Christa Goetsch

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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vorletztes Jahr bin ich mit einer Schülerdelegation aus Daressalam, unserer Partnerstadt in Tansania, durch unser Rathaus gegangen. Sie waren sehr beeindruckt von den Deckengemälden, von den Verzierungen und der Pracht. Ich wurde im anschließenden Gespräch gefragt, wie Hamburg eigentlich so reich geworden ist. Was antwortet man da?
Zu der Zeit, als das Hamburger Rathaus fertiggestellt wurde, war Hamburg zentraler Profiteur des deutschen Kolonialwarenhandels und auch der Sklavenausbeutung in Afrika. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war Hamburg nicht nur Tor zur Welt, sondern eben auch Tor zur Kolonialwelt. Wir wissen alle, dass die Grausamkeiten der deutschen Kolonialzeit und der Kolonialherren – es wurde immer gesagt, die Deutschen seien nicht so schlimm gewesen wie die Engländer oder Franzosen, das ist so ein althergebrachter Spruch – wenige Jahre später in dem Vernichtungsbefehl des Kolonialgenerals Lothar von Trotha gipfelten. Dieser Befehl war die Grundlage des ersten Völkermords des 20. Jahrhunderts an den Herero in Namibia.
Das Erschreckende an der Tatsache ist, dass wir heute zum Beispiel an der Lettow-Vorbeck-Kaserne immer noch unkommentierte Reliefdarstellungen von jenem Lothar von Trotha haben. Gerade in einer weltoffenen, internationalen Handelsstadt, die wir doch sind, sind solche Inszenierungen der Kolonialvergangenheit erschreckend unsensibel. Ich sage das nicht als Vorwurf, ich beziehe mich hier selbst mit ein. Wir sehen heute immer noch kolonialgeschichtliche Verklärungen in der Stadt. Es sind nicht nur Straßennamen wie Wißmannstraße, Schimmelmannstraße und Dominikweg – darüber haben unsere Kollegen in Wandsbek sehr viel diskutiert, übrigens auch fraktionsübergreifend –, wir müssen auch auf die Straßen in der HafenCity schauen, wo Marco Polo, Vasco da Gama und Magellan als Welteroberer geehrt werden ohne jegliche historische Kontextualisierung und Einordnung, ganz zu schweigen von Ehrenbürgern wie Graf Alfred von Waldersee, dessen Ehrenbürgerschaft für die Tätigkeit – Zitat – "im Interesse der Erhaltung des Weltfriedens" auf blutigen Strafexpeditionen zur Niederschlagung des Boxeraufstands in China fußt.
Ich bin sehr froh, dass der Senat in dieser Legislaturperiode auf unsere grüne Initiative hin die Ehrenbürger dieser Stadt historisch untersuchen ließ. Hindenburg war der Anlass, aber es werden gerade auch solche Menschen wie Waldersee, ein Kolonialverbrecher, untersucht.
Wir können uns auch nicht davon freimachen, dass derartige koloniale Denkmuster immer noch unser Afrika-Bild prägen. Wir haben da oft selbst – ich schließe mich ein – Scheren im Kopf, und paternalistische, ethno- und vor allen Dingen auch eurozentristische Haltungen sind immer noch gesellschaftstauglich, manifestieren sich auch noch in unfairen Handelsstrukturen und gutgemeinter Entwicklungshilfe. Die ganze Aufarbeitung der Kolonialzeit ist eine Leerstelle, auch zum Teil noch in unseren Büchern, in Schulbüchern und Unterrichtsmaterialien. Es gibt zwar eine recht gute Papierlage bei den Bildungsplänen, aber wir haben nicht sonderlich gutes Material in den Schulen.
Wir müssen in dem Zusammenhang wirklich denen dankbar sein, die sich seit mehr als zehn Jahren intensiv engagieren. Das sind Initiativen, die uns manchmal auch ein bisschen getrieben haben, ob es nun "freedom roads!" ist, ob es "HAMBURG POSTKOLONIAL" ist oder ob es die "People of Color" sind, die wirklich einen zähen Kampf geführt haben mit Kunstaktionen, Demonstrationen und einer fantastischen Ausstellung im Kunstverein unter dem Titel "freedom roads!", übrigens auch in Berlin und München. Es gab viele Gespräche, und ich glaube, ihnen ist es zu verdanken, dass wir heute in unserem Parlament mit diesem Erinnerungskonzept einen Aufbruch, einen Anfang, ein neues Kapitel der Hamburger Geschichtsschreibung beschließen.
Das ist ein gemeinsamer Anfang. 2012 haben wir den ersten Antrag eingebracht, 2013 haben wir im Kulturausschuss diskutiert und viele, viele Gespräche gehabt, um dann interfraktionell einen Antrag zu beschließen. Der ist dann wiederum vom Senat bearbeitet worden. Wir haben eine sehr umfangreiche Drucksache bekommen und dann wiederum ein Petitum beschlossen, in dem es auch darum geht, die "People of Color" und die Black Community mit einzubeziehen. Wir haben ein interfraktionelles Petitum zustande bekommen. DIE LINKE hatte noch ein Initiativrecht gefordert, analog zum entwicklungspolitischen Beirat. Das war sehr kurzfristig. Inhaltlich können wir dem folgen, aber wir fanden es vom Prozess her zum Ende der Legislaturperiode noch nicht angesagt. Wir müssen ein anderes Format finden, weil dieser entwicklungspolitische Beirat doch nicht die Kraft hat, die er eigentlich entwickeln müsste.
Wir finden es sehr gut, dass jetzt eine wissenschaftliche Grundlage gelegt ist. Es ist beruhigend, dass Herr Professor Zimmerer an der Universität Hamburg die Forschungsstelle bekommt und dort forschen kann, genauso wie die Doktorandenstipendien in Tandems mit Daressalam. Das ist ein guter Schritt. In der Drucksache ist vieles im Detail nachzulesen, das will ich alles gar nicht aufführen.
Hamburg ist das erste Bundesland, das sich dieser Herkulesaufgabe konzeptionell widmet. Und es wird von großer Bedeutung sein, dass dieses Thema auch in der nächsten Legislaturperiode und in den folgenden fortgeführt wird. Ich glaube, wir brauchen dazu einen langen Atem und Durchhaltevermögen; das ist keine Aufgabe, bei der man in Legislaturperioden denken kann. Mittelfristig wollen wir auch die Wirtschaft mit einbeziehen als wichtiges Signal, ebenso die aktuelle Migrationsforschung und weitere Institutionen, um auch aus anderen Perspektiven dieses Thema zu beleuchten. Es geht hier nicht um Restitutionsansprüche, sondern es geht um eine Frage des Perspektivwechsels und der Haltung. Sie erinnern sich alle noch,
dass wir zu Zeiten sensibilisiert wurden; alle, die sich einmal mit den Völkerschauen von Hagenbeck auseinandergesetzt haben.
Ich will an dieser Stelle einfach danken und freue mich, dass wir interfraktionell im Kulturausschuss ein Erinnerungsthema gemeinsam beschlossen haben und bewegen konnten. Ich hoffe, dass wir das als kleines Vermächtnis in die nächste Legislaturperiode geben an diejenigen, die dann daran weiterarbeiten werden. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich teile die Präambel, die Isabella Vèrtes-Schütter vor ihre Rede gesetzt hat und auch die letzten Worte über die Zusammenarbeit im Kulturausschuss. Wir haben dort gemeinsam sehr viele Themen in puncto Erinnerungskultur interfraktionell umsetzen können. Das sollte auch in Zukunft so sein. Lieber Herr Wankum, die Forderung nach einer hundertprozentigen Kulturtaxe teilen wir auch, darüber haben wir schon oft gesprochen. Wir wollen 100 Prozent für die Kultur und nicht für anderen Quatsch wie den Hafengeburtstag. Dann könnten wir 4 Millionen Euro mehr in Kultur investieren, das wäre doch gut.
Aber wehe, wehe, wenn ich in die Zukunft sehe – frei nach Wilhelm Busch –, dann kann ich nur sagen, dass mir bei diesem Haushalt angst und bange wird, besonders wenn ich die mittelfristige Finanzplanung betrachte, und das kann ich Ihnen heute nicht ersparen. Kommen Sie mir bloß nicht mit dem Satz, wir verabschieden heute doch nur 2015/2016. Sie wissen sehr genau, dass nach Landeshaushaltsordnung, Paragraf 33, die mittelfristige Finanzplanung immer mitentschieden wird; das können Ihnen ehemalige Senatorinnen bestätigen. Und, meine Damen und Herren, jedes Unternehmen, jede Stiftung, jeder Kulturbetrieb macht eine mittelfristige Finanzplanung über die kommen
den Haushaltsjahre hinaus. Das hat in der Kultur eine besondere Bedeutung, weil die Theater, die Orchester Engagements von Solistinnen, Regisseurinnen, Dirigenten und so weiter verabreden müssen, die mehrere Jahre in der Zukunft liegen. Damit sie das tun können, brauchen sie eine verlässliche Finanzplanung, aber eine verlässliche Finanzplanung im Kulturbereich scheint bei der SPD nicht angesagt zu sein. Dass Sie das nicht tun, ist richtig dramatisch für die Kultur.
Mit diesem Haushalt werden mittelfristig Kürzungen in Millionenhöhe vorgenommen. Die SPD sichert den Einrichtungen noch nicht einmal gleichbleibende Finanzen für die nächste Legislaturperiode 2017/2018, sondern reale Kürzungen. Das heißt anfassbar: Die drei Staatstheater müssen in der nächsten Legislaturperiode mehr als 1 Million Euro einsparen, die Museen zusammen knapp 500 000 Euro, die jetzt schon ein strukturelles Defizit von 1 Million Euro haben, obwohl der neue Generaldirektor wirklich super arbeitet. Die Bücherhallen sollen 360 000 Euro einsparen und die Filmförderung 2 Millionen Euro, ein Viertel des gesamten Filmförderungsetats. Das sind 4 Millionen Euro plus 7 Millionen Euro globale Minderausgabe, die dazu kommt, zusammen sind das 11 Millionen Euro. Es kann nicht sein, dass Sie mittelfristig Theater, Museen, Bibliotheken und Filmförderung kaputtsparen. Das steht aber schwarz auf weiß auf dem Papier, und das geht gar nicht, meine Damen und Herren.
Das können wir uns nicht erlauben. In der Presse lesen wir dann Kommentare, die besagen, das würde alles nicht so kommen. Aber die Zahlen wollen Sie nicht ändern. Nicht einen Ansatz haben Sie geändert, noch nicht einmal bei der Filmförderung. Der Bürgermeister hat im Cinemaxx vollmundig erklärt, das würde alles weitergehen wie bisher, aber die Zahlen stehen dort. Wie kommen Sie überhaupt auf die Idee, die Filmförderung derart massiv zusammenzustreichen? Besonders dreist ist, dass uns Herr Schmidt in der Debatte Ihrer Großen Anfrage zur Filmförderung vor einigen Wochen etwas von den Perspektiven der Filmstadt erzählt, obwohl er bereits wusste, dass gekürzt wird. Das war richtig geschmacklos, Herr Schmidt.
Ich habe an dieser Stelle noch nicht einmal die fehlenden Investitionen angesprochen. Natürlich sind 40 Millionen Euro aus dem Sanierungsfonds an die Kultur gegangen,
und jetzt ist aber Ende der Fahnenstange. Es gibt keinen Cent für Investitionen, obwohl wir wissen,
dass einiges mehr kosten wird, obwohl wir wissen, was passiert, wenn ein Dach kaputt ist. Dann muss die Senatorin zum Finanzsenator gehen und um jeden müden Euro kämpfen.
Herr Dressel, das schwächt die Kulturbehörde und die Kultur, und das ist schändlich.
Die Kulturszene tut gut daran, sich dieses Zahlenwerk genau anzuschauen. Man erkennt dann einen Wahlkampfhaushalt 2015/2016 und Wahlgeschenke, die nicht lange tragen werden. Das böse Erwachen kommt. Eine Genossin sagte mir noch: Es darf nicht so kommen, wie es darin steht. Doch anstatt das Zahlenwerk in den Beratungen zu ändern oder wichtige kulturpolitische Themen aufzugreifen, um die wir in dieser Legislaturperiode gerungen haben, bringen Sie peinliche Anträge ein. Und nur, weil wir gemeinsam mit der FDP, der CDU und der LINKEN im Kontext von Kinder- und Jugendkultur oder auch kultureller Bildung geackert und gedrückt haben, ist es zumindest für die Kinder- und Jugendkultur besser geworden. Sie als SPD haben, ich sage es einmal, peinliche Pipi-Anträge eingebracht.
Die SPD hat in diesem Kulturetat einen Prüfauftrag untergebracht. Sie haben noch nicht einmal Spielgeld für die Museumsschiffe bekommen. Und 15 000 Euro, das ist doch keine Kulturpolitik. Wichtige Themen werden damit versenkt.
Apropos kulturelle Bildung, hier muss ich noch einmal nachhaken. Wir hatten eine gemeinsame Sitzung des Kultur- und Schulausschusses, die war hochnotpeinlich. Viele Kulturschaffende aus der Kinder- und Jugendkultur haben sich von der Kooperation mit der Ganztagsschule viel erhofft, und dann kommt ein Oberkulturbanause in Person des Schulsenators daher und will uns erzählen …
Ich nehme gern einen Ordnungsruf an. – Er erzählt, dass ein Besuch im Weihnachtsmärchen oder in einem Mu
seum als kulturelle Bildung ausreiche. Meine Damen und Herren, der Reichtum an Möglichkeiten für kulturelle Bildung in unserer Stadt und für eine kulturelle Schulentwicklung könnte so groß sein. Kinder leben nicht nur vom Brot allein und von Mathematik und Deutsch.
Hätte der Senator doch wie unsere Kultursenatorin begriffen, dass fächerübergreifende Arbeiten sinnvoll sein können. Ich schenke Ihnen, liebe Frau Kisseler, für die diversen Betonmauern – wir haben im Kulturausschuss schon einmal über einen Presslufthammer gesprochen – einen Schlagbohrer, den ich Ihnen gleich überreichen werde, um entsprechende Betonmauern anzubohren.
Wir lehnen die Anträge der SPD deshalb ab.
Kommen Sie doch nach vorn. Es ist interessant, wie Sie sich aufregen.
Der Antrag der LINKEN zeigt die Problemlagen der Stadt auf, hat aber leider keine Gegenfinanzierung. Der Antrag der FDP hat mich ein bisschen verwundert. Dass Sie nun die Stadtteilkultur entdeckt haben
und bei der Oper und dem Thalia Theater kürzen wollen, damit Sie auch der letzte hochkulturinteressierte FDPler dann vielleicht nicht mehr wählt – na ja. Die Anträge der CDU sind teilweise recht interessant, aber Wahlgeschenke und nicht gegenfinanziert.
Allerdings werden wir dem Antrag zum BÖV 38 zustimmen; der ist sehr gut ausgearbeitet.
- Ach, Herr Schmitt, gehen Sie ans Mikro und erzählen Sie etwas. Zur Kultur habe ich bis jetzt noch nichts von Ihnen gehört.
Das ist wie in der Klasse.
Aber ich möchte noch einmal zu den interfraktionellen Arbeiten im Kulturausschuss kommen. Wir haben vieles auf den Weg bringen können, und in diesem Zusammenhang freue ich mich natürlich sehr, dass am heutigen Tag für die MS Stubnitz ei
ne Lösung gefunden wurde, aber das lag weiß Gott nicht am Engagement der SPD.
Für eine solche Pressemitteilung muss man sich schämen, Herr Schmidt. Es ist die Leidenschaft privater Spender und der Clubstiftung, die die MS Stubnitz gerettet hat. Bei denen sollten Sie sich bedanken, meine Damen und Herren von der SPD.
Im Sinne einer Tradition der untergehakten Politik der Fraktionen für die Kultur und vor allen Dingen, seit Isabella Vértes-Schütter kulturpolitische Sprecherin ist, hoffe ich nicht, mit Wehe in die Zukunft sehen zu müssen, ich hoffe auch nicht, dass es zum siebten Streich wie bei Max und Moritz kommt. Und ich hoffe, dass Sie, liebe Frau Senatorin Kisseler, die dicken Betonbretter weiter bohren können und möchte Ihnen nun einen kleinen Schlagbohrer überreichen. Er kann von Kindern ab drei Jahren benutzt werden. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sprechen heute über einen der größten Kunstraube der Menschheitsgeschichte, dem größten im 20. Jahrhundert. In den Jahren zwischen 1933 und 1945 emigrierten aus dem deutschsprachigen Raum fast eine halbe Million Juden. Um ihre Auswanderung zu finanzieren, mussten sie in Eile, Angst und Panik ihre Kunstsammlungen auflösen und ihre Wertgegenstände verkaufen. Die meisten von denen, die nicht aus Deutschland emigrieren konnten, endeten in den Konzentrationslagern und starben in den Vernichtungslagern der Nazis. Auf dem Weg dorthin wurden sie all ihrer Kostbarkeiten, auch ihrer Kunstgegenstände, beraubt. Dieser verbrecherische Kunst
raub wurde ebenso erschreckend detailliert geplant wie die Vernichtung der Menschen. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs sind diese Beutezüge der Nazis in den besetzten Gebieten fortgesetzt worden, wo systematisch weiter geplündert wurde.
Seit 1945, siebzig Jahre sind vergangen, winden sich verantwortliche Politiker, über Generationen und Parteigrenzen hinweg, wenn es um die Erforschung und um die Rückgabe dieser geraubten Millionenwerte geht. Das ist sicherlich ein moralisches Desaster. Aber es kommt noch schlimmer, denn die ganze Debatte um die NS-Raubkunst ist reich an Vorwürfen, die Erben würden sich nicht für die Kunst, sondern nur für das Geld interessieren, denn mit Kunst sei viel Geld zu verdienen. Noch 2006 klagte der damalige Präsident des Deutschen Museumsbundes über das große Geschäft, das mit der Restitutionskunst gemacht werde. Solche Argumentationen sind meines Erachtens eine Schande für die Museumsbranche und fördern klassische antisemitische Ressentiments.
Bereits 1998 unterschrieb Deutschland – man kann sagen, Gott sei Dank – mit der Washingtoner Erklärung die Verpflichtung zur Identifizierung von NS-Raubkunst und der Suche nach gerechten und fairen Lösungen, mit den Vorkriegseigentümern und Erben umzugehen. Das war ein dringend notwendiger Aufbruch, der die Grundlage für das verstärkte Engagement der Bundesregierung ist. Aber wenngleich die Befassung zur Provenienzforschung im Kulturausschuss gezeigt hat, wie engagiert die Hamburger Museen sind und wie kostenund zeitaufwendig die Herkulesaufgabe ist, Herkunftsforschung zu betreiben, so ist die Situation in Hamburg keineswegs als gut oder ruhmreich zu bezeichnen. Bis heute kann die Stadt für über 10 000 Kunstgegenstände potenzieller NS-Raubkunst nicht sagen, woher diese stammen. Mit den zweieinhalb Stellen, die in Hamburg dafür zuständig sind, die Herkunft dieser Werke zu erforschen, würde dies noch viele Jahrzehnte dauern. 2007 ist dann der Schritt zur Erfassung und Digitalisierung der Kunstgegenstände gemacht worden, und im vergangenen Jahr, also siebzig Jahre nach dem Ende der Nazidiktatur, wurde die Provenienzforschung in den Ziel- und Leistungsvereinbarungen als Aufgabe in den Zielbildern der Hamburger Museumsstiftungen verankert, und das ist auch gut so. Man muss allerdings sagen, dass in den letzten 13 Jahren lediglich 1 Million Euro für diese Forschung zur Verfügung gestellt wurde, und das ist nun einmal nicht genug. Wir brauchen mehr personelle und finanzielle Ressourcen für die Erforschung der Kunstwerke im Eigentum der Stadt, vor allen Dingen für die NS-Raubkunst. Das ist moralische Aufgabe und unsere politische Verantwortung.
Deshalb haben wir den Anstoß für diese interfraktionelle Initiative gegeben, und ich bin allen Kollegen sehr dankbar, dass wir das gemeinsam beschließen werden. Wir brauchen zusätzliche wissenschaftliche Recherche, übrigens auch Ausbildung. Eine nationale, im besten Falle internationale wissenschaftliche Vernetzung über eine Datenbank könnte die Arbeit der Provenienzforschung in Hamburg deutlich verbessern. Und natürlich brauchen wir auch zusätzliche Mittel vom Bund; das ist unumgänglich.
Trotz oder vielleicht auch wegen der Versäumnisse der letzten 70 Jahre ist es erfreulich, dass die kritisch-öffentliche Debatte zur Provenienzforschung durch den Fall Gurlitt neuen Auftrieb bekommen hat. Auch die Museen in Hamburg sind stärker aktiv geworden. Ich möchte an dieser Stelle ganz besonders die Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe hervorheben und die Aussage der Direktorin Dr. Sabine Schulze, die gesagt hat: "Wir wollen nichts haben, was uns nicht gehört." Das ist vorbildlich und längst nicht in allen Museen Deutschlands verinnerlicht.
Die Frage ist immer, ob man aktiv aufklärt oder nur auf Restitutionsansprüche reagiert. Diese hervorragende Ausstellung zur Raubkunstthematik ist wirklich gelungen, man kann sie jedem empfehlen. Jetzt rückt das Thema natürlich auch wieder mehr in den Fokus. Ebenso hervorheben möchte ich die Arbeit von Frau Dr. Haug in der Kunsthalle, die schon sehr lange Provenienzforschung betreibt. Sie hat uns das eindrucksvoll in der Sitzung des Kulturausschusses aufgezeigt.
Meine Damen und Herren! Nicht nur in Hamburg, sondern auch deutschlandweit sorgt dieses Thema – Gurlitt habe ich eben schon angesprochen – für Aufmerksamkeit. Die neue Kulturstaatsministerin legt besonderen Wert auf dieses Thema und wird mit dem Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste eine Institution schaffen, die hoffentlich zu mehr Vernetzung und Aufklärung beitragen wird. Sie hat auch die finanziellen Mittel erheblich erhöht. Ich wünsche mir, dass Hamburg davon partizipieren kann, und ich wünsche mir die aktive Teilhabe des Hamburger Senats an allen Bundesaktivitäten zu diesem Thema. Als Nebensatz möchte ich anfügen: Natürlich gilt es, neben der NS-Raubkunst auch die Provenienzforschung nicht zu vergessen, die durch den Kolonialismus hervorgerufen wurde, oder in der ehemaligen DDR durch die Bodenreform zu unrechtmäßigen Enteignungen geführt hat, die ebenfalls einer Überprüfung bedürfen.
Die Provenienzforschung ist bis heute ein Stiefkind der Aufarbeitung der Nazizeit. Ich möchte schließen mit einem Zitat des Leiters der bundesweiten
Arbeitsstelle für Provenienzforschung, Dr. Uwe Hartmann:
"Politik und Kultur müssen sich auch zukünftig gegenseitig in die Pflicht nehmen, damit die öffentlichen Einrichtungen ihrer Verantwortung bei der Identifizierung von NSRaubgut in ihren Sammlungsbeständen gerecht werden. Das schließt ein, dass sie in die Lage versetzt werden, ihre Verantwortung wahrzunehmen."
Zitatende.
Ich denke, dass wir heute einen gemeinsamen Schritt dazu machen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich schließe mich der Intention und dem Impetus des Antrags an, weil diese Bereiche – hier wird es Basiskultur genannt – wie Stadtteilkulturzentren, Geschichtswerkstätten, Bürgerhäuser und so weiter eine zentrale und wichtige Rolle in unserer Stadt für Integration, nicht nur im kulturellen Bereich, spielen. Ich will allerdings auch gleich dazu sagen, Herr Hackbusch, dass unter Schwarz-Grün zuletzt immerhin 900 000 Euro zusätzlich in die Stadtteilkulturzentren geflossen sind
wie auch der Stiftungsfonds für die Geschichtswerkstätten eingerichtet wurde. Die Zinsen aus dem Stiftungsfonds, wir wissen es, sind leider niedrig.
Worin ich Ihnen, liebe Isabella Vértes-Schütter, natürlich überhaupt nicht recht gebe, ist, dass die Schlüsselprojekte der Kinder- und Jugendkultur durch diesen Senat gerettet worden sind. Wir haben als Opposition ganz schön lange daran gearbeitet: FDP, LINKE, CDU und GRÜNE gemeinsam, das will schon etwas heißen. Ohne diesen Druck wäre das nicht passiert. Das muss man an der Stelle deutlich sagen.
Herr Wersich könnte auch klatschen.
Nun aber zum Thema des Antrags. Es ist ein Haushaltsantrag, und natürlich können wir den haushaltsrelevanten Dingen nicht kurz vor den Haushaltsberatungen zustimmen. Wenn wir uns aber den Haushalt ansehen, den wir am Freitag im Kulturausschuss beraten werden, dann ist im Kontext anderer kultureller Einrichtungen zwischen der sogenannten Hochkultur und den von mir genannten Einrichtungen ein Auseinanderdriften festzustellen. Es geht überhaupt nicht darum, etwas gegeneinander auszuspielen, aber es ist schon interessant, wenn in dem einen Bereich tatsächlich Tarifsteigerungen und andere Preissteigerungen zumindest teilweise oder, wie beim Schauspielhaus, ganz ausgeglichen werden und in diesem Bereich, der heute anliegt, nichts dergleichen passiert. Dort stellt sich sogar die Frage, ob überhaupt der Mindestlohn gezahlt werden kann. Der Senat verlässt sich hier anscheinend auf die Selbstausbeutung der Künstler und Kulturschaffenden. Das kann so nicht angehen.
Wir müssen selbstverständlich nach Lösungen suchen. Wir alle, wie eben auch Frau Vértes-Schütter, sprechen berechtigterweise davon, dass diese Bürgerhäuser, diese Stadtteilkulturzentren und diese Geschichtswerkstätten nicht nur kulturelle Arbeit leisten, sondern eine zentrale Kommunikationsund Integrationsfunktion auch in der sozialen Stadtteilentwicklung, auch in der Imageaufwertung der Quartiere haben. Es geht sogar so weit, dass die Kultureinrichtungen in den Bezirken teilweise sozialpolitische Dienstleister sind. Wenn das so ist – und das wissen wir alle –, dann ist das eine gemeinsame Aufgabe von BSU, BASFI und BSB und nicht allein aus dem Etat der Kulturbehörde zu finanzieren. Das kann nicht sein.
Allein der Etat "Hilfen zur Erziehung" übersteigt den der Kulturbehörde mit 80 Millionen Euro. Wir müssen in Zukunft die Finanzierung dieser Einrichtungen behördenübergreifend hinbekommen. Die letzte Sitzung des Kultur- und Schulausschusses – lieber Herr Rose, in der haben Sie anscheinend geschlafen – war allerdings ein abschreckendes Beispiel für Nichtkooperation und Versäulung statt Entsäulung. Wenn die kulturelle Bildung für die Schulbehörde beim Weihnachtsmärchen und beim Museumsbesuch aufhört, dann gute Nacht kulturelle Bildung in der Schule.
Ideell unterstützen wir den Antrag. Wir können den Punkten 1, 2 und 10 zustimmen, weil diese Bestandsaufnahme tatsächlich nötig ist. Ansonsten sollten wir daran arbeiten, dass wir auch mit diesem SPD-Senat die Entsäulung auf den Weg bekommen und zusammen für diese Einrichtungen kämpfen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich schon gefragt, warum diese Große Anfrage zur Debatte angemeldet wurde, weil schließlich in dieser Legislaturperiode nicht eine Initiative von Ihnen in diesem Bereich gekommen ist. Das ist keine Kritik, sondern es ist einfach so. Herr Schmidt, Sie haben eben den Mediencampus hervorgehoben, die Festivals und auch das grüne nachhaltige Filmen – das sind alles keine Ideen, die dieser Senat oder Ihre Fraktion auf den Weg gebracht hat. Es gibt sicherlich Dinge – ich komme noch darauf zurück –, die man machen könnte, aber etwas ganz
Neues ist es nicht in der Filmförderung oder beim Filmfest.
Die Kulturtaxe ist schließlich auch auf unsere Initiative hin entstanden; das ist gut so.
Was denn sonst, Frau Dobusch? Das ist keine Erfindung dieses SPD-Senats.
Es ist immer ein bisschen albern, wie Sie damit umgehen.
Natürlich gab es, das muss man ehrlich sagen, 2004 einen großen Einbruch für die Filmförderung. Das hat damals die CDU verbrochen und der Filmförderung wirklich großen Schaden zugefügt. Das ist dann unter Grün-Schwarz in dem Falle wieder repariert worden.
Es war die Initiative der GRÜNEN, dass diese Kürzungen zurückgenommen wurden.
Ich frage mich natürlich, welche Vorschläge Sie haben. Es muss doch eine weitere Entwicklung geben – bei der kulturellen Bildung haben wir gerade plastisch erlebt, dass eine andere Behörde keine großen Ideen vorzuweisen hat –, aber es besteht Handlungsbedarf. Es geht gar nicht darum, wer was gemacht hat – 44 Jahre die SPD nichts und dann zehn Jahre CDU und GRÜNE nichts –, sondern wie es jetzt weitergeht.
Wir haben natürlich etwas gemacht. Aber von Ihnen, Herr Schmidt, habe ich qualitativ, ehrlich gesagt, nichts gehört.
Wenn man einmal das Beispiel Regionaleffekt der Filmförderung nimmt, der in den meisten Bundesländern mit 300 bis 400 Prozent weit über dem Effekt in Hamburg mit nur 250 Prozent liegt, dann liegt das daran, dass die Filmförderung bei uns nicht angemessen ausgestattet ist. Bei der Filmförderung ist es wirklich so, dass viel auch viel hilft. Man kann – da werden immer Äpfel mit Birnen verglichen – die Einwohnerzahl nicht heranziehen. Was nützt mir der Vergleich mit Mecklenburg-Vorpommern, das ist nun einmal kein Filmstandort wie Hamburg.
Ein zweiter Punkt wäre die Frage des Mindestlohns; Herr Wankum hat das schon angesprochen. Als es um den Mindestlohn ging, haben wir uns alle gefreut, aber von den kleinen und den großen
Festivals habe ich gehört: Um Gottes Willen, Mindestlohn, dann können wir unseren Laden dicht machen, unter diesen Konditionen können wir unsere Mitarbeiter nicht mehr beschäftigen. Das muss man im Hinterkopf haben. Wenn wir einen Mindestlohn wollen, was wir wollen, dann müssen die Filmförderung, das Filmfest und die diversen kleineren Filmfestivals entsprechend ausgestattet werden. Von einem Tarifausgleich für die Beschäftigten in diesem Bereich will ich gar nicht reden, das mussten sie, wenn überhaupt, selbst erwirtschaften. So rosig ist das alles gar nicht.
Dann komme ich zum Highlight, unserem Filmfest in Hamburg. Das ist wirklich renommiert, deutschlandweit viel beachtet und hat neben der Funktion, ein Publikumsfestival zu sein, auch die Funktion eines Branchentreffpunkts für Filmschaffende und die Filmwirtschaft, die ein wichtiger Standortfaktor ist. Das Filmfest wird mit 650 000 Euro gefördert. In München erhält das Filmfest 2,6 Millionen Euro. Das ist schon ein kleiner Unterschied; ich will das einfach mal so stehen lassen. Das sind alles Fakten, über die man einmal nachdenken müsste, ob man den Filmstandort Hamburg nicht mit verschiedenen Maßnahmen perspektivisch weiterentwickeln könnte.
Ein letzter Punkt, die Zusammenarbeit von Filmwirtschaft mit Hamburg Marketing und Hamburg Tourismus. Es ist bekannt, dass Filme die Bilder von Hamburg und der Metropolregion durch die ganze Welt tragen. Dieses Potenzial wird in anderen Städten bewusst mehr ausgeschöpft. Andere Städte werben bei internationalen Produktionsfirmen mit Infopaketen und diversen Servicedienstleistungen für Filmproduktionen für ihren Standort. Das hat in Hamburg bisher nicht stattgefunden. Jetzt gibt es die Initiative "Hamburg Loves Film". Das ist ein Anfang, aber wir können im Bereich Filmförderung und Filmfest noch eine ganze Menge machen. Und da finde ich es wirklich ein bisschen komisch, wenn man dann so eine Große Anfrage zur Debatte anmeldet, essentiell aber keine Idee hat, wie es weitergehen soll. Ich habe einiges aufgezählt, und daran können wir gemeinsam arbeiten, wie es gute Tradition in der Kultur ist. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich drücke das einmal nicht so vornehm aus wie Isabella Vértes-Schütter, deren Worten ich mich anschließe. Ich finde diesen Antrag richtigen Kokolores. Das ist so ein unsinniger Fensterantrag. Sie müssen sich das einmal vorstellen: Die FDP bekämpft unentwegt die Kulturtaxe, und da geht es um 15 Millionen Euro, wenn sich das einmal entsprechend entwickelt hat. Eine FDP, die dies bekämpft, geriert sich jetzt mit diesem Antrag als öffentlicher Kulturförderer und will einem Privaten dann gerade einmal 100 000 Euro geben.
Sie sollten einmal Ihre Haltung zur Kulturtaxe überdenken, bevor Sie so unsinnige Anträge stellen.
Schauen Sie sich einmal die Kofinanzierungen von Mäzenen und Stiftungen in dieser Stadt an: Die Kunsthalle ist erwähnt worden, das waren 15 Millionen Euro von der Otto Stiftung und 4 Millionen Euro Kofinanzierung der Stadt für das Depot. Wenn Sie sich das Engagement vom großen Bruder Michael Otto für The Young ClassX anschauen oder das Bucerius Kunst Forum – ich könnte sie alle aufzählen –, dann hat dies eine lange Tradition und Verankerung, wie auch schon mehrfach erwähnt worden ist, und sucht deutschlandweit tatsächlich seinesgleichen, beschert aber Förderbeträge in Millionenhöhe. Dies vor Augen, jetzt mit 100 000 Euro als Kulturverstärkungsfonds zu kommen, ist absolut peinlich und despektierlich. Als solches würde ich es bezeichnen.
Ich habe den Antrag gelesen, meine liebe Frau Suding.
Ich habe auch das Problem damit, dass es dazu führen könnte, private Liebhabereien vom Staat unterstützen zu lassen, und dass das Geld nicht wirklich dahin fließt, wo es hingehört. Dass die Gestaltungshoheit dann bei den Spendern liegt, finde ich schwierig. Es geht um eine gemeinschaftliche Verantwortung für Kulturförderung, und diese kann man nicht zugunsten vermögender Privatpersonen verschieben. Das halte ich für den absolut falschen
Weg. Wir haben Negativbeispiele aus den USA, wo Abhängigkeiten von privatem Engagement ganz negative Folgen hatten.
Ich will hier betonen, dass wir in Hamburg ein funktionierendes Zusammenwirken von Mäzenen, Stiftungen und privater Kulturförderung mit der Kulturbehörde haben, und mir ist kein Fall bekannt, wo es nicht gemeinsame finanzielle Commitments gibt.
Nein, es ist nicht alles gut für die Kultur. Sehen Sie einmal zu, dass Sie die Kulturtaxe unterstützen und nicht boykottieren.
Die erfolgreiche Praxis dieser Commitments zwischen Kulturförderung, Kulturbehörde, Mäzenen und Stiftungen, teilweise auch als Matching Funds, sollte man fortführen. So ein Kulturverstärkungsfonds würde daran nichts ändern, sondern eher kontraproduktiv sein. Wir stimmen dagegen. Normalerweise würde ich sagen, wir machen zwei Löcher in Ihren Antrag und heften ihn ab, aber auch das ist er nicht wert. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Neumann, es ist schon traurig, dass Sie mit Ihrem Zynismus Ihren Pressesprecher noch toppen. "Hamburg will humane Flüchtlingspolitik", das ist der Titel unserer Anmeldung mit dem speziellen Thema des WinterAbschiebestopps für die Roma. Ich finde, dass ein bisschen mehr Demut angesagt ist, sowohl bei Ihnen, Herr Neumann, als auch bei Herrn Schäfer. Wenn das eine humane Flüchtlingspolitik ist, dass man mehrfach vergewaltigte und traumatisierte Mütter getrennt von ihren Kindern abschiebt, dann frage ich mich, was das noch mit Sozialdemokratie zu tun hat.
Und Sie, Herr Neumann, erzählen, wie toll die Hamburger Politik mit ihren Unterkünften sei. Das ist eine rechtliche Verpflichtung, das ist keine Humanität, das ist Selbstverständlichkeit. Es geht um die politische Haltung und politische Ansagen. Der
Hamburger Senat und die Ausländerbehörde verstricken sich penibel technokratisch – Herr Ritter hat gesagt, es werde dann letztendlich eine herzlose Politik – in die Paragrafen, indem sie ausschließlich immer restriktiv argumentieren. Dabei geht es doch nicht darum, Rechtsstaatlichkeit zu unterlaufen, sondern es geht um Humanität, es geht um Ermessensspielräume.
An dieser Stelle muss ich sagen, dass ich nach zehnjähriger Pause – ich bin 2000 aus dem Eingabenausschuss ausgeschieden – im Januar 2011 wieder in den Eingabenausschuss eingetreten bin und sich nichts verbessert hat, es ist sogar schlimmer geworden. Wir haben damals unter Rot-Grün darum gerungen, dass die Familien nicht in der Nacht abgeschoben werden. Wir haben darum gerungen, dass die Familien nicht getrennt abgeschoben werden
und dass sie nicht vor 6 Uhr abgeholt werden. Und jetzt sind wir wieder an einem Punkt, wo all das passiert. Herr Neumann, Sie haben gestern Abend in einer Veranstaltung Menschlichkeit eingefordert, um für sich selbst klar zu sein, um handeln zu können und die Aufgaben des Staates gemeinsam zu gestalten. Das sind schöne Worte, aber es fehlt die politische Ansage an die Ausländerbehörde. Es fehlt die politische Haltung und es fehlt der politische Mut.
Und das fehlt auch dem Präses dieses Senats, Herrn Scholz. Sie als Bürgermeister haben Richtlinienkompetenz, aber Sie machen keine politische Ansage in Sachen Flüchtlinge, Sie schütteln vielleicht gerade noch Kindern die Hand. Selbst in Ihren eigenen Reihen werden Sie abgestraft. Schauen Sie sich Ihr Parteitagsergebnis an, das lag unter anderem an der Flüchtlingspolitik.
Herr Münster, ich weiß nicht, ob Sie gestern Abend Markus Lanz gesehen haben, der fragte, wo die Sozialdemokratie geblieben ist. Uwe-Karsten Heye, ehemaliger Pressesprecher von Willy Brandt, hat die fehlende Humanität in der Flüchtlingspolitik der SPD angemahnt. Deshalb sind wir froh, dass es wenigstens Hamburger Schülerinnen und Schüler gibt, die aufstehen. Kommen Sie bloß nicht damit, dass das Schwänzen sei.
Es ist doch klar, dass man dann hinnimmt, unentschuldigt zu fehlen. Seien wir doch froh, dass es so viele bürgerliche Hamburgerinnen und Hamburger gibt, die von Lokstedt bis Bergstedt Solidaritätskreise für Flüchtlinge gründen,
aber dann irritiert sind, lieber Herr Dressel, wenn plötzlich am anderen Tag Familien nicht mehr da sind.
Sie können doch nicht als politisch Verantwortliche für diese Stadt angesichts dieser Menschen und unserer Stadt Hamburg wegschauen. Ich habe die Mütter schon genannt oder den Christen heute, der nach 22 Jahren abgeschoben werden soll, oder Roma-Familien mit kleinsten Kindern, die abgeschoben werden. Ich weiß, dass wir im Eingabenausschuss darum ringen. Ich bin auch dankbar, Herr Schumacher, dass Sie die eine Abschiebung verhindert haben.
Aber unterm Strich ist das keine humane Flüchtlingspolitik. Es entscheidet leider immer noch oft die Ausländerbehörde allein, und die politische Ansage vom Präses und vom Senator fehlt. Damit tragen Sie die Verantwortung und auch schwere Schuld. – Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Schade, dass jetzt wieder ein Schritt zurück gemacht wurde. Ich wollte nämlich gerne an die Rede von Frau Bekeris anknüpfen. Wir haben sie gut im Ohr, weil in dieser Rede auch eines der wenigen Male das Wort Humanität gefallen ist. Ich halte es nicht für förderlich, dass wir heute fast die ganze Debatte über Steine und Flaschen, Einbürgerungskampagne – damit können die Flüchtlinge im Augenblick überhaupt nichts anfangen – und Verdrehungen diskutiert haben. Wir brauchen jetzt eine Lösung für die Flüchtlinge. Herr Dr. Dressel hat damit begonnen, einen Schritt zu machen, den wir aufgreifen, aber der wahre Kern
ist nicht die Beschimpfung der Kirche, Herr Jarchow oder Frau Kaesbach, sondern der wahre Kern ist, dass wir froh sein können, dass wir Kirchenasyl haben. Kirchenasyl ist übrigens eine der ersten kulturellen Errungenschaften der Menschheit und eines der ältesten Menschenrechte. Und deshalb ist jegliche Beschimpfung der Kirche hier fehl am Platze.
Asylon, Zuflucht geben – das gab es in der Antike, Sie sehen das im Alten Testament bis hin zu Martin Luther, es ist ein altes Menschenrecht, und wir können froh sein, dass die Kirche und übrigens auch Moscheen die Flüchtlinge betreuen, betreut haben und weiter betreuen und dass unzählige Ehrenamtliche die Grundversorgung von Menschen gewährleisten und humanitäre Nothilfe leisten. Ich bin auch sehr froh, dass sich Gewerkschafter inzwischen zusammengetan haben und einen Aufruf machen, um genau das zu fordern, was eben auch Frau Möller, Herr Kerstan und andere gefordert haben, nämlich eine Kontingentlösung, die es ermöglicht, den Flüchtlingen hier eine Perspektive zu geben. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass wir Rechtsstaatlichkeit unterlaufen wollen, sondern es hat damit zu tun, Humanität walten zu lassen.
Das Kirchenasyl hat eine lange Geschichte auch nach dem Krieg, vor allen Dingen in den Achtzigerjahren in Berlin, wo unter anderem Altbischof Scharf und Helmut Gollwitzer dafür Sorge getragen haben, dass bis zu Hunderte Abschiebungen verhindert wurden. Es gab dann diverse Entscheidungen, Abschiebungen zu verhindern, unter anderem die Nürnberger Deklaration oder die Charta von Groningen, wobei immer wieder die Kirchen diese Rolle gespielt haben und gefordert haben, Flüchtlinge aufzunehmen und Lösungen zu finden. Dies sollte nicht in Vergessenheit geraten, und insofern ist es eine wirklich wichtige Aufgabe unserer Gesellschaft, humanitäre Lösungen zuzulassen und solche Kontingentlösungen und Ermessensspielräume zu schaffen.
Im Jahr 1984 – das ist fast 30 Jahre her – habe ich begonnen, die Flüchtlingspolitik in Hamburg zu verfolgen. Die Flüchtlingspolitik in den Achtzigerjahren, ich nenne das Stichwort Alviola, war damals so, dass "Die Zeit" von einer "Behörde ohne Gnade" und der "Rechtfertigung einer politischen Torheit" sprach. Es war zwar juristisch erlaubt, die Familie Alviola abzuschieben, aber es war eine politische Torheit. Ich hoffe, dass wir diese Torheit nicht weiter begehen, sondern dass wir einen Weg der Humanität gehen, um das Wort "weltoffen" für Hamburg tatsächlich mit Leben zu füllen.
Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Frau Goetsch, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Scheuerl?
Ja, bitte.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch wir werden den Antrag unterstützen, denn Konferenzen, die junge Menschen in einen solchen Dialog, einen Austausch oder eine Diskussion führen, sind eine wichtige Sache. Davon kann man gar nicht genug haben. Wir stimmen einer Bewerbung Hamburgs zu, damit wir die Möglichkeit einer Jungen Islam Konferenz auf Landesebene bekommen. Das Treffen kann man sicherlich in Veranstaltungen wie dem Weltjugendtag der Katholiken und so weiter einordnen, es gibt nur einen kleinen Unterschied. Dieses Treffen ist nachhaltiger, weil es dialogorientiert angelegt und für vier Jahre auf Länderebene ausfinanziert ist.
Was mich allerdings ein bisschen stört – das möchte ich an dieser Stelle auch ausführen –, sind einige Punkte in Ihrer Antragslyrik, liebe SPD. Dort steht, die Konferenz wäre gut für den interkulturellen Dialog – okay –, aber: damit die vier Millionen Muslime in Deutschland besser integriert werden können. Damit sind wir wieder beim Thema "Wir und die anderen und wer integriert wen". Es ist doch letztendlich eine Frage der Rechte und der Teilhabe und nicht eine Frage der Religionszugehörigkeit. Der Kampf der Kulturen findet nicht zwischen Christentum und Islam statt, sondern eher zwischen rückwärtsgewandtem Fundamentalismus und moderner, aufgeklärter Gesellschaft.
In Ihrer Lyrik wird wieder der Fehler gemacht, den die Islam Konferenz auch schon gemacht hat, nämlich alles zu vermusen: Religion, Einwanderungspolitik, Integration und Sicherheitsfragen. Das gehört nicht alles zusammen. Viele Muslime in Hamburg stellen überhaupt nicht mehr die Frage nach Integration – und schon gar nicht die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Jungen Islam Konferenz –, sondern die nach gleichberechtigter Teilhabe und dem Umgang mit Pluralität in einer demokratischen Gesellschaft, was die Basis ihres Alltags ist. Tutku Güleryüz, eine Teilnehmerin, die beim Bundespräsidenten am 8. März 2013 gesprochen hat, sagte – Zitat –:
"Unser Land verändert sich und wir alle sind ein Teil dieses Landes und dieser Veränderung – ob mit oder ohne Migrationshintergrund, ob muslimisch oder nicht, religiös und auch nicht. Wir, die Junge Islam Konferenz, sind so, wie Deutschland gerade ist – vielfältig, normal, kritisch, manchmal zweifelnd, in Bewegung und neugierig."
Zitatende.
Genau das ist es. Es ist gut, dass die MercatorStiftung dieses finanziert, mit einer übrigens wissenschaftlich hochkarätigen Begleitung der Humboldt-Universität. Das ist eine wichtige Veranstaltung, die auch in der Teilnehmerzusammensetzung der religiösen Pluralität Rechnung trägt. Ich gehe davon aus, dass die Aleviten auch mit dabei sind, wie Herr Abaci eben sagte. Vom Konzept bin ich überzeugt. Der Titel ist schwierig, weil wir eigentlich keine weiteren Islam Konferenzen brauchen. Mit einem solchen Titel werden wieder Unterschiede und Stereotypen beschwört.
Beschworen, ja.
Muslime sind nicht gleich Muslime. Denken Sie an Migranten aus dem Iran in Hamburg, die oft der Oberschicht angehören; das sind Schiiten. Es sind Arbeitsmigranten aus der Türkei gekommen, Sunniten, Aleviten, Atheisten. Allein da funktioniert schon die Klammer nicht, alle Muslime zu nennen und auf ihre Integrationsfähigkeit in eine moderne Gesellschaft zu schließen.
Interessanterweise fordern diese 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Jungen Islam Konferenz zwischen 17 und 25 Jahren eine Konferenz, die sich mit religionsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Fragen beschäftigt, und für die gesamte Situation der Einwanderungsgesellschaft eine Enquetekommission, was die Bundesrepublik bisher nicht geschafft hat, zum Thema Diversität und gesamtgesellschaftliche Inklusion. Das finde ich hochinteressant, weil das dem Ganzen mehr Rechnung trägt als das, was unter der "erwachsenen" Islam Konferenz subsummiert ist.
Damit werden wir uns noch viel zu beschäftigen haben. Ich finde weiterhin interessant, was auch in Ihrer Lyrik steht: Die Junge Islam Konferenz ermöglicht Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund, in einen Dialog zu treten.
Unsere Jugendlichen fangen in der Kita zusammen an, sitzen jahrelang in der Schule, dann Ausbildung, dann Hochschule. In dieser Zeit hat also noch kein Dialog stattgefunden, aber das schafft nun diese Konferenz – das ist wohl übertrieben.
Wir leben in einer globalisierten Welt, in der Kultur und Identität nicht mehr von Nationalität und Religion abhängen. Wir müssen uns mehr auf die Sozialstrukturen konzentrieren und nicht auf diese Festlegung Religion und Migrationshintergrund. Das Leben ist eben nicht übersichtlich und einfach. Das ist so, Herr Abaci, und das sei an der Stelle einmal gesagt.
Ich will mit einem Zitat der jungen Berlinerin Tutku Güleryüz schließen, die beim Bundespräsidenten sagte:
"Wir wünschen uns von Ihnen, dass Sie als Präsident aller Deutschen, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, muslimisch oder nicht, religiös und auch nicht, den Menschen erklären, dass dieses Land sich wandelt und dass es dadurch nicht beliebiger wird, sondern selbstbewusster, wenn es sich im Spiegel betrachtet und irgendwann die Vielfalt als etwas typisch Deutsches anerkennt."
Dem kann ich nichts weiter hinzufügen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist vollbracht, und ich freue mich ganz besonders, weil wir viele Jahre gemeinsam daran gearbeitet haben. Herr Dressel hat den Dank schon vorweggenommen, da auch die Senats- und Bürgerschaftsbeauftragten der beiden Kirchen hier sitzen, die nicht nur mit Wohlwollen dabei waren, sondern viel Herzblut eingesetzt ha
ben, um diese Verträge zu einem guten Ende zu bringen. Auch ihnen gilt unser herzlicher Dank.
Wir haben heute viel über Toleranz und den interreligiösen Dialog gehört. Der interreligiöse Dialog ist aber mehr, als nur Toleranz zu haben. Wenn wir uns im interreligiösen Dialog wirklich bewegen, dann gehört zu diesem Zusammenarbeiten auch dazu, um etwas zu streiten und sich miteinander über Gleichheit und Differenz auseinanderzusetzen. Ich will natürlich in erster Linie noch einmal auf den Religionsunterricht eingehen, um die Bedenken der FDP und von Herrn Dr. Duwe vielleicht noch ausräumen zu können. Interreligiöser Dialog ist etwas Anstrengendes und eine Herausforderung in der Einwanderungsgesellschaft, und diese jahrelange Auseinandersetzung um ein gutes Ergebnis war im wahrsten Sinne des Wortes ein interreligiöser Dialog.
Ich will noch ein anderes Signal nennen, bevor ich zum Religionsunterricht komme. Die Verträge, die mit der Alevitischen Gemeinde geschlossen wurden, sind auch ein wichtiges Signal an die Türkei, wo die Alevitische Gemeinde nicht die Anerkennung hat, die sie durch die Verträge hier in Hamburg jetzt erhält. Das ist gerade in den jetzigen Zeiten ein wichtiger Punkt.
Natürlich unterstützen wir das Hamburger Modell des Religionsunterrichts für alle. Seit 1996 gibt es einen gemeinsamen Weg mit einem interfraktionellen Beschluss – damals von CDU, SPD und GRÜNEN –, und er wird natürlich auch durch die anderen Parteien, die inzwischen in der Bürgerschaft sitzen, getragen. Es gibt keine Sorge – wir haben es im Verfassungsausschuss schon kurz erwähnt –, dass hier irgendetwas verändert wird, ohne die Bürgerschaft zu befassen. Der Religionsunterricht ist ein Thema, das in der Schulbehörde befasst wird und das natürlich in jeglicher Veränderung immer durch eine Drucksache in die Bürgerschaft befasst werden muss.
Ich betone noch einmal ausdrücklich, dass beide Verträge sich zum Religionsunterricht für alle bekennen. Natürlich hätten die Aleviten und die Muslime das Recht nach Artikel 7 Absatz 3 Grundgesetz, eigenen Religionsunterricht zu machen, das ist selbstverständlich. Aber wir wissen doch alle, dass 40 Prozent der Kinder in unserer Stadt überhaupt keiner Religionsgemeinschaft und die anderen Kinder sehr unterschiedlichen Glaubensrichtungen angehören. Wir sind in Hamburg keine protestantisch geprägte Stadt mehr, sondern wir sind eine sehr pluralistische, heterogene und von über 100 Religionsgemeinschaften geprägte Stadt. Insofern ist der Religionsunterricht für alle der einzige Weg, um pädagogisch-organisatorisch, aber auch nicht desintegrierend zu arbeiten.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir alle hier zum Religionsunterricht für alle stehen. Und ich hoffe sehr, dass wir diese Herausforderung meistern. Herr Dressel hat es gesagt, dass es ein Verhandlungsauftrag ist, wie wir Religionsunterricht gestalten können, dass der alevitische und der muslimische Unterricht entsprechend Platz finden und durchgeführt werden muss. Wir haben das große Glück, dass seit über 15 Jahren die Aleviten und die Muslime in den Gremien der Bildungskommissionen sitzen und mitarbeiten. Das ist ein großes Pfund, und da ist Hamburg wirklich ganz vorne.
Natürlich ist jeglicher Fanatismus und Extremismus abzulehnen, aber wie kann man besser als mit verantwortungsvollen Lehrerinnen und Lehrern in einem gemeinsamen Unterricht durch das Verständnis und das Kennenlernen der Religionen dagegen angehen?
Ich bekomme jetzt ein Zeichen, dass ich zum Ende kommen muss, aber einen Punkt will ich noch erwähnen. Hamburg ist auch ein Garant dafür, dass wir den Religionsunterricht für alle weiterentwickeln werden. Wir haben seit 2010 die Akademie der Weltreligionen, wir haben den Lehrstuhl für islamische Theologie, hochkarätig besetzt mit entsprechenden Professorinnen und Professoren, und damit fundierte Voraussetzungen, um diesen Weg gemeinsam weitergehen zu können.
Ich denke, es steht Hamburg gut zu Gesicht, dass nicht nur das Christentum und das Judentum dazugehören, sondern auch die Muslime und die Aleviten, deren Religionen nicht besser oder schlechter sind als andere Weltreligionen, und 100 weitere Religionsgemeinschaften. Für eine reife demokratische Stadtgesellschaft ist es wichtig, gleichberechtigtes Ausüben der Religionen zu ermöglichen, und es ist unsere Pflicht, dies weiter zu gestalten und dafür zu streiten. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Man kann natürlich noch nicht sagen, es ist vollbracht. Aber was lange währt, wird hoffentlich gut. Selbstverständlich, Frau Vértes-Schütter, ziehen wir an einem Strang. Es wäre doch verrückt, wenn man das für das Weltkulturerbe nicht täte. Sie hatten schon gesagt, dass eine ganze Reihe von Senaten an der Vorbereitung beteiligt waren. Für mich war es interessant, das noch einmal nachzuvollziehen. Der Senat hatte 1997 begonnen, indem er die Aufnahme des Chilehauses in die deutsche Tentativliste der KMK beantragte. 2005 wurde die Bewerbung um das Kontorhausviertel erweitert. 2008 gab Frau von Welck das Gutachten in Auftrag. 2010 beauftragte der Senat die Kulturbehörde, die Anmeldeunterlagen zu erarbeiten. 2013 beauftragte der Senat die Kulturbehörde, die Antragsunterlagen bei
der UNESCO einzureichen und so weiter und so fort. Das ist ein extrem langer Vorlauf, der hoffentlich zu einer Nominierung führt. Ich glaube auch, dass es für Hamburg auf internationaler Ebene sehr interessant wäre, Weltkulturerbe zu sein. Das würde natürlich Besucher und Touristen anziehen, aber ich möchte noch einen weiteren Aspekt nennen. Das Bewusstsein für das kulturelle Erbe, für die einzelnen historischen Bauten unserer Stadt, die großartigen Denkmäler würde auch für die Hamburgerinnen und Hamburger selbst wichtig sein und vielleicht das Bewusstsein für den Denkmalschutz noch weiter verbessern. Unterm Strich also begrüßt unsere Fraktion die Bewerbung, und wir hoffen, dass sie einen guten Weg nehmen wird. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sie werden sich vielleicht wundern,
dass ich in die Bütt gehe, aber mir verkommt diese Debatte ein bisschen zu sehr zur Jubel- und Heiteitei-Veranstaltung. Ich habe am Wochenende Sandsäcke geschleppt, weil wir unser Wochenendhaus an der Seege, an der Elbe haben. Wir haben die Situation entsprechend vor Ort hautnah erlebt. Das Wasser stand 60 Zentimeter unterm Deich und das Haus liegt direkt dahinter. Das sage ich nur, um zu begründen, warum ich hier spreche. Ich nenne die Debatte eine Jubel- und Heiteitei-Veranstaltung, weil es viel ernster ist. Es ist natürlich selbstverständlich zu danken, aber, Herr Neumann, es ist doch schön, wenn man die Kameraden nach Dresden schickt und dann vielleicht selbst mit dem Hubschrauber hinfliegt.
Ich sage es etwas überzogen. Es ist doch selbstverständlich, dass Hamburg Solidarität zeigt und dass wir den Helfern danken. Sie haben aber nichts daraus gelernt. Wenn Sie sich anschauen, dass nach der großen Flut 2002 keine ausreichenden Deichrückverlegungen stattgefunden haben,
wenn es keine ausreichend klaren Ansagen gibt, wie es jetzt wieder passiert ist, dass die Maisbauern nicht bereit sind, fluten zu lassen und deshalb andere Gebiete gefährdet sind, wenn weiter begradigt wird, wenn weiter Neubaugebiete ausgewiesen werden in Bereichen, die eigentlich nicht bebaut werden dürfen – von den Auen wurde eben schon von Frau Schneider berichtet –, dann hat man aus 2002 nichts gelernt. Insofern kann es nicht damit enden, dass wir in Hamburg versichern, weiter zu helfen und aufzuräumen. Das ist
alles schön und gut, richtig und selbstverständlich. Was aber müssen wir daraus lernen? Wir müssen lernen, dass wir nicht weiter begradigen, nicht weiter vertiefen dürfen, dass technischer Umweltschutz nicht reicht. Wir brauchen ökologischen Umweltschutz, sonst werden wir nicht mehr nur drei Jahrhundertfluten in zehn Jahren haben, sondern dann werden wir jedes Jahr denselben entsetzlichen Mist haben. Ich bin nicht existenzgefährdet, aber alle unsere Nachbarn im Dorf sind das zum dritten Mal in zehn Jahren. Deshalb kann es nur ergänzend zum technischen Umweltschutz um ökologischen Umweltschutz gehen und nicht zum Beispiel um Elbvertiefungen. Wenn das in der Mittelelbe passiert, dann ist das ein Wahnsinn. Das will ich an der Stelle sagen.
Sie entziehen sich der Verantwortung. Es ist auch sehr galant, Herr Wersich, wie Sie es gemacht haben. Ich bin gespannt, was Ihre Kollegen von der CDU in den entsprechenden Bundesländern machen. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Man kann eigentlich nur sagen: Endlich findet der Paradigmenwechsel hin zum Ipsa-lege-Prinzip in Hamburg statt.
Das haben wir als GRÜNE, man kann fast sagen seit Jahrzehnten, gefordert. Ich habe das Gefühl, Herr Hamann, Sie sind irgendwo stehengeblieben, da Sie sich hier als Lobbyist darstellen. Wir werden dieses Gesetz unterstützen und wir werden auch zustimmen. Wir haben ausführliche Diskussionen im Ausschuss gehabt; wir hatten auch große Sorgen im Kontext der Nachverdichtung von Ensembles.
Ich weiß gar nicht, warum Sie so brüllen, Herr Hamann.
Ich habe alle Zeit der Welt. Dass der Denkmalschutz so viele Emotionen hervorruft, ist ja interessant.
Ich möchte betonen, dass wir das Gesetz ausdrücklich unterstützen und dass bei uns die Sorge bezüglich Verdichtung und Ensembleschutz groß war, weil es – Lex Gartenstadt-Berne – eine Menge Klüngelei zwischen der SPD dort und der Genossenschaft gab. Das haben wir alles intensiv diskutiert. Das sollen die um Gottes Willen in ihrem Bezirk lösen. Wir werden allerdings dem Punkt 5 unter B nicht zustimmen, das Gesetz als Ganzes aber annehmen, und zwar auch aus dem Grund, weil endlich eine Transparenz geschaffen wird, ein Dialogmit den Betroffenen vorgesehen ist. Nach zwei Jahren wird evaluiert, alle anderen gesetzlichen Dinge hat Frau Vértes-Schütter schon gesagt. Es ist also unterm Strich ein richtiger und guter Schritt. Was Sie im CDU-Antrag fordern, bedeutet zusätzliche Bürokratie und zusätzlicher hoher Aufwand.
Genau diesen Aufwand wollen wir nicht, und deshalb lehnen wir den CDU-Antrag ab. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es gibt viel zu tun, aber ich bin erst einmal froh, dass wir überhaupt diese Potenzialanalyse gemacht haben.
Wir haben sie in der letzten Legislaturperiode in Auftrag gegeben und Anfang dieser Legislaturperiode im Kulturausschuss im Rahmen einer Anhörung mit den Experten besprochen, sodass man jetzt wirklich auf der fundierten Grundlage diskutieren kann. Nun ist es richtig, wie Herr Wersich schon angemahnt hat, dass es zwei Jahre gedauert hat, bis sozusagen ein gewisser Teil der Empfehlungen, zum Beispiel die Förderrichtlinien, umgesetzt ist. Es gibt auch ein bisschen mehr Geld, und man könnte sagen, das sei ein gemeinsamer kleiner Erfolg, aber es ist nicht so, dass man sich jetzt darauf ausruhen kann, im Gegenteil.
Wenn Sie sich die langfristigen Empfehlungen der Potenzialanalyse angucken, dann ist ein Finanzierungsbedarf in Höhe von 2,5 Millionen Euro ange
setzt. Die 100 000 Euro und die zusätzlichen Mittel aus der Kulturtaxe mit dem Verweis auf den Elbekulturfonds sind da allenfalls ein Trostpflaster. Wenn Sie sich erinnern, haben wir in den Haushaltsberatungen 100 Prozent aus der Kulturtaxe gefordert, und das hätte für den Innovationsfonds, den wir Alsterfonds genannt haben, 5 bis 7 Millionen Euro bedeutet, und zwar für die gesamte Szene, nicht nur für die freie.
Ich habe mir einmal die 31 Spiegelstriche der Empfehlungen angeschaut. 14 davon sind jetzt umgesetzt, also haben wir noch reichlich zu tun. Die Theater in Eimsbüttel und Wandsbek hat Herr Wersich eben angesprochen. Da gibt es das Problem, dass man zwei Theater schließt, die als Stadtteiltheater eine wichtige Rolle spielen. Dazu muss man natürlich auch sagen, dass sie die Kriterien nicht erfüllt haben, die sie sich selbst im Rahmen der Richtlinien gesteckt hatten. Das Problem ist, wenn die Theater jetzt geschlossen werden, dann werden wichtige Identifikationsorte im Stadtteil und auch Bühnen für den Nachwuchs geschlossen. Da befinden wir uns in einem gewissen Zwiespalt.
Es gibt auch noch andere Baustellen, die weiß Gott nicht behoben sind. Der Projektetopf der OffProjekte wurde vom neuen – inzwischen auch alten – Senat gestrichen. Zum Beispiel finden die konspirativen Küchenkonzerte in Wilhelmsburg nicht mehr statt, obwohl sie mehrfach für den Grimme-Preis nominiert wurden. In der Potenzialanalyse ist das Projekt WIESE, wie eben schon angesprochen, gefordert. Da war ein großer Schritt gemacht worden, und jetzt hakt es an städtischen beziehungsweise privaten Bürgschaften. Daran muss weiter gearbeitet werden, und zwar mit Unterstützung der Politik und der Verwaltung. Wir haben weiterhin kaum Spielstätten und Probenräume für freies zeitgenössisches Musiktheater. Auch Kooperationen zwischen Freien und Staatlichen sind kaum ausgeprägt, hier könnten Anreize geschaffen werden. Bei Kooperationen entstehen Reibungen, das könnte Hitze für beide Seiten bringen.
Meine Damen und Herren! Der Senat muss sich auch die Frage stellen, warum sich gerade jetzt eine Koalition der Freien bildet, warum gerade jetzt zum Protest aufgerufen wird. Ich glaube, das hat nicht nur etwas mit Geld zu tun. Es hat auch nicht nur etwas mit finanzieller Unterstützung, die zum Teil von der Kulturbehörde kommt, zu tun, sondern es hat mit den Rahmenbedingungen insgesamt zu tun. Es hat mit Entlohnung zu tun, es hat vor allen Dingen mit Wertschätzung zu tun, die viel zu gering ist. Es hat mit Räumen zu tun, die zur Verfügung stehen. In der Kulturbehörde ist die Wertschätzung nicht das Hauptproblem, sondern es sind eher die Finanz-, die Wirtschafts- und die Stadtentwicklungsbehörde, die immer wieder Probleme machen und den Freien Steine in den Weg legen, gerade, wenn es um die Räume geht.
Es geht hier nicht nur um Alimentierung von Künstlern oder um staatliche Förderung. Die ganze Stadt sollte begreifen, dass die freie Szene und kreatives Schaffen ein wichtiger Wertschöpfungsprozess sind und viele in Hamburg von den vielfältigen Kulturangeboten der freien Szene profitieren; auch das wurde schon mehrfach gesagt. Wir müssen die freie Kunst und Kultur, die freie Tanz- und Theaterszene als wichtige Inspirationsquelle für die Stadt sehen.
Ich würde mir wünschen, dass wir gemeinsam mit den freien Künstlerinnen und Künstlern und Kreativen diese neuen Wege gehen, ihre impulsive Kraft nutzen und dass alles getan wird, jetzt zügig die Empfehlungen der Potenzialanalyse umzusetzen. Ich könnte mir vorstellen, dass wir da eine ganz große Koalition bilden könnten, und hoffe auf die Einsicht der Regierungsfraktion. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! "Sie ist weg", das ist ein Titel der Band "Die Fantastischen Vier". Mit diesem Titel könnte man vielleicht auch die bereits abgerissenen Gebäude auf der Peute bezeichnen in ihrem Gebäudebestand. "Die Fantastischen Vier" sind auch sinnigerweise Mieter im Tonstudio eines dieser Häuser, in denen sie ihre Songs gemischt haben. Sie sind, ehrlich gesagt, auch ein tolles Beispiel für kreative Zwischennutzung, aber darauf komme ich noch zurück.
Dass der Abriss der beiden denkmalgeschützten Gebäude auf der Peute im vorletzten beziehungsweise letzten Jahr nicht genehmigt war, das wissen wir. Und ich frage mich ernsthaft, wie so etwas eigentlich passieren kann. Die Sprecherin der HPA sagt dann auch noch – Zitat –:
"Wir sind davon ausgegangen, dass wir die Gebäude abreißen dürfen."
Da frage ich mich, wo wir eigentlich leben und welchen Stellenwert eigentlich die Erhaltung des Stadtbildes, auch im Hafen, gerade für den aktuellen Senat hat. Wir haben ja schon einiges dazu von Herrn Hackbusch gehört.
Wir mussten allerdings leider in den Ausschussberatungen zum Denkmalschutzgesetz auch feststellen, dass gerade die Wohnungswirtschaft sich vorstellt, dass einige Paragrafen des neuen Denkmalschutzgesetzes aufgeweicht werden nach dem Motto: Wohnungsbau ist uns wichtiger als Denkmalschutz, geschweige denn Ensembleschutz. Wir haben sogar gehört, man könne doch von den Ensembles alles wegreißen, wenn dann wenigstens ein Haus stehenbliebe. Das ist grober Unfug, das ist fachlicher Unfug. Der Denkmalschutz sorgt dafür, dass das kulturelle Gedächtnis unserer Stadt erhalten bleibt, und ein Stadtbild mit Denkmälern schafft auch im kulturellen öffentlichen Raum – dazu gehört auch der Hafen – eine Kultivierung unseres städtischen Lebens. Das gilt für die Stadtentwicklung und die Hafenerweiterung ebenfalls.
Mich erstaunt in Bezug auf die Peute schon etwas die Geschichtsvergessenheit selbst einer SPD, wenn es um die Arbeitergeschichte und die Geschichte von Konsumgenossenschaften geht. Es ist zweifelsohne schön, wenn Sie das jetzt nachreichen und wenn sich beispielsweise einige Retter aus dem Bezirk schon lange dafür stark machen. Es ist auch in dem Brief der Museumsdirektoren, der Architektenkammer und anderer Experten sehr deutlich geworden, dass dieser Abriss wirklich das
Ende eines Stücks Geschichte bedeutet. Das darf nicht sein, das muss verhindert werden.
Deshalb fänden wir es gut und notwendig, wenn die Anträge überwiesen werden, um darüber weiter fachlich im Kulturausschuss zu diskutieren.
Meine Damen und Herren! Dass Hamburgs Museen einen Kulturspeicher brauchen, ist lange bekannt. Einen geeigneten Ort zu finden, ist sicher nicht einfach. Diese ganzen Pläne, die irgendwo liegen und die jetzt nicht funktionieren, weil die Quadratmeterzahl nicht reicht, müssen nicht in irgendwelchen Schubladen verschwinden, sondern das wäre ein Thema für den Ausschuss. Insofern unterstützen wir den Antrag der LINKEN auf Überweisung. Dass sich zum Beispiel Gebäude wie die Chemiefabrik oder das Zentrallager auf der Peute ebenfalls hervorragend eignen würden für kulturelle, kreative Nutzungen, ist klar. Auch kleinteilige Vermietungen würden möglich sein, auch wenn es manchmal ein bisschen mehr Arbeit macht, aber es befördert neue Ideen. Und die Kreativen in Hamburg brauchen, das wissen wir alle, mehr Räume. Wenn der Kulturspeicher schon dort nicht möglich ist, dann können Zentrallager und Gebäude eigentlich dafür viel besser genutzt werden. Das kann unseres Erachtens auch mit privaten Investoren passieren, das ist gar nicht die Frage. Eine Erhaltung des Zentrallagers und eine kreativwirtschaftliche Nutzung wäre aber wahrscheinlich – um mit den Worten der "Fantastischen Vier" zu sprechen – zu geil für diese Welt.
Wir müssen das gemeinsam diskutieren und können das nicht irgendwem überlassen. Es herrscht totale Unklarheit. Deshalb wollen wir eine Überweisung der Anträge und das Ganze öffentlich machen. Wir wollen zum einen gemeinsam für einen Kulturspeicher streiten und zum anderen für den Erhalt der Peute, für dieses Ensemble. Dafür ist der Denkmalschutz geeignet, und das müssen wir alle gemeinsam angehen. Daher bitte ich Sie, dieser Überweisung, die wir alle in der Opposition wollen, zuzustimmen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Kisseler sagte dem "Hamburger Abendblatt", als Sie frisch zur Kultursenatorin berufen worden war – Zitat –:
"Ich denke, was in Hamburg […] nottut, ist eine Aufstockung des Kulturetats."
Zitat weiter:
"Es geht darum, dass es ein valides Bekenntnis zur Notwendigkeit der Steigerung des Kulturetats gibt."
Zitatende.
Frau Kisseler, dumm gelaufen, der Kulturhaushalt beweist genau das Gegenteil. Die SPD betreibt eine Sparpolitik und dazu noch eine ideenlose, zukunftsfeindliche Kulturpolitik. Das ist wirklich unglaublich.
Herr Tabbert von der SPD klatscht, das finde ich toll.
Fakt ist nämlich, dass der Kulturhaushalt, wie auch schon Herr Wersich erwähnte, im Jahr 2014 zum ersten Mal seit zehn Jahren unter 2 Prozent sinkt. Fakt ist, dass der Senat Tarifabschlüsse mit den Gewerkschaften macht, ohne die Etats bei den Kultureinrichtungen entsprechend anzugleichen. Das sind Kürzungen in Millionenhöhe, und das ist ein Skandal.
Fakt ist, dass in allen Haushaltsberatungen in den Ausschüssen Das war kein Hip
nicht beantwortet wurde, wo die 4,7 Millionen Euro jährlich für globale Minderausgaben herkommen
sollen. Bei diesen gravierenden Einsparungen formuliert dann noch der Fraktionsvorsitzende der SPD vollmundig – Zitat –:
"[…] dass von einem Kaputtsparen der Kultur nicht die Rede sein kann […]"
Zitatende –
und dass die Bilanz der Fraktion und der Kultursenatorin sich sehen lassen könne.
Es kommt aber noch schlimmer. Gestern in der Generaldebatte sagte Herr Dressel selbstgerecht, dass die HÖB nun besonders gut ausgestattet würde. Bei der Bücherhallenpolitik schlägt es dem Fass den Boden aus,
weil Ihre Investitionen überhaupt nichts nützen. Was wollen wir denn mit einem gut ausgestatteten Bücherbus, was wollen wir mit einer sanierten Bücherhalle, wenn kein Personal da ist? Die Bücherhallen müssen eine halbe Million Euro einsparen.
Regen Sie sich mal ab.
Zur Zukunftsfeindlichkeit: Die SPD hat die Not und die Missstände in der Kinder- und Jugendkultur nicht behoben, im Gegenteil, sie hat den TeflonModus eingeschaltet und alle Bemühungen der Akteure und auch der engagierten Einrichtungen und Experten an sich abperlen lassen.
Selbstverständlich.
Wir sprechen von den Betriebsmitteln. Was soll denn die Bücherhalle mit einer neu gestrichenen Wand, wenn Sie für die Bücherausgabe kein Personal hat?
Das ist schön, aber es ist ein Trostpflaster, das hat nichts mit der Betriebsmittelsituation zu tun.
Jetzt noch ein paar Worte zur Kinder- und Jugendkultur, die uns allen in den Oppositionsparteien ein Anliegen ist. Wenn Kinder und Jugendliche nicht in ihrer kulturellen Aktivität gestärkt werden, wenn sie keinen Zugang zu Kunst- und Kultureinrichtungen bekommen, haben wir in Zukunft nicht nur leere Museen und leere Konzertsäle, sondern auch eine Generation konsumorientierter Mitläufer und Mitläuferinnen ohne eigenes Reflexionsvermögen.
Ideenlos und zukunftsfeindlich ist auch dieses wunderbare Thema der SPD-Klüngelpolitik, mit der sie stadthistorische Museen in die Provinzialisierung geschickt hat. Das Konzept, Hamburgs Geschichte in den verschiedenen Häusern zielgerecht aus einem Guss zu erzählen, haben sie ad acta gelegt. Das Hafenmuseum ist im Papierkorb gelandet und der Kulturspeicher in noch viel entfernteren Schubladen.
Meine Damen und Herren! Wir haben in unserem Haushaltsantrag gezeigt, wie zukunftsfähige Kulturpolitik aussehen kann. Seit einem Jahr fordern wir gebetsmühlenartig, dass die Kulturtaxe zu 100 Prozent in die Kultur fließen muss.
Letzthin war im "Hamburger Abendblatt" zu lesen, dass der Tourist es kaum merke, die Kultur aber sehr. Wir können das nur unterstreichen.
Wir fordern einerseits, künstlerisches Weltniveau zu erhalten und weiterzuentwickeln wie zum Beispiel Festivals oder Ausstellungen, die internationale Strahlkraft haben. Ich denke aber auch an das Ensemble Resonanz, das international reüssiert hat. Wir fordern andererseits auch, alle kulturellen Möglichkeiten Hamburgs auszuschöpfen, zur Entfaltung kommen zu lassen, und das heißt Kultur in den Stadtteilen, das heißt Teilhabe für alle, das heißt, Integrationsprojekte, inklusive und interkulturelle Projekte wie das Festival "eigenarten" oder das "Elbinsel-Gipsy-Festival". Der Kulturschlüssel braucht endlich die Wertschätzung, die er haben müsste. Kunst- und Kultureinrichtungen müssen sich auf allen Ebenen der Gesellschaft öffnen. Wir wollen mehr kulturelle Bildung, die Modellregion Kinder- und Jugendkultur muss weiterentwickelt werden und braucht vor allen Dingen Planungssicherheit. Denken Sie an das Kinderbuchhaus, denken Sie an das Projekt Buchstart, beide sind gefährdet. Wir können uns auch vorstellen, einen Kul
turring in einem zeitgemäßen Format wieder einzuführen. Wir fordern einen Alsterkulturfonds,
der mit Mitteln zwischen 5 und 7 Millionen Euro ausgestattet ist. Ihre 300 000 Euro sind Pipifax, damit kann man doch überhaupt nicht alle Kunstsparten fördern.
Unsere Forderung lautet: 100 Prozent der Kulturtaxe für die Kultur und nicht für das Stadtmarketing oder den Sport. Ich kann zum Schluss nur an die Worte von Frau Deuflhard erinnern. Sie sagte im vergangenen Jahr, Hamburg brauche nicht nur den Austausch von Gütern im Hafen, sondern ebenso dringend den Austausch von Künstlern. Hier zu sparen wäre fahrlässig und zum Schaden unserer Stadt. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will das jetzt nicht kommentieren. Wir haben durch die Unterrichtung durch die Präsidentin mitbekommen, dass die erneute Prüfung keine neuen Aspekte gebracht hat. Das kann man so hinnehmen. Aber was dem Fass den Boden ausschlägt, ist die Begründung, dass der Bezirk Tafeln aufgestellt hätte. Die Frage ist jetzt, ob wir eine Kommune sind oder eine Gesamtgemeinde. Was soll das eigentlich? Dass deshalb keine offizielle Benennung durch die Bürgerschaft notwendig ist, ist doch ein Armutszeugnis für den SPD-Senat und auch für den Ersten Bürgermeister.
Wenn wir uns damit abfinden, dass Tafeln vom Bezirk aufgestellt werden und das dann einer offiziellen Benennung gleichkommen soll, dann tut mir das einfach nur leid. Man muss sich anscheinend fragen, ob hier das Rückgrat gefehlt hat, sich mit dem türkischen Konsulat auseinanderzusetzen wegen einer offiziellen Benennung.
Das hat damit nichts zu tun. Es gab keinen Antrag in der Zeit.
Das Verfahren gegen Kemal Altun ist eingestellt worden. Kemal Altun ist vom Verwaltungsgericht Berlin rehabilitiert worden, und es wurde ihm nachträglich Asyl gewährt.
Wir müssen auch heute noch, 2012, immer wieder dafür kämpfen, dass Menschen, die Zuflucht in Deutschland suchen, nicht zu Tode kommen; das ist bitter genug. Es ist aber unsere Aufgabe, für diejenigen, die zu Tode gekommen sind, Denkmale und Gedenkorte zu errichten. Das sind wir den Toten schuldig. Hier ist eine große Chance vertan worden.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es juckt mich ein bisschen, heute doch noch einmal auf den Bund der Steuerzahler einzugehen, der so etwas von gezündelt hat, dass es eine Frechheit ist. Die Aussage, der Kostendeckungs- und Wirkungsgrad von etablierten Kultureinrichtungen wecke Zweifel an der Notwendigkeit eines Weiterbetriebes, ist schon ziemlich daneben. Sie nennen noch nicht einmal Ross und Reiter, wo es denn hingehen soll. Wollen die vielleicht bei den Staatstheatern sparen oder ein Museum schließen? Viel Spaß wünsche ich dem Bund der Steuerzahler dabei.
100 Prozent in die Kultur – wir GRÜNE bleiben bei unserer Forderung und haben von Anfang an für eine Kulturförderabgabe plädiert, denn der Name ist Programm, das hat sich deutlich gezeigt. Und deshalb kritisiere ich unverändert die 50:50-Aufteilung. Mein Dank geht an Herrn Kersten – nicht Herrn Kerstan –, der heute als Kulturnutzer mit seinem Artikel im "Hamburger Abendblatt" die Debatte so schön auf den Punkt gebracht hat, den ich natürlich voll unterstütze und dessen Worte ich hier zitieren möchte:
"Die Stadt hat kulturellen Nachholbedarf […] Sport und Tourismus sind schon reichlich populär. Im Sport macht's die Masse, bei der Kultur nicht."
Zitatende.
Ich kann das nur unterstreichen, 100 Prozent gehören in die Kultur. Was mit dem Geld alles gemacht werden könnte, dazu haben wir eine Übersicht erstellt. Natürlich geht es darum, Festivals und auch Projekte internationaler Strahlkraft zu fördern, aber genauso die Kinder- und Jugendkultur, die kulturelle Bildung und vieles mehr.
Wir müssen das kulturelle Weltniveau halten, aber die Attraktivität unserer Stadt, und das ist schon mehrfach in vielen Debatten gesagt worden, liegt auch an der Kinder- und Jugendkultur, den kulturellen Szenen und der Klub- und Off-Kultur. Es ist schon ausführlich besprochen worden, dass auch hier Impulse gegeben werden müssen. Auch das könnte die Kulturtaxe schaffen. Ich kritisiere wie Herr Wersich den Elbekulturfonds mit seinem Kleckerbetrag von 300 000 Euro für alle Sparten. Was wollen Sie damit machen? Das ist bei dem Betrag, der zur Verfügung stehen könnte, würden 100 Prozent in die Kultur gehen, nun wirklich nicht angesagt. Deshalb halten wir unseren Vorschlag weiter aufrecht.
Ich finde es sehr erfreulich, dass DIE LINKE unseren kommenden Haushaltsantrag heute in ihren Zusatzantrag übernommen hat, dass wir bis zu 7 Millionen Euro in diesen Kulturfonds geben könnten. Ob er nun Alster oder Elbe heißt, ist unwichtig.
Bille? Alles Gewässer der Stadt, die dafür Sorge tragen können, die Kultur zu fördern.
Lassen Sie mich bei der allgemeinen Erheiterung einmal sehen, welchen Fluss wir noch auftun – Hauptsache, er fließt für die Kultur.