Protocol of the Session on May 28, 2008

Eine gigantische Steuersenkungsarie, angefangen von der Vermögensteuer über die Erbschaftsteuer bis hin zur Unternehmensteuer hat überall Löcher in die öffentlichen Haushalte gerissen, auch in

Hamburg. Das hatte durchaus Methode. Sie war die Grundlage für eine Umgestaltung des Gesundheitswesens, des Schulwesens und zum Beispiel auch des Wohnungsbaus. Aber es war genaugenommen gar keine Umgestaltung. Ich drücke mich genau wie der Bürgermeister präzise aus: Es war ein Systemwechsel, der immer noch in vollem Gange ist.

Die öffentlichen Schulen haben so an Attraktivität verloren, dass immer mehr Privatschulen gegründet werden. In Schulen haben nicht nur Teilprivatisierungen stattgefunden, ab heute prüft der Senat sogar die Zulassung von kommerziellen Schulen.

Die Wissenschaftssenatorin kann darauf verweisen, dass es neben der Bucerius Law School und der NIT mehrere Hochschulen gibt, die nach dem Public-Private-Partnership-Prinzip arbeiten. Jetzt beklagt die Senatorin öffentlich den baulich schlechten Zustand der Universitäten und überlegt, private Investoren ins Boot zu holen. Die werden das Geld bestimmt nicht spenden, die wollen mitbestimmen. Ansonsten wird die Mitbestimmung mit Füßen getreten, aber an der Stelle wird es dann noch mal richtig eng.

Die LINKE tritt für eine gebührenfreie und demokratische Bildung ein. Das bedeutet, Schulen und Universitäten müssen in der alleinigen Verantwortung der öffentlichen Hand stehen.

Der soziale Wohnungsbau ist unter Ole von Beust an die Wand gefahren worden. Er erklärte:

„[Es] wird bei der Vergabe von Flächen für Wohnungsbau umgesteuert. Nicht mehr der soziale Geschosswohnungsbau … steht im Vordergrund, sondern Eigentum."

Das hat er 2003 verkündet und wir können in der Stadt sehen, dass es fast vollständig umgesetzt worden ist. Was wir in Hamburg brauchen, sind wieder viele bezahlbare Wohnungen für viele Menschen mit geringem Einkommen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Die LINKE tritt für einen Politikwechsel ein, für einen Systemwechsel, der wieder soziale Gerechtigkeit ermöglicht. Herr Kerstan, ein Sozialticket, das nicht einmal seinen Namen verdient, ersetzt keine Politik für soziale Gerechtigkeit. Eine Kürzung von 18 Euro auf jeden Fahrschein ist noch lange kein Sozialticket.

(Beifall bei der LINKEN)

Die LINKE tritt dafür ein, dass die Krankenhäuser wieder befreit von ausschließlichem Profitdenken arbeiten können und das sind nicht die Rezepte von gestern und auch nicht die Rezepte aus den Siebzigerjahren; das sind bewährte Systeme, die zerschlagen worden sind. Die werden in Hamburg täglich weiter durch diese Regierung reduziert. Das

geht auf Kosten der Menschen und es ist Aufgabe von Regierungen, Politik zum Wohle aller zu machen. Das vermag ich beim vorgelegten Regierungsprogramm von CDU und GAL wirklich nicht zu erkennen. Schwarz-Grün vertritt vor allem die Interessen der wohlhabenden Wählergruppen der Hansestadt. Kritiker haben gesagt, es sei die Koalition der Opernbesucher.

(Beifall bei Dr. Michael Naumann SPD)

Schwarz-Grün muss beweisen, dass sie es vier Jahre lang aushalten, in dieser Stadt gemeinsam zu regieren. Für die LINKE ist dieses Regierungsprogramm Politik weiter wie gehabt. Frau Hajduk hat irgendwann einmal gesagt, es gehe ihr um einen Machtwechsel; recht hat sie. Wir brauchen in Hamburg dringend einen Politikwechsel und wir werden uns als Oppositionspartei ganz intensiv darum kümmern, dass das vonstatten geht. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Egloff.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich zum Koalitionsvertrag komme, möchte ich, auch wenn Herr Schira nicht im Saal ist, ein paar Worte über die Äußerungen verlieren, die er zum Verhalten der Hamburger SPD oder überhaupt zur SPD gemacht hat.

Wir Sozialdemokraten haben es nicht nötig, uns Belehrungen anhören zu müssen in Fragen des Verhaltens von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Sozialdemokraten haben das Kreuz zur Nazizeit gerade gemacht und sie haben das Kreuz zu DDR-Zeiten gerade gemacht. Wir müssen uns keine Belehrungen in irgendeiner Weise von Leuten anhören, die mit einem Federstrich alle Mitglieder der Blockflötenparteien, der Ost-CDU, der LDPD und so weiter zu guten Demokraten in dieser Bundesrepublik gemacht haben; das haben wir Sozialdemokraten nicht gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Wir Sozialdemokraten haben auch keinen Scharlatan wie Ronald Barnabas Schill zum Zweiten Bürgermeister dieser Freien und Hansestadt Hamburg gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen haben wir Wort gehalten. Wir haben vor der Wahl gesagt, dass es keine Koalition und Zusammenarbeit mit der LINKEN gibt und das haben wir nach dieser Wahl eingehalten.

(Wolfgang Beuß CDU: Ypsilanti!)

Das Ergebnis ist dieser Senat.

(Zurufe von der CDU – Michael Neumann SPD: Sie doch auch! Alle Unterschiede sind weg!)

Lassen Sie mich zum Koalitionsvertrag kommen. Es wird immer so getan, als wenn diese Koalition sozusagen die Koalition des Neuen, des Kreativen sei. Das ist natürlich nicht verwunderlich, wenn einer der Koalitionspartner die Kreative Stadt auf seine Fahnen geschrieben hat, weil einige ihrer Vordenker das Buch des amerikanischen Soziologen Richard Florida gelesen haben und nun meinen, den Stein der Weisen gefunden zu haben.

Ich habe mir natürlich daraufhin den Koalitionsvertrag angeguckt, insbesondere das, was unter dem Kapitel "Kreativwirtschaft" steht. Da steht zunächst einmal, dass man Cluster bilden will. Cluster sind immer gut, das hört sich richtig nach etwas an. Wir haben wichtige Cluster im Bereich der Logistik und der Luftfahrt. Aber da muss man sicher auch einmal gucken, wie die Maßnahmen im Einzelnen aussehen.

Da ist zunächst davon die Rede, Liegenschaften im städtischen Besitz temporär oder auf Dauer für künstlerische und kreativwirtschaftliche Zwecke und Nutzungen zur Verfügung zu stellen, was immer das sein mag, aber höchstwahrscheinlich ist es positiv. Die Filmförderung soll aufgestockt werden, fragt sich nur, mit welchen Mitteln. Filmfestivals sollen gefördert werden, das ist per se auch nicht schlecht, und es soll endlich einen Medienbeauftragten geben. Das ist allerdings gut, denn angeblich hatten wir einen, aber mir fällt nicht einmal der Name des Medienbeauftragten des letzten Senats ein.

(Dr. Michael Naumann SPD: Niemand kennt ihn!)

Dass die Neuorganisation des Marketingbereichs in diesem Hause öfter diskutiert werden soll, ist auch in Ordnung.

Dann haben wir noch die Wissenschaftsstiftung. Bei der Wissenschaftsstiftung fehlt eine wichtige Voraussetzung, nämlich wie sie finanziert werden soll. Das ist in diesem Koalitionsvertrag nicht beschrieben. Das ist aber die wichtigste Voraussetzung, damit man mit der Wissenschaftsstiftung etwas für die Kreativstadt anfangen kann.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Die Einzelmaßnahmen sind alle gut und richtig, aber sie reichen nicht für einen Paradigmenwechsel in der Hamburger Wirtschaft aus. Sie reichen vor allen Dingen deswegen nicht aus, weil man zu den Dingen, die die Hamburger Wirtschaft ausmachen, nur wenige Worte verliert. Da gibt es einen dürren Satz zum Thema Industriepolitik.

(Dora Heyenn)

"Unter Berücksichtigung der Vereinbarungen des Koalitionsvertrages soll der Masterplan Industrie weiterentwickelt werden."

Was immer das heißen mag, denn schließlich hängen 100 000 Arbeitsplätze von Menschen, die direkt in der Industrie dieser Stadt beschäftigt sind, und dreimal so viele Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich daran und dann ein dürrer Satz. Das ist schlicht und ergreifend zu wenig.

(Beifall bei der SPD und bei Elisabeth Baum DIE LINKE)

Vielleicht liegt das auch daran – Herr Kerstan hat uns in früheren Debatten öfter daran erinnert –, dass das alles alte Wirtschaft ist; vorhin fiel das Wort. Natürlich ist es alte Wirtschaft, aber dazu gehört auch ausdrücklich die Grundstoffindustrie, die für diesen Standort und für die Bundesrepublik Deutschland absolut notwendig ist, denn wir wollen in diesem Bereich beispielsweise nicht abhängig sein von China und Indien, sondern wollen, dass diese Dinge weiterhin hier produziert werden. Wer sich angucken will, wie eine Wirtschaftslandschaft ohne Industriearbeitsplätze aussieht, der muss sich nur die ostdeutschen Bundesländer angucken, denn Dienstleistung basiert auf Industrie und deswegen müssen wir die 20 Prozent Industriearbeitsplätze in dieser Stadt erhalten.

(Beifall bei der SPD)

Zur Mittelstandspolitik gibt es einen genauso inhaltsschweren Satz wie zur Industrie.

"Die Mittelstandsvereinbarung soll dem Grunde nach fortgeführt werden."

Frau Ahrons – ich habe sie jetzt nicht gesehen – müsste eigentlich aufschreien. Ist das das Einzige, was es dazu zu sagen gibt, ist es das Einzige, was man zum Thema Mittelstandsförderung sagen kann, zum Thema Investitionsbank, zum Thema Förderung von Auslandsgeschäften von mittelständischen Unternehmen? Das sind alles Dinge, über die wir im Wirtschaftsausschuss lange diskutiert haben, wo es aber noch keine ausreichenden Lösungen gibt. Im Koalitionsvertrag steht nur, die Mittelstandsvereinbarung werde fortgeführt, mehr nicht. Einem Bereich, der 70 Prozent der Arbeitsplätze und die meisten Ausbildungsplätze in dieser Stadt stellt, ist mit diesem einen Satz nicht ausreichend in Ihrer Koalitionsvereinbarung gedient.

(Beifall bei der SPD)

Auf das Thema Hafen ist mehrfach hingewiesen worden. Natürlich mussten Sie der Elbvertiefung zustimmen. Hätten Sie das nicht vereinbart, hätte wahrscheinlich die Handelskammer das Rathaus besetzt oder vielleicht Herr Münster mit seinen Mitarbeitern aus der HHLA. Insgesamt ist das Kapitel Hafen aber dadurch gekennzeichnet, dass mehr von Ausgleichsmaßnahmen und zusätzlichen Be

lastungen die Rede ist als von den Chancen, die es gibt, und von den Problemen, die wir beispielsweise beim Abtransport der Container und so weiter lösen müssen, alles Dinge, die wir hier diskutiert haben. Auch davon ist keine Rede, meine Damen und Herren.

Und mal eben wird so en passant die Hafenfinanzierung geändert. Die Infrastruktur des mittleren Freihafens soll von den Pächtern bezahlt werden, wohlgemerkt, die Infrastruktur. Bisher ist das immer Aufgabe der Stadt gewesen. Aufgabe der Unternehmen war es, die Suprastruktur zu finanzieren und jetzt heißt es, die Infrastruktur. Darüber kann man nachdenken und es steht drin, dass dadurch 160 Millionen Euro eingespart werden. Aber die Frage ist, warum man das macht.

(Jens Kerstan GAL: Weil das gut ist!)

Wir wissen alle, dass Hafeninvestitionen teuer sind. Aber liegt der Grund vielleicht darin, dass man sagt, wir finanzieren das jetzt einmal anders, dass das, was die CDU vor der Wahl gesagt hat – nämlich Hafen finanziert Hafen und der Erlös des HHLA-Verkaufs soll in Investitionen des Hafens gesteckt werden –, vielleicht nicht eingehalten werden soll durch diese Regierung? Diese Frage müssen Sie genauso beantworten wie die Frage, ob Sie planen, weitere Anteile der HHLA zu verkaufen und damit bestimmte Dinge in diesem Haushalt zu finanzieren. Auch diese Antwort sind Sie schuldig geblieben.

(Beifall bei der SPD)

Dann steht noch etwas über die Zukunft des Hafens drin. Wir alle wissen, wie die Umschlagentwicklung ist und auch, wann der Endzeitpunkt dessen erreicht ist, was wir mit den vorhandenen Terminals bewältigen können.