Antje Möller-Biermann
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Last Statements
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist nicht so, dass ich nicht wüsste, was ich und andere, die sich noch zu Wort melden werden, Ihnen und uns allen zumuten, wenn wir zu dieser Uhrzeit, zumal am Ende der Legislaturperiode, diese beiden Anträge doch noch hier kurz quasi zur Debatte bringen. Der Hauptgrund liegt tatsächlich genau darin. Die CDU und die SPD haben Anträge zu einem Thema eingebracht, das uns alle auch im Wahlkampf erreicht und bewegt, ohne dass sie jeweils die Gelegenheit
für eine Debatte in der Bürgerschaft genutzt haben, geschweige denn, dass es eine Bereitschaft gab, diese Anträge an den Ausschuss zu überweisen und damit diesen Anträgen die angemessene Beachtung und Diskussion zukommen zu lassen. Wir bedauern das sehr.
Die Art und Weise, wie die CDU in aller Kürze mit dem Thema umgeht, ebenso auch die SPD, ist ganz ähnlich, wie wir es vorhin beim Fall Yagmur besprochen haben. Es betrifft doch schlicht und einfach 1300 junge Menschen, die sich in öffentlicher Betreuung und Fürsorge befinden. Die CDU macht es sich einfach, denn sie bleibt auf dem Weg, der sich durch viele Anfragen des Kollegen de Vries schon abgezeichnet hat, sie redet über delinquente Jugendliche und Kinder, die als minderjährige unbegleitete Flüchtlinge eingereist sind. Sie hat auch keine anderen Ansätze, als mit innenpolitischem Blick über die Repressionsschiene mit diesen Jugendlichen umzugehen. Das kann man auch ohne Debatte ablehnen. Ich mache es jedoch mit einer Begründung, aber das ist nicht das Entscheidende bei diesem Thema.
Was uns – nicht sprachlos macht, denn dann würde ich hier nicht reden – eher fast wütend macht, ist die Art und Weise, mit der die SPD kurz vor Toresschluss einen Antrag einbringt, einen sehr schnell gestrickten Antrag, der lediglich aus Prüfaufträgen und aus Absichtserklärungen besteht und der ohne Finanzierung und ohne konkrete Umsetzungsstrategie daherkommt. Das wird dem Thema schlicht und einfach nicht gerecht.
Sie machen es sich auch gegenüber den Männern und Frauen zu leicht, die in den Erstversorgungseinrichtungen und den Folgeunterbringungen arbeiten, fachlich kompetent und hoch engagiert, und gerade denen gegenüber, die im Bereich der Betreuung minderjähriger unbegleiteter Kinder und Jugendlichen arbeiten. Sie werden schlicht und einfach nicht konkret bei Punkten, die eigentlich schon längst eine Selbstverständlichkeit sind und trotzdem von Ihnen scheinbar als nicht ausreichend angesehen werden. Sie gehen vorbei an den Problemen, die es den jungen Flüchtlingen und ein Leben in Hamburg für sie so schwer machen.
Es gibt beispielsweise eine viel zu geringe Anzahl von Vormünderinnen und Vormündern und ein zu langes Verweilen in der Erstversorgung wegen fehlender Folgeeinrichtungen. Alles das, was Sie in Ihrem Petitum formulieren, hätte uns längst über Nachtragsdrucksachen, wie wir das im gesamten, großen Bereich der Flüchtlingsunterbringung doch längst einvernehmlich gemacht haben, vorgelegt werden können. Es hätte längst finanziert werden
und längst den jungen Flüchtlingen zugutekommen können. All das haben Sie versäumt.
Wenn man sich dann vergegenwärtigt, dass die Delinquenz von Jugendlichen nicht nur zu Opfern führt, nicht nur zu Sachbeschädigungen, zu Straftaten, die die innere Sicherheit zumindest in Unruhe bringen können, sondern dass sie vor allem auch bedeutet, dass sie den Kindern und Jugendlichen, die als Flüchtlinge hierhergekommen sind, im Grunde jede Chance und jede Perspektive vermasselt – im wahrsten Sinne des Wortes –, dann wird es umso deutlicher, dass wir uns hier mit dem Gesamtkonzept für die weitere Verbesserung der Unterbringung, der Versorgung und Betreuung der minderjährigen Kinder und Jugendlichen auseinandersetzen müssen. Das kann man, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, nicht ohne Debatte. Das kann man nicht ohne Befassung und Befragung von Expertinnen und Experten im Ausschuss. Das ist einfach nicht seriös.
Deswegen fällt es uns so schwer, diesen Antrag ernst zu nehmen, obwohl wir das wollen, denn die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem, was Sie vortragen, ist uns wichtig. Dazu gehört zum Beispiel auch der politische Streit über eine geschlossene Unterbringung. Aber wir brauchen die Möglichkeit zur Debatte und zur fachlichen Unterstützung.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Manche Dinge sind redundant, und trotzdem sollte man sie immer wieder sagen. Es gibt keine Alternative zum Zusammenleben in dieser Gesellschaft. Wir wollen die Unterschiede aushalten. Sie fordern uns heraus, aber sie stärken uns auch. Nur so kann sich eine Gesellschaft weiterentwickeln. Unabhängig davon braucht es Lösungen für die individuellen Probleme, müssen
Ungerechtigkeiten, Benachteiligungen aufgedeckt werden, ernstgenommen werden und vor allem von uns als Politikerinnen und Politiker auch angefasst werden, denn wir sitzen nun einmal nicht alle in einem Boot. Es gibt Kreuzfahrtschiffe und es gibt Paddelboote, die Menschen verteilen sich auf diese und manche fallen dann auch leider ins Wasser und kommen nur schwer wieder heraus. Die demokratischen Parteien müssen deshalb noch lange nicht mit einer Stimme sprechen, und niemand sollte die einzig richtige Antwort für sich beanspruchen. Ein bisschen klang das hier auch schon an. Was hilft gegen den Terror? Das ist die große Frage, aber es gibt nicht nur eine Lösung. Wie hält die Gesellschaft zusammen? Das ist die andere Frage. Klar, wir bleiben in der Diskussion, und wir müssen in der Diskussion klar bleiben. Die Faszination von Jugendlichen am gewalttätigen Islamismus, an IS-Videos oder Reden von al-Quaida und Bildern der Boko-Haram-Terrororganisation, wo Muslime im Namen der Religion Muslime überfallen, versklaven und töten, kann so viel Angst und Unsicherheit verbreiten, dass wir massive Probleme bei uns vor der Haustür, in der Nachbarschaft bekommen. Die muslimischen Nachbarn werden geächtet oder bekommen Angst, ebenso wie jüdische Nachbarinnen und Nachbarn. Genau hier müssen wir unsere Aufgabe sehen, erkennen und auch Lösungen finden.
Es ist schon zweimal erwähnt worden, ich sage es ein drittes Mal. Die Reaktion in Norwegen war noch mehr Demokratie, noch mehr Humanität ohne naiv zu sein. Unsere Demokratie ist stark, wir müssen unsere Rechte schützen und stärken. Deshalb heißt aber Ruhe noch lange nicht die erste Bürgerpflicht. Unruhe und Störungen sind destruktiv, machen wütend, nerven, helfen überhaupt nicht weiter, auch die Diskussion zu verweigern, hilft überhaupt nicht weiter, aber das darf man hier. Und wir wollen, dass man das auch weiterhin darf. Wenn heute Abend 100 000 Menschen öffentlich erklären, dass sie der Politik nicht mehr trauen, dann liegt hier die große Aufgabe, und die gilt wiederum uns allen zusammen. Wenn wir diese Menschen verlieren, dann können wir mit unseren demokratischen Regeln, mit unseren politischen Vorstellungen, Zielen und Projekten tatsächlich nicht die erreichen, die wir eigentlich brauchen. Dann halten wir die Gesellschaft nicht zusammen. Im Rechtspopulismus, der scheinbar hohe Konjunktur hat, liegt die zweite große Herausforderung. Wir müssen zu konkreten Entscheidungen, die die Menschen erreichen, kommen. Das ist leicht gesagt, doch neben der großen Aufgabe, uns nicht einschüchtern zu lassen, nicht einzuknicken vor dem Terror, bleibt das die schwerste Aufgabe für uns.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema ist nicht neu, und obwohl wir seit vielen Jahren in den meisten Landesparlamenten die politische Diskussion um einen Winterabschiebestopp führen, ist die Ausgangslage in diesem Jahr doch eine andere. Im Herbst vergangenen Jahres wurde ein sogenannter Asylkompromiss auf Bundesebene gefunden.
Dieser beinhaltet die faktische Unmöglichkeit der Gewährung von Asyl für Menschen aus Serbien, Bosnien und Mazedonien. Ziel der, das ist bekannt, aus meiner Sicht falschen Entscheidung, die genannten Länder zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, ist unter anderem, die Zahl der Antragstellenden zu reduzieren, ein entsprechendes Signal zu geben und den Menschen schon von vornherein klar zu machen, dass sie in Deutschland kaum eine Chance auf Asyl haben. Ob dieser Effekt eingetreten ist, wird man erst in einigen Monaten nachweisen können. Heute und jetzt geht es aber um die Menschen, die seit Monaten oder auch schon seit vielen Jahren hier sind, oft Familien mit kleinen Kindern und kranke Menschen aus Serbien, Mazedonien und Bosnien, die mit einer Duldung in Hamburg leben. Sie sind ausreisepflichtig und ohne Perspektive auf einen Aufenthaltsstatus. Um diese Menschen geht es in unserem Antrag.
Die meisten von ihnen gehören zu der ethnischen Gruppe der Roma. Es ist unstrittig, dass es eine ethnische Diskriminierung in den genannten Herkunftsländern gibt, das berichtet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenso wie PRO ASYL oder Amnesty International; es gibt eine einhellige Meinung, die genau das belegt. Das ist nun auch nicht erst seit einigen Jahren so, deswegen führen wir diese Debatte schon seit längerer Zeit.
Viele dieser aktuell hier geduldeten Familien sind schon in den Kinderjahren der Eltern zum ersten Mal nach Deutschland oder sogar nach Hamburg vertrieben worden oder vor dem Krieg damals geflohen. Sie haben vergeblich versucht, einen festen Aufenthalt zu bekommen. Sie sprechen die Sprache, aber haben in der Vielzahl eine abgebrochene Schulbiografie und keine Ausbildung. Die Bleiberechtsregelungen wurden für sie nicht wirksam. Die hohen Anforderungen, die dort gestellt wurden, konnten von ihnen nicht erfüllt werden, zum Beispiel, weil sie als Roma in ihren Herkunftsländern gar nicht registriert wurden und deshalb keine Papiere hatten und auch keine Papiere bekommen. Nun versuchen sie es wieder, um ihren Kindern eine bessere Perspektive zu bieten. Faktisch ist das kaum möglich. Das Aufenthaltsrecht und die neuen Asylregelungen lassen das nur in
sehr wenigen Ausnahmefällen zu. Das ist bitter genug, denn diese Menschen kommen nicht nur aus Armut, sondern sie haben auch Traumatisierungen durch konkrete Bedrohungen und Übergriffe.
Auch wenn die europäischen Asylvereinbarungen wenig gewährende Regelungen enthalten, gibt es doch seit vielen Jahren eine Schutzregelung für Familien mit kleinen Kindern, für kranke und traumatisierte Personen und für unbegleitete Kinder und Jugendliche. Diese Schutzregelung will der besonderen Verletzlichkeit dieser Flüchtlinge gerecht werden, auch wenn es keinen Asylanspruch und keine andere Aufenthaltsmöglichkeit gibt. Das ist die Herleitung und Begründung für sogenannte Winterabschiebestopps für die genannten Personengruppen, verbunden mit den Herkunftsländern, in denen der Winter die Situation der Abgeschobenen massiv verschärft. Das genau ist auch das Ziel unseres Antrags: ein befristeter Schutz der Menschen allein aus humanitären Gründen.
Es wäre eine Verständigung, die anerkennt, dass neben der alltäglichen Diskriminierung in den Herkunftsländern der Winter die Not und die tatsächliche Lebensgefährdung verschärft und wir deshalb Schutz gewähren.
Der Senat verweist nun auf seinen Weg der Einzelfalllösung, der in aktuellen Beispielsfällen so aussieht, dass auch mithilfe des Eingabenausschusses Familien mit einem Neugeborenen oder einem frisch operierten Elternteil kein temporärer Schutz gewährt wird, Familien mit mehreren kleinen Kindern ebenfalls nicht. Das Problem liegt dabei in der politisch nicht gewollten Akzeptanz der besonderen Schutzbedürftigkeit. Die Behörde bewertet diese Einzelfälle immer anhand allgemeiner Merkmale wie Aufenthaltsdauer oder mögliche Identitätstäuschung und anderes. Sie beruft sich auf die Möglichkeit, die das Asylrecht bietet, und spricht durchaus auch davon, dass dringend Platz gebraucht werde. Das, meine Damen und Herren, ist aber Ordnungspolitik, das ist keine Fürsorge für diese besondere Gruppe von Menschen.
Darüber hinaus wäre dieses alles relevant, wenn es um einen dauerhaften Aufenthalt ginge, aber eben nicht, wenn es um Humanität, um den Schutz vor Hunger und Kälte für diese besonders schutzbedürftige Gruppe für einen Zeitraum von drei Monaten geht. Diejenigen, die eigentlich europaweit besonderen Schutz genießen, sollen ihn auch hier in Hamburg bekommen, das ist jedenfalls die Intention unseres Antrags. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte auf einen Aspekt eingehen, den Herr Senator Scheele eben erwähnt hat, und zwar auf die Frage der Umverteilung von minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen. Wir haben mit allen Fraktionen an anderer Stelle schon einmal zu diesem Thema diskutiert, und ich will sehr deutlich machen, dass man hier klar im Argument bleiben soll. Sie können auch jetzt schon, wenn es Betreuungskapazitäten in anderen Bundesländern gibt – also ein Jugendamt, eine Wohnunterkunft, eine dem pädagogischen und erzieherischen Bedarf angemessene Betreuung –, ohne Probleme diese Jugendlichen oder auch eine kleine Gruppe in ein anderes Bundesland schicken. So wird es in den Flächenländern schon längst gemacht. Dort können die zuständigen Kommunen ohne Probleme wechseln. Aber das Argument, dass es in Thüringen nur einen solchen Jugendlichen gibt und es dort leerstehende Unterbringungen gibt
das war das Argument des Senators, er hat es an anderer Stelle auch schon benutzt –, ist ein ordnungspolitisches Argument und keines, das mit dem erzieherischen Bedarf und mit der besonderen Schutzbedürftigkeit dieser Gruppe von Flüchtlingen zu tun hat.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Sicherheit Hamburgs ist bei der SPD in guten Händen.
Das kann man immer so oder so sehen, und ich fange gleich mit dem letzten Punkt an, Herr Münster, den Sie zum krönenden Abschluss genannt haben, nämlich dem Löschboot-Drama, um es einmal ganz deutlich zu sagen. Seit über zwei Jahren ist klar, dass es hier Ersatzinvestitionen geben muss, und seit dem Brand auf der "Atlantic Cartier" im Mai 2013 hat es da keine Antworten gegeben. Dann hat es einen CDU-Antrag gegeben, dann hat es einen GRÜNEN-Antrag gegeben, aber die sind mit großen Worten abgelehnt worden. Danach gab es immer neue Verzögerungen. Der Senat sollte eigentlich im Mai 2014, also immerhin schon vor einem guten halben Jahr, ein ihm vorgelegtes Ersuchen beantworten. Das wurde dann verzögert mit dem Hinweis auf die Haushaltsberatungen. Und in den Haushaltsberatungen kann man nun große Worte lesen wie ganzheitliches Flottenmanagement durch HPA, auch für alle Boote der Wasserschutzpolizei. Die ersten Ausschreibungen, Herr Münster, sollen im Jahr 2016 beginnen. Dann ist noch lange nicht das Boot in dieser Stadt, und Wasser unterm Kiel hat es dann auch noch nicht. Das reicht nicht aus.
Ich will jedoch mit einem anderen Thema beginnen, das Herr van Vormizeele gar nicht gestreift beziehungsweise nicht benannt hat, und auch Herr Münster hat es nur gestreift, nämlich die Flüchtlingspolitik, die zum großen Teil, das darf man nicht vergessen, auch durch die Innenbehörde zu verantworten ist und begleitet wird. Diese Flüchtlingspolitik bildet sich nicht unbedingt im Haushalt ab und ist ohne jede Empathie, und die Empathie fehlt auch bei der SPD-Fraktion. Das Thema Flüchtlingspolitik wird unter diesem Senat in erster Linie durch die Überschrift "Unterbringung" begleitet. Die Behörde für Inneres und Sport baut als Notbehelf eine zentrale Erstaufnahme nach der anderen, weil die Folgeunterbringung nicht nachkommt. Überhaupt nicht thematisiert wird – das ist allerdings nicht das Hauptproblem bei der Innenbehörde, sondern hat mit dem Thema Gesamtverant
wortung für Flüchtlingspolitik zu tun, und dazu werden wir beim Sozialhaushalt noch viel mehr hören –, dass die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge jahrelang hier leben wird. Das sind Menschen – gestern hat der Bürgermeister etwas dazu gesagt –, die Teil der wachsenden Stadt sind.
Der politische Tenor der Behörde für Inneres und Sport und auch der Ausländerbehörde ist allerdings dann wiederum sehr deutlich. Es gibt wieder Abschiebungen im Morgengrauen, es gibt wieder Familientrennungen, sprich, eine Mutter mit vier oder sechs Kindern wird allein abgeschoben. Es gibt keine Winterregelung für ausreisepflichtige Familien, die abgeschoben werden sollen. Es gibt Familien, die hier 25 Jahre leben und trotzdem wieder in den Blick genommen werden, um abgeschoben zu werden, und nicht etwa, den positiven Teil des Asylkompromisses, den man an anderer Stelle schon massiv kritisiert hat, zugunsten dieser Familien anzuwenden. Im Übrigen gibt es nach zwei Jahren noch kein positives Signal für die aus Libyen geflohene Lampedusa-Gruppe in Hamburg.
Zur Innenpolitik insgesamt, und das ist für mich nicht nur die Ausstattung der Polizei, lässt sich sagen: Überschriften, Generalverdacht und Generalvollmacht. Generalvollmacht zeigt sich an einem äußerst plakativen Projekt, das der Senator in den letzten Monaten verfolgt hat, nämlich dem Einsatz von zwei sogenannten Body-Cams, die auf dem Kiez die Sicherheit der Einsatzkräfte verbessern sollen. Verbunden mit diesem plakativen Projekt ist aber etwas, das nicht minder plakativ ist, nämlich eine generelle Änderung des entsprechenden Paragrafen im Gesetz, der zu einer Generalvollmacht verändert wird. Die Einschränkung der Freiheitsrechte an dieser Stelle geht weit über das Maß der bekannten Modellversuche in unserer Republik hinaus, und denkbare zukünftige Überwachungstechnologien – also Bild- und Tonaufnahmen in jeder Situation – werden durch die Gesetzesänderung gleich ermöglicht. Das ist etwas, was wir nicht mittragen werden.
Ich greife noch das andere Stichwort auf, Generalverdacht. Die Ausweisung ganzer Stadtgebiete als Gefahrengebiete hat uns zwar keinen weltweiten Ruhm, aber zumindest bundesrepublikanischen Ruhm gebracht. Im letzten Winter konnten wir erleben, wie ganze Stadtteile unter Generalverdacht gestellt wurden. Es ist kreativ, friedlich und deutlich dagegen protestiert worden. Wenn man sich dann noch zu Gemüte führt, dass in diesem Bereich über 1 Million Euro ausgegeben worden sind, wo der Erfolg selbst jedoch in der internen Aufarbeitung als niederschmetternd bezeichnet worden ist, dann war das keine kluge Haushaltspolitik und insgesamt keine kluge politische Maßnahme.
Hamburg hinkt an vielen Stellen weiterhin hinterher. Deswegen werden Sie sich nicht wundern über unseren Antrag, denn in vielen Bundesländern gibt es längst einen Polizeibeauftragten, einen Bürgerbeauftragten, es gibt Wehrbeauftragte, Sie alle kennen das Modell. Während wir hier Lösungen suchen…
Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Frau Möller hat das Wort.
Während wir hier nach Lösungen suchen, Respekt gegenüber Einsatzkräften ohne ordnungspolitischem Ansatz zu begegnen und dem Anspruch auf transparente und verhältnismäßige Amtsausübung gleichermaßen Raum zu geben, bleiben Sie im alten Schema verhaftet. Ich bin gespannt auf das Abstimmungsverhalten zu diesem Thema. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hatte gedacht, dass sich Herr van Vormizeele vielleicht auch noch einmal zu Wort meldet. Ich möchte einfach gern an der Rede des Senators noch einmal deutlich machen, dass die Diskussion allein über die Zahl der Polizistinnen und Polizisten, ihre Ausstattung und über die Ausbildungsoffensive, die gut und richtig ist,
völlig unzureichend ist, um die Innenpolitik in dieser Stadt zu beschreiben.
Das kann doch nicht alles sein, und Sie wissen auch, dass es nicht alles ist. Wir haben aus unterschiedlicher Sicht unterschiedliche Fragen gestellt. Ich ergänze noch eine Frage. Wenn man durch die Umstrukturierung beim LKA nun zu hören bekommt, dass bestimmte Bereiche wie zum Beispiel die Bekämpfung OK massiv darunter zu leiden beginnen, dann müssen Sie doch Antworten darauf haben. So wie beim Schulhaushalt nicht lediglich die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer – wenn das überhaupt thematisiert wird – diskutiert werden kann, muss es doch auch in der Innenpolitik zu einer Positionierung kommen. Das habe ich bei der SPD vermisst und das habe ich auch bei Ihnen, Herr Senator, vermisst.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Werte Kollegen, Herr van Vormizeele, natürlich gibt es strukturelles Versagen.
Natürlich gibt es strukturelles Versagen, wenn sich in dieser Republik nicht eine einzige Behörde, nicht ein Bundesland erfolgreich bei dieser Mordserie hervorgetan hat. Das kann man doch nicht alles Einzelversagen von Personen nennen, die mit den Fällen bei der Polizei oder beim Landesamt für Verfassungsschutz beschäftigt waren. Das hat etwas mit der Struktur zu tun, der Aufklärungsstruktur der Landeskriminalämter, aber auch mit der Struktur des Verfassungsschutzes.
Es gab in dieser Republik eine nie dagewesene Mordserie, es gab eine Zufalls-Aufklärungsmöglichkeit durch den Tod der Täter und damit der Beweissicherung; Herr Abaci hat das gesagt. Und dann kommen wir an den Punkt, wo die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungsausschüsse dazu führen, dass es in keinem einzigen Bundesland in irgendeiner Form eine erfolgreiche Ermittlung oder überhaupt auch nur eine erfolgreiche Erkennung der Strukturen gab, die hinter dieser Mordserie standen. Und das ist Struktur und kein individueller Fehler.
Hamburg ist um keinen Deut besser. Hamburg hat, wenn man so will, vielleicht Glück, weil Hamburg nicht die Hochburg dieses Thüringer Heimatschutzes, der Rechtsextremen, die in dem Umfeld arbeiten, gewesen ist. Aber deswegen hat Hamburg es keinen Deut besser gemacht.
Der Senat hat auf viele Schriftliche Kleine Anfragen und auf viele Anträge im Innenausschuss reagiert, und der Ausschuss hat sich mit dem Thema in einer Selbstbefassung beschäftigt. Das Signal, dass sich offensive Aufklärung und offensive Fehleranalyse innerhalb der Polizei genauso wie im Landesamt für Verfassungsschutz vollzieht, hat uns gefehlt. Wir haben uns immerhin fast zwei Jahre mit dem Thema beschäftigt, bis der Bericht vorgelegt wurde. Wenn man sich diesen Bericht anschaut, dann hat er schlicht und einfach eine völlig unzureichende Qualität, um die Fehler, die in den Hamburger Behörden gemacht worden sind, auch nur ansatzweise zu erkennen. Ich will ein paar Beispiele nennen.
Es gibt zum Beispiel bei der Darstellung der Verfahrensweise des LKA nach dem Mord in Altona Formulierungen wie, da habe man sich die Geldströme angesehen und man habe einzelne Hinweise verfolgt. Ich glaube, Sie waren auch bei allen Innenausschusssitzungen dabei. Man kann es im Bericht lesen, wir haben das nachgefragt. Die Begründung, warum Geldströme verfolgt wurden oder welche Hinweise denn verfolgt worden seien, konnte uns nicht gegeben werden. Das heißt also, wir können nicht aufklären, wo das möglicherweise individuelle, aber vor allem strukturelle Problem liegt.
Dann gibt es wieder die Beispiele, dass sich die Kommissionen auf Bundesebene auf andere Dinge konzentriert haben als Hamburg, also das Thema Verdacht auf Organisierte Kriminalität. Auch da gibt es keine Erklärung, die in irgendeiner Weise schlüssig ist, warum Hamburg diesem Ansatz nicht gefolgt ist. Hinzu kommt aber, dass wir es durch diese langwierige, sehr wichtige Befassung im Ausschuss an keiner Stelle zu weiterer Aufklärung gebracht haben. Der vom Senat vorgelegte Bericht war im Grunde genommen schon so etwas wie ein Abschlussbericht, den wir zur Kenntnis nehmen sollten. Es gibt – ich habe es eben in ein paar Details erklärt – viele ungelöste Fragen und auch viele Unklarheiten, bezogen auf das Behördenhandeln.
Dieser Bericht arbeitet sehr akribisch das ab, was die Bund-Länder-Kommission – auch als Ergebnis aus dem Bundestags-PUA – beschlossen hat. Hamburg schert da nicht aus, Hamburg macht das, was alle Bundesländer auch tun. Hauptziel dieser Maßnahmen aber ist es, das Ansehen der Behörden und hier vor allem das Ansehen der Landesämter für Verfassungsschutz wieder ins rechte Licht zu rücken – ich meine das nicht ironisch –,
ins gute Licht zu rücken und den Vertrauensverlust, den diese Behörden erleben mussten, wieder zurechtzurücken. Es geht mitnichten an einer Stelle um eine strukturelle Veränderung der Arbeit, weder beim Landesamt für Verfassungsschutz noch bei der Polizei. Und das ist aus unserer Sicht völlig unzureichend.
Wenn man dann aber sieht, was sich im Laufe dieses Prozesses an neuen Details ergibt, was die Anwältinnen der Nebenklage, das gesamte große Kollektiv der Anwälte und der Prozessbegleiter eigentlich herausfinden, dann werden die Fragen, die sich Hamburg stellen muss, immer konkreter. Und das sind Fragen, die etwas mit der rechten Szene zwischen 2000 und 2007, auf jeden Fall um die Jahrtausendwende herum, in Hamburg zu tun haben. Und es stellen sich viele Fragen zu Verstrickungen zwischen den damals und teilweise auch heute noch aktiven Akteuren und dem thüringischen Heimatschutz. Wir haben an der Stelle Fragen gestellt und dort auch keine Antworten bekommen. Das will ich im Übrigen auch, ohne dass ich das im Detail schildern kann, aus meiner Sicht, bezogen auf den PKA, deutlich sagen. Auch da gibt es viele Fragen, die gestellt werden, und Antworten, die dringend notwendig sind.
Es gibt aktuelle Entwicklungen, die müssen aufgegriffen werden. Und aus Sicht des Senats – jedenfalls hat er das an keiner Stelle anders dargestellt – ist dies ein Bericht, der sich abschließend damit auseinandersetzt, was in Hamburg gemacht werden soll und was als Erklärung aus Sicht des Senats ausreichend ist, um die strukturellen Fehler – ich sage es noch einmal – zu erklären.
Ich sage auch noch einmal, dass es völlig unzureichend ist. Es gibt immer noch neue Erkenntnisse, und wir brauchen ein Instrument, ein Gremium, eine Möglichkeit – das wird das Thema der nächsten Legislaturperiode sein –, um diese neuen Erkenntnisse zu hinterfragen und dann tatsächlich auch zu wirklichen strukturellen Veränderungen zu kommen. Man muss ganz deutlich sagen, wer immer sich die Mühe macht, diesen Bericht zu lesen oder vielleicht auch nur das, was sich zusammenfassend als Bericht aus unseren Innenausschusssitzungen ergibt, der findet keine konkrete Aufarbeitung und keine konkrete Darstellung dessen, was sich in der Arbeit des LKA ebenso wie der Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz ändert. Und wenn alle Behörden in dieser Republik, die beteiligt sind – im Endeffekt weiß man, welche beteiligt sind –, nicht in der Lage waren, auch nur ansatzweise zu erkennen, was hinter diesen Morden steckt, und zu erkennen, dass sie zusammengehören, dann hat das etwas mit dem Ansatz zu tun, mit dem vor allem die Landesämter für Verfassungsschutz arbeiten. Das kann nicht auf einzelnes Fehlverhalten zurückgeführt werden.
Das Gleiche muss meiner Meinung nach auch für die Polizei gelten. Es wäre fatal, wenn es so viele nicht fähige Ermittler und Ermittlerinnen bei der Polizei gäbe. Deswegen auch hier: Es geht um Strukturen. Wir hatten ab und an Hinweise, man würde sich bemühen, das Landesamt für Verfassungsschutz etwas interkultureller in Bezug auf die Personen, die dort arbeiten, zu besetzen. Bei der Polizei würde man das auch tun, und man würde diese Kompetenz mit hineinnehmen in die Ermittlungen. Ein kleiner Nebensatz macht mich aber stutzig, den ich im Protokoll gefunden habe. Der Senator sagt an der Stelle, wo er dies beschreibt, es gäbe im Übrigen auch rechten Ausländerextremismus, beispielsweise die Grauen Wölfe. Da sind wir wieder an dem Punkt, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wo ich starke Zweifel habe, dass wir uns wirklich mit diesem Bericht und diesem Ergebnis des Senats zufrieden geben können.
Was wir brauchen, ist ein grundlegend anderer Ansatz mit Blick auf Straftaten, mit Blick auf Morde in dieser Gesellschaft. Dieser Blick muss sich lösen von einer Sichtweise, die besagt, was man bisher nicht kannte aus dem rechten Spektrum, das kann auch nicht vorkommen. Ich glaube, dass das eine Zitat, das man immer mal wieder hört, dass es viel mehr gibt, was real passiert, als man es sich vorher vorstellen kann, das entscheidende Thema ist, das wir bei solchen Fällen nicht aus den Augen verlieren dürfen.
Fazit: Es gibt aus unserer Sicht einen Bericht mit vielen Unklarheiten, mit vielen Fragen und vor allem mit fehlender Empathie gegenüber den Opfern. Sie haben recht, es hat Gespräche mit Verbänden gegeben, es gibt aber nichts, was die Menschen aus ihrer Rolle herausbringen könnte, dass sie die Minderheit seien und wir die Mehrheit. Und das ist ein weiteres Grundproblem bei diesen Fragen, die sich noch stellen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich frage mich auch gerade, was wir eigentlich tun. Es gibt ein ganzes Paket von fachlich fundierten Anträgen, wir bekommen
eine Antwort aus der wohnungspolitischen Sicht der SPD, und danach gibt es dann wieder Weingummis und weiter wichtige Gespräche. Aber wir reden über eines der schwierigsten und größten sozialpolitischen Themen, die nicht nur diese Stadt hat, sondern die ganze Republik. Dafür brauchen wir Zeit und dafür brauchen wir eine Breite in der Diskussion, die wir in den Anträgen ganz gut abbilden. Ich bedaure es sehr, dass das von der SPD auch nicht annähernd aufgenommen wird.
Das Herauspicken des Antrags der LINKEN als einen, den man nicht zu überweisen braucht, obwohl er ein komplettes Konzept vorgibt, das wir nicht in Gänze mittragen, das aber alle Punkte enthält, die Teil dieser republikweit geführten Diskussion sind, ist fachlich überhaupt nicht nachvollziehbar. Dieser Antrag soll es nun nicht wert sein, mit überwiesen zu werden.
Sicher, Herr Kienscherf, Sie hätten gleich alle ablehnen können. Vielleicht wäre das ehrlicher gewesen.
Es ist fachlich überhaupt nicht nachvollziehbar. Wir haben in der Sozialwissenschaft, in der Stadtentwicklungspolitik und in der wissenschaftlichen Debatte zur Stadtentwicklung eine Diskussion darüber, wie die Unterbringung von Flüchtlingen anders gestaltet werden kann, als es im Moment in Hamburg passiert. Kreative Impulse werden gesucht, kreative Impulse werden entwickelt, und Teil der Debatte ist auch immer die Art und Weise der Unterbringung. Alle Landtage diskutieren im Übrigen dieses Thema. Die Flächenländer gehen ganz anders vor als die Stadtstaaten, und auf Bundesebene wird sich ausgetauscht. Wir in Hamburg schaffen es jedoch nicht, alles aufzunehmen, was sich die Fraktionen dazu überlegen, und das dann gemeinsam im Ausschuss zu diskutieren. Ich finde, das ist ein bitteres Ergebnis angesichts dieser momentanen Situation.
Die Frage ist doch nicht eine, die sich von selbst erledigt, das zumindest hat Herr Lohmann gesagt. Er hat gesagt, wir hätten dieses Thema schon oft diskutiert, und es ist tatsächlich nicht besser geworden, weil immer wieder Flüchtlinge kommen; es werden auch weiter Flüchtlinge kommen. Deswegen kann man auch nicht so tun, als hätten wir ein Erdbeben, eine Flutkatastrophe oder etwas Ähnliches gehabt und es gäbe eine Notsituation, um Menschen unterzubringen, und danach würde dann alles gut werden. Es hilft nicht, immer neue Zentrale Erstaufnahmen in dieser Stadt zu schaf
fen – jetzt steht die vierte, fünfte, möglicherweise die sechste an – und bei Notmaßnahmen zu bleiben, sondern es muss dezentral in kleineren Einheiten, die in die Nachbarschaften passen, weiter Wohnungsbau für Menschen, die sonst in der öffentlichen Unterbringung sind, geschaffen werden.
Das ist Teil des Antrags der LINKEN, das ist auch Teil des Antrags von Frau Föcking. Auch da würde ich wieder sagen, wir teilen längst nicht alles, was Sie an Vorschlägen haben. Aber ich will noch einmal auf Herrn Lohmann eingehen, denn es geht eben nicht nur darum, dass wir uns im Ausschuss informieren wollen.
Sie haben, bezogen auf den Antrag der FDP zum Thema Gesundheitsversorgung, gesagt, er werde überwiesen, damit wir im Ausschuss informiert würden. Der Ausschuss hat, auch in diesem Parlament, viel größere Aufgaben, nämlich unter anderem die der ausführlichen Diskussion. Und es ist aufgrund des Umfangs all dieser Anträge überhaupt nicht möglich, in der Debatte heute – auch wenn wir vielleicht zwei oder drei Runden machen würden, und wir haben noch eine Menge Redezeit – auch nur annähernd alle Punkte anzusprechen und zu diskutieren.
Ich appelliere noch einmal an die SPD, sich doch noch zu entscheiden, den Antrag der LINKEN mit zu überweisen.
Wir haben eine der großen Aufgaben, die es bei der öffentlichen Unterbringung nicht nur von Flüchtlingen, sondern von Menschen, die aus anderen Gründen obdachlos sind, nicht bewältigt, nämlich sie herauszubringen aus der Großunterbringung. Das versuchen alle Bundesländer inzwischen, und da braucht es stärkere Impulse auch in Hamburg. Wenn man aber nicht nur auf die ganz spezielle Form der Unterbringung eingeht, sondern sich insgesamt die Situation in der öffentlichen Unterbringung ansieht, dann kommen die Anträge, die es zusammengefasst zu diesem Tagesordnungspunkt noch gibt, natürlich in ihrer ganzen Brisanz noch einmal zum Tragen.
Wir haben einen Antrag zur Errichtung einer Kommission eingebracht. Sie können das auch anders nennen, es geht um eine niedrigschwellige, kurzwegige Ansprechbarkeit als Entlastung für das Unterkunftsmanagement, für das Sozialmanagement, auch für die eine oder andere behördliche Stelle und für die Flüchtlinge. Es gibt, gerade weil es noch so viele große Unterkünfte gibt, so etwas wie eine stille Post, die ganz schnell zu Panik, Ärger oder Angst führen kann. Und es fehlt an ansprechbaren Stellen und ansprechbaren Menschen. Das ist eine Unterstützung für diejenigen, die sich eh
renamtlich engagieren, und zum Glück sind es sehr viele in dieser Stadt. Ich bin sehr dankbar dafür, dass es so viele sind.
Das ist aber auch eine Unterstützung der Arbeit der Behörden, weil natürlich durch Leute, die kompetent sind, viele Fragen schon beantwortet werden können und viele Ängste genommen werden können, weil Verfahren erklärt werden und Ähnliches. Im Übrigen ist das auch ganz einfach zu erreichen, wir wollen doch nichts Kompliziertes. Wir wollen es vor allem schnell, und wir wollen es als Versuch für ein Jahr und dann sieht man weiter; das ist auch nicht teuer.
Wie dringend das ist, macht der Antrag bezüglich der Situation der Registrierung der eingereisten Flüchtlinge, den wir vorhin schon einvernehmlich überwiesen haben, deutlich. Inzwischen entscheiden die Gerichte und ordnen Termine an, bei denen die Menschen zu ihren Papieren und damit auch zu ihrem Recht kommen müssen. Das ursprünglich nur – nur in Anführungszeichen – sechs Tage dauernde Warten auf die Chance der Registrierung ihres Anliegens hat sich inzwischen auf Wochen verlängert. Wenn man das letzte Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg sieht, dann bezieht es sich hier auf die Notwendigkeit eines Termins für eine schwangere Frau, der ein Termin Anfang Dezember gegeben werden sollte. Das Kind erwartet sie im Januar, und bis dahin wäre sie ohne jede gesundheitliche Versorgung. Das ist eine unerträgliche Situation.
In dem Zusammenhang, wenn auch nicht vollständig hineinpassend, würde ich auch den Antrag der FDP diskutieren wollen. Hier ist mir ein bisschen zu sehr der Aspekt betont, dass man erst einmal den Flüchtlingen erklären müsse, wie der Umgang mit Behörden und der Sicherheit zu gestalten ist. Ich verstehe aber den Impuls. Es geht auch hier um Informationen, es geht auch hier darum, erst zu erklären, bevor Unstimmigkeiten, Unsicherheiten und Ängste entstehen, möglicherweise sogar strittige Auseinandersetzungen, die dann wirklich eskalieren könnten.
Die Gesundheitsversorgung, die Sie ansprechen, findet verspätet und verschleppt statt. Das hat auch etwas damit zu tun, dass die Registrierung nicht erfolgt.
Es hat aber viel damit zu tun. – Dementsprechend ist dann auch der Arztbesuch fast unmöglich.
In dieser Antragsvielfalt, die wir heute diskutieren, fehlt die Frage nach dem Ermöglichen des Schulbesuchs in diesen großen Einrichtungen, nach der psychosozialen Betreuung, nach der allgemeinen Beratung, nach dem Sprachkurs und nach dem Orientierungskurs. Ich sage das nur, um das Bild ein bisschen kompletter zu machen, als es Ihnen vielleicht inzwischen erscheint. Wir brauchen immer wieder Debatten im Plenum, aber auch in den zuständigen Ausschüssen zu diesem Thema, denn nur, wenn wir als Parlament das Konzept der öffentlichen Unterbringung in seiner ganzen Vielfalt oder Buntheit mit der notwendigen Dringlichkeit versehen, wird es auch in den Bezirken leichter. Dort wird sich auch darauf verlassen, dass wir uns mit diesem Thema beschäftigen und die notwendigen Impulse geben. Ich wiederhole es noch einmal: Es ist mir unverständlich, dass Sie dem Antrag der LINKEN nicht die Chance geben, ihn im Ausschuss zu diskutieren. Sie könnten ihn doch im Ausschuss zerlegen,
aber dann wäre es wenigstens aus fachlicher Sicht eine angemessene Befassung. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Um einmal den letzten Satz der SPD-Kollegin aufzunehmen: Diesem Antrag der SPD kann man überhaupt nicht zustimmen, denn wir hatten schon Haushaltsberatungen.
Wir haben uns auch mit diesem Thema beschäftigt. Ich glaube, wir wissen alle, wie der Haushaltsausschuss und seine dort arbeitenden Kolleginnen und Kollegen sich freuen würden, wenn wir mit Fachfragen plötzlich in die Beratungen am nächs
ten Freitag kämen, wo es dann um die Zahlen und nicht mehr um die fachlichen Inhalte geht.
Insgesamt verstehe ich diese Debatte tatsächlich nicht wirklich. Der Kollege der CDU kritisiert, ein Drittel der Sollstellen im Jugendschutz der Polizei seien zweckentfremdet oder unterbesetzt. Sie belegen das mit Ihrer Schriftlichen Kleinen Anfrage. Die SPD bestreitet das auch gar nicht, sagt aber nun, wir könnten während der Haushaltsberatungen, die schon vorbei sind, darüber reden. Ich verstehe nicht, was die CDU eigentlich bewegt, denn Sie haben auch in Ihrer Schriftlichen Kleinen Anfrage Antworten auf die Zahl der Tatverdächtigen und deren Entwicklung bekommen. Wenn Sie sich das anschauen – vielleicht haben Sie vergessen, das zu sagen, vielleicht fanden Sie das auch nicht so relevant –, dann kann man daraus ablesen, dass in allen Bezirken für alle tatverdächtigen Gruppen, also Kinder, Jugendliche und Heranwachsende, der Anteil der Tatverdächtigen in den letzten drei Jahren konsequent und kontinuierlich sinkt.
Wir müssen noch mehr machen, Herr Hamann, ganz richtig.
Aber man muss deutlich sagen, dass es keinen Grund gibt, in dieser Stadt populistisch über Kinder- und Jugendkriminalität zu reden.
Wir haben eine Zahlenlage, die das nicht hergibt. Umso interessanter ist natürlich der aktuelle Haushaltsplan-Entwurf, denn dort gibt es mehrere relevante Kennzahlen zum Jugendschutz, die aber wiederum so etwas wie eine Auszehrung des Jugendschutzes belegen. Sie beschreiben auch eine Tendenz, die sich aber durch die eben genannten Zahlen überhaupt nicht klären lässt. Wir haben dazu Fragen gestellt; ich will Ihnen das an zwei Beispielen aufzeigen.
Bei der Zahl der Intensivtäter gibt es aus den IstZahlen eine fallende Tendenz. 2012 gab es 357 Intensivtäter, 2013 gab es 336. Im Plan für den Doppelhaushalt taucht nun die Zahl 400 auf. Diese Zahlen lassen sich weder statistisch noch durch einen Arbeitsaufwand aufseiten der bei der Polizei mit dem Thema beschäftigten Polizistinnen und Polizisten irgendwie abbilden.
Das gleiche Phänomen haben wir bei der Kennzahl Norm- und Hilfegespräche. Hier gibt es eine fallende Tendenz. Das passt vielleicht auch erst einmal zu der Zahl der Intensivtäter, 1220 im Jahre 2012 und 992 im Jahre 2013. Jetzt wird das reduziert auf 1000, das ist so etwa in der Mitte. Eine inhaltliche Begründung, warum dieses Instrument nun möglicherweise nicht mehr nötig ist, müssen wir uns selbst überlegen.
Dann noch ein drittes Beispiel, damit das vielleicht klar wird, weil wir uns doch, vor allem die Jugendpolitikerinnen und –politiker, um dieses Thema Fallkonferenzen sehr viele Gedanken machen. Hier kann man eine sehr deutliche Überlastung beim Jugendschutz ablesen. 2011 gab es 69 Fallkonferenzen. Und der Senat, und zwar der aktuelle, Frau Hanneken-Deckert, prognostizierte wegen der Neueinführung der Obachtverfahren eine ansteigende Zahl von Fallkonferenzen für das Jahr 2012. Das war ein neues Instrument, es musste erst einmal implementiert werden, und man musste sich öfter treffen. Tatsächlich sank die Zahl der Fallkonferenzen auf 66 und auf 40 im Jahre 2013. Es erreichte nicht einmal mehr die Hälfte der geplanten Fallkonferenzen. Für 2015 wurde deshalb die Planzahl auf 60 abgesenkt.
Was bedeutet das? Die Kennzahl der prognostizierten Intensivtäter steigt, ohne dass das statistisch begründet ist. Die Zahl der Norm- und Hilfegespräche und der Fallkonferenzen sinkt. Der Personalmangel kann sich also da im Nichterreichen der Planvorgaben ausdrücken, und danach sollen dann die Ziele wieder abgesenkt werden oder wie auch immer. Meine Fraktion hat dazu im Haushaltsausschuss gefragt – ich denke, die CDU wollte das vielleicht noch, und die SPD hätte es natürlich machen können –, wie sich denn der Arbeitsaufwand abbildet, wie viele Polizistinnen und Polizisten in dem Bereich arbeiten und wie viele Menschen eigentlich hinter den Kennzahlen stehen. Die Antwort lautete, dass es beispielsweise viele Jugendsachbearbeiter gäbe, und andere hätten sich bei Kommissariaten und beim LKA selbst einsortiert. Trotzdem kann man zum Beispiel für den konkreten Arbeitszeitanteil der Jugendsachbearbeiter im Bereich Jugendkriminalität keine Auskunft bekommen.
Das, meine Damen und Herren von der SPD, wäre wahrscheinlich auch die Antwort, wenn wir noch einmal Haushaltsberatungen hätten, und Ihre Fragen würden dort aufgrund Ihres Antrags dann gestellt werden können. Aus dem Haushalt heraus ergeben sich keine Antworten. Deswegen bräuchten wir tatsächlich eine Evaluation, denn dann könnte man sehen, dass die präventive Arbeit der Polizei möglicherweise sehr erfolgreich ist oder, wenn die These der CDU stimmt, schlicht und einfach immer weiter ausgehöhlt wird. Das ist aber auch etwas, das wir nicht wollen. Deswegen halten wir den CDU-Antrag für überweisungswert, denn dann könnten wir noch einmal diskutieren. Da das aber nicht passiert, halten wir diesen Antrag auch für zustimmungsfähig.
Ihren SPD-Antrag allerdings kann man einfach nicht ernst nehmen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir teilen Herrn van Vormizeeles Einschätzung zur Einleitung dieses Antrags der LINKEN. Inhaltlich gibt es da aus meiner Sicht kaum etwas hinzuzufügen. So ist die Situation, und so wird sie im Grunde auch nicht bestritten. Was allein fehlt, ist, dass die SPD handelt.
Sie könnten den Senat ein bisschen in Gang setzen, aber das haben Sie mit Ihrer Rede eben nicht getan, Herr Münster. Wir haben auch nicht ausführlich darüber geredet, warum es in Hamburg noch kein Rettungsdienstgesetz gibt, sondern wir haben lediglich einen Satz vom Senator dazu zu hören bekommen, nämlich dass es auf Bundesebene noch kein Gesetz gebe und man vorher nichts tun könne. Aber die große Frage, was man macht, wenn der Bund nichts macht, müssen wir uns schon stellen, und darauf gibt es bisher keine Antwort. Die derzeitige Situation ist aus meiner Sicht noch keine akute Krise, aber immerhin zeigt das System Überlastungssymptome, die hier im Detail von den Kolleginnen und Kollegen schon genannt worden sind. Wir haben nun endlich, das hat auch viele Jahre gedauert, eine Entscheidung auf europäischer Ebene. Es gibt Richtlinien für öffentliche Aufträge und Konzessionen.
Hamburg kann das Gesetz jetzt entwickeln. Ob man es dann im Detail noch verändern muss,
wenn es eine Bundesvorlage gibt, wird sich zeigen, aber man bringt doch auch den Bund ein bisschen auf Trab, wenn in Hamburg schon einmal Bewegung drin ist. Das wissen Sie doch von anderer Stelle auch.
Im Übrigen ist es auch ein Erfolg, dass das Europäische Parlament für den Rettungsdienst eine sogenannte Bereichsausnahme von der Pflicht zur europaweiten Vergabe beschlossen hat. Auch zu den Konsequenzen und Handlungsspielräumen, die sich daraus für Hamburg ergeben, haben wir bis jetzt vom Senat noch nichts gehört, aber das sollten wir uns in der Innenausschusssitzung sehr zügig und sehr deutlich noch einmal erklären lassen.
Ich will auf ein zweites Problem hinweisen. Es geht beim Thema Rettungsdienst und was wir eigentlich strukturell verändern müssen, nicht nur darum, Leben zu retten und Gesundheit zu erhalten, sondern es geht auch um die Qualität von Arbeitsplätzen. Zum Beispiel befürchten das Rote Kreuz und andere Anbieter, dass es für die hamburgischen Außenbereiche lediglich eine Ausschreibung von reinen Personaldienstleistungen geben wird und nicht das komplette Paket ausgeschrieben wird, was garantiert zu Lohndumping führt. Das sieht man in anderen Bundesländern und auch in anderen europäischen Ländern. Das wollen wir ganz eindeutig nicht, und auch darüber muss geredet werden.
Deswegen gelangt Ihr Wort hoffentlich auch ins Ohr des Senats und nicht nur ins Ohr des Ausschussvorsitzenden. Auf der nächsten oder spätestens auf der übernächsten Sitzung sollten wir uns mit diesem Antrag ausführlich befassen und hier hoffentlich noch vor Ende der Legislaturperiode in die Gänge kommen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! 51,2 Millionen Flüchtlinge zählte der UNHCR Ende 2013. Das ist die höchste Zahl von Flüchtlingen seit 1945. Er veröffentlichte diese Zahlen im Juni und warnte damals vor allem vor einem weiteren Anstieg der Flüchtlinge und Vertriebenen aus Syrien. Die Situation im Irak könnte man zu der Zeit beinahe noch als unauffällig beschreiben. Jetzt kommen wahrscheinlich allein aus diesem Kriegsgebiet weitere 1 Million flüchtende Menschen dazu. Eine Terrorarmee tötet Tausende in einem Krieg, der sich gegen die zivile Bevölkerung wendet. Die archaische Art dieser Kriegsführung, verbunden mit Geld scheinbar im Überfluss, war so bisher nicht bekannt und bringt uns natürlich als internationale Staatengemeinschaft an die Grenzen des Handelns.
Ich sehe den Fokus der heutigen Debatte jedoch im humanitären Bereich. Die bedrängten Familien, Männer, Frauen, Alte und Junge brauchen vor allem Nahrung und Unterkunft an sicheren Orten. Die Karikatur aus der "Süddeutschen Zeitung" von gestern, vielleicht haben Sie sie gesehen, zeigt eine Flüchtlingsfrau mit kleinen Kindern und einen Mann mit Rakete in der Hand, der die Frage stellt: Kannst du daraus was kochen? Dies wirft die Frage auf, was wir in Hamburg tun können. So wie es eben schon vom Kollegen der SPD gesagt wurde, waren wir als Fraktionen wohl alle im Gespräch mit dieser kleinen Delegation aus Vertreterinnen und Vertretern von Jesiden, der deutsch-syrischen, christlichen Gemeinden und Kurdinnen und Kurden, die ihre Sorgen um Familienangehörige und Bekannte deutlich gemacht haben. Sie senden selbst Lastwagen mit Hilfsgütern, die dann in der Türkei steckengeblieben sind, oder bieten Unterkunft innerhalb ihrer Gemeinde.
Deswegen sollten wir versuchen, uns in der Bürgerschaft gemeinsam auf einen Aufruf zur humanitären Unterstützung zu verständigen.
Wir sollten in einem Appell an die Menschen in dieser Stadt und an die Wirtschaft um Unterstützung bitten. Ich glaube, es muss schnelle und konkrete Hilfe geben. Es gibt zwei Aufgaben, zwei Wege notwendigen Handelns, denn man darf sich nichts vormachen. Die Konflikte, die sich in der Welt abspielen, spiegeln sich ebenso in Hamburg unter den Flüchtlingen wider. Da ist ein Großteil von Menschen, die vor allem zur Ruhe kommen wollen, aber gleichzeitig die Konflikte, die es dort gab, hierher mitbringen.
Man darf sich auch nichts darüber vormachen, dass es innerhalb der Flüchtlinge genauso Antisemitismus und Vorbehalte gegenüber Christen gibt, ebenso Konflikte zwischen Ethnien und Staaten. Das ist, so profan es auch klingen mag, so etwas wie gelebter Alltag. In der Regel äußert sich dieses dann in verbalem Streit, aber nicht in Gewalt.
Trotzdem gibt es diese Entwicklung und die Tendenz, die eben schon dargestellt wurde. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass es eine Radikalisierung von Jugendlichen im westlichen Europa gibt und damit natürlich auch in Hamburg.
Wir hatten schon eine Debatte zum Thema Erstarken des Salafismus unter Jugendlichen. Dort hat der Senat sehr deutlich gemacht, dass er ein Präventionsprogramm auflegen will. Dieses gibt es inzwischen, aber die Frage ist, inwieweit tatsächlich die Gruppen, die Menschen, die in dieser Stadt auch in der Flüchtlingsarbeit aktiv sind, mit hineingenommen werden in die Schulen, in die Jugendeinrichtungen und natürlich in die kirchlichen Gemeinden, in die jüdische Gemeinde ebenso wie in die islamischen Gemeinden. Hier kann man nur zusammen mit viel Bildung und Aufklärung wirklich Prävention leisten.
Das wäre der zweite Weg. Meiner Meinung nach liegt der erste dicht dabei, nämlich konkrete humanitäre Hilfe zu leisten für die Menschen, die an einen relativ sicheren Ort haben flüchten können und dort Unterstützung brauchen, Nahrung und Unterkunft. Gleichzeitig darf man die Eltern und Familien, in denen es Jugendliche gibt, die sich aus relativ moderater religiöser Erziehung heraus möglicherweise radikalisieren, nicht aus den Augen verlieren und muss diese auch unterstützen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde vieles von dem, was meine Vorredner gesagt haben, richtig und wichtig. Ich glaube aber, dass es trotzdem notwendig ist, dass wir heute hier diskutieren. Ich bin der FDP sehr dankbar, dass Sie mit diesem Antrag gekommen sind und auch die Dringlichkeit deutlich gemacht haben, weil es tatsächlich dringlich ist, denn wir haben weiterhin Fälle im Genehmigungsverfahren bei der Behörde, wo junge Leute, Kinder und Jugendliche in genau dieser Situation sind. Wir müssen sie aus dieser Situation herausholen, und das können wir mit einer schnellen Entscheidung der Behörde, die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Anwendung dieses Paragrafen tatsächlich zu erlassen, so wie andere Bundesländer das auch getan haben.
Ich will noch einmal den Anlass schildern, obwohl Herr Ritter das auch schon gemacht hat. Weshalb brauchen wir diesen Antrag? Weil uns im Petitionsausschuss und in der Härtefallkommission, wenn wir es dahin überweisen, diese besonderen Familiensituationen erreichen. Herr Schäfer, Sie sagen jetzt, das gehe alles nicht so schnell, und solange es möglicherweise noch keine bundesweite Regelung gibt, sagen Sie zu, dass solche Fälle in der Härtefallkommission gelöst werden.
Erstens entscheiden wir es im Einzelfall, vielen Dank, Herr Schumacher. Zweitens wäre es richtig gut gewesen, wenn Sie an der Stelle hätten sagen können, dass die Gespräche mit der Behörde und dem Senator ergeben haben, dass die Behörde zukünftig, bis es zu dieser bundesweiten Regelung kommt, solche Fälle direkt an die Härtefallkommission gibt, denn der Weg steht ihr offen. Dann wäre das Signal klar, dass die Behörde selbst ihre bisherige Haltung dahingehend korrigieren möchte, dass sie die Diskriminierung von Menschen mit Be
hinderung erkannt hat und uns deswegen sagt, es stehe noch nicht so in der Verwaltungsvorschrift, aber sie mache es und gebe diese Fälle an die Härtefallkommission. Das wäre ein mutiger Schritt gewesen, und er wäre auch wirklich angebracht,
denn ich will es noch schärfer formulieren, als Herr Ritter dies getan hat. Menschen mit Behinderung dürfen nicht benachteiligt werden.
Sie sollen nicht nur nicht, sondern sie dürfen nicht benachteiligt werden. Das sagt nicht nur die UNBehindertenrechtskonvention, sondern das sagt natürlich auch unser Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Diskriminierung darf in dieser Gesellschaft nicht stattfinden. Dass sie es praktisch tut, darin sind wir uns alle einig, aber wir reden hier über die rechtliche Situation, und vor allem darf sich Diskriminierung natürlich nicht in Gesetzen abbilden. Wenn sie das tut, dann kann man erstens sagen, es solle einmal jemand klagen, aber andererseits können auch wir als Parlament sagen, dass wir das nicht mehr wollen. Wir wollen dem abhelfen, und deswegen finde ich es richtig, dass wir diesen Antrag auch sehr schnell entscheiden. Wenn das nicht geht, dann mögen Sie vielleicht noch einmal überlegen, ob wir nicht den Weg gehen können, wenigstens die Familien oder die Jugendlichen und Kinder, die der Behörde selbst auffallen als Menschen, die von dieser bisherigen Regelung betroffen sein können, in die Härtefallkommission zu bekommen, sodass wir dann zu ihren Gunsten – selbstverständlich im Einzelfall, Herr Schumacher – entscheiden können. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Fock, Sie haben vieles gesagt, was mich gefreut hat zu hören. Der CDUAntrag zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass aus Schriftlichen Kleinen Anfragen und Pressemitteilungen Textbausteine recycelt worden sind und Stereotypen wiederholt werden. In einer unappetitlichen Art und Weise werden hier Menschen und Situationen diffamiert, ohne dass an einem einzigen konkreten Punkt auch nur ein Nachweis oder Beweis oder durch Zahlen eine tatsächliche Beschreibung der Situation erfolgt. Das ist unerträglich.
Ihre Überschrift macht deutlich, wohin Sie eigentlich wollen: "Gewerbsmäßige Bettelei in Hamburgs Innenstadt endlich unterbinden". Sie sagen damit schlicht und einfach, dass Sie diese Menschen nicht mehr sehen wollen. Sie wollen sie nicht mehr in der Innenstadt sehen, und Sie wollen, dass sie verschwinden. Das ist aber ein aus sachlich-fachlichen Gründen völlig
danke schön – unerfüllbarer Wunsch. Und es ist ein nicht umsetzbarer Antrag, das wissen Sie genau. Deswegen bleiben das Entwickeln von Stereotypen und der populistische, wahlkampftaugliche Ansatz an dieser Stelle völlig unangemessen.
Die Situation – immerhin kam in Ihrer Rede einmal das Wort sozial und einmal arm vor, in der Lyrik findet man das nicht – stellt sich doch schlicht und einfach dar. Wer auf Hamburgs Straßen wie auch auf anderen Straßen bettelt, ist arm. Und wer dann noch durch Schlepper oder durch so etwas wie Zuhälter dazu angehalten und abkassiert wird, ist im Prinzip noch ärmer. Das ist nicht jemand, der sich bereichert, der verfolgt werden muss, der uns aus den Augen, aus dem Sinn kommen muss, sondern es ist jemand, bei dem man klären muss, wie man diese Situation für diese Person beenden kann, sprich, wie kann man helfen. Wie kann man zugehen auf die Betroffenen, wie kann man mit Hilfe von sozialer Arbeit oder Initiativen, von denen Herr
Fock einige beschrieben hat, hier auf die einzelnen Personen, die nicht nur arm sind, sondern auch ausgebeutet werden, zugehen und ihnen aus ihrer Situation heraushelfen. Das ist doch die entscheidende Fragestellung bei diesem Thema.
Die Strukturen der Schlepperei und Schleuserei, die möglicherweise OK-ähnliche Strukturen sind, zu bekämpfen, zu durchschauen und aufzulösen, ist polizeiliche Aufgabe, wenn sie denn wirklich so dramatisch sind, wie Sie hier und auch in Ihren Schriftlichen Kleinen Anfragen immer wieder suggerieren. Das weiß die Polizei sicherlich besser als wir alle. Man kann aber auch aus den immer wieder erfolgenden Antworten durch die Polizei, nämlich dass es keine Erkenntnisse über gewerbsmäßiges oder organisiertes Betteln gibt – das kann man auch aus Ihren Schriftlichen Kleinen Anfragen herauslesen –, ganz deutlich erkennen, dass die innenpolitische Dimension dieses Themas mitnichten so ist, wie Sie uns hier suggerieren wollen.
Ich komme zur Frage, was denn die Allgemeinverfügung von Herrn Schreiber damals bewirkt hat. Es gab Platzverweise, die Zahl der Menschen, die in der Innenstadt, wo Sie hingeschaut haben, gebettelt haben, ist zurückgegangen. Aber deswegen sind die Menschen doch nicht verschwunden, sondern sie werden wie immer, wenn es Platzverweise gibt, von dem konkreten Ort entfernt. Aber es ändert sich doch nichts an der Situation für die Menschen.
Ich sage es noch einmal in aller Deutlichkeit: Uns muss die Situation der Menschen interessieren. Wir werden durch viele Dinge im Leben, im Alltag, in der Öffentlichkeit und in unserem eigenen Leben gestört, vielleicht belästigt, vielleicht fühlt man sich belästigt, das ist immer eine subjektive Entscheidung. Es ist im Übrigen auch eine sehr subjektive Entscheidung, ob man jemandem, den Sie in einer Anfrage als Demutsbettler bezeichnen, etwas geben möchte, ob man jemandem aus ganz anderen Gründen und mit völlig eigener Motivation etwas gibt, oder ob man sagt, nein, ich gebe nichts. Das wird in den meisten Fällen so erfolgen, und das steht einem frei, auch wenn jemand sehr nah an einen herankommt.
Im Übrigen – das wissen Sie auch – ist aggressives Betteln schlicht nicht erlaubt und wird auch verfolgt. Genauso wird auch ein Auge auf das Kindeswohl bei den Kindern, die sich teilweise stundenlang mit auf der Straße aufhalten, geworfen. Darüber bin ich sehr froh.
Es gab schon einmal einen ähnlichen CDU-Antrag, die musizierenden Bettler in U-Bahnen schlicht zu verbieten, also das Musikmachen in der Bahn mit dem Ziel, dann vielleicht mit einem Beutel herumzugehen. Wir werden nicht an der Fragestellung vorbeikommen, was wir den Menschen als Hilfe anbieten können, und da ist das Unterbringen im Winter das Mindeste und Wenigste.
Herr Fock ist eben schon darauf eingegangen, dass die Shuttle-Busse sogar mit Zustimmung der Mehrheit des Parlaments eingerichtet wurden, weil Teile des Winternotprogramms nur sehr weit außerhalb des Zentrums realisiert werden konnten. Weil es in der Innenstadt aus vielerlei Gründen immer einen Sammelpunkt für Menschen gibt, die obdachlos sind, haben wir alle diesen Shuttle-Bussen zugestimmt. Dass Sie jetzt sagen, wer eine Krücke dabei hat oder wer irgendwie gewerbsmäßig aussehe, dürfe nicht mitfahren, ist nicht nur eine naive Vorstellung von dem, was um das Winternotprogramm und um die Not der Menschen herum eigentlich passiert, sondern es ist auch – ich wiederhole es noch einmal – eine unappetitliche Formulierung. Sie bedienen Stereotype, und Sie machen nicht einen einzigen inhaltlichen, fachlich-sachlichen Vorschlag, um den Menschen zu helfen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch in der Bürgerschaft gibt es natürlich nicht das Recht, irgendwie unbehelligt zu bleiben. Ich wollte noch einmal darauf hinweisen, dass es kein Recht gibt, in der Öffentlichkeit unbehelligt zu sein. Das ist schlicht der Blick, den die CDU möglicherweise auf die Öffentlichkeit hat. Es gibt aber natürlich die Pflicht von uns Parlamentarierinnen und Parlamentariern, sich Problemen, die sich im öffentlichen Raum ergeben, zu stellen. Dann aber bitte auf eine Art und Weise, die dem Problem tatsächlich gerecht wird.
Sie haben auch mit Ihrem zweiten Beitrag – auch wenn Sie von Herrn Haufler Unterstützung haben – nicht an einer einzigen Stelle losgelassen von den Stereotypen, sondern noch einmal eins draufgesetzt. Sie sagen schlicht und einfach, dass es so sei. In Ihren Schriftlichen Kleinen Anfragen wird Ihnen das Gegenteil belegt. Die Kollegin von der LINKEN hat noch einmal ausführlich die Situation geschildert, die sich insgesamt aus der Einwanderung von Menschen aus Rumänien oder Bulgarien ergibt. Sie verlieren jedoch diese Debatte, weil Sie nur bei den Bildern bleiben, die sich Ihnen darstellen. Sie wiederholen sie immer, und Sie nehmen die Realität nicht wahr.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Wersich, was für ein zusammengewürfeltes Thema und was für eine zusammengewürfelte Rede.
Das sehen Sie nicht so, das denke ich mir.
Ich habe mir, nachdem ich die Anmeldung gelesen habe, überlegt, was die CDU wohl sagen wird. Drei Punkte sind mir eingefallen: Kritik an der Polizei, Kritik an der Sozialpolitik der SPD und natürlich das Thema, das die Präsidentin dankenswerterweise für uns alle sehr richtig aufgenommen hat, die Einschüchterungsversuche, die hinter den gewalttätigen Attacken gegenüber Abgeordneten stehen.
Das wäre alles möglich gewesen bei dieser Rede. Stattdessen haben Sie alles noch einmal bunt durcheinandergemischt.
Was ich Ihnen sagen will, ist, dass man…
Ich will Ihnen schlicht und einfach sagen, dass es nicht so geht, wie Sie sich das vorstellen. Die Themen durcheinander zu mischen, das führt uns nicht weiter, wir brauchen Lösungen.
Wir brauchen Lösungen in der Sozialpolitik. Selbstverständlich gelten Regeln für alle, aber wenn Sie die Menschen, die wild campen, wie Sie es nennen, fragen, dann werden die sagen, sie hätten sich das nicht ausgesucht, sondern für sie gäbe es keine Regel, denn sie fallen in ihrer Situation durch die Regeln. Obdachlosigkeit ist nicht geregelt, sondern obdachlos werden Menschen, die auf Arbeitssuche sind, die keine Arbeit finden, die zu wenig Geld verdienen, um sich eine Unterkunft zu suchen. Diese Menschen campen dann wild, wie Sie es nennen. Dafür braucht es andere Regeln, als wir im Moment haben.
Ich komme zur Frage des Umgangs mit unangemeldeten Demonstrationen innerhalb der Bannmeile. Die Bannmeile gehört genau zu dem, was auch die Präsidentin vorhin beschrieben hat, nämlich zu unserer Möglichkeit, unbeeinflusst in diesem Hause unsere Arbeit zu tun. Deswegen ist sie uns allen, glaube ich, ein wichtiges Arbeitsinstrument und eine wichtige Regel. Wenn jemand sie bewusst durchbricht und sich unangemeldet dort hinsetzt, dann tut er, sie oder eine Gruppe das auch aus bestimmten Gründen, nämlich um auf sich aufmerksam zu machen.
Es schreckt sie dabei noch nicht einmal ab, dass sie eine Ordnungswidrigkeit begehen. Dieser Gruppe wurde das mehrfach gesagt, nicht nur von der Polizei, sondern von vielen anderen Beteiligten. Sie blieben bei ihrem Weg. Das ist aus unserer Sicht ein falscher Weg, weil die Verletzung der Bannmeile eine eindeutige Ordnungswidrigkeit ist.
Allerdings war das aus der Sicht der Flüchtlinge – ich kann nur für die reden, weil ich mit ihnen gesprochen habe – die einzige Lösung, um auf sich aufmerksam zu machen.
Herr Dressel hat noch einmal deutlich gesagt, was das Angebot des Senats ist. Mir scheint, dass es aus der Sicht der Flüchtlinge – so schwer das auch für mich anzunehmen ist – keine Lösung ist. Ich verstehe Ihren Unmut an der Stelle tatsächlich nicht. Sie vermischen nämlich meine Beschreibung der Situation der Menschen mit meinem von Ihnen unterstellten Einverständnis des Verstoßes gegen die Bannmeile; das ist schlicht absurd.
Wir müssen zurückkommen zu der Motivation der Menschen, die wild campen oder die sich auf die Bannmeile setzen und sagen, sie verletzten dort bewusst etwas, das wir uns geschaffen haben. Wir brauchen Lösungen, um den Menschen weiterzuhelfen. Dass die Lösung nicht darin liegt, dass sie unsere Regeln verletzen,
ist, glaube ich, allen klar.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr van Vormizeele hat eben schon gesagt, dass das Thema, das wir heute anlässlich des Antrags der LINKEN diskutieren – die individuelle Erkennbarkeit der Polizei in allen Einsatzsituationen – in den Ländern, in denen das Projekt umgesetzt ist, durch den kleinen Koalitionspartner vorangetrieben wird. Da ist was dran, aber es ist nicht immer schlecht, wenn der kleine Koalitionspartner etwas vorantreibt.
Auch bei Schwarz-Grün gab es die Versuche.
Sie mögen sich erinnern, Herr Dr. Dressel, dass wir die Variante hatten, dass dieses Projekt im Einvernehmen mit den Polizeigewerkschaften umgesetzt werden soll. Ich glaube – und deswegen ist Ihr Hinweis auch richtig –, dass die Zeit sehr viel weiter ist als wir hier in der politischen Debatte, und nicht nur sehr viel weiter, seitdem dieses Thema das erste Mal angesprochen wurde, sondern dass die Debatte auch innerhalb der Polizei und der Polizeigewerkschaften sehr vorangeschritten ist. Die ersten Erfahrungen, vor allem aus Berlin, sind, dass all die Befürchtungen, die die Polizei bezüglich der persönlichen Angreifbarkeit durch die Erkennbarkeit hatte, und andere Sorgen sich nicht bestätigt haben. Wenn man den Sprechern der Berliner Polizei lauscht – und die berichten an vielen Stellen, zum Beispiel beim Deutschen Institut für Menschenrechte, immer wieder von ihren Erfahrungen –, dann hat sich auch innerhalb des Selbstverständnisses der Polizei etwas an dieser Situation verändert, und zwar zum Positiven. Man geht eher in die Richtung, dass man sehr selbstbewusst mit dieser individuellen Erkennbarkeit umgeht, sehr wohl in dem Bewusstsein, dass der
Großteil und vielleicht sogar alle Polizistinnen und Polizisten erst einmal schlicht den Ansatz haben, dass sie ihre Arbeit, die sie zu tun haben, richtig und gut machen wollen. Das ist das, was sie immer sagen, und das ist auch das, woran ich überhaupt keinen Zweifel habe. Die Debatte innerhalb der Polizei und auch bei den Gewerkschaften ist also in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich schnell, aber doch deutlich im Wandel. Vielleicht sind wir für Hamburg heute immer noch zu früh mit diesem Gesetzentwurf, den DIE LINKE vorlegt, aber es ist trotzdem gut und richtig, dass wir hier darüber diskutieren.
Anders geht es mir allerdings bei Punkt 2 des Antrags der LINKEN, der in dieser Form tatsächlich überhaupt kein grüner Antrag wäre, weil auch die Diskussionen und vor allem die Entwicklung in den Bundesländern, die sich mit dem Thema Einrichtung einer Beauftragtenstelle für die Landespolizei oder eben sogar für die Bundespolizei beschäftigten – Frau Schneider hat die Länder aufgezählt –, hinsichtlich der Einschätzung solch einer Stelle sehr viel weiter sind, als es jetzt im Antrag der LINKEN beschrieben wird. Es geht um eine Beauftragtenstelle, und das zu reduzieren auf sich beschweren und kontrollieren können, ist schlicht und einfach nicht mehr aktuell.
Ich muss das natürlich im Rückblick auf die Polizeikommission ganz deutlich sagen; Herr Schäfer ist darauf eingegangen. Heute würde man sagen – wie bei vielen anderen Dingen auch –, dass dies ein gescheitertes Experiment gewesen ist, weil schlicht und einfach die Art und Weise der Zuordnung, aber auch des Auftrags, der Besetzung und des ganzen Misstrauens drum herum eine erfolgreiche Arbeit dieser Kommission unmöglich gemacht hat, obwohl ich weiterhin finde, dass die Mitglieder dieser Kommission sehr gute Arbeit geleistet haben. Deswegen finde ich es wichtig, sich anzuschauen, was zum Beispiel bei der Gesetzesentwicklung in Rheinland-Pfalz passiert oder auch bei den Kolleginnen und Kollegen – zugegebenermaßen grünen Kolleginnen und Kollegen, Herr van Vormizeele – in Schleswig-Holstein. Sehr deutlich wird in diesen Gesetzesvorlagen formuliert, was in dem Antrag der LINKEN schlicht und einfach fehlt, nämlich die unabhängige Anbindung solch einer Beauftragtenstelle an den Landtag. In SchleswigHolstein heißt das so sperrig: Hilfsorgan des Landtags. Hilfsorgan der Bürgerschaft klingt ein bisschen schräg, macht aber deutlich, dass wir nichts damit erreichen, wenn wir den Senat auffordern, eine Polizeibeschwerdestelle einzurichten, und das innerhalb von sechs Monaten, sondern wir brauchen eine unabhängige Beauftragtenstelle, die uns in der Bürgerschaft zuarbeitet.
Das ist die grüne Position. Sie ist Ihnen bekannt, und wir werden sie auch weiter ausarbeiten, denn
um das einzurichten, braucht man natürlich einen vernünftigen Gesetzentwurf, der mit den Polizeigewerkschaften diskutiert wurde. Diesen Kriterien entspricht der Antrag der LINKEN hier nicht. Wir werden uns enthalten, weil wir viele Ansätze richtig finden, aber die Art und Weise, wie Sie hier den Senat auffordern, etwas umzusetzen, finden wir tatsächlich völlig unzureichend.
Wichtig ist dabei das Mitnehmen der Polizeigewerkschaften. Auch dafür kann Rheinland-Pfalz ein gutes Beispiel sein. Die GdP Rheinland-Pfalz hat einen eigenen Entwurf für die Expertenanhörung vorgelegt, die es dort im Landtag gegeben hat. Dieser Entwurf geht tatsächlich weiter als der grüne Entwurf. Man mag sich darüber wundern, aber ich finde es wichtig, dass wir diesen Entwurf der GdP für ein Gesetz tatsächlich ernst nehmen. Sie formulieren nämlich einen Ansatz, der – ich habe es zu Anfang gesagt – meiner Meinung nach ein sich veränderndes Selbstverständnis deutlich macht, was uns bei der politischen Arbeit auch hilft. Die GdP sagt, dass es bei solch einer Beauftragtenstelle nicht um die Kontrolle individuellen Handelns gehen kann. Es kann bei so einer Stelle nicht um den Konflikt zwischen einem Polizisten und einem Betroffenen gehen, sondern man muss an die Strukturen herangehen und auch zu Lösungsvorschlägen kommen, die dann solche individuellen Probleme zumindest weniger werden lassen. Deswegen formuliert die GdP ganz deutlich, so eine Beauftragtenstelle habe einen Kontrollauftrag, solle aber auch Anwältin für die Polizei sein.
Damit erreichen wir eine neue Art der Diskussion. Ich würde diese Diskussion in Hamburg gern mit der Politik, also mit meinen Kolleginnen und Kollegen in diesem Plenarsaal, aber natürlich auch mit den Polizeigewerkschaften aufnehmen, weil ich glaube, dass wir nur auf diese Art und Weise weiterkommen. Jetzt gebrauche ich einmal diese großen Worte dazu, die aber natürlich die wichtigen sind: Es muss uns endlich gelingen, diesen ständigen Vorwurf des Misstrauens aus dem Weg zu schaffen und zu einer Vertrauensbasis zu kommen,
denn nur diese kann natürlich die Arbeit solch einer Beauftragtenstelle überhaupt möglich machen. Herr Münster, es gibt Bürgerbeauftragte, es gibt Wehrbeauftragte, es gibt Behindertenbeauftragte.
Ich sehe, Sie kennen sich aus, wunderbar. Aber vielleicht ist das genau das Beispiel, weswegen Sie hier immer noch von Misstrauen sprechen wollen.
Ich glaube, ich habe deutlich genug gesagt, um welche entscheidende Weiterentwicklung wir uns
hier bemühen müssen, um tatsächlich gute Chancen zu haben, auch innerhalb der Polizei auf Akzeptanz zu stoßen. Der Aufgabenbereich dieses Beauftragten, das möchte ich gerne noch ergänzen, muss natürlich auch beinhalten, dass er oder sie von sich aus Themen aufgreifen können, und das nicht nur bei tödlichen Vorfällen, wie es im Antrag der LINKEN formuliert ist. Das halte ich für völlig unzureichend, denn nur aus einer Stimmungslage, aus Diskussionen innerhalb der Polizei, bestimmter Einheiten der Polizei oder der Polizeigewerkschaften, aber auch aus Diskussionen im Nachklapp zu Demonstrationen oder anderem heraus kann dieser Beauftragte für sich sagen: Hierum muss und will ich mich kümmern. Ich glaube, dass wir nur auf diese Art und Weise vom Misstrauen wegkommen.
Fazit aus meiner Sicht: Ein Gesetz zur Einrichtung einer Beauftragtenstelle für die Polizei ist notwendig. Es muss nicht innerhalb dieses halben Jahres erfolgen, aber wir brauchen eine weitere Diskussion dazu, und dabei werden uns die Gesetzentwürfe unterstützen, die in vielen Landtagen inzwischen in Arbeit sind, zum Beispiel in Rheinland-Pfalz durch die GdP. Sie werden uns sehr viel weiter helfen als der Antrag der LINKEN, der heute hier vorgelegt wurde. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir als GRÜNE Fraktion werden uns bei dem FDP-Antrag enthalten. Ich werde Ihnen gern sagen warum. Nach den Redebeiträgen, auch von Frau von Treuenfels, aber auch nachdem mir klar geworden ist, aus welchem Grund die SPD diesem Antrag zustimmen wird, werden unsere Bedenken umso deutlicher bezüglich der dringenden Notwendigkeit einer sehr differenzierten Betrachtung des Themas Salafismus, und diesen Bedenken wollen wir noch einmal Ausdruck verleihen.
Es ist nicht hilfreich, wenn Sie den gewaltbereiten Salafismus, die Gewalttaten, die durch Salafisten weltweit, aber auch bei uns stattfinden, in einen Topf werfen mit dem, was unter Jugendlichen in dieser Stadt und anderswo vor sich geht. Wir haben uns schon 2012 mit diesem Thema öffentlich befasst. "Die Zeit" hat damals gesagt, der Salafismus unter den Jugendlichen sei eine maximale Protesthaltung. Der Verfassungsschutz selbst sagt in einer ausführlichen Stellungnahme durch den renommierten Islamwissenschaftler, der dort arbeitet, dass der Salafismus unter Jugendlichen ein Beleg dafür sei, dass sie sich aus allem, was sie von zu Hause mitbekommen haben, lösen. Es sei also ein Extremismus, der unter Jugendlichen genau das bedeutet, was anderer politischer Extremismus auch unter Jugendlichen bedeutet. Sie lösen sich von den Traditionen des Elternhauses, sie gehen mit sehr viel Rationalität in die Religiosität und sind interessanterweise dabei offen gegenüber denen, die sich den Anforderungen dieser Ideologie unterwerfen. Das ist schlicht und einfach zusammengefasst in dem Stichwort – ich wiederhole es noch einmal – maximale Protesthaltung.
Deswegen gibt es unseren Antrag. Wir sagen, es muss erst einmal erkannt werden, welche Jugendlichen und welche Bevölkerungsgruppen eigentlich dafür anfällig sind und welche Biografien diese jugendlichen Salafisten haben. Das ist nichts weiter als die Forderung, die im Übrigen auch beim Landesamt für Verfassungsschutz gestellt wird, dass nämlich jegliche empirische Sozialforschung auf diesem Feld fehlt. Schlicht und einfach zu sagen, wir brauchen ein Aktionsprogramm, reicht nicht aus. Wir brauchen diese wissenschaftliche Begleitung, um zu einer detaillierten Lagebestimmung in Hamburg zu kommen. Sie fehlt dem Landesamt für Verfassungsschutz, sie fehlt auch den Schulen.
Herr Holster hat beschrieben, welche Maßnahmen in den Schulen begonnen werden. Sie sind alle gut und richtig. Aber auch dort ist sehr strittig und empirisch nicht erfasst, welche Biografien diese Jugendlichen haben, wo sie herkommen und was man sozialpolitisch eigentlich tun muss. Das ist im Übrigen auch das Problem, das die Moscheengemeinden, die islamischen Verbände und die Aleviten haben. Es sind ihre eigenen Jugendlichen, die ihnen in den Salafismus, den Extremismus abgleiten. Deswegen ist es wichtig, hier gemeinsam zu arbeiten. Aus unserer Sicht ist es aber vor allem wichtig, sich erst einmal genau mit dem Phänomen und mit den Biografien der Jugendlichen auseinanderzusetzen. Deswegen gibt es diese Ergänzung. Wir hätten uns gefreut, wenn sie auf Zustimmung gestoßen wäre. Das tut sie nicht, und deshalb enthalten wir uns bei dem FDP-Antrag.
Noch einmal wegen der Klarheit: Es geht nicht darum, eine Zeitverlängerung oder eine Zeitverzögerung zu bekommen.
Nein, das ist es nicht.
Es ist eine Verbreiterung der Grundlage, auf der dann das Programm, das Konzept und die hoffentlich greifenden Maßnahmen entstehen können, mehr nicht.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich finde, dass das keine leichte Debatte ist, die wir uns hier vorgenommen haben, und an den zwei Beiträgen kann man schon erkennen, dass man bei diesem Thema ganz wunderbar schlicht und einfach aneinander vorbeireden kann. Das ist eine der Schwierigkeiten, die uns immer begegnen – uns hier im Parlament, aber auch in der Gesellschaft –, und das macht auch deutlich, warum es so schwer ist, Rechtsextremismus tatsächlich zu bekämpfen.
Frau Nitruch hat eine wunderbare Rede gehalten, und ich teile fast alles, was Sie gesagt haben, vor allem auch die Notwendigkeit, die Erinnerungskultur, wie es so schön heißt, zu verknüpfen mit den aktuellen Tendenzen. Aber trotzdem ist es natürlich nicht so, dass wir uns immer darüber einig sind, wo es dann anfängt, wo zum Beispiel lediglich aus Sicht der Innenbehörde agiert werden soll und wo wir eigentlich viel tiefer in die Gesellschaft
hineingehen und sozusagen schon mit der Bildung in den ersten Schulklassen anfangen müssen. Zu diesem Zweck schon frühzeitig aufzuklären, zu bilden und präventiv zu arbeiten, dazu hat sich ein breites Bündnis in dieser Stadt zusammengefunden und sich auch auf ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus verständigt. Das finde ich ausdrücklich gut. Das haben wir begrüßt und das begrüßen wir auch weiterhin.
Nur darf man natürlich an der Stelle nicht stehen bleiben. Darüber müssen wir uns politisch immer wieder einig werden können, und ich weiß nicht, ob das in dieser Debatte heute gelingt. Vielleicht braucht es einen anderen Raum dafür, denn es geht nicht nur darum, sich mit der NPD oder anderen rechtsextremen Parteien oder Gruppierungen zu befassen, sondern wir müssen uns schlicht und einfach damit auseinandersetzen, dass es in dieser Gesellschaft, deren Teil wir alle sind, Rassismus und Diskriminierung gibt und über 30 Prozent der Menschen ein nicht geschlossenes, aber durchaus rechtsaffines Bild der Gesellschaft und der Politik haben. Das ist und bleibt ein großes Problem.
Die neuen Maßnahmen, die wir in der Sozialausschusssitzung besprochen haben, sind sicherlich hilfreich und zeigen, dass der Senat selbst sich diesem Thema auch immer wieder widmen will. Aber ich hatte jetzt erwartet – die Sitzung war im Januar –, dass wir vielleicht noch einmal hören würden, wie es weitergegangen ist. In der Ausschusssitzung sind viele Fragen offen geblieben, zum Beispiel die Frage, was aus der Antidiskriminierungsberatung in dieser Stadt wird. Die Integrationszentren sollen das übernehmen. Im Januar waren die Verhandlungen noch nicht zu Ende, und wie jetzt der Sachstand ist, hätte ich zum Beispiel gerne gewusst. Darüber hinaus hätte ich gerne gewusst, inwieweit die Ausstiegsberatung, die neu strukturiert werden sollte, inzwischen funktioniert. Sie können mir natürlich jetzt sagen, das könnte ich alles mit Schriftlichen Kleinen Anfragen abfragen, aber das wollte ich nicht, ich wollte es hier diskutieren. Ich finde es bedauerlich, dass das, wie es aussieht, nicht gelingt.
Ich glaube auch nicht, dass sich CDU, SPD und GRÜNE – für die LINKEN will ich das jetzt hier nicht vorauseilend beschreiben – wirklich einig darin sind, was eigentlich das größte Problem beim Rechtsextremismus in dieser Gesellschaft ist. Ich glaube nicht, dass eine besondere Verstärkung von Strafverfahren und ein besonderer Fokus auf einzelne rechtsextremistische politische Strömungen das Entscheidende sind, sondern wir müssen uns darüber einig werden, Rassismus, Diskriminierung und Chauvinismus in dieser Gesellschaft zu bekämpfen, und da ist der Weg noch lang.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte diesen Bericht der Härtefallkommission, den wir immer nur zur Kenntnis nehmen, zum Anlass nehmen, um kurz etwas zu sagen, auch anschließend an die Debatte, die wir vor 14 Tagen anlässlich des FDP-Antrags zur Änderung der Zusammensetzung der Härtefallkommission hatten. Die Aufgabe der Härtefallkommission kann man in der Verwaltungsverfahrensvorschrift zum Paragraf 23a nachlesen. Ich nenne Sie Ihnen einfach noch einmal.
Die Aufgabe unserer Arbeit besteht darin, aus dringenden, humanitären oder persönlichen Gründen möglicherweise zu einem gemeinsamen Ersuchen für den Petenten, die Petentin oder auch eine ganze Familie zu kommen. Wir diskutieren in der Härtefallkommission viel und lange, wir treffen uns sehr regelmäßig. Wichtige Entscheidungspunkte sind aus unserer Sicht – wir müssen sie selbst finden, sie sind nicht in den Verfahrensvorschriften genannt – zum Beispiel das Thema Schulabschluss, das Thema möglicher ausländerrechtlicher Verstoß von Eltern, die Frage nach dem Verwurzeltsein in der Gesellschaft, die Frage nach Sprachkenntnissen und die gesundheitliche Situation. Dagegen stehen dann oft die Themen Bezug von öffentlichen Leistungen oder auch Straftaten und die damit zusammenhängende Prognose.
Was all unsere Debatten eint ist die Tatsache, dass die Auswirkungen unserer Entscheidungen massive Folgen für die Menschen haben, die mit der Bitte an uns herantreten, ihnen hier den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Manchmal denkt man, man kennt schon alle Situationen, in die Menschen ohne einen sicheren Aufenthalt in unserer Stadt geraten können. Anders herum denkt man manchmal auch, dass man schon alle Situationen kennt, in die die Menschen geraten können, die abgeschoben werden. Wir haben die unterschiedlichsten Fälle, und ich möchte gern an einem fiktiven Lebenslauf ein Beispiel geben.
Es ist ein häufig vorkommender Einwandererlebenslauf einer Familie, die vor mehr als 20 Jahren eingereist ist. Kinder werden hier geboren, die Kinder haben hier immer gelebt. Hier gibt es zerrüttete Familienverhältnisse, es gibt in der Schule Spätzündungen. Es gibt Straftaten, die jeweils mit Bewährung oder mit Arbeitsstunden geahndet wer
den. Die Kinder werden volljährig, die Eltern haben es versäumt, den Aufenthalt hier zu verfestigen. Dann folgt, logisch und rechtlich richtig in der Konsequenz aus Sicht der Ausländerbehörde, die Abschiebung in ein Land, in dem sie nie waren, in dem sie keine Familie haben und dessen Sprache sie nicht sprechen.
Das kann ein Beispiel für eine Härte dieser fiktiven Lebensläufe, aber dann doch wieder realen Personen sein. Und wenn wir an dieser Stelle kein Einvernehmen zustande bekommen, dann ist es ein Beispiel für eine Härte mit brutalen Auswirkungen für die betroffenen Personen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, man muss das Thema Extrawurst und unpassende Vergleiche – Stichwort Gruppenlösung, die es für Tschetschenen und Afghanen noch nie gegeben hat – einmal beiseite lassen und sich auf den Kern der Fragestellung konzentrieren. Ich glaube, man muss über diese Gruppe von Flüchtlingen, die als Arbeitsmigranten in Libyen gelebt haben, deren Ziel ur
sprünglich nicht Europa gewesen ist, die vertrieben worden sind, in Italien aufgenommen wurden, inzwischen in Hamburg angekommen sind und ein gemeinsames Fluchtschicksal von über drei Jahren teilen, immer wieder im Detail reden.
Neu an der Debatte ist im Übrigen, Herr van Vormizeele, dass wir jetzt zum x-ten Mal eine rechtliche Würdigung bekommen haben, die sehr deutlich sagt, dass Paragraf 23 Absatz 1 sehr wohl durch eine Landesregierung angewandt werden kann. Damit haben wir noch einmal bestätigt bekommen, dass es schlicht eine politische Entscheidung gewesen ist, diesen Paragrafen nicht anzuwenden, und nicht eine, die durch das Recht gegeben war.
Es geht bei dieser Entscheidung nicht um die humanitäre Situation der Flüchtlinge, die eine ungewöhnliche Flucht hinter sich haben und einen kaum vergleichbaren Fluchtweg. Sie haben auch einen kaum vergleichbaren Fluchtgrund wie zum Beispiel Tschetschenen, Afghanen oder syrische Flüchtlinge. Sie haben aber natürlich trotzdem das Recht auf die Paragrafen, die wir in unserem Ausländergesetz für solche Gruppen vorgesehen haben, zumindest das Recht darauf, dass eine angemessene und ernsthafte Überprüfung der Anwendung des Paragrafen 23 Absatz 1 stattfindet.
Und das hat nicht stattgefunden. Soweit ich weiß, ist in der Antwort des Bundesministeriums lediglich darauf hingewiesen worden, dass es am Bundesland – also an Hamburg – läge, eine Gruppenlösung zu entwickeln. Es geht tatsächlich um das Entwickeln, denn man braucht Kriterien, um die Gruppe zu definieren. Wie viele Personen im Endeffekt dazu gehört hätten, weiß niemand; Frau Schneider hat das im Detail schon ausgeführt. Erst dann wäre das Bundesinnenministerium dran. In dem Gesetz – und das kann man nachlesen – steht nicht, dass die oberste Landesbehörde erst einmal beim Bund nachzufragen hat, ob das vielleicht gehen würde, sondern es ist genau andersherum. Die oberste Landesbehörde kann entscheiden und dann geht es an den Bund. Dieser Weg wurde hier schlicht und einfach nicht gewollt.
Der Verweis darauf, dass jetzt ungefähr 80 Personen im Verfahren sind, ist immer wieder interessant, weil selbstverständlich mit dieser intensiven und gleichzeitig ernsthaften Befassung der Anwendung des Paragrafen 23 Absatz 1 ein nahezu identisches Verfahren, nämlich die Überprüfung der einzelnen Kriterien und dann auch selbstverständlich die Überprüfung der Identitäten, in Gang gesetzt worden wäre. Wo eigentlich war die große
politische Gefahr, kann man sich fragen, wenn man nicht so ein bisschen Einblick in die flüchtlingspolitischen Ideen der SPD hat, nicht nur in Hamburg, sondern auch bundesweit.
Natürlich wäre es ein Signal gewesen. Es wäre ein Signal gewesen, das von Hamburg ausgegangen wäre, dass man sich nämlich, anders als sonst – in einer Situation, in der Flüchtlinge sich selbst politisch artikulieren und selbst sagen, wir sind jetzt da, wir brauchen Unterstützung und wir haben eine Vorstellung davon, wie das gehen soll –, auf diese Argumentation überhaupt einlässt. Das wäre das politische Signal gewesen. Ich finde, es wäre ein gutes Signal gewesen. Ich glaube, es ist vonseiten der SPD vor allem gefürchtet gewesen.
Aber wie geht es nun weiter? Das ist die große Frage. Wir wissen, rechtlich könnte Paragraf 23 Absatz 1 immer noch angewandt werden. Es läge an der Behörde, mit den Flüchtlingen ins Gespräch zu kommen. Mir gefällt an dem Antrag, dass die LINKEN deutlich sagen, die Bürgerschaft möge beschließen.
Anders nämlich als der Senat haben sich auch viele Bürgerschaftsabgeordnete der SPD mit den Flüchtlingen zusammengesetzt. Ich appelliere noch einmal an Ihre Erinnerungen, auch an die Gespräche, die wir geführt haben, dass Sie sich vielleicht doch noch einmal die rechtlichen Möglichkeiten, die dieser Paragraf 23 Absatz 1 bietet, durch den Kopf gehen lassen und den Sprung wagen. Denn was wir jetzt haben, ist eine schier unerträgliche Situation für die Flüchtlinge. Sie leben in dieser Stadt, unterstützt von privaten Initiativen, auf 30 oder 35 Standorte verteilt, ohne jede Perspektive auf einen Aufenthalt in Hamburg, ohne jede Perspektive auf ein politisches Signal. Ich finde, das ist kaum zu verantworten.
Das gilt auch für die Bundespolitik, die sich längst mit diesem Phänomen, das es inzwischen in allen Bundesländern gibt, beschäftigen müsste, weil Flüchtlinge, die sich aufgrund der Dublin-II-Regelung und der Aufnahme an den Außengrenzen Europas längst im Schengen-Raum bewegen, in allen europäischen Ländern eine Aufenthaltsperspektive suchen, auch aus humanitären Gründen, da sie sonst wegen der Lücken, die das europäische Asylrecht an dieser Stelle hat, schlicht und einfach von einem Land zum anderen gejagt werden.
So kann es nicht weitergehen. Wir brauchen eine Lösung, auch für die Flüchtlinge, die im Moment nicht im Verfahren sind. Die Gruppenlösung, die Akzeptanz der Flüchtlinge als eine Gruppe wäre hier ein guter Weg, und ich bedaure sehr, dass wir auch im Ausschuss keine weitere Debatte dazu führen werden. Ich glaube nämlich, Herr van Vormizeele, dass es noch sehr viel mehr Neues und vor allen Dingen sehr viel mehr Details ob der rechtlichen Möglichkeiten dazu gäbe.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Senator, ich will gern den Ball aufnehmen, mit dem Sie Unterstützung einfordern. Allerdings widersprechen Sie sich ständig selbst in der Argumentation, das ist auch bei Herrn Schäfer so. Das ist tatsächlich nicht neu, weil wir diesen Widerspruch schon seit vielen Monaten in der Debatte haben. Wenn Sie einerseits sagen, Italien sei ein Land, in dem es zumutbar sei zu leben und wo viele andere Flüchtlinge leben müssen und können und im Übrigen sei das Bundesamt zuständig, dann suggerieren Sie erstens, dass es erneut um eine Asylantragstellung geht, obwohl schon längst geklärt ist, dass das nie der Fall war und ist. Dann machen Sie die Einzelfallverfahren, auf die Sie eben hingewiesen und bei denen Sie gern Unterstützung hätten, schlichtweg zu einer leeren Hülle. Sie haben auch an anderer Stelle schon sehr viel deutlicher gesagt, dass Sie davon ausgehen, dass die Einzelfallverfahren aus den Gründen, die Sie noch einmal vorgetragen haben, abgelehnt werden. Sie sagen, dass die Gerichte dann über die Humanität entscheiden könnten, also über eine spezielle, besondere Situation, in der sich diese Gruppe von Flüchtlingen befindet, die aufgrund ihrer Fluchtgeschichte zustande gekommen ist.
Und das ist etwas, was uns wirklich nicht weiterhilft. Man gibt nämlich den Menschen einen Impuls, der scheinbar positiv aussieht, indem sie einen Unterbringungsplatz haben und eventuell Anspruch auf öffentliche Mittel. Aber was sie brauchen, ist eine Perspektive. Nach drei Jahren Flucht, nach drei Jahren unsteten Lebens ohne zu wissen, wo man bleiben kann, brauchen diese Menschen endlich eine Perspektive, aber die geben Sie ihnen mit dem Impuls nicht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie mögen sich vielleicht darüber wundern, aber mir als vierter Rednerin zu diesem Thema fällt noch eine andere Sichtweise auf die Aufgaben und Auswirkungen unserer Arbeit in der Härtefallkommission ein. Vielleicht ist das etwas, was ich der SPD zur Kenntnis geben möchte. Es wäre wichtig, diesen Antrag im Ausschuss zu diskutieren.
Wir brauchen tatsächlich mehr als eine Debatte mit unseren jeweiligen Beiträgen, auch wenn es eine zweite Runde geben sollte, um eine Bewertung unserer Arbeit leisten können. Das kann man an verschiedenen Beispielen kurz und klar deutlich machen. Der Paragraf 23a, also der Paragraf, der die Härtefallkommission ermöglicht, ist eingerichtet worden, weil den Gesetzgebenden klar war, dass einige Fälle durch andere Paragrafen nicht erfasst werden. Es geht allein um die persönliche Härte, die eine bestimmte ausländerbehördliche Entscheidung für eine Person oder eine Familie bedeuten würde. Unsere Aufgabe in der Härtefallkommission liegt schlicht und einfach darin, die Personen "anzuhören" und die persönliche Härte zu bewerten. Dazu muss man nicht ausländerrechtlichen Sachverstand haben, das ist richtig. Dafür muss man sicher viel Menschenverstand haben, viel Lebenserfahrung, dafür muss man aber auch möglichst frei von politischen Entscheidungszwängen sein.
Es ist nicht umsonst so, dass wir das einzige Bundesland sind, dessen Härtefallkommission rein aus Parlamentarierinnen und Parlamentariern zusammengesetzt ist und die Pflicht zur Einstimmigkeit hat. Das hat schon seine Gründe. Die CDU hat das 2005 mit ihrer absoluten Mehrheit durchgesetzt. Sie haben gesagt, Schwarz-Grün konnte es nicht ändern. Es ist immer wieder interessant, wenn man als kleinerer Koalitionspartner dafür noch einmal sozusagen eins gewischt bekommt. Aber es ist doch klar, das sehen wir nun auch wieder in dieser Debatte, dass für die großen Fraktionen eine Änderung nicht von Interesse ist. In anderen Landtagen gab es ebenso heftige Diskussionen um die Frage, wie die Härtefallkommission denn eigentlich zusammengesetzt werden soll.
Nicht schlechter, Herr Münster, sondern sehr viel objektiver und sehr viel transparenter und sehr viel nachvollziehbarer in den Entscheidungen.
Das ist der Teil des FDP-Antrags, den wir als Fraktion unterstützen wollen würden. Das Zweite ist natürlich die Notwendigkeit der Einstimmigkeit. Auch das gibt es in keinem anderen Bundesland, und auch das erschwert tatsächlich die Entscheidungen, die sich lediglich, ich sage es noch einmal, an der persönlichen Härte orientieren sollen, an der persönlichen Betroffenheit durch ausländerrechtliche und ausländerbehördliche Entscheidungen derjenigen Personen, die sich mit einer Eingabe oder mit einer Petition an die Härtefallkommission wenden.
Wenn wir sagen, dass bei uns gut zusammengearbeitet wird, dann stimmt das. Wir haben uns dort bequem eingerichtet, deswegen aber ist doch die Zusammensetzung nicht sakrosankt. Wir müssen uns doch immer wieder darüber im Klaren werden, was es bedeutet, wenn wir zum Beispiel keinen direkten Zugang zur Härtefallkommission ermöglichen. Was bedeutet es denn, wenn wir Gruppen, die sich in dieser Gesellschaft an anderer Stelle für Flüchtlinge einsetzen, wie Wohlfahrtsverbände, christliche Gemeinschaften oder auch die Schura, außen vor lassen, wo es doch jeweils um die Härte geht?
Diese beiden Teile des FDP-Antrags sind also gut, aber in Wirklichkeit ist er natürlich eine Mogelpackung, weil er die Zugangsmöglichkeiten zur Härtefallkommission für die betroffenen Personen massiv erschwert.
Das stimmt sehr wohl.
Schauen Sie sich die vielen Fälle an, die wir hatten, in denen die Menschen nach einem abgelehnten Asylverfahren – sie haben geklagt, sie haben die Klage verloren – zu uns in die Härtefallkommission gekommen sind. Auch nach vielleicht zehn Jahren Rechtsverfahren zum Asylantrag geht es um die persönliche Härte und natürlich um Humanität. Die Menschen sind hier verwurzelt. Das Gleiche gilt bei der Vortäuschung von Identitäten. Sie, Herr Ritter, wissen – das ist sozusagen eine Standardformel der Ausländerbehörde –, dass hinter der aus rechtlicher Sicht Täuschung von Identitäten sehr oft ein Schicksal steht, das wir an vielen Stellen auch schon zugunsten der Petenten und Petentinnen berücksichtigt haben. Aber genau diese Gruppe von Menschen schließen Sie aus.
Das steht explizit in Ihrem Antrag. Sie schließen sie aus.
Deswegen nennen wir das eine Mogelpackung. Dem kann man so nicht zustimmen.
Sie entwickeln einen künstlichen Entscheidungskatalog, der völlig unnötig ist. Ich will noch einen Satz zitieren. Im SPD-Antrag – ich bin übrigens auch der Meinung, dass es ein Papier der Innenbehörde ist – steht:
"Entscheidendes Kriterium hierfür [die jetzige Ausgestaltung] ist die Feststellung, dass das gegenwärtige Verfahren den Interessen der Betroffenen in angemessener Weise Rechnung trägt."
Ich stelle schlicht und einfach die Frage: Wer von Ihnen hat denn die Betroffenen gefragt?
Aus wessen Blickwinkel wird diese Feststellung getroffen? Ich werbe noch einmal dafür, im Innenausschuss weiter darüber zu diskutieren.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch ich finde die Kombination der Themen in der Formulierung der Anmeldung durch DIE LINKE schwierig und unglücklich. Ich bin froh, dass wir hier wenigstens gemeinsam unsere Anteilnahme gegenüber den Opfern ausgesprochen haben, und das auch ohne jede Politik. Das war das eine wichtige Signal, aber danach
ging es schon sehr schnell los. Das hat Frau Bekeris in ihrer Rede konstatiert, und auch Herr van Vormizeele hat es eben deutlich gemacht.
Aus unserer Sicht ist es wichtig, immer wieder über den Standard, mit dem die Wohnunterkünfte in der öffentlichen Unterbringung ausgestattet sind, zu reden, dazu viele Fragen zu stellen und natürlich auch darüber zu reden, was an zusätzlichen Maßnahmen und Unterstützung benötigt wird für die Familien, die, wie in diesem Fall, in den Quartieren untergebracht sind. Das kann man nur schwer an so einem Unglück aufhängen, und deswegen taugt das hier nicht wirklich zur Debatte.
Die Fragen müssen wir uns stellen, und erst einmal klingt es so, als wenn es durchaus das eine oder andere marode Haus gebe, uns allen solche Phänomene in vielen Quartieren bekannt seien und es etwas Selbstverständliches und schon fast Normales sei, wenn eine Haustür kein Schloss habe oder Ähnliches. Sie sagten, es sei eine besondere Situation, dass Flüchtlinge in diesem Haus untergebracht seien. Aus unserer Sicht ist es aber das Ziel, Familien in Quartieren unterzubringen und aus der Gemeinschaftsunterkunft herauszuholen, und dies nicht als Ausnahme.
Vielleicht wollten Sie es nicht so sagen, aber Sie haben es eben so gesagt. Deswegen werden wir als politische Reaktion darauf eine Selbstbefassung in den entsprechenden Ausschüssen anregen, um uns einerseits über den Standard der Unterkünfte, die sich in den Quartieren befinden – davon gibt es mehrere in verschiedenen Bezirken –, aber natürlich auch über die Details der jetzt neu gebauten notwendigen Plätze in der öffentlichen Unterbringung weiter auszutauschen. Völlig unabhängig davon muss meiner Meinung nach das behandelt werden, was sich an Fragen bezüglich des bisher bekannten Täters stellt und was daraus an sozialpolitischen und familienpolitischen Maßnahmen folgen muss. Auch das eignet sich nicht als Thema für diese Debatte.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! "Lobpreisung des Senats", Herr Ploog, war eine hübsche Formulierung. Wir innenpolitischen Kolleginnen und Kollegen sind, wenn ich das so sagen darf, alle ein bisschen in …