Protocol of the Session on September 29, 2011

Wir haben deshalb auch gefordert, die wesentlichen Anpassungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu überarbeiten wie beispielsweise die Erweiterung des Kernbereichsschutzes in der Privat- und Intimsphäre beziehungsweise die Gefahrenabwehrmaßnahmen bei Wohn- und Telekommunikationsüberwachungen, aber auch eine Präzisierung der Voraussetzungen der Rasterfahndung, die nur zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter zulässig ist. Wir werden das dementsprechend nachbearbeiten lassen, ebenso die Neufassung der Regelungen zum Einsatz automatischer Kennzeichenlesegeräte bei der Verkehrsdatenerhebung. Hier wird natürlich nur der Ist-Stand erhoben, und es wird auch nichts weiter gespeichert, sondern gleich wieder gelöscht.

Frau Schneider, ich bin ein wenig herumgesurft und habe eine Publikation der Links-Fraktion zu einer Veranstaltung "Demokratisierung der Polizei" gelesen. Sie führen aus – Zitat –:

"Die Polizei hat sich zu einem Machtzentrum entwickelt, das bestrebt ist, sich jeder Kontrolle, auch der parlamentarischen, zu entziehen."

Da, denke ich, sind Sie ein bisschen auf dem Holzweg. Sie schreiben auch noch:

"Freiheit stirbt mit Sicherheit!"

(Christiane Schneider)

Frau Schneider, Sie haben wirklich ein gestörtes Verhältnis zu unserer Polizei und das ist es, was Sie hier vortragen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Sie wollen im Kern nur das Gewaltmonopol des Staates infrage stellen, das ist Ihre Politik. Das werden wir nicht zulassen. Wir werden die Polizei innerhalb einer Rechtssicherheit bewegen und dementsprechend werden wir auch Ende Oktober das neue Gesetz debattieren können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Heike Sudmann DIE LINKE: Da haben Sie etwas missverstan- den!)

Das Wort bekommt Frau Spethmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Schneider, was Sie eben vorgebracht haben, ist für die Polizei und für uns unerträglich gewesen.

(Beifall bei der CDU)

Die Wortwahl, die Sie benutzt haben von der Machtbefugnis der Polizei, der Vernachrichtendienstlichung der Polizei und Ähnliches zeigt, wessen Geistes Kind Sie sind. Sie sind polizeifeindlich und das nehmen wir so nicht hin.

(Beifall bei der CDU – Christiane Schneider DIE LINKE: Was wollen Sie dagegen ma- chen? Einsperren oder was?)

Die Große Anfrage zeigt, dass die Polizei doch gerade alle Maßnahmen dokumentiert, die sie in diesem Rechtsstaat betreibt. Das ist auch gut so. Die politische Sichtweise, die Sie haben, wenn Sie von heimlichen Maßnahmen und Ähnlichem sprechen, zeigt, dass Sie einen ganz anderen Ansatz haben. Sie wollen viel weniger Polizei haben, als wir sie zurzeit benötigen.

Ich denke an ein Gespräch, das ich diese Woche geführt habe; Sie konnten es teilweise auch in der Zeitung lesen. Der oberste Mafiajäger aus Italien, Herr Scarpinato, war in Hamburg und hat beschrieben, mit welchen Überwachungsmaßnahmen die Mafia in Italien verfolgt wird. Da wird teilweise zwei Jahre lang jemand mit Wohnraumüberwachung abgehört und beobachtet. Diese Maßnahmen sind in Deutschland nicht möglich. Das ist aus seiner Sicht erstaunlich und macht ihn fassungslos. Wir haben hier eine ganz andere Problematik, Sie reden jedoch davon, dass wir die bestehenden Mittel, die wir jetzt haben, auch noch reduzieren sollen. Das ist für uns nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der CDU)

Das Polizeirecht ist in den letzten zehn Jahren auf einen guten Weg gebracht worden,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Leider ein bisschen verfassungswidrig an einigen Stel- len!)

es gibt Nachholbedarf und Anpassungsbedarf aufgrund der aktuellen Rechtsprechung, das haben wir auch gesehen. Wir haben in den letzten zwei Jahren ein Gesetz vorbereitet. Das haben Sie nun geerbt, Herr Dressel, und wir sind gespannt, welche Punkte Sie von uns übernehmen werden. Wir werden daran dann konstruktiv mitarbeiten.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sie haben es aber nicht eingebracht!)

Herr Dressel, die Koalition brach auseinander.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sie haben es vorher aber nicht hingekriegt!)

Herr Dressel, warten wir doch ab. Wenn Sie das von uns nach vielen Monaten vorbereitete, ererbte Gesetz dann überarbeitet haben und einreichen, werden wir das genau prüfen.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass das Hamburger Polizeirecht erfolgreich ist. Wir sind den Polizisten dankbar und wollen ihnen das notwendige Instrumentarium zur Verfügung stellen. Insoweit sind Ihre Ausführungen auch für die nächsten Monate für uns sehr nachdenkenswert, aber nicht nachfolgenswert. – Danke.

(Beifall bei der CDU und bei Arno Münster SPD)

Das Wort bekommt Frau Möller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist ein bisschen viel Pathos in der Debatte über die Antworten auf eine Große Anfrage der LINKEN. Für uns ist doch die Frage, wie viel wir als Parlament und als Abgeordnete eigentlich von dem wissen wollen, was die Polizei macht. Das ist doch die Kernfrage. Das hat erst einmal mit Misstrauen und gestörtem Verhältnis und ähnlichen wüsten Äußerungen nichts zu tun. Wenn man die Einleitung, die Präambel in der Antwort auf die Große Anfrage liest, dann sind wir bei dem Thema, das uns wirklich interessieren sollte – ich zitiere einmal zwei Sätze –:

"Sämtliche von der Polizei getroffenen Maßnahmen werden – auch aus Gründen der Transparenz des Verwaltungshandelns – dokumentiert. Dies erfolgt je nach Kontext, in dem die Maßnahme getroffen wurde, zum Beispiel in einem einfachen Bericht, einem Vermerk, einer Ordnungswidrigkeiten- oder einer Strafanzeige. Diese werden wiederum nach verschiedenen Sachzeichen in Akten abgelegt."

(Arno Münster)

Wohlgemerkt, das ist nicht die These der LINKEN, sondern das ist die Antwort des Senats auf die Grundsatzfrage nach der Transparenz des polizeilichen Handelns. Sie ist hier noch gar nicht gestellt, sondern vorausschauend schon einmal unterstellt worden und wurde schon einmal beantwortet.

Die Frage ist nur, wenn es aus Gründen der Transparenz des Verwaltungshandelns eine Dokumentation gibt, ob wir Abgeordnete da herankommen oder nicht. Können wir das bewerten, was die Polizei tut? Können wir da gegensteuern, können wir da mitsteuern, können wir dort unterstützen oder können wir kritisieren? Und das können wir nicht. Anders, als es beim Landesamt für Verfassungsschutz bundesweit geregelt ist, gibt es dafür keine Regelungen in den einzelnen Parlamenten. Es gibt kein Kontrollgremium. Deswegen freue ich mich auf eine interessante Debatte über den Antrag, den Sie einbringen wollen, wenn wir denn in vier Wochen tatsächlich eine Vorlage des Senats bekommen für die Novellierung des Polizeigesetzes und des PolDVG. Ich bin gespannt, ob das klappen wird.

Wenn man noch einmal auf die Details der Großen Anfrage eingeht, dann muss man auch zur Kenntnis nehmen, dass das, was in der jetzigen Gesetzesfassung als zwingend evaluierbar vorgeschrieben wird, aus unserer Sicht bei Weitem nicht ausreichend ist. Wir haben uns in der letzten Legislaturperiode schon über die Ergebnisse der Evaluation hier im Hause mächtig gestritten. Auch der SPD gab es in der Vorlage deutlich zu wenig Antworten und Auskünfte zum Beispiel zu den Ergebnissen der Kontrollen in Gefahrengebieten oder zur Videoüberwachung. Also brauchen wir auch bei der Novellierung des Gesetzes einen viel größeren Spielraum für die parlamentarische Kontrolle, wohlgemerkt für die parlamentarische, denn die Grundidee des Abgebens des Gewaltmonopols an die Polizei liegt doch schlicht und einfach nicht darin, dass niemand etwas damit zu tun haben soll, sondern dass das Gewaltmonopol parlamentarisch transparent und kontrollierbar sein muss. Hier haben wir ein großes Defizit.

(Beifall bei der GAL und der LINKEN)

Wir sind gespannt auf die Novellierung, die uns vorgelegt werden wird.

(Beifall bei der GAL und der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Ritter.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Anlässlich einer Debattenanmeldung zu dieser Großen Anfrage haben wir uns nach wenigen Monaten noch einmal mit dem Komplex Polizeirecht zu befassen, dieses Mal mit der Frage der Datenverarbeitung bei der Polizei.

Leider gibt es in dieser Angelegenheit wenig Neues. Der SPD-Senat lässt sich bei seiner Vorlage offenbar wesentlich mehr Zeit als die SPD-Fraktion bei der Vorlage ihres Alternativentwurfs in der letzten Legislaturperiode. Ob es daran liegt, dass der Senat mit der geleisteten sozialdemokratischen Vorarbeit nicht mehr viel anfangen kann oder der lange Zeitraum für gründliche und saubere Arbeit genutzt wird, muss die Regierungsseite beantworten.

(Arno Münster SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

Meine Damen und Herren! Auch anhand dieser Großen Anfrage lässt sich nicht übersehen, dass das novellierte schwarze Polizeirecht mit entfallendem grünem Dekor in den letzten Jahren gescheitert ist.

(Beifall bei der FDP – Heike Sudmann DIE LINKE: Das war ein bisschen lahm!)

Ja, das kam zu langsam, ich bin ein bisschen irritiert.

Es ist gescheitert vor dem Bundesverfassungsgericht beziehungsweise anderer Obergerichte anlässlich entsprechender oder sehr ähnlicher Regelungen anderer Bundesländer oder des Bundes. Lassen Sie mich die Stichworte noch einmal nennen: Rasterfahndung, präventive Telefonüberwachung, Kennzeichenüberwachung. Dass in einem Rechtsstaat verfassungswidrige Gesetze verfassungskonform anzuwenden sind, ist eine Selbstverständlichkeit. Dass dieser Zeitraum beispielsweise beim Thema vorbeugende Telefonüberwachung über sechs Jahre andauert, ist schon bemerkenswert. Es muss klar benannt werden, dass dies ein Skandal ist.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Erschreckend sind die Ausführungen des Senats zur nachträglichen richterlichen Bestätigung von Telekommunikationsüberwachung bei Gefahr im Verzug. In keinem der 18 Fälle wurde diese durchgeführt. Hier müssen wir uns fragen, ob die Verfahrensregelungen wirklich praxistauglich sind. Auch die Tatsache, dass die Anordnung durch den Polizeipräsidenten in der Mehrzahl der Fälle erfolgte, spricht Bände. Das führt nicht zu mehr innerer Sicherheit und stärkt auch nicht das Vertrauen des Bürgers in seinen Rechtsstaat.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN – Hei- ke Sudmann DIE LINKE: Und die Bürger- schaft auch nicht!)

Die Bürger und Bürgerinnen haben einfach einen legitimen Anspruch auf einen Schutz ihrer Bürgerrechte.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN)