Protocol of the Session on November 10, 2011

(Beifall bei der SPD)

Bei diesem Themenfeld ist es unser Anspruch, schnell, konsequent und konkret zu handeln. Es ist aus unserer Sicht wichtig, dass wir auf behördlicher Seite durch ein modernes Verfahren organisatorisch ordentlich aufgestellt sind. Das ist aber nur ein erster Schritt. Wie sich Behörden organisieren, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit und etwas, worüber man nicht viele Worte verlieren muss. Wir haben diesen ersten Schritt getan, und wir werden auf diesem Weg mit der Erarbeitung weiterer Maßnahmen und Programme voranschreiten. Wir werden das Thema Schulschwänzen offensiv angehen, weil wir wissen, welche Karrieren mit dem Schulschwänzen begonnen haben, aber wir werden auch bewährte Programme – nicht nur, aber auch unter Einbeziehung der Polizei – wie das Programm Cop4U fortsetzen.

Ich hoffe, wir werden darüber eine Diskussion führen, die das Ziel im Auge behält, den Menschen die Chance zu geben, kein Opfer zu werden, und den Tätern die Chance, wieder auf den rechten Weg zurückzukommen. Unsere Aufgabe ist es, Menschen, besonders Kinder und Jugendliche, nicht dauerhaft auszugrenzen, sondern, wenn sie Fehler gemacht haben bei entsprechender Einsicht dahin zu führen, dass sie den rechten Weg finden. Wir können natürlich nicht alle gesellschaftlichen Probleme lösen, wir werden sie nicht allein mit Polizei und Staatsanwalt lösen, aber im Senat gibt es den Ansatz – und den werden wir weiter verfolgen –, es gemeinsam zu denken und schulische und sozialpolitische Fragen bis hin zur Kinderversorgung, wo wir vieles auf den Weg gebracht haben, einzubeziehen. Wir wollen ein Konzept aus einem Guss, aber dazu gehört, wo es notwendig ist, eine klare, entschlossene Polizei und eine entsprechend tätige Staatsanwaltschaft und entscheidungsfreudige Richterinnen und Richter. – Vielen Dank.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Senator. – Das Wort hat Herr Voet van Vormizeele.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will diese erste Rede des Senators nach einem halben Jahr zur Innenpolitik in diesem Parlament zum Anlass nehmen, das eine oder andere kurz anzumerken. Zunächst einmal ein großes Dankeschön für

(Senator Michael Neumann)

das Lob, dass wir es geschafft haben, 2001 die Versäumnisse des sozialdemokratischen Vorgängersenats im Bereich der Gewaltpolitik aufzuarbeiten. Sie haben gerade bestätigt, dass seit 2001 die Anzahl der Gewaltdelikte erheblich zurückgegangen ist. Vor 2001, so Ihre Formulierung, hatten wir exorbitant hohe Zahlen. Das ist richtig, Herr Senator, vielen Dank noch einmal für das Lob.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind uns sicher darüber einig, dass wir nicht zulassen wollen und nicht zulassen werden, dass Menschen in ihrer subjektiven Wahrnehmung der eigenen Sicherheit verunsichert werden, denn das Gefühl der Unsicherheit führt zu einem Maß an Unfreiheit, das wir keinem Menschen in dieser Stadt zumuten wollen. Aber, Herr Senator, das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Sie bei aller Subjektivität objektiv handeln müssen. Ich fand die Aufzählung der Maßnahmen, die Sie ergreifen wollen, sehr bemerkenswert. Das war sehr viel heiße Luft und sehr viel davon, was längst stattfindet. Schulschwänzen, Herr Senator, ist seit Langem ein wesentlicher Teil des Zehn-Säulen-Modells. Jetzt so zu tun, als ob sich der Senat zum ersten Mal des Problems Schulschwänzen als einem wesentlichen Indikator von Jugendkriminalität annimmt, ist schlichtweg albern, da kommen Sie leider fünf Jahre zu spät.

(Beifall bei der CDU)

Ein letztes Wort zu Ihren Ausführungen, denen ich in vielen Bereichen zustimme. Wir haben immer noch viel zu viele Gewalttaten in dieser Stadt, jede einzelne Gewalttat ist eine zuviel. Aber ich möchte auch aufnehmen, was die Kolleginnen Schneider und Möller sehr deutlich gesagt haben. Wir müssen bei aller Kritik aufpassen, dass wir eines nicht aus dem Auge verlieren: In dieser Stadt gibt es Zehntausende von Jugendlichen, die überhaupt nicht auffällig sind. Wir reden über eine sehr kleine Zahl gewaltbereiter Jugendlicher. Es kann und darf nicht angehen, dass wir alle Jugendlichen über einen Kamm scheren und unser Vorgehen mit dem angeblich riesigen Problem Jugendgewalt begründen. Das ist falsch. Wir müssen diejenigen angehen, die uns ein Problem machen, wir müssen aber auch deutlich sagen, dass die Mehrheit kein Problem hat.

(Beifall bei der CDU, der GAL und vereinzelt bei der LINKEN)

Ein letztes Wort. Ich habe Ihre Ausführungen zur Beteiligung des Datenschutzbeauftragten mit Interesse vernommen und bin sicher, dass der Innenausschuss den Datenschutzbeauftragten zu seinen Beratungen gern hinzuziehen wird. Wir werden uns sehr genau anschauen, an welchen Maßnahmen er Kritik hat oder auch keine Kritik hat. Wir werden uns im Übrigen auch voller Interesse anhören, wie denn diese 288 Fälle von der Polizei inten

siv personell betreut werden können, wo die Planstellen dafür sind, wie die finanziert werden. All das werden wir mit viel Detailfreude im Innenausschuss nacharbeiten.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Voet van Vormizeele. – Das Wort hat Frau Blömeke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich bewusst als Jugend- und Familienpolitikerin gemeldet, weil ich erschrocken bin, mit welcher einseitigen Ausrichtung die SPD-Fraktion dieses Thema bespricht.

(Beifall bei der GAL)

Der Senator hat zwar in einem Satz gesagt, wir müssen gemeinsam denken, und dann kam doch tatsächlich in seiner Rede einmal das Wort Jugendhilfe vor und am Ende das gemeinsame Denken mit Schule und Familie. Aber das ist zu wenig.

(Dirk Kienscherf SPD: Mehrmals, Frau Blö- meke!)

Was hier dargestellt wurde, trägt zu einem sehr verzerrten Blickwinkel auf Jugendgewalt bei. Ich will Ihnen, Herr Senator, das an einem Beispiel schildern. Sie haben behauptet, dass von 2001 bis 2010 die Anzahl der erfassten Fälle auf 8600 Gewalttaten von Jugendlichen im Jahr 2010 angewachsen ist. Das ist die Gesamtzahl der Gewalttaten und nicht die Zahl der ausschließlich von Jugendlichen verübten Taten; das ist ein erheblicher Unterschied.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Ja, in der Tat!)

Mit seiner Rede hat der Senator zu einer verzerrten Darstellung des Themas Jugendgewalt beigetragen.

(Beifall bei der GAL, der LINKEN und verein- zelt bei der CDU) )

Es kann doch nicht angehen, dass wir, angemeldet von der SPD-Fraktion, zwei Reden hören, eine von Herrn Münster und eine vom Senator, die beide den Blickwinkel rein auf die Innenpolitik ausrichten, ohne die Jugendpolitik und Jugendhilfe einzubeziehen. Wenn wir über Jugendgewalt reden, dann müssen wir auch über Jugendhilfe reden. Das war in der Vergangenheit immer Usus. Die ersten Jahre wurde das Thema Jugendgewalt – das war mir auch schon fast zu einseitig – nur im Familienausschuss besprochen. Später war es Usus, dass wir gemeinsame Sitzungen hatten, weil dieses Thema natürlich ein Querschnittsthema ist. Wir müssen doch auch darüber reden, wie wir die Elternkompetenz stärken, wir müssen natürlich auch über Schulmaßnahmen reden, wir müssen über frühe Hilfen reden und wir müssen darüber reden, wel

(Kai Voet van Vormizeele)

ches Männerbild wir in unserer Gesellschaft haben. Auch das gehört zum Thema Jugendgewalt, weil die Gewalt meistens von männlichen Jugendlichen ausgeht, wie eben schon gesagt wurde.

Ich möchte sehr dafür plädieren, dass die SPD das noch einmal überdenkt und diese Große Anfrage auch an den Familienausschuss überweist, damit wir das Thema ganzheitlich angehen können und nicht mit diesem einseitig verkürzten Blickwinkel.

(Beifall bei der GAL und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Blömeke. – Das Wort hat Frau Schneider.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will mich zu diesem Obachtverfahren äußern. Das wird von der Polizei koordiniert und betrifft die Datei, in die verschiedene Behörden Informationen einspeisen. Wenn die Polizei diese Datei führt, dann muss es eine Errichtungsanordnung geben, und die gibt es nicht. Sie darf – ich glaube, es ist Paragraf 26 PolDVG – keine Datei einrichten, ohne dass geklärt ist, was darin steht, wie es gelöscht wird und so weiter.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

Das ist rechtswidrig und deswegen sage ich legal, illegal … so.

(Beifall bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Zweitens ist die Polizei, die das alles koordiniert, dem Legalitätsprinzip verpflichtet. Das heißt, dass die Polizei bei allen Straftaten, von denen sie Kenntnis hat, Strafverfolgung einleiten muss. Zwischen dem Jugendlichen und der Jugendhilfe besteht aber ein völlig anderes Verhältnis. Da muss ein Jugendlicher über seine Probleme und dass er vielleicht Scheiß gebaut hat in einem vertrauensvollen Rahmen reden können. Wenn solche Informationen dann in die Datei kommen und die Polizei sie möglicherweise strafverfolgen muss, zerstört das – und das betrifft die Schulen in ähnlicher Weise – das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Jugendlichen und Jugendhilfe oder auch Jugendlichen und Schule. Dadurch, dass die Polizei alles koordiniert, dass bei ihr alles zusammenläuft, wird das notwendige Vertrauensverhältnis schwer gestört oder kann erst gar nicht aufgebaut werden. Eines ist völlig klar, Rechtsstaatlichkeit erfordert, Herr Senator, eine Rollenklarheit. Die Rollenklarheit ist mit dem Obachtverfahren nicht mehr gegeben. Deshalb ist es nicht rechtsstaatlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Schneider. – Das Wort hat Herr Münster.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist bemerkenswert, dass auf der einen Seite von Herrn Voet van Vormizeele behauptet wird, das sei alles nur heiße Luft, nichts Neues und auf der anderen Seite Frau Möller die Beteiligung von zwei Ausschüssen beantragt. Da scheint etwas nicht richtig behandelt worden zu sein.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Aber Sie ha- ben sie ja angemeldet!)

Die Obachtliste ist keine Datei, in die die Polizei Daten einstellt, sondern die einzelnen Vorfälle werden gesammelt. Der Datenschutz ist daran beteiligt, Frau Möller und Frau Schneider, die Rechtsfrage ist hier eindeutig geklärt.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das ist keine Rechtsfrage mehr?)

Es beteiligt sich nicht nur die Polizei, sondern auch der ASD, FID und Schulen sind daran beteiligt. Die Vergangenheit hat gelehrt, dass Gewaltfälle nicht ordnungsgemäß abgearbeitet werden konnten. Herr Voet van Vormizeele, davor muss man die Augen nicht verschließen, das ist keine Kritik am Vorgängersenat, sondern hier muss dafür gesorgt werden, dass wir das künftig vernünftig abarbeiten können.

(Antje Möller GAL: Was abarbeiten? Werden Sie doch mal konkret! – Dr. Andreas Dressel SPD: Dass die Koordination endlich einmal klappt!)

Dafür ist die Obachtliste gedacht. Wir müssten die Koordination, wie der Fraktionsvorsitzende mir gerade zurief, verbessern, damit kein Jugendlicher sich ungelenkt auf irgendeiner kleinen Insel in der Stadt bewegen kann.

(Beifall bei der SPD)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, wir kommen damit zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/1659 an den Innenausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist damit einstimmig beschlossen worden.

Wer möchte diese Drucksache mitberatend an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss überweisen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen damit zum Tagesordnungspunkt 19,

(Christiane Blömeke)