Das ist natürlich Humbug, der niemandem weiterhilft. Im Gegenteil. Wenn wir uns ansehen, warum es gerade Jungen so schwerfällt, den sozialen Anforderungen des modernen Bildungssystems gerecht zu werden, dann ist eines klar: Es geht nicht um weniger, sondern es geht um mehr Genderperspektive und damit um mehr Genderkompetenz bei den Menschen in Bildungsberufen. Es geht gerade darum, Angebote für die Jungen und Mädchen in den Schulen zu machen. Schule muss bei der geschlechtlichen Identitätsfindung besser helfen, denn sie kann als Sozialisationsinstanz den Prozess der Geschlechtssozialisation nicht ausblenden. Das gilt für Jungen wie Mädchen. Was hilft eine Gleichberechtigung in der Schule, wenn nach der Schule die Berufswahl wieder an traditionellen Geschlechterbildern hängen bleibt.
Bleiben wir bei diesem Beispiel. Wieso wählen die meisten Mädchen und Jungen ihren Beruf so traditionell? Den Jungen, aber auch den Mädchen fehlen passende Rollenbilder. Die Mädchen haben vor allem mit Frauen zu tun und entscheiden sich dann unter anderem aus diesem Grund überwiegend für klassische Frauenberufe. Jungen grenzen sich dagegen von ihren weiblichen Bezugspersonen ab und somit auch von vermeintlich weiblichen Tätigkeiten und Berufen. Sie folgen ohne geeignetes
reales Rollenvorbild bei der Identitätsbildung Rollenbildern von übertriebenen Männlichkeitsklischees aus Filmen und Musik. Das Problem ist aber nicht nur falsch verstandene Männlichkeit alleine, sondern auch die oft mangelnde Kenntnis und damit verbundenen Unsicherheiten aufseiten des pädagogischen Personals, die leider immer noch existieren. Nicht eine Umerziehung der Jungen in Richtung vermeintlicher Weiblichkeit ist das Ziel, sondern die Schulung Sicherheit im Umgang mit falsch verstandener Männlichkeit, aber auch mit eventuell unterschiedlichen Bedürfnissen, Interessen und Verhaltensweisen und deren Ursachen. Ob nun allein mehr Männer in Erziehungsberufen die Probleme zu lindern oder zu beseitigen helfen, darüber streiten sich die Experten noch. Fakt ist aber eines: Die Genderkompetenz, also die Fähigkeit, wichtige Geschlechteraspekte zu erkennen und gleichstellungsorientiert behandeln zu können, wird innerhalb der Aus- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern ebenso wie bei anderen Erziehungsberufen oder pädagogischen Tätigkeiten zu wenig Bedeutung beigemessen. Wenn überhaupt unter dem Aspekt Gender Mainstreaming ausgebildet wird, ist das leider meistens immer noch so, dass die Lebenslagen und spezifischen Bedürfnisse von Mädchen eher im Vordergrund stehen als von Jungen.
Unbestreitbar ist auch eins: Gerade in den frühen Lebensphasen von Kindern, also in den Kitas und in den Grundschulen, sind Frauen überwiegend die einzigen Beschäftigten. Davon zu sprechen, dass Frauen hier überrepräsentiert sind, ist schon fast verniedlichend, wenn man weiß, dass in Deutschland 97 Prozent der pädagogischen Beschäftigten in Kitas weiblich sind. An den Grundschulen sind es über 85 Prozent.
Unabhängig vom tatsächlich messbaren Einfluss ist es daher wichtig, hier gegenzusteuern. Klar ist aber auch, dass der Anteil an Männern allein gar nicht so schnell erhöht werden kann, wie es notwendig ist, die Situation von Jungen zu verbessern. Daher muss die Fortbildung im Vordergrund stehen. Fortbildung im richtigen Umgang mit Geschlechterrollen ist auch deshalb wichtig, weil wir aus der Forschung wissen, dass stereotype Erwartungen an das jeweilige Geschlecht die Geschlechterdifferenzen noch verstärken können. Mehr Männer allein tun es also nicht. Aber es kommt auf die Mischung und auf die Qualität der Kompetenz im Umgang mit den Geschlechtern an. Daher ist die verbindliche Vermittlung von Genderkompetenzen in der Aus- und Weiterbildung aller pädagogischen Berufe unterzubringen, damit Frauen und Männer in Bildungsberufen wissen, wie Mädchen und Jungen ticken. Um eine gleichberechtigte und gleichwertige Gesellschaft vorzuleben, ist eine Erhöhung des Anteils von Männern in Kitas und Grundschulen notwendig. Deshalb haben wir diesen An
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir brauchen mehr männliche Fachkräfte in der Bildung und Erziehung von Kindern. Dieses Ziel ist wichtig und richtig und wir müssen versuchen, uns dieses Thema schrittweise zu erarbeiten.
Herr Gwosdz hat dankenswerterweise die fachlichen Grundlagen unseres Antrags erläutert. Ich muss deshalb nur noch auf einzelne Punkte eingehen. Jungen lernen anders als Mädchen. Das ist wissenschaftlich erforscht und anerkannt. Jungen benötigen klarere Zielvorgaben. Sie werden auch durch eine andere Sprache erreicht. Es hat sich herausgestellt, dass für die Erziehung von Jungen bestimmte Persönlichkeitseigenschaften von größerer Bedeutung sind als bei Mädchen. Dazu zählen zum Beispiel bestimmtes sicheres Auftreten, Humor, Bedürfnisse der Jungen kennen. Auch die Interessen von Jungen sind natürlich zum Teil vollkommen andere. Diesem Ziel, das zu vermitteln und darauf einzugehen, kommt man dadurch näher, dass man männliche Erzieher auch in Kindertageseinrichtungen hat. Ich erzählte vor einigen Wochen einem Freund von diesem geplanten Antrag. Der stimmte mir gleich zu und sagte, dass es auch bei ihm so war. Zuhause gab es vor allem die Mutter, im Kindergarten gab es ebenfalls nur Frauen und in der Grundschule war es genauso. Bei einer Verschickung meines Freundes in ein Ferienlager gab es dort zu seiner völligen Überraschung männliche Erzieher. Das war für das Kind eine bleibende Erfahrung, an die er sich noch nach vierzig Jahren erinnert. Dort wurde gegrillt, es wurde musiziert. Nach dieser Verschickung begann mein Freund mit dem Gitarrenspiel und heute ist er ein berühmter Musiker.
Insofern hat das doch für das Leben eine prägende Funktion gehabt. Verstehen Sie mich jetzt nicht falsch: Frauen können das genauso gut wie Männer.
Es ist aber unbestreitbar, dass die Lebenswelten, Erfahrungen und Interessen bei Männern teilweise anders gelagert sind als bei Frauen. Es wäre schade, wenn wir das unseren Kindern vorenthalten würden. In der Erziehungswissenschaft ist das Problem der geringen Männerpräsenz in den Bildungsberufen längst erkannt worden. Ohne Männer in Bildungsberufen ist für Jungen eine Orientierung an männlichen Rollenvorbildern nicht möglich.
Das Miteinander von Frauen und Männern kann nicht vorgelebt werden und – Herr Gwosdz hatte das schon angesprochen – es kommt dazu, dass in der Erziehungsmethodik Mädchenqualitäten möglicherweise überbewertet werden. Darin steckt sogar ein gewisses Diskriminierungspotenzial, heißt es in der Fachliteratur. Darauf muss man auch einmal eingehen.
Das Thema ist aber komplexer als es auf den ersten Blick erscheint. Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass es nicht reicht, den Männeranteil in Erziehungsberufen zu erhöhen. Manchmal kommt es zum Beispiel in Kindertageseinrichtungen zu der Situation, dass männliche Erzieher dazu angehalten oder in eine Rolle hineingedrängt werden, dass sie Jungen in klassischer Weise disziplinieren sollen. Da sage ich, das kann es nicht sein, dass hier Rollenbilder dann noch unreflektiert verstärkt werden. Deswegen muss dieses genderspezifische Verhalten im Bereich der Aus- und Weiterbildung der Erziehungskräfte hinterfragt und gelehrt werden.
Unser Antrag geht davon aus, dass es nicht ausreicht, einfach den Männeranteil zu erhöhen. Das ist ein erstrebenswertes Ziel, aber dieses muss einhergehen mit der Vermittlung von Genderkompetenzen in den einschlägigen Ausbildungsgängen.
Noch einige Worte zum weiteren Teil des Antrags, der Erhöhung des Migrantenanteils in Bildungsberufen. Hier sind natürlich die gleichen Gedanken maßgeblich. Auch hier geht es um die Vorbild- und Orientierungsfunktion und um die Signalwirkung, denn wenn Männer in Erziehungsberufen tätig sind, handelt es sich natürlich um Männer, die in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Ich glaube, wenn wir bei diesem wichtigen Ziel etwas vorankommen, dann haben wir für unsere Kinder etwas erreicht. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielen Dank für die Gedankenhilfe, was so aus einem werden oder nicht werden kann, wenn man Frauen als Erzieher oder als Lehrerin hatte oder man sich in der Kita gewünscht hat, dass dort auch mal ein Mann Erzieher gewesen wäre. Es besteht überhaupt kein Dissens. Wir denken, dass es höchste Zeit ist, sich diesem Thema anzunehmen. Wir wundern uns allerdings, dass es mittlerweile der dritte Antrag mit nahezu identischem Tenor ist. Wir haben jetzt langsam mal so etwas wie einen Sachstandsbericht erwartet, denn es gab genug Gelegenheit, über dieses Thema zu reden. Ich kann mich daran
erinnern, dass es die GAL war, die im März 2007 das erste Mal einen Antrag eingebracht hat mit dem Titel "Reform der Ausbildung im Bereich der Frühpädagogik". Dieser Antrag ist von der CDU später im Wissenschaftsausschuss abgelehnt worden, begleitet mit den Worten von Herrn Beuß, dass es dann aber auch alles sei, was sie machen werden, nämlich diesen Antrag maximal an den Wissenschaftsausschuss überweisen und dann war es das.
Die CDU hat damals im Wissenschaftsausschuss den Antrag, der im Grundsatz genauso ist wie der jetzige Antrag, damit verabschiedet, dass Frühpädagogik bereits auf gutem Wege ist, brauchen wir nicht, haben wir schon, wo kommen wir denn da hin?
Herr Beuß, ich habe es nachgelesen. Frau Goetsch sagt, wie ich finde, zu Recht, dass die Dinge, die 2006 in der Enquete-Kommission beschlossen wurden, nach und nach abgearbeitet werden müssten. Das ist jetzt zweieinhalb Jahre her. Auch da könnte man mittlerweile verlangen zu hören, was aus den Zielen geworden ist, die darin gestanden haben. Was ist da passiert? Hat das etwas damit zu tun, dass Sie diesen Antrag, der sich im Kern nicht von den beiden Anträgen unterscheidet, die von der CDU abgelehnt worden sind, dass Sie jetzt sagen, wir müssen das mal wieder auf die Tagesordnung setzen, das hört sich gut an und wir reden einfach darüber, warum es so gut ist, mehr Männer in Bildungsberufen zu haben, aber wir reden nicht darüber, was dabei im Ergebnis herauskommen soll.
"Der Senat wird aufgefordert, eine Werbekampagne zu konzipieren, mit deren Hilfe junge Männer und junge Menschen mit Migrationshintergrund zur Aufnahme eines Frühpädagogik-Studiums beziehungsweise zur Teilnahme an der Erziehungsausbildung motiviert werden sollen."
Davon ist in diesem Antrag – und insofern unterscheidet er sich ein wenig – überhaupt nicht die Rede. Auch da wundere ich mich. Hier werden eine Reihe von Absichten erklärt, aber es wird nicht dargelegt, wie diese Ziele verfolgt werden sollen. Lediglich der Senat wird beauftragt, irgendwann einmal Bericht zu erstatten.
"geeignete Maßnahmen zur Erhöhung des Anteils männlicher Mitarbeiter mit Migrationshintergrund in Einrichtungen der Jugendhilfe, Schule und Kita sowie den Beratungsstellen."
In derselben Debatte im Juni 2008, auch wiederum ein Antrag der CDU, erklärte Egbert von Frankenberg, dass die Frage ist, wo man letztendlich anfängt. Fängt man in der Kita oder in der Schule an, müssen die Hilfesysteme weiterentwickelt werden? Dann schließt er mit dem sehr hilfreichen Satz ab, das seien alles Gedanken, die man sich machen muss, weil es sehr viel mit Denken zu tun hat. Wir können mittlerweile erwarten, dass das Denken irgendwann einmal zu irgendeinem Ergebnis geführt hat. Wir erwarten jetzt, dass Sie uns berichten, was bisher passiert ist. Ansonsten beantragen wir die Überweisung. – Danke.
Herr Präsident, sehr geehrte Herren und Damen! Ich muss jetzt leider das Gesetz der Serie brechen, weil bislang nur männliche Abgeordnete gesprochen habe, was ich grundsätzlich gut finde bei dem Thema. In einem sind wir uns sicherlich einig – wir haben das eben schon gehört –: Männer haben den Willen zum Grillen.
Worum geht es bei diesem Antrag? Geht es darum, dass Jungen bessere Schulabschlüsse machen sollen oder dass mehr Männer mit Migrationshintergrund in Bildungsberufe gelangen oder dass Lehrkräfte kompetenter ausgebildet werden? Es geht augenscheinlich um alle diese Punkte. Ich bin beeindruckt, wie GAL und CDU glauben, mit einer derart verknappten Darstellung dieser drei grundlegenden Themen Weichen stellen zu können. Sie reden in Ihrem Antrag außerdem um den heißen Brei herum. Vielleicht ist er auch deswegen so kurz ausgefallen, weil sich die Schwarz-Grünen in der Analyse nicht einig waren. Es wurden zwar Probleme angerissen, die Lösungsansätze sind aber wirklich mickrig. Unangebracht finde ich, ausgerechnet am Girls' Day Angebote für Jungen zu präsentieren. Das ist so ungefähr das Gleiche als würde man einem Mann am Muttertag Blümchen schenken und ihm für seinen aktiven Vätereinsatz dankt. Schaffen Sie den Girls' Day dann lieber ab, anstatt ihn derart zu verballhornen.
Dieser Antrag ist vom Grunde her nicht falsch. Er greift Probleme auf, die beachtenswert sind. Es gibt zu wenig Männer, auch mit Migrationshintergrund, in Kitas und Grundschulen. Jungen haben die schlechteren Schulabschlüsse und fallen häufiger durch ungemäßes Verhalten auf. Es fehlen in den pädagogischen Berufen wichtige Lehrelemente wie Genderkompetenzen. Der Antrag benennt aber nicht die Ursachen. Die sind aber wichtig zu benennen, damit die Maßnahmen, die der Senat umsetzen soll, wirkungsvoll sind. Zum einen sind Berufe in Kitas und Grundschulen fürchterlich
schlecht bezahlt. Die Befristungen nehmen zu, ebenso die unfreiwillige Teilzeit. Da ist es für einen Mann ohne Not nicht attraktiv, einen schlecht bezahlten Beruf zu ergreifen und deswegen wird er seine berufliche Zukunft auch künftig nicht in Kitas oder Grundschulen sehen, wenn sich bei der Bezahlung nichts verändert. Da können Sie die Jungs am Girls' Day noch so intensiv mit den Vorzügen des Erzieherberufes vertraut machen, spätestens als Erwachsener schaut er in den Arbeits- und Tarifvertrag oder aufs Konto und sagt, nein danke.
Zum anderen gibt es auch jede Menge wilder Mädchen, aber sie werden aufgrund der immer noch geschlechtsspezifischen Prägung des Elternhauses, der Gesellschaft insgesamt, inklusive der Medien, auf ruhig sitzen, hübsch aussehen und Perfektionismus dressiert. Außerdem nutzt den Mädchen ihre durchschnittlich bessere Schulbildung doch wenig, weil sie später im Arbeitsleben trotzdem die schlechteren Chancen haben. Die unerzogenen Jungen von damals mit den schlechteren Noten ziehen an ihnen vorbei und besetzen die Posten.
"[Jugendhilfe soll] 1. junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen, Benachteiligung zu vermeiden oder abzubauen, 2. Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützen, 3. Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen, 4. dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen."
Um dieses Gesetz wirklich zu erfüllen, müssen Erzieherinnen anständiger bezahlt werden und bessere Arbeitsbedingungen haben.
Sie müssen auch endlich wieder mehr Zeit für Elterngespräche und für mehr Fortbildung haben. Allein schon mehr Entgelt würde den Männermangel in den pädagogischen Berufen bald beheben.
Teilzeit ist vom Grundsatz her übrigens kein Problem für viele Männer, denn zum Glück wandelt sich langsam das Bild, dass nur 60 Arbeitsstunden die Woche aus dem Manne einen ganzen Kerl machen. Viele Männer, vor allem Väter, würden gern Teilzeit arbeiten, wenn sie vernünftig bezahlt würde. Dies wäre unter anderem der Fall, wenn es eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich gäbe. Denken Sie weiter, sehr geehrte Abgeordnete von CDU und GAL, und denken Sie konsequent die Lösungen zu Ende. Der Antrag, den Sie heute zur Abstimmung stellen, bleibt auf halbem Weg
Mehr Männer in Bildungsberufe: Sie haben die LINKE in dieser Frage ganz an Ihrer Seite, aber der Senat sollte sich, statt Ihrer windelweichen Antragsformulierung zu folgen, doch lieber dafür einsetzen, dass die Tarifverhandlungen bei den Erzieherinnen mit höheren Abschlüssen erfolgen, dass das Kita-Gutscheinsystem den Trägern eine vernünftige Personalkostenkalkulation ermöglicht und die Bewilligung der Gutscheine langfristiger erfolgt, sodass die Träger der Kitas ihre Beschäftigten nicht mehr zunehmend nur befristet einstellen müssen.