Bülent Çiftlik
Appearances
Last Statements
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir alle erinnern uns an den tragischen Tod von Jessica in Jenfeld. Wir alle erinnern uns an die lebhafte Diskussion auch hier im Parlament, aber auch in der Stadt. Wir alle wissen, dass man die Frage, ob man ihr hätte helfen können, ohne diese Geschichte hier wieder konkret thematisieren zu wollen, gar nicht stellen konnte, denn viele Menschen auch in ihrem näheren Umfeld wussten gar nicht, dass es Jessica gibt.
Im Rahmen der Aufarbeitung dieses tragischen Falles wurde im Juni 2006 im Rahmen einer Rechtsverordnung das zentrale Schülerregister eingeführt. Damit wurde sichergestellt, dass es einen Datenabgleich gibt zwischen allen Behörden hier in Hamburg und dem dann eingeführten zentralen Schülerregister, um sicherzustellen, dass alle Kinder ab vier Jahren erfasst werden, dass alle schulpflichtigen Kinder von den Schulen erfasst werden können, um, das ist das wesentliche Ziel gewesen, die Sicherung des Kindeswohls über den Weg der Schulpflicht sicherzustellen. Nun gehört dazu auch – das müssen wir ehrlich sagen –, dass wir damit das Ziel verfolgen, einerseits alle Kinder zu erfassen; aber auf der anderen Seite können wir die Augen nicht davor verschließen, dass es jede Menge Eltern gibt in dieser Stadt, die ihre Kinder aus Angst, dass diese Daten auch an die Innenbehörde geliefert werden, nicht zur Schule schicken, weil sie keinen legalen Aufenthaltsstatus haben.
Das war nicht Ziel dieser Einführung, der Einführung des zentralen Schülerregisters, das wollten wir damit nicht erreichen. Ich hoffe, dass Konsens in diesem Haus darüber herrscht, dass das Recht auf Bildung ein Menschenrecht ist, ein universelles Recht und sich nicht davon ableiten lässt, ob man einen Aufenthaltsstatus hat oder nicht.
Die Realität sieht aber anders aus. Ich will auch dadurch meiner Verwunderung Ausdruck verleihen, indem ich jetzt kurz einmal aus dem Koalitionsvertrag der CDU und GAL vorlese. Dort steht:
"Durch den seit 2007 durchgeführten Datenabgleich des Zentralen Schülerregisters mit dem Melderegister sind bisher keine Fälle illegalen Aufenthalts bekannt geworden."
Wer die Gespräche in der Stadt führt, weiß, dass das so bestimmt nicht ist. Wer die Gespräche auch mit den Schulen führt, weiß, dass das so nicht ist. Aber ich will eines nicht von der Hand weisen. Es
kann sehr wohl sein, dass die Fälle sich nicht unbedingt häufen und dass sie sich nicht an der Oberfläche der öffentlichen Wahrnehmung abspielen, weil eben viele Eltern – geschätzt werden Zahlen zwischen 80 und 120 – ihre Kinder gar nicht erst zur Schule schicken.
Das kann nicht Sinn der Sache sein. Viele Kinder sind dem Sozialisierungsprozess in dieser Stadt und dem Bildungsprozess entzogen und an dieser Stelle ist es unerheblich, die Schuldfrage zu klären, ob die Eltern sich um einen Aufenthaltsstatus hätten bemühen müssen oder nicht und welche Fehler die Eltern gemacht haben. Fest steht doch eines, dass die Leidtragenden nicht die Kinder sein dürfen.
Es sind nicht nur die Kinder, die in Mitleidenschaft gezogen werden, hauptsächlich sind sie es, oder die Eltern, sondern wir müssen uns auch einmal Gedanken darüber machen, was eigentlich mit dem Schulpersonal passiert. Nehmen wir einmal an, es gibt tatsächlich Kinder, die keinen legalen Aufenthaltsstatus an hamburgischen Schulen haben; ich will an ein Beispiel erinnern. Die Frau des damaligen bayerischen Innenministers Günther Beckstein hat selbst zugegeben, dass es sogar in Bayern, also auch in München, Kinder gibt, die keinen legalen Aufenthaltsstatus haben. So etwas gibt es eben auch in Hamburg. Da muss man sich die Frage stellen, was eigentlich passiert, wenn denen etwas im Schwimmbad oder auf dem Schulgelände passiert. Wie sollen sich dort Lehrer, wie soll sich das Schulpersonal verhalten?
Ich finde es an dieser Stelle unzureichend, insgeheim darauf zu hoffen, dass sich das Problem schon irgendwie lösen werde, in Hamburg darauf zu hoffen, dass die das in Berlin auf Bundesebene einheitlich gesetzlich regeln. Das ist auch Teil unseres Antrags. Wir fordern den Senat auf, eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen und keine Insellösung herbeizuführen, sondern in ganz Deutschland Rechtssicherheit zu schaffen und das Aufenthaltsgesetz dahingehend zu ändern, dass alle Schüler das Recht haben, egal, ob sie derzeit einen legalen Aufenthaltsstatus haben oder nicht, die Schule zu besuchen.
Ich nehme wahr, dass wir an dieser Stelle gar nicht so unterschiedlicher Auffassung sind. Ich hoffe, dass wir, wenn die Diskussion fortgesetzt wird an dieser Stelle oder im entsprechenden Ausschuss, daraus auch die Konsequenzen ziehen.
Ich will nur daran erinnern, dass die Beschlusslage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion genau die ist, die ich beschrieben habe, dass der Schulbesuch, das Recht auf Bildung nicht davon abhängig sein dürfen, ob man einen legalen Aufenthaltsstatus hat oder nicht.
Die Bundesintegrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, äußert sich genauso. Schon in der Süssmuth-Kommission wurde genau das festgehalten. Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses sehr ernste Thema von der Tagesordnung nicht verschwinden zu lassen nach dem Motto: Wir schauen einmal und bisher gab es nicht ganz so viel Ärger. Ich glaube, für die zweitgrößte Stadt Deutschlands kann es nicht angehen, dass wir dieses Problem versuchen auszusitzen und hoffen, dass es nicht größer wird. Ich glaube, dass dieses Problem sehr wohl größer werden kann. Wir müssen unserem eigenen Anspruch Rechnung tragen, dass wir nicht nur gute und bessere Schulen haben wollen, sondern wir müssen dafür sorgen, dass alle Kinder in den Genuss kommen, am Bildungs- und damit auch am Sozialisierungsprozess teilnehmen zu können, wir wollen das ganz gezielt.
Wir sind für den Datenabgleich zwischen den Behörden, das ist Ziel dieses zentralen Schülerregisters. Aber Ziel ist es eben nicht gewesen, dadurch herauszufinden, wer keinen legalen Aufenthaltsstatus hat. Wir können und wollen mit diesem Antrag auch eine Lösung auf den Weg bringen, wie sie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen herbeigeführt wurde. Dort wurde das Schulpersonal von der Pflicht entbunden, bei Schulanmeldungen nach dem Reisepass oder der Meldebestätigung der Eltern zu fragen. Das ist auch Bestandteil unseres Antrags, weil wir glauben, dass damit eine für alle Seiten akzeptable Lösung herbeigeführt werden kann, bis diese Frage bundeseinheitlich geregelt wird. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich dem anschließen würden. – Danke.
Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Lemke.
Meine Damen und Herren! Der Lärmpegel lässt ein wenig darauf schließen,
wie viel Wertschätzung Sie dem Thema beimessen. Ich finde das ziemlich peinlich.
– Danke schön.
Herr Lemke, es ist schon unglaublich ahnungslos, wie Sie auftreten.
Ahnungslos war das, Sie haben eigentlich überhaupt nicht zum Thema gesprochen. Dass wir in keiner Weise illegalen Aufenthalt, ganz gleich welcher Art, in dieser Stadt oder in diesem Land unterstützen, ist völlig klar. Dass wir dagegen sind, ist auch völlig klar. Aber ich hätte mir gewünscht, dass Sie konkret zu diesem Antrag etwas gesagt hätten. Das haben Sie nicht getan, stattdessen ergehen Sie sich in Zwiegesprächen, die wahrscheinlich nichts mit diesem Thema zu tun haben. Frau Möller, ich verstehe beim besten Willen nicht, wie Sie allen Ernstes behaupten können, dass die
Art und Weise, wie in Nordrhein-Westfalen per Verordnungsweg das Problem gelöst wird, in Hamburg nicht anwendbar sei. Das müssten Sie mir noch einmal erklären.
Doch, das haben Sie gesagt. Ich weiß, es ist immer die einfachste Methode, dann zu sagen, man hätte etwas nicht gesagt. Hören Sie jetzt einfach zu, Frau Möller.
In Hamburg ist das Schulpersonal angewiesen, die Reisepässe der Eltern dahingehend zu kontrollieren, ob darin eine Meldebestätigung ist und ob sie einen legalen Aufenthaltsstatus haben. Das ist in Nordrhein-Westfalen nicht der Fall. Das bedeutet doch im Umkehrschluss, dass diese Menschen nicht die Angst haben, ihre Kinder in der Schule anzumelden, weil sie dort beschult werden – das wollen wir alle und auch ganz bestimmt diese Eltern –, sondern weil sie Angst haben, dann entdeckt zu werden. Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, wie Sie daherkommen und sagen können, es gebe nur ein Beispiel, das dann noch von der Härtefallkommission im positiven Sinne abgewendet wurde, also gebe es im Umkehrschluss – implizit haben Sie das damit gesagt, das behaupte ich jetzt einmal – überhaupt gar keinen Anlass anzunehmen, dass es illegale Kinder gebe. Verzeihung, das muss ich zurücknehmen, kein Mensch ist illegal.
Das gibt es nirgendwo auf dieser Welt, kein Mensch ist illegal, ich meine natürlich Kinder illegalen Aufenthalts. Das können Sie doch nicht allen Ernstes behaupten. Ich weiß nicht, ob Sie, seitdem Sie diese Koalition eingegangen sind, das Gespräch mit den Menschen vor Ort völlig eingestellt haben, aber vielleicht reden Sie einfach einmal mit Leuten, die damit tagtäglich zu tun haben. Auch Ihnen nahestehende Vereine und Initiativen bestätigen immer wieder, dass es eine ganze Reihe von Eltern gibt, die schlicht und ergreifend Angst haben. Wenn Sie sagen, so etwas könnte man so wie in Nordrhein-Westfalen gar nicht lösen, vorübergehend zumindest nicht, bis es auf Bundesebene gelöst wird, dann fehlt schlicht und ergreifend Ihre Begründung. Statt sich darüber zu beschweren, dass ich nur 10 Prozent meiner Rede auf den Antrag bezogen hätte, hätten Sie einmal begründen sollen, warum diese Lösung in Hamburg nicht anwendbar sein soll.
– Danke schön.
Ich bin auch HSV-Fan, überhaupt keine Frage, und nur HSV-Fan. Aber dieses Thema ist zehnmal wichtiger. Es tut mir sehr leid für Sie, wenn Sie gelangweilt sind.
Ja, das stimmt, das ist auch so, die Raute im Herzen, das stimmt.
Ich bin auch gespannt, was der seit Herbst letzten Jahres anstehende Bericht über das zentrale Schulregister hergeben wird, ich bin auch auf die Ergebnisse gespannt. Aber ich will Sie nur daran erinnern, dass die GAL bisher immer noch und nie revidiert einen nicht näher geregelten Schutzmechanismus für die Kinder einfordert, die eventuell einen nicht ganz legalen Aufenthalt in Hamburg haben könnten. Sie haben genug Zeit gehabt, diesen nicht näher geregelten Schutzmechanismus mit Ihrem großen Koalitionspartner einmal irgendwo niederzuschreiben oder vielleicht auch in die Debatte einzubringen, aber auch das haben Sie nicht getan. Insofern habe ich ein ganz reines Gewissen, dass ich nur 10 Prozent meiner Rede für den Antrag verwandt habe. – Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die vorangegangenen Beiträge haben deutlich gezeigt, wie komplex und schwierig die Anerkennungsverfahren sind und dass selbst wir als sogenannte Inländer schon Verständnisschwierigkeiten haben.
Ich will nicht alle Argumente noch einmal wiederholen, weshalb es so wichtig ist, auf diesen Punkt hinzuweisen. Ich habe selbst meine eigenen Erfahrungen gemacht, als ich mich für Bürgerinnen und Bürger beim Schulinformationszentrum eingesetzt habe. Da ging es nur – in Anführungsstrichen – darum, im Ausland erworbene Hochschulzugangsberechtigungen anerkennen zu lassen. Ich wurde jeweils mindestens dreimal zur Universität geschickt.
Ich hatte die Situation als relativ einfach eingeschätzt, wurde aber hinund hergeschickt von der Universität zurück in die
Hamburger Straße, von dort wieder zurück und dann wieder zurück in die Hamburger Straße. Das hat mir noch einmal gezeigt, dass hier Handlungsbedarf besteht.
Das Hamburg Welcome Center kommt nicht nur in diesem Antrag vor, sondern auch im Antrag von vor einem Jahr und muss aus meiner Sicht die zentrale Verwaltungsfunktion und Anlaufstelle in dieser ganzen Angelegenheit einnehmen. Daher halte ich die Forderung für sehr sinnvoll, dass sich das Hamburg Welcome Center um diese Fragen und um die Beratung kümmern soll und finde den Vorstoß deswegen auch unterstützenswert.
Das Hamburg Welcome Center muss die Institution werden, an die sich alle wenden sollen und es muss Hauptansprechpartner sein und ein Netzwerk um sich herum bilden. Es gibt aber noch eine ganze Reihe von Schwierigkeiten, die wir lösen müssen. Vorhin wurde schon gesagt, dass von den 168 Anträgen auf Anerkennung im Berufs- und Bildungsbereich – mir liegt eine Antwort auf eine Anfrage der GAL-Fraktion aus dem Jahr 2006 vor – nur neun positiv beschieden wurden und 120 dieser Anträge stammen von Antragstellern, die Nicht-EU-Ländern angehören. Aber es heißt, alle Bundesländer – das ist wiederum eine Antwort auf eine Kleine Anfrage, die wir einmal gestellt hatten – bewerten ausländische Abschlüsse nach einheitlichen Kriterien, die Hamburger Bewertungen haben bundesweit Gültigkeit. Weiter heißt es, dass die EU-Zugehörigkeit für das Anerkennungsverfahren keine Rolle spielt, wohl aber die europäische Konvention über die Gleichwertigkeit der Reifezeugnisse des Europarats von 1953, der zahlreiche Länder, nämlich 46 aus dem europäischen Raum, beigetreten sind. Das zeigt, dass es Ländersache ist und Hamburg das allein richten kann. Der Senat kann initiativ werden und Lösungen herbeiführen und muss an der Stelle nicht auf die Entscheidungen auf Bundesebene warten.
Das hat auch Auswirkungen auf all diejenigen, die noch nicht sehr viele Jahre hier leben, vielleicht im Rahmen der neuen Bleiberechtsregelungen geduldet sind, auch akademisch ausgebildet sind und, salopp ausgedrückt, loslegen könnten, wenn man sie denn ließe; da trifft der Vergleich schon zu. Es gibt viele akademisch ausgebildete Taxifahrer oder medizinisch ausgebildete Fachkräfte, die keinen adäquaten Job finden dürfen. Könnten täten sie es wahrscheinlich schon, aber sie dürfen nicht. Das ist ein Zustand, den wir unbedingt ändern müssen, und Hamburg hat es in der eigenen Hand.
Einerseits fordern wir von den Menschen, die unter die Bleiberechtsregelung fallen, dass sie den Vorgaben Folge leisten, die wir ihnen stellen, damit wir ihren Aufenthalt verlängern können. Allerdings tun wir nicht das, was wir tun könnten, um ihren Aufenthaltsstatus zu sichern, nämlich ihnen einen ad
äquaten Job zu ermöglichen. Qualifizierte Menschen – das ist so, auch wenn das einige nicht wahrhaben wollen, das ist nicht unüblich – sollten eine Chance erhalten, über den Prozess der Anerkennung und der notwendigen Zusatzqualifizierung ihren erlernten Job ausüben zu dürfen. Dass wir junge Menschen brauchen, die unser Land und unser System kennen und auch bereichern, wird niemand ernsthaft bestreiten können.
Das hat auch Auswirkungen auf ein Phänomen, das wir aus anderen Zusammenhängen kennen, dass die soziale Herkunft von Kindern oft entscheidend für den schulischen, akademischen und damit auch für den beruflichen Werdegang ist. Das führt zu dem Schluss, dass Kinder dieser Familien genau diesem Risiko ausgesetzt sind. Akademisch ausgebildete Eltern, die irgendwann vor einigen Jahren hierher gekommen sind, aber nicht den erlernten Job ausüben dürfen, laufen Gefahr, ihren Kindern nicht den Aufstieg zu ermöglichen, der im Normalfall möglich wäre.
Viel mehr Menschen, seien wir da mal ganz ehrlich, auch wenn das an der Stelle nicht alle wahrhaben möchten, die vor einigen Jahren zugewandert und auf Transferleistungen angewiesen sind, wollen ein selbstbestimmtes Leben führen. Sie wollen keine staatlichen Hilfen, sie wollen unbedingt raus aus dieser nicht gewollten Obhut, um es einmal so zu formulieren, um unabhängig zu sein und aus eigenen Kräften ohne staatliches Zutun leben zu können. Um das Bild zu korrigieren: Die Menschen, die hierher kommen – das tun sie nicht immer freiwillig, das muss man dazu sagen –, die sich dazu entschlossen haben, mit ihren Familien hier ein eigenständiges Leben zu führen, wollen sich nicht, nur weil wir sie nicht lassen, mit Transferleistungen abspeisen lassen.
Meine Damen und Herren! Der Antrag bedeutet – deswegen unterstützen wir ihn grundsätzlich – eine systematische Prüfung der Vergleichbarkeit um Teilanerkennung, um konkrete Angebote zur Nachqualifizierung. Sie wollen prüfen, da besteht Konsens, aber bis wann und wer soll prüfen. Ich kann mich erinnern, dass Frau Machaczek vor einem Jahr – sie ist nicht ans Rednerpult gegangen, das werfe ich Ihnen auch nicht vor – die Behörde für Wissenschaft und Forschung aufgefordert hat, gemeinsam mit den anderen Fachbehörden zu prüfen, welche Maßnahmen zur Vereinfachung der Anerkennung ausländischer Abschlüsse von Zuwanderern ergriffen werden können; das haben Sie gesagt, das steht im Plenarprotokoll. Das ist jetzt ein Jahr her und warum kommen Sie nicht hierher und sagen, was dabei herausgekommen ist, denn Sie haben vor einem Jahr gesagt, das solle bereits in den nächsten Tagen besprochen werden. Ein Jahr hat 365 Tage und ich glaube nicht, dass Sie die kompletten 365 Tage gemeint haben.
Wir finden den Antrag gut, ich habe aber das Gefühl, schon wieder soll ein bisschen Show herhalten, ein bisschen in der Community geworben werden, wie weltoffen und wie bereit Sie doch seien und welche Pflöcke Sie einschlagen würden. Das ist aber schon ein Jahr her und ich möchte sehen, dass Ihren vollmundig angekündigten Worten auch Taten folgen.
Das mag mir vielleicht diese Seite nicht ganz abnehmen, aber man sollte nur das sagen, was man wirklich meint. Hamburg Welcome Center heißt so etwas wie Willkommenscenter und das setzt eine Mentalität der Ehrlichkeit voraus, dass man das auch wirklich so meint, dass man die Menschen einlädt, die hierhergekommen sind, sich so schnell wie möglich zu integrieren, und das geht nicht nur über Sprache, über Bildung, sondern es geht auch über wirtschaftliche Integration.
Deswegen wäre die Aufklärungskampagne, für die Sie sich vor einem Jahr eingesetzt haben, dringend notwendig gewesen, eine Werbekampagne, wie Sie sie auch für Einbürgerungen fordern, um zusammen mit den Kammern deutlich zu machen, welche Bedingungen man erfüllen muss, wohin man gehen muss, wenn man hierher kommt, fachlich qualifiziert ist und ein Diplom in der Tasche hat, wer einem behilflich sein kann.
Auch die in dem Antrag von vor einem Jahr erwähnte vielsprachige Broschüre wäre ein geeignetes Mittel gewesen, sie den Unternehmern, den Kammern in die Hand zu geben und zu sagen, ihr könnt euch auch nach qualifiziertem Personal aus dem Ausland umsehen und ihr wisst von vornherein, was ihr machen müsst. Deswegen wäre ein Hamburg Welcome Center, in dem all diese Dinge erledigt werden, wo man nicht von Pontius zu Pilatus geschickt wird, sondern genau weiß, hier sind Menschen, die mit Rat und Tat diese Formalitäten innerhalb von wenigen Wochen erledigen können, angebracht gewesen.
Zum Schluss möchte ich nur noch anmerken, dass die Anerkennung von interkulturellen Fähigkeiten – ich weiß nicht, ob der Begriff schon gefallen ist – nicht nur bei Zuwanderern, die erst vor einigen Jahren hierhergekommen sind, angezeigt ist, sondern auch bei denjenigen, die hier geboren wurden und aufgewachsen sind und mehrere Sprachen sprechen, mehrere Kulturen kennen.
Auch die stellen die Personengruppe dar, die wir fördern sollten und die auch eine Bereicherung im wirtschaftlichen Leben darstellen.
Wir unterstützen diesen Antrag und wollen ihn im Sozialausschuss, weil Sie selbst sagen, es müs
sten viele Fragen geprüft werden, noch einmal beraten. Alle übriggebliebenen Fragen wollen wir klären, aber dann würden wir auch ganz gern zur Tat schreiten und nicht in einem Jahr wieder denselben Antrag diskutieren. Wir machen unsere Hausaufgaben, wenn Sie wollen, machen Sie einfach mit. – Danke.
Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Yildiz.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Heintze, ich muss zunächst einmal feststellen, dass Sie der Einzige sind, der hier ausgewichen ist. Sie sind maximal ein einziges Mal darauf eingegangen, weshalb Sie notorisch gegen Mehrbeteiligung der hier lebenden Menschen, Mitbürger sind, die keinen deutschen Pass haben. Sie werfen Herrn Yildiz vor, nicht auf seinen eigenen Antrag eingegangen zu sein. Das ist völliger Humbug, das muss ich erst einmal zurechtweisen.
Sie sind nicht darauf eingegangen. Der Einzige, der es nicht gemacht hat, sind Sie.
Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass irgendein CDU-Abgeordneter es irgendwann einmal begreift, dass wir nicht für mehr Teilhabe am politischen Willensbildungsprozess kämpfen, weil wir die Menschen am Ende belohnen wollen, dass sie sich ganz brav integriert haben, sondern wir haben in Hamburg in der zweitgrößten Stadt Deutschlands ein massives Integrationsproblem. Das löst auch nicht der Integrationsbeirat.
Wir müssen Überlegungen anstellen, wie wir die Menschen dazu bekommen – dass es ein zweiseitiges Unterfangen ist, ist klar –, sich dazugehörig zu fühlen und dazu gehört auch, ihnen das Signal auszusenden, ihr seid willkommen und nicht am Ende des Sandkastens mit der Möglichkeit des kommunalen Wahlrechts zu winken.
Ich sage ganz offen, dass ich bei Ihnen die Hoffnung aufgegeben habe. Sie werden das nie be
greifen. Aber ich bin gespannt, wie sich dazu neuerdings die GAL positionieren wird.
Das kommunale Wahlrecht ist nicht das einzige Instrument, aber ein sehr wichtiges Instrument für Integration. Wir haben den Blick ins europäische Ausland gewagt. 16 EU-Staaten haben bereits Ausländern aus Nicht-EU-Staaten das kommunale Wahlrecht zugesprochen. Es sind nicht selten Länder, von denen wir uns in Sachen Integration durchaus etwas abgucken können. Natürlich nicht alles, aber doch einiges. Sie haben Mut bewiesen und wurden dafür auch belohnt, zum Beispiel durch eine wesentlich höhere Einbürgerungsquote. Ich würde mir wünschen, dass Sie das verstehen.
Kommunales Wahlrecht auf der einen Seite und zusätzlich höhere Einbürgerungsquoten. Alle europäischen Länder, die das kommunale Wahlrecht den Nicht-EU-Bürgern zubilligen, haben höhere Einbürgerungsquoten als hier. Das kommunale Wahlrecht und das Werben für mehr Einbürgerungen sind demzufolge keine Gegensätze. Da würde ich mir ein bisschen mehr Mut von Ihnen wünschen.
Es ist ein sinnvoller Schritt zu mehr gemeinsamem Handeln, zu mehr politischer Teilhabe. Ich bin – das sage ich noch einmal ausdrücklich – ganz klar, meine erste Kampagne ist immer mehr Einbürgerung, Leute nehmt die deutsche Staatsbürgerschaft an, aber ich will nicht diejenigen bestrafen, die seit zwei, drei Jahrzehnten hier leben, vielleicht einen Zwischenschritt benötigen und teilhaben wollen an dem kommunalen Wahlrecht, weil ich nicht glaube, dass das kontraproduktiv für diese Gesellschaft, sondern im Gegenteil sehr produktiv ist. Ich glaube, dass wir von diesem Parlament aus – und das ist selbstverständlich auch eine Sache, die von einem Landesparlament ausgehen muss, Rheinland-Pfalz hat es vorgemacht, Berlin auch –, ein Signal aussenden müssen, dass diese Menschen, die hier seit mehreren Jahrzehnten wohnen, ihre Steuern zahlen, ihren Pflichten nachkommen, auch willkommen sind und am politischen Willensbildungsprozess teilnehmen sollen.
Im Jahre 2003 wusste die CDU noch nicht, wer von den 230 000 Menschen ohne deutschen Pass in Hamburg die objektiven Einbürgerungskriterien erfüllt hat und wer nicht. Noch vor einem Jahr haben Sie von Einbürgerungskampagnen gesprochen. Ich glaube nur das, was ich sehe, und das sind völlig überlastete Einbürgerungsstellen in Hamburg, wo ein Sachbearbeiter bis zu 300 Einbürgerungen bearbeiten muss und Wartezeiten von 18 Monaten zustande kommen. Von einer Einbürgerungskampagne habe ich bis dato noch nie etwas gesehen, nur ab und zu einmal etwas gehört.
Wir haben in Sachen Integration Defizite. Das ist überhaupt keine Frage. Wir haben es in der letzten Woche in PISA gesehen, wir haben im Bildungsbereich Defizite, im Arbeitsmarkt. Das bedeutet, dass Integration eine Querschnittsaufgabe ist. Ich will aber auch nicht so tun als hätten wir in Hamburg Verhältnisse wie in manchen europäischen Metropolen, wo Hunderttausende von Menschen nebeneinander leben und nicht miteinander, wo sich Enklaven gebildet haben, aber auch in Hamburg haben wir ein Problem mit mehreren zehntausend Menschen, mit sehr vielen Menschen, die abgehängt sind, die nebeneinander leben und sich alles andere als integriert fühlen in dieser Gesellschaft. Es ist nicht so, dass all die, die eine Zuwanderungsgeschichte haben, glauben, dass seien immer nur die anderen, die bösen Deutschen, die uns nicht integrieren wollen. Nein, das ist nicht so, sondern sie sind durchaus selbstkritisch und sehen, dass sie auch Versäumnisse haben und sich an einigen Stellen vielleicht viel zu wenig bemüht haben. Wir wollen mehr dafür tun, dass wir zusammenwachsen. In der zweitgrößten Stadt Deutschlands darf nichts mit der Begründung abgelehnt werden, macht erst mal, dann gucken wir mal und dann belohnen wir euch, aber wie, das wissen wir heute noch nicht genau.
Viele Zuwanderer erkennen durchaus eigene Versäumnisse und wir müssen ihnen die Möglichkeit geben, gemeinsam an einem Haus Hamburg zu arbeiten und ihnen die Hand ausstrecken und ihnen die Möglichkeit dazu geben, an den Stellen die Lücken zu schließen. Ich glaube, dass das kommunale Wahlrecht oder die Zubilligung keine Wohltat ist, sondern es ist auch ein Gebot der Gleichbehandlung. 2001 erfolgten fast 10 000 Einbürgerungen in Hamburg. Heute haben wir die Situation, dass wahrscheinlich nicht mehr als 2500 Menschen eingebürgert werden. Die Einbürgerungsquote in Bremen ist sogar höher als in Hamburg. Das sind doch nun wirklich keine Erfolge, auf die man verweisen könnte.
Von den rund 230 000 lebenden Mitbürgern, die keinen deutschen Pass haben, leben 130 000 acht Jahre oder länger hier. Das sind Kriterien, die man aus meiner Sicht nicht einfach von der Hand weisen sollte. Es haben andere Bundesländer vorgemacht, dass man die Initiative von den Ländern ins Bundesparlament tragen muss. Rheinland-Pfalz hat es vorgemacht und Sie halten es hier noch nicht einmal für nötig, diese Anträge in den Ausschüssen zu beraten. Ich frage mich, nach welchen Kriterien Sie entscheiden, welches Thema in welchem Ausschuss behandelt wird. Was ist Ihnen eigentlich wirklich wichtig? Dass dieses Thema Ihnen überhaupt nicht wichtig ist, ist erschreckend und lässt tief blicken.
An die GAL gerichtet, will ich dringend dafür appellieren, dieses Thema ernst zu nehmen. Ich kann mich an Kollegen erinnern, die sehr viele Jahre für dieses kommunale Wahlrecht geworben haben. Ich würde gerne einmal wissen, was Sie jetzt sagen.
Ich kann es nicht mehr hören, dass uns ständig vorgeworfen wird, wir würden diese Anträge nur aus taktischen Gründen einbringen. Das erklären Sie mal all den Leuten, mit denen Sie dann sprechen werden, dass Sie diesen Antrag nur ablehnen werden, weil das nur Taktik hätte. Das ist Unfug. Ich kann vor solch einem Verhalten nur warnen, denn so langsam bekommt es jeder mit, dass Sie das eigentlich gar nicht wollen und nie gewollt haben. Die Menschen in dieser Stadt achten sehr wohl darauf, wer ihnen zu welchem Zeitpunkt welches Engagement versprochen hat. Das erinnern sie sehr wohl. Deshalb, liebe Kollegen, kommen Sie aus Ihrer Wagenburg heraus.
Das ist nicht albern. Dass Sie das Thema albern finden, haben Sie ja bewiesen. Kommen Sie aus Ihrer Wagenburg heraus und seien Sie wirklich weltoffen und progressiv, wie Sie das überall, wo Sie auftreten, immer ankündigen. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielen Dank für die Gedankenhilfe, was so aus einem werden oder nicht werden kann, wenn man Frauen als Erzieher oder als Lehrerin hatte oder man sich in der Kita gewünscht hat, dass dort auch mal ein Mann Erzieher gewesen wäre. Es besteht überhaupt kein Dissens. Wir denken, dass es höchste Zeit ist, sich diesem Thema anzunehmen. Wir wundern uns allerdings, dass es mittlerweile der dritte Antrag mit nahezu identischem Tenor ist. Wir haben jetzt langsam mal so etwas wie einen Sachstandsbericht erwartet, denn es gab genug Gelegenheit, über dieses Thema zu reden. Ich kann mich daran
erinnern, dass es die GAL war, die im März 2007 das erste Mal einen Antrag eingebracht hat mit dem Titel "Reform der Ausbildung im Bereich der Frühpädagogik". Dieser Antrag ist von der CDU später im Wissenschaftsausschuss abgelehnt worden, begleitet mit den Worten von Herrn Beuß, dass es dann aber auch alles sei, was sie machen werden, nämlich diesen Antrag maximal an den Wissenschaftsausschuss überweisen und dann war es das.
Die CDU hat damals im Wissenschaftsausschuss den Antrag, der im Grundsatz genauso ist wie der jetzige Antrag, damit verabschiedet, dass Frühpädagogik bereits auf gutem Wege ist, brauchen wir nicht, haben wir schon, wo kommen wir denn da hin?
Herr Beuß, ich habe es nachgelesen. Frau Goetsch sagt, wie ich finde, zu Recht, dass die Dinge, die 2006 in der Enquete-Kommission beschlossen wurden, nach und nach abgearbeitet werden müssten. Das ist jetzt zweieinhalb Jahre her. Auch da könnte man mittlerweile verlangen zu hören, was aus den Zielen geworden ist, die darin gestanden haben. Was ist da passiert? Hat das etwas damit zu tun, dass Sie diesen Antrag, der sich im Kern nicht von den beiden Anträgen unterscheidet, die von der CDU abgelehnt worden sind, dass Sie jetzt sagen, wir müssen das mal wieder auf die Tagesordnung setzen, das hört sich gut an und wir reden einfach darüber, warum es so gut ist, mehr Männer in Bildungsberufen zu haben, aber wir reden nicht darüber, was dabei im Ergebnis herauskommen soll.
Im zweiten Antrag, den wiederum die CDU abgelehnt hat, ist unter Punkt 4 die Aufforderung:
"Der Senat wird aufgefordert, eine Werbekampagne zu konzipieren, mit deren Hilfe junge Männer und junge Menschen mit Migrationshintergrund zur Aufnahme eines Frühpädagogik-Studiums beziehungsweise zur Teilnahme an der Erziehungsausbildung motiviert werden sollen."
Davon ist in diesem Antrag – und insofern unterscheidet er sich ein wenig – überhaupt nicht die Rede. Auch da wundere ich mich. Hier werden eine Reihe von Absichten erklärt, aber es wird nicht dargelegt, wie diese Ziele verfolgt werden sollen. Lediglich der Senat wird beauftragt, irgendwann einmal Bericht zu erstatten.
Sie fordern:
"geeignete Maßnahmen zur Erhöhung des Anteils männlicher Mitarbeiter mit Migrationshintergrund in Einrichtungen der Jugendhilfe, Schule und Kita sowie den Beratungsstellen."
In derselben Debatte im Juni 2008, auch wiederum ein Antrag der CDU, erklärte Egbert von Frankenberg, dass die Frage ist, wo man letztendlich anfängt. Fängt man in der Kita oder in der Schule an, müssen die Hilfesysteme weiterentwickelt werden? Dann schließt er mit dem sehr hilfreichen Satz ab, das seien alles Gedanken, die man sich machen muss, weil es sehr viel mit Denken zu tun hat. Wir können mittlerweile erwarten, dass das Denken irgendwann einmal zu irgendeinem Ergebnis geführt hat. Wir erwarten jetzt, dass Sie uns berichten, was bisher passiert ist. Ansonsten beantragen wir die Überweisung. – Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Machaczek, der Antrag ist nicht komplex, das macht ihn aber nicht gut. Wir unterstützen die Idee, die dahinter steckt. Ich glaube, dass es wichtig ist, in der zweitgrößten Stadt Deutschlands nicht nur bürokratische Maßstäbe anzusetzen, sondern auch menschliche und weitsichtige. Sie haben es, wie ich finde, auch richtig beschrieben, warum es wichtig ist für das Zusammenleben, warum es wichtig ist für Menschen, die hier mehrere Jahre und vielleicht auch viele weitere Jahre hier leben, in den Genuss solcher Deutschkurse zu kommen. Ich verstehe nur nicht, warum nicht – und das kann auch schnell gehen, das muss nun nicht lange dauern – im Sozialausschuss auch über die Details geredet werden kann. Das ist doch auch wichtig, damit man es von vornherein richtig macht. Ich habe eine bisschen das Gefühl, dass es Sie langweilt, über solche Detailfragen zu sprechen.
Ich halte es aber für wichtig, so etwas von vornherein richtig zu machen.
Welche Personengruppen sind im Einzelnen gemeint? Es tut mir leid, ich bin auch nicht Anhänger von sehr komplexen Anträgen, wenn man es auch kurz machen kann, aber das wird aus diesem Antrag aus meiner Sicht nicht ganz deutlich. Wie wird das finanziert? Darf man vielleicht einmal in einem Nebensatz darüber reden und wann wird darüber Bericht erstattet? Gibt es irgendwann einen Bericht, ob die Kursangebote zusätzlich noch angenommen worden sind oder nicht. Sie haben eher salopp gesagt, dass das ein bisschen dauert, um das an den Mann oder die Frau zu bringen. Ich denke, das ist zu wenig, wenn man solch einen Antrag auf den Weg bringen möchte.
Sie haben das Thema Kita-Plätze angesprochen, auch eine feine Sache. Nur ist das regelhaft? Wer
den jetzt, wenn die Eltern, die Mutter oder der Vater Kita-Plätze beantragen, soziale Maßstäbe angesetzt? Viele von denen, die jetzt zuhause sind, haben keine Arbeit. Nach meinem Dafürhalten hat das bisher sehr oft dazu geführt, dass sie nicht in den Genuss von Kita-Plätzen gekommen sind. Ich habe das Gefühl, das absichtlich wenig Konkretes zum Besten gegeben werden soll, weil man sich nicht der Gefahr aussetzen möchte, kritisiert zu werden. Es sieht mir ein bisschen nach einer Luftnummer aus, obwohl die Idee, die dahinter steckt, gut ist und wir sie unterstützen. Lassen Sie uns aber noch einmal im Detail darüber in dem Ausschuss reden, in dem man darüber reden sollte, nämlich im Sozialausschuss. Ich glaube, dass wir dann gemeinsam zu dem Ziel kommen, das wir unterstützen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will es nur noch einmal wiederholen, weil ich glaube, dass das notwendig ist. Frau Möller, Sie haben betont, wie wichtig es ist. Das ist auch alles richtig, auch das, was Frau Machaczek gesagt hat. Ich verstehe nur nicht, warum Sie darüber nicht reden wollen, ob das nun jetzt oder in einem Monat im Ausschuss umgesetzt wird. Sie sagen, man könne nächstes Jahr einmal sehen, was daraus geworden ist und dann könnte man irgendwie nachsteuern. Ja, wo dann? Wird es dann im Ausschuss beraten? Ich weiß gar nicht, warum Sie vor solch einer Diskussion Angst haben. Auch zu der Finanzierungsfrage haben Sie nichts gesagt oder ich habe es verpasst.
Dann spreche ich Sie gleich noch einmal an. Aber ich verstehe nicht, warum wir darüber nicht im Sozialausschuss reden können. Ich finde das ziemlich schwach.
Und fanden Sie das gut?
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr von Frankenberg, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, Sie hätten sich keine Gedanken gemacht und seien selbst ein wenig erstaunt gewesen, in welch bedrohlicher Situation Morsal O. gewesen ist, dann muss ich mich wirklich fragen, was Sie in all den Jahren gemacht haben. Ich habe mir sagen lassen, dass Sie Sprecher Ihrer Partei im Sonderausschuss Jessica waren. Ich frage mich, was Sie eigentlich noch hätten erleben müssen, um zu der Einschätzung zu kommen, hier wurde falsch eingeschätzt.
Frau Blömeke, wenn Ihnen schlecht wird, weil wir unseren Beitrag im Parlament leisten wollen aufzuklären, dann müssen Sie entweder den Raum verlassen oder selbst dazu beitragen, die im Raum stehenden Fragen zu beantworten.
Das ist so, auch wenn Ihnen das nicht gefällt und auch, wenn Sie eine Koalition eingegangen sind; trotzdem müssen die Fragen geklärt werden.
Herr Wersich, Sie haben recht, wenn Sie von Ambivalenz reden. Das ist aber kein Phänomen, das nur Mädchen mit Migrationshintergrund vorbehalten ist, die irgendwann woanders geboren wurden, mit ihrer Familie hierhergekommen sind und die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen haben. Viele Ehefrauen, die von den Männern geschlagen werden, kehren nicht selten immer wieder zu ihren Männern zurück, weil es diese Ambivalenz gibt. Ich sage das, weil es kein neues Phänomen ist, keine Erklärung dafür,
dass Sie sich hier weigern, die Fragen zu beantworten, und uns umgekehrt den Vorwurf machen, wir würden diese Fragen politisch ausschlachten wollen; das ist eine Ungeheuerlichkeit.
Ich weiß, dass Ihnen diese Frage nicht gefällt, aber es bleibt dabei. Was muss eigentlich einem Mädchen mit 16 Jahren noch widerfahren, Herr Wersich? Sie hat nicht nur einen Monat vor ihrem Tod, sondern mindestens zweieinhalb Jahre ein Martyrium erlebt. Ich weiß, dass Ihnen das auch nicht gefällt.
Sie hat zweieinhalb Jahre ein Martyrium erlebt und es geht nicht um diesen einen Monat, in dem vielleicht, vielleicht aber auch nicht der Bruder in Erscheinung getreten ist. Es ist doch skandalös zu sagen, er sei einen Monat vorher noch nicht in Erscheinung getreten gewesen, also hätte man nichts tun können. Sie hat zweieinhalb Jahre gelitten, mal mit, mal ohne Beteiligung der Familienmitglieder. Mal ist der Sohn mit dem Messer in der Tasche auf sie losgegangen, mal hat der Bruder sie festgehalten und zum Schluss ist ihr ein Schneidezahn abgebrochen worden. Zwei Tage vorher wurde sie medizinisch untersucht. Das sind doch Hinweise genug, um klar festzustellen, hier geht es nicht um diesen einen Monat vor ihrem Tod, sondern hier geht es um eine ganze Zeit lang und man sich aus unserer Sicht schon die Frage stellen muss, hätte die Behörde, hätte der Staat nicht den Mut aufbringen müssen, die Schwelle der Familie zu überschreiten
und zu sagen, das Sorgerecht teilen wir uns, aber das Aufenthaltsbestimmungsrecht haben wir.
Sie versuchen – taktisch völlig unzureichend, das nur nebenbei –, hier eine Blackbox aufzubauen: Das sind zwar deutsche Staatsbürger, die kommen aber von woanders her, Integration, kulturell anderer Hintergrund, da weiß man nicht so genau. Ich sage Ihnen ganz offen: Wenn jemand das eigene Familienmitglied wiederholt mit dem Tod bedroht, dann interessiert mich zunächst nicht, woher sie kommt und welche Beweggründe vielleicht aus kultureller Sicht dahinterstecken mögen, sondern mich bewegt zunächst einmal die Frage, wie kann ich dieses Mädchen vor weiterer Gewalt, vor dem Tod schützen. Und wenn Sie sagen, von nun an wird ein Worst-case-Szenario zugrunde gelegt, dann frage ich mich doch, was muss eigentlich noch passieren, damit nicht nur von nun an, sondern in der Retrospektive die Einsicht einmal gezeigt wird. Hier hätte schon längst ein Worst-case-Szenario zugrunde gelegt werden müssen, und zwar nicht nur einen Monat vor ihrem Tod, sondern zweieinhalb Jahre vorher.
Wann muss die Behörde eigentlich einschreiten, wenn es offensichtlich einen Bruder gibt, der schon jahrelang außer Rand und Band gewesen ist, bei dem das Messer ganz locker in der Tasche saß? Mal hat er an einer roten Ampel jemandem das Bein aufgeschlitzt, mal ist er auch in Untersuchungshaft gewesen. Was muss eigentlich noch passieren, um festzustellen, dass wir diesen Bruder nicht kontrollieren können? Vor den Augen der Polizei wird das Mädchen ein ums andere Mal zusammengeschlagen. Der Bruder wird nicht in Gewahrsam genommen. Aber auch Ihre Erklärung im Nachhinein, warum Morsal nicht untergebracht wurde – vielleicht auch gegen ihren Willen –,
weil das dann etwas mit Schutzhaft zu tun gehabt hätte, zeigt noch einmal ganz deutlich, dass Sie mit der Situation völlig überfordert sind und das Einzige, was Ihnen einfällt, ist, wir würden das politisch ausschlachten.
Frau Güclü, ich weiß nicht, was Sie gelesen haben, ich habe hier noch nie eine Debatte über Abschiebung oder Abschiebehaft entfacht, darum geht es nicht. Das zeigt aber noch einmal ganz deutlich, dass Sie nichts verstanden haben und auch gar nicht verstehen wollen.
Herr Senator, Sie haben völlig richtig gesagt, wir müssen Migrantenorganisationen einbinden. Ich frage mich, wo denn in Ihrer Debatte die Forderung, die Sie im Wahlkampf nicht müde wurden von uns zu kopieren, nach dem Integrationsbeauftragten auftaucht, der auf Staatsratsebene beim Bürgermeister angedockt sein soll. Wo ist die Forderung nach jemandem, der vielleicht den Überblick bewahren kann? Frau Güclü, ich weiß nicht, warum Sie sich dagegen wehren. Sie haben diese Forderung neben mir auf Podiumsdiskussionen ein ums andere Mal aufgestellt und heute wollen Sie damit nichts mehr zu tun haben.
Expertenrat soll einbezogen werden. Diese Migrantenorganisationen, die Sie in keiner Erklärung, auch nicht in Interviews, mal beim Namen genannt haben, kennen Sie wahrscheinlich gar nicht so richtig. Die Einzige, die sie vielleicht kennen würde, wäre Frau Özkan, aber die möchte lieber Wirtschaftspolitik machen, das verstehe ich, das ist auch in Ordnung. Aber fragen Sie uns vielleicht einmal, mit wem Sie reden können. Wo ist eigentlich der Integrationsbeirat, den Sie konsultieren wollten, den es ja gibt?
Ich weiß, dass Ihnen das nicht gefällt, Sie kreisen immer um die eigentliche Frage herum: Wie konnte es sein, dass einem jungen Mädchen, das so viel Gewalt erleiden musste, trotzdem nicht geholfen wurde. Wir schlachten das nicht parteipolitisch aus,
sondern stellen diese Fragen. Die sind Ihnen unangenehm, aber wir müssen trotzdem diese Fragen klären.
Ich habe keinen Grund, meine Aussage zurückzunehmen. Dieser Senat, diese Koalition taktiert, täuscht und trickst, aber wir werden dranbleiben.