Mehr Männer in Bildungsberufe: Sie haben die LINKE in dieser Frage ganz an Ihrer Seite, aber der Senat sollte sich, statt Ihrer windelweichen Antragsformulierung zu folgen, doch lieber dafür einsetzen, dass die Tarifverhandlungen bei den Erzieherinnen mit höheren Abschlüssen erfolgen, dass das Kita-Gutscheinsystem den Trägern eine vernünftige Personalkostenkalkulation ermöglicht und die Bewilligung der Gutscheine langfristiger erfolgt, sodass die Träger der Kitas ihre Beschäftigten nicht mehr zunehmend nur befristet einstellen müssen.
Es ist außerdem dringend ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft erforderlich und das Gleichstellungsgesetz im öffentlichen Dienst muss novelliert werden. Dann gehören sogenannte Frauenberufe, schlecht bezahlt und unterbewertet, auch bald der Vergangenheit an.
Liebe Kollegen und Kolleginnen von GAL und CDU, die LINKE wird diese Notwendigkeiten schon bald in der Bürgerschaft zur Debatte stellen. Spätestens dann können Sie den nächsten Schritt zur Verwirklichung Ihrer eigentlich heute schon gut gemeinten Ansätze vollziehen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin richtig froh, dass wir heute diese Debatte führen und wir im Großen und Ganzen zumindest ähnliche Ansätze haben. Ich erinnere mich daran, als ich hier vor zehn Jahren stand und über parteiische Jungenarbeit redete, dass ein Großteil des Hauses dachte, was ist das, davon hat man noch nie etwas gehört. Insofern sind wir schon einen ganzen Schritt weiter, auch wenn noch nicht da, Frau Artus, wo wir gerne hinkommen wollen.
Herr Ciftlik, Sie müssen sich langsam einmal daran gewöhnen, dass wir in einem neuen Zeitalter sind, nämlich 2008. Die letzte Legislaturperiode ist dann der Diskontinuität geschuldet, wenn es irgendwelche Anträge gab. Wir haben einen vernünftigen Anfang zum Stichwort parteiische Jungenarbeit vorgelegt und haben jetzt eine gute Chance, bei der einmaligen Bildungsoffensive dafür Sorge zu tragen, dass alle im Kontext mit individualisiertem Unterricht geschlechtergerecht gefördert werden. Das Defizit ist von einigen Vorrednern und Vorrednerinnen deutlich genannt worden und wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, die Arbeit mit den
Es ist zwar im Beruf dann später umgekehrt, aber in der Schule und in der Grundschule ist es tatsächlich anders.
Ich will noch einmal die Fakten nennen, warum wir in dem Punkt ranrauschen müssen. Jungen wiederholen eine Klasse wesentlich häufiger als Mädchen. Der Anteil von Schulabbrechern bei den Jungen lag 2007 rund 50 Prozent höher als bei den Mädchen. Jungen reagieren häufiger mit Aggressionen, wenn sie in der Schule nicht klarkommen, und Jungen aus Migrantenfamilien oder mit Einwanderungshintergrund sind von beiden Risiken wesentlich häufiger betroffen. Jungen – besonders Migranten – sind die Bildungsverlierer und brauchen neue Wege.
Ich glaube, an dieser Analyse gibt es nichts zu kritteln. Gestern gab es die Auszeichnungen "Azubi des Jahres" sowohl für die weiblichen als für die männlichen Auszubildenden. Und es ist immer noch so, dass die Mädchen da besser sind; wir brauchen auch einen gut ausgebildeten Nachwuchs.
Das heißt zum einen, wie hier schon mehrfach erwähnt, mehr männliche Kompetenz in den Bildungsberufen, also männliche Pädagogen als Instrument für die Förderung von Jungen. Sie kennen vielleicht alle noch das Buch "Kleine Helden in Not". Da wurde das erste Mal in den Neunzigerjahren öffentlich gesagt, dass Jungen männliche Vorbilder brauchen. Wir brauchen geschlechterspezifische Unterrichtsangebote. Ich sage einmal zugespitzt: Wir haben viel zu viel Mädchenarbeit gemacht.
Wir haben in den Achtzigerjahren Mädchenangebote gemacht, Computerraum für Mädchen, alle möglichen Angebote speziell für die Mädchen und die Jungen überhaupt nicht bedacht. Die Mädchen waren dann die Puffer für die Jungen im Unterricht. Es war eine Fehlentwicklung, das nur einseitig zu sehen.
Gerade wenn man zum Beispiel im naturwissenschaftlichen Bereich oder auch im Sport unterrichtet, dann weiß man, dass es Phasen gibt, in denen es wichtig ist, geschlechtergerechte Unterrichtsangebote zu machen. Die individuelle Förderung, auch der individualisierte Unterricht, bedingt diese
Angebote und das muss auch in der Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer berücksichtigt werden. Es kann auch möglich sein – da gibt es sicher unterschiedliche Meinungen, ich persönlich vertrete aber, temporär Jungen und Mädchen zu trennen.
Wir brauchen natürlich mehr Männer als Rollenvorbilder, gerade auch in der Grundschule, und Jungen müssen Jungen sein dürfen. Das ist viel zu oft und zu lange nicht möglich gewesen.
Ich will noch ein paar Zahlen vorlegen, weil dies zeigt, dass wir eine dramatische Situation haben. In den Kitas gibt es nur 8,9 Prozent Männer, in den Grundschulen inklusive Vorschule gibt es bei den Sozialpädagogen und Erziehern nur 9,1 Prozent Männer. Das heißt, 90 Prozent sind Frauen. Dann geht es weiter. In den Vor- und Grundschulen haben wir einen Frauenanteil von 81 Prozent und in den Sonderschulen 70 Prozent Frauen. In den Gymnasien gleicht sich das dann langsam an. Da haben wir fast einen Ausgleich, der Unterschied beträgt nur noch 10 Prozent; in den Gesamtschulen ebenfalls. In diesen beiden Schulformen haben wir fast eine ausgeglichene Situation. Bei den beruflichen Schulen haben wir wieder etwas mehr Männer, auch ziemlich typisch. Diese Zahlen sind vom Dezember 2007. Wir haben eine Situation, die geradezu danach schreit, dieses Thema konkret anzugehen.
Ich will ein paar geeignete konkrete Maßnahmen nennen; am Ende werden wir im Senatsbericht über unsere Maßnahmen auch im Rahmen der Umsetzung des Koalitionsvertrags berichten. Es muss – da gebe ich Ihnen vollkommen recht, Frau Artus – Schluss sein mit frauentypischen und männertypischen Bildungsberufen, und zwar nach dem Motto: Je geringer qualifiziert, desto schlechter bezahlt. Das geht nicht, so werden wir nie den Männeranteil erhöhen und das muss sich ändern.
Das kann passieren, indem Erzieherinnen mit viel größerem Anteil auf Fachhochschulniveau qualifiziert werden, was übrigens alle Fachleute fordern, was auch in der Qualifizierungsoffensive auf dem Bundesgipfel gefordert wurde und das wir in der Enquete-Kommission gefordert haben. Wir haben bisher nur einen Bachelor-Studiengang Frühpädagogik an der Fachhochschule und dieses muss ausgeweitet werden, daran müssen wir arbeiten. Wir brauchen dringend eine Mischung der Lehrkräfte. Das wird zum Beispiel eine große Chance sein, um wieder einmal auf unsere innovative Bildungsoffensive zu kommen. In der Primarschule werden wir eine ganz andere Mischung der Lehrkräfte hinbekommen, weil mehr männliche Lehrer aus den weiterführenden Schulen in die Primarschule kommen.
Herr Ciftlik, die Initiative, mehr Lehrerinnen und Lehrer oder auch Erzieherinnen und Erzieher mit Migrationserfahrung und -hintergrund in die Einrichtungen zu bringen, unterstützen wir. Es wird Offensiven geben und wir haben jetzt schon im neuen Referendarsdurchgang 12 Prozent erreicht. Wir wollen eine Quote von 20 Prozent erreichen, um mehr Lehrerinnen mit Migrationshintergrund auszubilden. Das ist wichtig wegen der Vorbildrolle. Wir haben in der Aus- und Fortbildung das Riesenproblem, dass Genderkompetenz nicht etwa eine Querschnittsaufgabe ist, sondern immer noch dem Zufall überlassen wird. Ich kann keinen Einfluss auf die Universität nehmen, die haben ihre Autonomie, aber es müssen Gespräche stattfinden, dass bei aller Autonomie die Genderkompetenz in der Lehrerinnenausbildung Einzug halten muss.
Fazit: Umdenken kommt nicht von allein. Alle Erkenntnisse sind da, wir müssen keine Studien mehr in Auftrag geben. Wir müssen diese längst bekannten Ergebnisse und die tauglichen Konzepte in die Hamburger Schulen, in die pädagogischen Einrichtungen bringen und darüber wird dann der Senat berichten. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist gut zu hören, dass das Ziel, um das es in diesem Antrag geht, bei allen Fraktionen unstrittig ist. Das ist aber auch nichts Neues, das ist schon von den Vorrednern gesagt worden. Wir haben es damals aufgegriffen und hier eingebracht. Die GAL hat es aufgegriffen, ich erinnere an Frau Blömeke in der letzten Legislaturperiode. Wir hatten es auf Anregung unserer Partei in der Enquete-Kommission und es hat eine einstimmige Empfehlung der Enquete-Kommission zu diesem Thema gegeben.
Dann höre ich hier Argumente wie: es gehe nicht um falsch verstandene Männlichkeit, es gehe um Sekundäreigenschaften wie sicheres Auftreten, das seien Kriterien für gute Erziehung für Jungen. Dann kommt ausgerechnet Herr Lemke und bringt das als Vorbild; das finde ich bezeichnend. Erfreulich ist für mich auch, dass die Senatorin als Protagonistin eines Antrags der Regierungsfraktion auftreten muss, um noch einmal klarzumachen, wofür hier eigentlich geworben werden soll. Das sind natürlich die guten alten Zeiten, wo eine bildungspolitische Kompetenz erst einmal deutlich macht, worum es eigentlich geht und auch im Parlament klare Worte für so etwas kommen.
Frau Senatorin, wir als SPD-Opposition müssen aber auch feststellen, dass der Antrag, über den wir abstimmen sollen, eigentlich ein windelweicher
ist. Der Senat wird ersucht, etwas zu tun, und wir wissen spätestens seit den Empfehlungen der Enquete-Kommission 2006, dass diese Forderungen alle schon längst in der Welt stehen und die Frage nicht lautet, ob wir das wollen, sondern warum es nicht schon längst passiert ist. Das ist die viel spannendere Frage, die mich ans Rednerpult getrieben hat. Warum hat der Senat, Frau DingesDierig, seit Frühjahr 2007 nicht angefangen, Konzepte zu entwickeln und mit der Umsetzung zu beginnen, wie es die Enquete-Kommission, Herr Freistedt, einstimmig vorgeschlagen hatte? Warum liegt heute zum wiederholten Male so ein Antrag vor?
Erst musste die GAL noch einmal Druck machen, wahrscheinlich auf Wunsch der Senatorin, die gerade gesagt hat, diesen Antrag verstehe sie so und so und sie wisse schon ganz genau, was sie damit machen werde, eigentlich bräuchte man den Antrag gar nicht mehr zu stellen und der Senatsbericht sei schon längst in ihrem Kopf gewesen, bevor wir das hier beschlossen haben. Warum hat es also so lange gedauert, bis er uns im Spätherbst 2008 vorgelegt wurde? Diese hoch widersprüchliche Frage müsste man insbesondere der CDU vorlegen, von der wir ja wissen, wie sie es mit dem Gender hält. Das ist die spannendste aller Fragen.
Ich habe mir die Mühe gemacht, noch einmal das Debattenprotokoll des damaligen GAL-Antrags aus der letzten Legislaturperiode vom Dezember 2007 herauszusuchen. Da haben Sie die Kollegin Koop in die Debatte geschickt und die hat gesagt: Frau Blömeke, was Sie hier gesagt haben, ist alles prima. Herr Beuß ist fast wie ein Rumpelstilzchen hochgesprungen und hat gesagt, es ist unglaublich, was Frau Koop hier sagt.
Das zeigte so richtig die Zerrissenheit der CDU in dieser Frage, wenn es um Gender geht. Hämische Kommentare und Zwischenrufe habe ich im Plenarprotokoll aus der eigenen Fraktion zu den Beiträgen von Frau Koop gefunden, die in der Sache völlig richtige Dinge gesagt hat, weil sie auch in der Enquete-Kommission war, als wir das gemeinsam beschlossen haben. In der Enquete-Kommission hat sich natürlich keiner der Männer getraut, an diesen Dingen zu rühren.
Zwei Dinge haben bisher neben der Beharrlichkeit der Männerfraktion in der CDU das Ganze verhindert: das tief konservative Rollenbild, nach dem Kindererziehung und frühkindliche Bildung Frauensache sei und wenn schon nicht allein Sache der Mütter, dann eben von Frauen in den entsprechenden Berufen in Kindergärten, Vorschulen und Grundschulen.
Frauen ausgeübt werden. Der zweite Grund, Herr Frommann, dass sie so schlecht bezahlt werden, ist, dass Frauen das nicht besonders brauchen.
Wir wissen alle von Ihrer Vordenkerin in dieser Frage, Frau von der Leyen, dass dieses konservative Rollenbild nach wie vor bei Ihnen verankert ist, auch wenn Sie diese Dame nach vorne schicken. Wir wissen auch, welche Diskussionen bei Ihnen geführt werden, zum Beispiel der Widerstand gegen die Einführung des Elterngeldes oder die Herdprämie, die Ihre Schwesterpartei beim Thema Familienausbildung ganz nach oben gesetzt hat.
Deswegen sagen wir: Ihre Vorschläge sind gut und schön, sie sind eigentlich schon längst beschlossen. Ich erinnere nur, Herr Hesse, an den Antrag 19/566
aus dieser Legislaturperiode. Seitdem hätten Sie schon längst all das machen können. Und wer hat es nicht gemacht? Sie. Jetzt musste eine Schulsenatorin kommen und sagen, stellt doch einen Antrag, damit ich endlich in dieser Sache zu Potte komme.
Deswegen müsste man eigentlich zum Schluss eine Ergänzung in diesen windelweichen Antrag hineinschreiben: Der Senat wird ersucht, die Vermittlung von Genderkompetenzen verbindlich in die Aus- und Weiterbildung aller männlichen CDU-Politiker zu integrieren.