Protocol of the Session on October 23, 2013

litik zu erreichen. So läuft das in unserer Demokratie nicht. Wir werben in Parlamenten und bei Wählern dafür, dass sich Politik ändert, aber wir benutzen keine Menschen, um öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen. Wer das tut, versündigt sich an diesen Menschen.

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei der SPD und bei Katja Suding FDP)

Es hat mich gestört, dass wir in dieser ganzen Debatte über die EU und wen auch immer geredet haben und so tun, als wenn diese Flüchtlinge ein Problem seien, das die EU verursacht habe. Wir sollten einmal einen Moment auf diejenigen schauen, die dieses Problem verursachen: Das sind kriminelle, verbrecherische Schlepperbanden, die außerhalb der EU sitzen,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Sie trei- ben sie denen in die Arme!)

die diese Menschen abzocken und sie unter menschenverachtenden Umständen in die EU hineinbringen. Das sind die wahren Verbrecher, die wir hier einmal benennen müssen, anstatt die EU an den Pranger zu stellen.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen auch einmal feststellen, dass nicht die EU mit ihrer Demokratie und ihrem Rechtssystem die Ursache dafür ist, dass diese Menschen fliehen, sondern es sind ihre Länder mit ihren verbrecherischen Systemen. Darüber müssen wir auch einmal reden. Wer hier so tut, als wenn es nur an der EU liegen würde, der lässt einen wesentlichen Aspekt dieser wichtigen Debatte aus. Wir haben eine Lage außerhalb der EU, die schwierig und unannehmbar für diese Menschen ist, aber da müssen wir ansetzen, und wir können nicht das Signal setzen, dass alle Probleme jenseits der EU in Europa lösbar seien.

(Beifall bei der CDU und bei Carl-Edgar Jar- chow FDP)

Frau Goetsch hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Schade, dass jetzt wieder ein Schritt zurück gemacht wurde. Ich wollte nämlich gerne an die Rede von Frau Bekeris anknüpfen. Wir haben sie gut im Ohr, weil in dieser Rede auch eines der wenigen Male das Wort Humanität gefallen ist. Ich halte es nicht für förderlich, dass wir heute fast die ganze Debatte über Steine und Flaschen, Einbürgerungskampagne – damit können die Flüchtlinge im Augenblick überhaupt nichts anfangen – und Verdrehungen diskutiert haben. Wir brauchen jetzt eine Lösung für die Flüchtlinge. Herr Dr. Dressel hat damit begonnen, einen Schritt zu machen, den wir aufgreifen, aber der wahre Kern

ist nicht die Beschimpfung der Kirche, Herr Jarchow oder Frau Kaesbach, sondern der wahre Kern ist, dass wir froh sein können, dass wir Kirchenasyl haben. Kirchenasyl ist übrigens eine der ersten kulturellen Errungenschaften der Menschheit und eines der ältesten Menschenrechte. Und deshalb ist jegliche Beschimpfung der Kirche hier fehl am Platze.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Asylon, Zuflucht geben – das gab es in der Antike, Sie sehen das im Alten Testament bis hin zu Martin Luther, es ist ein altes Menschenrecht, und wir können froh sein, dass die Kirche und übrigens auch Moscheen die Flüchtlinge betreuen, betreut haben und weiter betreuen und dass unzählige Ehrenamtliche die Grundversorgung von Menschen gewährleisten und humanitäre Nothilfe leisten. Ich bin auch sehr froh, dass sich Gewerkschafter inzwischen zusammengetan haben und einen Aufruf machen, um genau das zu fordern, was eben auch Frau Möller, Herr Kerstan und andere gefordert haben, nämlich eine Kontingentlösung, die es ermöglicht, den Flüchtlingen hier eine Perspektive zu geben. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass wir Rechtsstaatlichkeit unterlaufen wollen, sondern es hat damit zu tun, Humanität walten zu lassen.

Das Kirchenasyl hat eine lange Geschichte auch nach dem Krieg, vor allen Dingen in den Achtzigerjahren in Berlin, wo unter anderem Altbischof Scharf und Helmut Gollwitzer dafür Sorge getragen haben, dass bis zu Hunderte Abschiebungen verhindert wurden. Es gab dann diverse Entscheidungen, Abschiebungen zu verhindern, unter anderem die Nürnberger Deklaration oder die Charta von Groningen, wobei immer wieder die Kirchen diese Rolle gespielt haben und gefordert haben, Flüchtlinge aufzunehmen und Lösungen zu finden. Dies sollte nicht in Vergessenheit geraten, und insofern ist es eine wirklich wichtige Aufgabe unserer Gesellschaft, humanitäre Lösungen zuzulassen und solche Kontingentlösungen und Ermessensspielräume zu schaffen.

Im Jahr 1984 – das ist fast 30 Jahre her – habe ich begonnen, die Flüchtlingspolitik in Hamburg zu verfolgen. Die Flüchtlingspolitik in den Achtzigerjahren, ich nenne das Stichwort Alviola, war damals so, dass "Die Zeit" von einer "Behörde ohne Gnade" und der "Rechtfertigung einer politischen Torheit" sprach. Es war zwar juristisch erlaubt, die Familie Alviola abzuschieben, aber es war eine politische Torheit. Ich hoffe, dass wir diese Torheit nicht weiter begehen, sondern dass wir einen Weg der Humanität gehen, um das Wort "weltoffen" für Hamburg tatsächlich mit Leben zu füllen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der LINKEN – Glocke)

(Kai Voet van Vormizeele)

Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Frau Goetsch, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Scheuerl?

Ja, bitte.

Sehr geehrte Frau Goetsch, Sie haben wie Ihre Fraktionskollegin Möller von einer Kontingentlösung gesprochen. Für mich stellt sich das so dar, als wenn Sie von einer Lampedusa-Kontingentlösung sprechen. Aus meiner Sicht würde damit die Sorge einhergehen, dass dies bedeutet, dass Sie Werbung für den lebensgefährlichen Seeweg machen und die Menschen, weil sie hören, es gebe in Hamburg ein Lampedusa-Kontingent, versuchen, sich jetzt im Herbst und Winter über das Mittelmeer auf nach Lampedusa zu machen. Meinen Sie ein Lampedusa-Kontingent oder von welchem Kontingent sprechen Sie?

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das wird nicht besser, wenn Sie das jetzt fragen!)

Christa Goetsch GRÜNE (fortfahrend) : Herr Dr. Scheuerl, Sie haben das anscheinend schon getwittert, Sie sind der Meister der Verdrehungen. Es geht um eine Lösung für eine Gruppe, die hier als Flüchtlinge aus Afrika lebt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

"Die Zeit" schreibt im Jahr 2013: "Kirchenasyl reicht nicht." Wir haben heute mehrfach gehört, dass die Gesetze geändert werden müssen. Das Asylrecht ist übrigens von einer sehr großen Koalition 1991 beschlossen worden und hat zu dieser Situation geführt, die wir jetzt haben. Ich plädiere für eine Politik mit Gnade, eine Behörde ohne Gnade können wir nicht gebrauchen. Demokratie im Sinne von Camus ist nicht das Gesetz der Mehrheit, sondern die Beschützung der Minderheit. In diesem Sinne müssen wir in der Lage sein, gemeinsam weiter an den Lösungen zu arbeiten und das Wort Humanität in den Mittelpunkt zu stellen. Verdrehungen und Beschimpfungen nützen nichts, da sind Sie auf dem Holzweg.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort hat Herr Ritter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich darf als letzter Redner in der Debatte vielleicht noch einmal zusammenfassen, was uns jetzt insgesamt erreicht hat.

(Zuruf von Norbert Hackbusch DIE LINKE)

Herr Hackbusch, Sie haben deutlich gemacht, warum in der Debatte bis jetzt keine Lösung gefunden wurde. Sobald jemand eine andere Meinung

als Sie vertritt, wird dies als Rechtswende der FDP verkauft, wie Sie gerade gesagt haben, weil wir eine rechtsstaatliche Lösung vorgeschlagen haben. Frau Goetsch weist jede Kritik an der Kirche zurück, obwohl man natürlich einmal hinterfragen müsste, warum die Bischöfin so lange gewartet hat, bis sie etwas gesagt hat, ohne gleich daraus zu machen, dass wir das Kirchenasyl abschaffen möchten. Da möchte ich meinen Kollegen Jarchow in Schutz nehmen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Hackbusch, bevor Sie von einer Rechtswende der FDP sprechen, sollten Sie sich mit Ihrer Kollegin Schneider austauschen. Sie weiß ganz genau, wie sehr ich mich auch persönlich im Eingabenausschuss oder in der Härtefallkommission für die Einzelfälle einsetze.

Aber noch einmal zusammenfassend für die ganze Debatte: Nur weil wir eine rechtsstaatliche Lösung vorgeschlagen haben und Sie eine andere Meinung oder einen anderen Vorschlag dazu haben, unterstellen Sie uns, wir wollten keine Lösung haben; das höre ich die ganze Zeit in Ihrem Unterton. Ich habe in der ganzen Debatte herausgehört, dass jeder, der hier vorne gestanden hat, eine Lösung finden möchte. Es gibt nur unterschiedliche Meinungen, wie der Weg zum Ziel ist. Ich bitte, das zu respektieren und nicht mit irgendwelchen Schlagworten zu kommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD und der CDU)

Meine Damen und Herren! Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Die Aktuelle Stunde ist hiermit beendet.

Bevor wir zu den nächsten Tagesordnungspunkten kommen, unterbreche ich die Sitzung für eine Sitzung des Ältestenrats.

Unterbrechung: 16.54 Uhr

Wiederbeginn: 17.19 Uhr

Ich bitte die Abgeordneten, sich wieder in den Sitzungssaal zu begeben, damit wir in unserer Tagesordnung fortfahren können.

(Glocke)

Ich weise darauf hin, dass die Abgeordneten auch mit der Schnelligkeit, mit der sie den Sitzungssaal erreichen, über die Länge der Sitzung entscheiden. Ist das Appell genug? – Anscheinend nicht.

Ich würde dennoch gerne den nächsten Punkt unserer heutigen Tagesordnung aufrufen, den

Punkt 3a: Wahl einer Schriftführerin oder eines Schriftführers.

[Wahl einer Schriftführerin oder eines Schriftführers]

Meine Damen und Herren! Sie finden vor sich auf dem Tisch einen orangefarbenen Stimmzettel. Darauf steht der Vorschlag für die Wahl einer Schriftführerin oder eines Schriftführers. Der Stimmzettel enthält je ein Feld für Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung. Ich bitte Sie, Ihren Stimmzettel mit nur einem Kreuz zu versehen. Stimmzettel, die den Willen des Mitglieds nicht zweifelsfrei erkennen lassen oder Zusätze enthalten, sind ungültig. Auch unausgefüllte Stimmzettel gelten als ungültig. Ich bitte Sie nun, Ihre Wahlentscheidung vorzunehmen.

(Die Wahlhandlung wird vorgenommen.)

Damit es keine Irritationen gibt: Im Augenblick werden nur die orangefarbenen Stimmzettel eingesammelt. Die anderen Stimmzettel gehören zu einem gesonderten Wahlgang, damit wir das auch richtig auskosten.

Ich darf nun Herrn Wankum als verbliebenem Schriftführer bitten, die Stimmzettel einzusammeln.

Sind alle Stimmzettel abgegeben worden? – Dann schließe ich die Wahlhandlung.

Ich bitte, nun die Stimmzettel auszuzählen. Die Sitzung ist für die Dauer der Stimmenauszählung unterbrochen.

Unterbrechung: 17.22 Uhr