Protocol of the Session on February 24, 2010

(Glocke)

Abschließend will ich das der GAL nicht vorwerfen. Die GAL macht nicht die Politik für die Mehrheit der Menschen. Ich will es aber der CDU vorwerfen. Sie müssten einen anderen Anspruch haben. Aus unserer Sicht fehlt Ihnen die Linie und darüber wird auch dieses Placebo nicht hinwegtäuschen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Präsidentin, meine …

(Glocke)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Frau Dr. Gümbel, ich will Sie nur ganz kurz unterbrechen. Sie können mich gerne arbeitslos machen, aber das Ankündigen Ihres Auftritts, auch wenn Sie schon hier vorne stehen, überlassen Sie bitte mir. – Frau Dr. Gümbel hat das Wort.

– Selbstverständlich. Ich wollte Sie keineswegs arbeitslos machen,

(Michael Neumann SPD: Nicht noch einen Präsidenten verlieren!)

im Gegenteil, wir freuen uns, dass Sie den Vorsitz haben.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Neumann, zum wiederholten Male sprechen Sie von der Spaltung der Gesellschaft. Mit diesem Thema versucht die SPD, ihre Politik voranzutreiben. Unsere Antwort auf das, was Sie als Spaltung der Gesellschaft bezeichnen, ist die Bildungsgerechtigkeit. Ich freue mich sehr, dass es auch Ihnen gelungen ist, unserem gemeinsamen Bildungskompromiss zuzustimmen, und dass wir in der Bürgerschaft eine große fraktionsübergreifende Mehrheit gefunden haben, um das gemeinsame Lernen durchzusetzen. Zu diesem Thema werden wir am Mittwoch unsere Sondersitzung haben.

(Beifall bei der GAL)

Die Schulbildung ist aber nur der erste Schritt. Der zweite Schritt, den wir gemeinsam gehen werden, ist, wie der Bürgermeister angesprochen hat, das erste vom Senat definierte Handlungsfeld in der Drucksache "Wachsen mit Weitsicht", nämlich die Fortentwicklung der Wissenschaft. Das ist sehr wesentlich, denn es geht darum, den Menschen, die wir erfolgreich durch die Schule geführt haben, weiter die Möglichkeit zu bieten, mehr Wissen zu generieren, damit sie in einer sich verändernden Gesellschaft eine Chance auf Arbeit haben.

Herr Bischoff, Sie brauchen sich jetzt gar nicht Ihr biblisches Haupt zu raufen. Sie tun immer so, als wäre die einzig mögliche Antwort auf die Wirtschaftskrise, den Hartz-IV-Satz anzuheben.

(Michael Neumann SPD: Oh, Westerwelle!)

Wir wollen aber, dass die Leute erst gar nicht in diese Situation kommen. Wir wollen in einer wissensbasierten Gesellschaft die Leute befähigen, durch gute Ausbildung, mit guten Chancen und aus eigenem Antrieb ihr Einkommen erwirtschaften zu können. Wenn es nicht gelingen sollte, sie dann gut abzufedern, steht auf einem anderen Blatt.

(Beifall bei der GAL)

Wie Sie alle wissen, sind in den Achtzigerjahren die Hochschulen aufgrund der eingeschränkten Hochschulfinanzierung schlecht ausgestattet gewesen. Jetzt gab es die Exzellenz-Initiativen und in Hamburg haben wir leider in der Vergangenheit nicht so gut abgeschnitten, wie wir uns das alle gewünscht hätten.

(Ingo Egloff SPD: Die Wissenschaftssenato- rin ist auf dem letzten Platz!)

Der Senat hat zwei Maßnahmen eingeleitet, zum einen die Landesexzellenz-Initiative, die mit 18 Millionen Euro finanziert wird. Hier kann man sich mit Projekten bewerben, um die Antragsreife zu erlangen. Wir sind guter Hoffnung, dass es beim nächsten Mal – die nächste Runde startet jetzt – gut klappen wird. Auch bei der bereits angesprochenen Wissenschaftsstiftung – die wir gegründet und keineswegs gestrichen haben, wie hier irgend jemand irrtümlicherweise behauptet hat – kann man sich bewerben.

Wie Wissenschaft hier gut funktionieren kann, kann man am CliSAP sehen. Hier haben sich 44 Fachbereiche zusammengeschlossen und betrachten die Frage des Klimawandels aus ihren verschiedenen Blickwinkeln, vom Stadtsoziologen bis hin zum Physiker. Überall, wo über Klimawandel gesprochen wird, sind die Leute von CliSAP mit dabei. Da werden Stichworte wie Vernetzung und Interdisziplinarität gelebt, das ist die Zukunft im Wissenschaftsbereich und das müssen wir auch an anderen Stellen erreichen.

Eine sehr hervorragende außeruniversitäre Einrichtung in Hamburg, um die uns die Welt beneidet, ist das Ihnen allen bekannte DESY. Das DESY besitzt mit der sogenannten Röntgen-Lasertechnologie eine Art von Megamikroskop, mit dem es gelingt, einmalige Welten, in die man bisher noch nicht hat schauen können, auf Nanoebene zu betrachten. Das wird in ganz viele andere Technikbereiche ausstrahlen, angefangen bei der Frage der Flugzeuglacke, die so gestaltet werden müssen, dass die Flugzeuge leichter werden, also ökologischer, bis hin zur Frage, Herr Tschentscher, was Infektionen sind. Wir werden ein Zentrum für

(Michael Neumann)

Infektionsforschung gründen, um diese Synergien zu bündeln. Für die Studierenden ist es aber wichtig, dass wir die Studiengebühren sozialverträglich ausgestaltet haben. Der Bologna-Prozess muss so umgestrickt werden, dass der Geist von Bologna wieder erfahrbar werden kann, das heißt, die Studiengänge müssen entrümpelt werden, die Welt aus Sicht der Studierenden darf nicht mehr nur noch aus Credit Points bestehen. Nicht zuletzt sind wir dabei, das Hochschulgesetz zu evaluieren. Die Ergebnisse bleiben abzuwarten und die Schlüsse, die wir daraus ziehen werden, werden wir dann vortragen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Frau Schneider.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Bürgermeister, Sie sind jetzt leider gerade hinausgegangen und hören die Antworten leider nicht, obwohl Sie das Wort ergriffen haben.

Sie haben Bezug genommen auf die europäische Stadt, ein guter Bezug, aber man muss bedenken, dass die große zivilisatorische Aufgabe gerade der europäischen Stadt die Integration der verschiedenen sozialen Gruppierungen ist. Diese Aufgabe ist umso wichtiger, als die Wirtschaftskrise und die globalisierungsbedingten Veränderungsprozesse ohne politische Gegensteuerung Desintegrationstendenzen verschärfen. Die Desintegration hat in Hamburg bedenkliche Ausmaße angenommen. Sie scheinen sich der Problematik nicht bewusst zu sein, wie heftig die soziale Zerklüftung ist und dass die Stadtgesellschaft ihre Integrationsfähigkeit verliert.

Ihre Gegensteuerung, wie sie in dem Leitbild zum Ausdruck kommt, ist bis auf die Ansätze bei der Schulreform oder beim Stadtentwicklungsprogramm und vielleicht noch außer dem einen oder anderen Ansatz sonst völlig unzureichend. Aber insgesamt ist Ihre Halbzeitbilanz schlecht und Ihre Leitbildvisionen sind ungeeignet, dieses große Problem sozialer Zerklüftung und gesellschaftlicher Entsolidarisierung zu lösen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Vize- präsident Wolfhard Ploog übernimmt den Vorsitz.)

Nehmen wir Ihr Leitprojekt "Nachhaltiges Hamburg". Ich beziehe mich einmal auf die Ökologie, auf den Punkt Umwelthauptstadt. Das Kohlekraftwerk Moorburg ist ein GAU, den Sie durch nichts hinwegreden können. Dieses Kohlekraftwerk belastet obendrein auch noch ein sozial besonders benachteiligtes Stadtgebiet. Die kinderreichen Stadtteile Wilhelmsburg, Veddel, Rothenburgsort, Billstedt sind gesundheitsschädlichen Umweltfakto

ren, wie Lärm, Verkehr und Luftbelastung, schon jetzt in besonderem Ausmaß ausgesetzt. Hier haben die Menschen eine geringere Lebenserwartung und ein größeres Risiko als anderswo in Hamburg, an Krebs oder Herzinfarkt zu sterben. Gerade in diesen Stadtteilen wird das Kohlekraftwerk Moorburg zu einer erheblichen Steigerung der Risikofaktoren führen. Dabei lassen Sie keinerlei nachhaltigen Ansatz erkennen, ob es irgendeine Art Ausgleich für diese Sonderbelastungen geben wird.

Oder nehmen wir Ihr Leitprojekt "Hamburg, Metropole des Wissens". Glauben Sie wirklich, dass die Hamburger Hochschulen sich gut entwickeln und ihrer Verantwortung für die gesamte Gesellschaft gerecht werden können, wenn sie sich durch Studiengebühren, also durch ein soziales Ausleseverfahren, abschotten und wenn sie überdies undemokratisch organisiert sind, wenn die Mitbestimmungsrechte aller beteiligten Gruppen so mit Füßen getreten werden, wie es der Fall ist? Es gibt keine blühende Wissenschaftslandschaft ohne sozial offenen Zugang und ohne Demokratie.

Frau Gundelach hat leider – ich betone, leider – eine schallende Ohrfeige erhalten,

(Ingo Egloff SPD: Genau!)

die den gesamten Senat trifft, aber, wie ich befürchte, auch die gesamte Stadt Hamburg. Nehmen wir Ihr Handlungsfeld "Förderung innovativer Wirtschaftsfelder und Beschäftigungswachstum". Hier haben Sie nicht einen Gedanken darauf verschwendet, wie der Erosion des Arbeitsmarkts – der steigenden Erwerbslosigkeit, der dramatischen Ersetzung von Lohnverhältnissen, die ein unabhängiges Leben ermöglichen, durch prekäre, geringfügig und absolut unterbezahlte Beschäftigung, der Entwertung von Qualifikationen – entgegengewirkt werden kann. Von einer aktiven Arbeitsmarktpolitik oder von einer Qualifizierungsoffensive, wie sie notwendig wäre, findet man in Ihrem Maßnahmenkatalog nicht auch nur die geringste Spur. Dabei ist die Erosion des Arbeitsmarktes eine der größten Gefahren für die Integration der Gesellschaft. Hier versagen Sie auf der ganzen Linie.

(Beifall bei der LINKEN)

Bemerkenswerterweise fehlt ein Handlungsfeld – jetzt spreche ich die GAL an – vollständig: die Stärkung der Grund- und Bürgerrechte. Seit zwei Jahren schiebt der Senat die Reform der in größeren Teilen verfassungswidrigen Polizeigesetze vor sich her. Das ist ein untragbarer Zustand und ein Grund dafür, dass einige der Grund- und Bürgerrechte, so die Versammlungsfreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, in Hamburg seit Langem in trauriger Verfassung sind. Eine solidarische, integrative und auch dynamische Gesellschaft setzt jedoch selbstbewusste Bürgerinnen

(Dr. Eva Gümbel)

und Bürger voraus, die aktiv an der politischen Meinungs- und Willensbildung teilnehmen und ihre Rechte frei von Kontrolle und Bevormundung wahrnehmen. Ihr beredtes Schweigen auf diesem Gebiet ist ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr von Frankenberg für noch genau drei Minuten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In Ihrer Kritik, Frau Schneider, haben Sie so allgemein kundgetan, was Sie immer schon einmal sagen wollten, darauf will ich jetzt gar nicht näher eingehen.

(Ingo Egloff SPD: Das würde Sie auch intel- lektuell überfordern!)

Was den Hinweis auf den Jungfernstieg angeht, denke ich, dass wir als Hamburger alle irgendwie auf dem Jungfernstieg zu Hause sind. Und wir haben hier keine Stadtteile vergessen, das will ich ausdrücklich betonen.

(Beifall bei der CDU und bei Horst Becker und Dr. Eva Gümbel, beide GAL)

Wir führen gerade die Stadtteile zusammen, das haben wir in der vergangenen Legislaturperiode gemacht und es ist auch bei "Wachsen mit Weitsicht" das Ziel, dass wir die Stadtteile zusammenführen und nicht auseinanderdividieren. Das ist ganz klar.

(Beifall bei der CDU und bei Horst Becker und Dr. Eva Gümbel, beide GAL)

Dafür stehen die Programme "Sprung über die Elbe" und "Lebenswerte Stadt". Das ist das, was wir in der Vergangenheit getan haben, daran werden wir weiter arbeiten und das ist auch das Programm.

Die beste Sozialpolitik ist erst einmal eine exzellente Bildungspolitik. Dazu gehören die Kitas als Bildungseinrichtung, wir haben uns in der Schule viel vorgenommen und ich möchte ausdrücklich meinen Dank aussprechen, dass wir hier gemeinsam eine Linie gefunden haben. Das wird unsere Stadt ganz klar weiter voranbringen. Dazu gehören auch die Hochschulen und das duale Ausbildungssystem, das sind alles Schwerpunkte, die weiterhin von Bedeutung sind. Wir wollen Hamburg als gerechte und lebenswerte Stadt weiterentwickeln und dazu ist dieses Programm eine sehr gute Grundlage. Auch die Kritik, dass es keinen roten Faden gebe, greift nicht. Erst einmal vorweg gesagt: Rot ist sowieso vorbei.

(Beifall bei der CDU)

Es ist gerade die Stärke des Programms, dass verschiedene Bausteine ineinandergreifen. Die Welt