. Doch Klimaschutz, das möchte ich an dieser Stelle deutlich sagen, kann nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn es hierüber einen breiten gesellschaftlichen Konsens gibt.

(Dirk Kienscherf SPD: Machen Sie doch mal mit!)

Die zentrale Voraussetzung dafür ist absolute Transparenz darüber, welche Folgen die Vorschriften und Maßnahmen für jeden Einzelnen haben. Doch leider scheinen sich insbesondere die GRÜNEN in einem Dunstnebel des Unkonkreten verbergen zu wollen und darauf zu hoffen, dass vielen Hamburgerinnen und Hamburgern erst nach der Bürgerschaftswahl die Tragweite und die persönlichen Konsequenzen deutlich werden, denn die von Ihnen geplanten ordnungspolitischen Instrumente werden für viele in unserer Stadt sehr weitreichende Konsequenzen haben. Damit meine ich nicht nur die rund 250 000 Menschen, die ihre Wärme von einer Ölheizung beziehen.

Neben den unklaren Konsequenzen kritisieren wir insbesondere das Fehlen von Anreizen, Förderung und Technologieoffenheit. Sie wollen in erster Linie auf Ordnungsrecht und Verbote setzen, und daran ändert sich auch nichts, wenn die Zweite Bürger

meisterin lieber von Spielregeln spricht. Diesen politischen Ansatz halten wir für grundfalsch. Für ebenso falsch halten wir auch das Timing. Angesichts der bisherigen Verzögerungen und handwerklichen Fehler wäre es deutlich klüger gewesen, der neuen Bürgerschaft die Entscheidung zu überlassen und nicht dieses so wichtige Gesetz und Vorhaben in der vorletzten Plenarsitzung in der alten Legislaturperiode abstimmen zu lassen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Tjarks von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn die CDU dieser Tage versucht, Klimaschutz zu machen, Herr Gamm, und der Bundeswirtschaftsminister in Aktion tritt, dann wird ein Kohleausstieg nicht nur auf einmal von 40 auf 50 Milliarden Euro um 10 Milliarden Euro teurer, dann wird nicht nur der Kompromiss der Kohlekommission, der ohnehin eigentlich nicht ausreicht, unterlaufen, sondern dann wird als Erstes erst einmal ein neues Kohlekraftwerk ans Netz angeschlossen. Dass das irgendwie nicht ausreicht und dass man Ihnen deswegen dieses Thema nicht überlassen sollte, wenn man einen Kohleausstieg beschließt, liegt auf der Hand.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir haben uns in Hamburg da für einen anderen Weg entschieden. Wir haben gesagt – dort haben wir auch eine Einigung mit der Volksinitiative Tschüss Kohle hinbekommen –, dass wir Deutschlands ambitioniertesten Kohleausstieg umsetzen wollen, und zwar bis spätestens 2030. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich sagen: Jedes Jahr, jeden Tag, mit dem wir früher fertig sind – das ist auch unser Ehrgeiz, auch wir wollen noch schneller aus der Kohle aussteigen als 2030, aber man muss es auch faktisch hinbekommen. Ich finde es amüsant, dass DIE LINKE die Debatte der Volksinitiative jetzt hier weiterführt und Sie damit auch die Einigung mit der Volksinitiative, die Sie sonst immer so schätzen, jetzt hier wieder aufkündigen,

(Heike Sudmann DIE LINKE: Da könnte man deutlich mehr machen!)

einmal abgesehen davon, dass mit Ihren wegerechtlichen Vorstellungen, die Sie ja quasi auch aus der Volksinitiative übernehmen, einige verfassungsrechtliche Probleme auf dem Weg sind. Insofern haben wir nicht nur ein sehr, sehr ambitioniertes Kohleausstiegsgesetz, sondern auch ein sehr ehrgeiziges Klimaschutzgesetz und einen sehr ehrgeizigen Klimaplan vorgelegt. Das wollen wir gemeinsam umsetzen, und das sind wir auch den Hamburgerinnen und Hamburgern schuldig.