Protocol of the Session on May 31, 2006

Das finde ich hochinteressant. Wenn dann ein renommiertes Wirtschaftsberatungsunternehmen, wie beispielsweise Ernst & Young, eine Studie erstellt, dann ist Ihnen das nicht ein einziges Wort der Erwähnung wert. So ist Ihre Marketingstrategie für diese Stadt und für die Politik, die Sie betreiben. Das ist nämlich auch Marketing für Sie selbst. Über alles, was Ihnen ins Zeug passt, reden Sie lang und breit,

(Barbara Ahrons CDU: Entscheidend ist, was hin- ten rauskommt!)

aber über Dinge, die Ihnen nicht passen und bei denen Sie das Gefühl haben, hier kommt jemand vielleicht dem zu nahe, was wirklich in der Stadt passiert, decken Sie den Mantel des Schweigens darüber. Das ist unsere Kritik an Ihrer Strategie, die nur auf das Schönreden und auf das Marketing ausgerichtet ist.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Ich will jetzt nicht nacheinander alle negativen Punkte aus dieser Studie herunterbeten, was Sie vielleicht von mir erwarten. Das wäre genauso langweilig, Herr Senator, wie Ihr Vortrag von soeben.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Ich möchte nur einen einzigen Punkt herausgreifen, weil ich den wirklich für zentral halte. Wenn die 20 befragten Hamburger Unternehmen in dieser Studie erklären, dass Hamburg den vorletzten Platz bei der Frage der qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter belegt hat, dann sollten bei Ihnen die Alarmglocken schrillen und Sie sollten merken, dass in den letzten vier Jahren offenbar etwas ganz schrecklich schief gelaufen ist und Sie dabei sind, gerade die Zukunftschancen für diese Stadt zu verspielen.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, dass diese Tendenz, die sich auch gestern im Haushaltsausschuss wieder gezeigt hat, nicht mehr in die Menschen zu investieren mit Qualifizierungsmaßnahmen, mit Maßnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt, um die Chancen für jeden einzelnen zu verbessern, sondern statt dessen in die Wirtschaftsförderung zu investieren, der falsche Weg ist. Ich habe nichts gegen Wirtschaftsförderung, aber ich habe etwas dagegen, wenn man das eine gegen das andere stellt. Sich auf Wirtschaftsförderung zu konzentrieren und mit dem Geld, das zur Qualifizierung vorgesehen war

(Zuruf von Barbara Ahrons CDU)

dazu sage ich gleich etwas, Frau Ahrons –, einen bunten Strauß von Wirtschaftsförderungsprojekten zu finanzieren, ist der falsche Weg.

Sie müssen sich vorwerfen lassen zu kapitulieren. Sie nennen die Zahl der neuen Beschäftigungsplätze in Hamburg; das ist eine gute Zahl. Was Sie nicht nennen, ist die Zunahme der Langzeitarbeitslosigkeit im gleichen Zeitraum. Sie sagen nicht, dass wir alleine im letzten Monat – ich möchte da exakt sein – in Hamburg 3186 Langzeitarbeitslose mehr hatten. Mehr als 3000 Menschen sind Ihnen keine Erwähnung wert. Das große Problem mit diesem Senat ist, dass er dieses Problem einfach nicht als seine Aufgabe ansieht. Sie laufen dem Irrglauben nach, wenn man an der einen Schraube drehe und so ein hübsches Boomen in Hamburg habe, dann werde das mit den Arbeitsplätzen und der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit schon folgen. Sie begreifen nicht, dass Ihre Politik der Transmissionsriemen sein müsste, um das zweite Rad zu bewegen, nämlich die Qualifizierung der Menschen. Sie glauben, das eine folge automatisch aus dem anderen und Sie könnten sich zurücklehnen, wenn Sie an dem einen ein bisschen gedreht hätten. Dass nicht Sie es waren, die an vielen dieser Punkte gedreht haben, hat Herr Kerstan schon dargestellt.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Herr Uldall, Sie haben aus sozialdemokratischen Zeiten einen Haushaltstitel zur Bekämpfung der Arbeitsmarktpolitik geerbt. Wenn man so einen relativ gut gefüllten Titel erbt, dann sollte man das als eine Chance sehen, etwas für die Menschen zu tun, die sonst abgehängt werden und die Sie mit Ihrer Wirtschaft jetzt abhängen. Das ist eine Chance, vielleicht eine Qualifizierungsoffensive für die Menschen zu starten, und das führt mich dann zurück zu dem Gutachten, denn genau das würde Grundlagen für ein dauerhaftes Wachstum legen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Maier.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bundesrepublik erzielt im Moment riesige Exporterfolge bei zurückhaltender gesamtwirtschaftlicher Entwicklung. Wir sind Weltmeister im Export und wer profitiert wohl besonders, wenn die Bundesrepublik Weltmeister im Export ist? Naturgemäß die Hafenstadt Hamburg. Das heißt, die wirtschaftliche Schwäche, die wir als Republik insgesamt haben, nämlich eine schwache Binnenmarktentwicklung, wirkt sich für Hamburg weniger aus, weil wir durch die Logistikfunktion über den Hafen Globalisierungsgewinner sind. Das ist aber nicht Verdienst des Senats, sondern ein Vorteil, den wir mit der naturräumlichen Lage geerbt haben. Und alle Senate, solange es Hamburger Geschichte gibt, haben immer versucht, den Hafen auszubauen und zu halten. Es wäre also Bescheidenheit angesagt: Was einem in den Schoß fällt, das ist nicht geeignet, sich groß damit zu schminken.

Wenn es aber um die Frage geht, künftige Entwicklungen vorzubereiten, um nicht in eine Schwächephase zu geraten, denn naturgemäß läuft die Globalisierung und vor allen Dingen die Arbeitsteilung mit China nicht immer im gleichen Tempo weiter – kann ja gar nicht, so etwas spielt sich immer in Wellen ab –, dann ist tatsächlich das Hauptproblem in der Stadt nach wie vor eine Unterqualifizierung vieler Menschen, die hier leben. Wir haben eine niedrigere Akademikerquote in der Bevölkerung – bei den Erwerbstätigen weniger, weil die zum Teil von außen kommen – als andere große Städte. Das hat etwas mit unserer Ausbildungssituation insgesamt zu tun.

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, Frau Dräger sprach es eben schon an. Gestern ist im Haushaltsausschuss eine Drucksache besprochen worden, die der Wirtschaftssenator eingebracht hat: "Offensive für Arbeitsplätze". Es dreht sich um 7 Millionen Euro, die da bewegt werden.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Wirtschaftsförderung!)

Davon fließen 4,5 Millionen für Baumaßnahmen in den Hafen. Die 7 Millionen Euro sind Betriebsmittel. Damit könnte man, selbst wenn man die Arbeitsmarktpolitik in der gegebenen Form für nicht so erfolgreich hält, aber in Menschen investieren. Man könnte Geld für Kitas und Schulen nutzen oder man könnte nach wie vor Arbeitsmarktpolitik damit machen. Man kann damit wirklich Menschen besser qualifizieren.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Was macht dieses Genie von Wirtschaftssenator mit dem Gesamtsenat? Er versenkt 4,5 Millionen Euro davon in Beton, in den Hafen. Er hat aber schon 750 Millionen

Euro bis 2009 für den Hafen, das heißt, er hat irgendetwas an irgendeiner Betonecke vergessen und dann nimmt er Geld, das eigentlich für die Entwicklung von Menschen vorgesehen war, und versenkt von diesem Geld 4,5 Millionen Euro zusätzlich in Beton. Das halte ich für starr, für nicht zukunftsorientiert, für engstirnig im engsten Sinne.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Weil der Senator natürlich riecht, dass das nicht so gut ankommt, schreibt er in der Drucksache, es sei eine Investition in Arbeitsplätze. Dann teilt er mit, wie viele Arbeitsplätze da entstehen. Von diesen 4,5 Millionen Euro entstehen zunächst einmal 160 Arbeitsplätze im Einfacharbeitsbereich, also etwa 30 000 Euro für einen vorübergehenden Arbeitsplatz für niedrig qualifizierte Arbeit, für Langzeitarbeitslose. Und das soll zukunftsorientierte Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaftspolitik im ersten Arbeitsmarkt sein? Da lachen ja die Hühner.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das ist ausschließlich eine Tarnkappe dafür, dass an der starren, alten Orientierung in der Wirtschaftspolitik festgehalten wird. Dann hilft die große Reklametrommel nicht und irgendwann macht sich bemerkbar, dass wir eine Schwäche innerhalb der Qualifikationsstruktur unserer Arbeitskräfte haben. Das ist in Bremen in der Bevölkerungsstruktur übrigens ähnlich, das hängt auch dort mit der alten Tradition als Kaufmannsstadt zusammen. Früher sind nur die zweit- und drittschlauen Söhne in die Hochschulen geschickt worden, der Schlaueste musste die Firma übernehmen, es gab also immer eine Art Abwehr gegen Bildung und Wissenschaft. Wir leben heute unter anderen Bedingungen und das ist bisher in unserer Politik leider noch nicht angekommen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Pumm.

Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Da Frau Ahrons uns am Anfang der Sitzung indirekt zum Zeitunglesen aufgefordert hat, möchte ich noch ein Thema ansprechen, das Sie gar nicht erwähnt haben. Das ist auch angemessen, weil Bundeskanzlerin Merkel es auch zu ihrem Thema gemacht hat, nämlich dass in diesem Land 50 000 Ausbildungsplätze fehlen. In den Hamburger Zeitungen wurde auch darüber berichtet, dass 3300 Jugendliche einen Ausbildungsplatz suchen.

Diesem Thema muss man sich zuwenden und deswegen möchte ich unsere Schulsenatorin, Frau Dinges-Diergig, ansprechen, weil sie heute noch nicht ihr Fett wegbekommen hat, und ein paar Aussagen zu ihren Aufgaben machen.

(Michael Neumann SPD: Lachen Sie nicht!)

Sie werden heute in der "Hamburger Morgenpost" zitiert und sind zwar nicht für die Überschriften zuständig, aber die Überschrift ist schon toll und auch nicht verkehrt: "Sie müssen an sich glauben". Ich finde auch, dass die Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz haben, an sich glauben müssen, aber es reicht nicht aus.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie werden vom Journalisten der "Hamburger Morgenpost" gefragt, wo die Probleme liegen und da haben Sie

ein ganzes Spektrum von Problemen einfach ausgeblendet. Ich habe mich gefragt, warum Sie der "Hamburger Morgenpost" nicht sagen, dass in Hamburg nur 16 Prozent der Betriebe ausbilden. Warum sagen Sie nicht, dass die Kritik an den Schulabgängern immer dann in der Wirtschaft besonders laut wird, wenn die Wirtschaft nicht genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt? Warum sagen Sie nicht, dass Sie als Senat einen Ausbildungskonsens mit der Handelskammer und Handwerkskammer unterschrieben haben und Sie anscheinend der Verlierer des Konsenses sind, weil die Zusagen, die die Handelskammer und Handwerkskammer für die Wirtschaft gemacht hat, nicht eingehalten werden? Sie schaffen nicht genügend Ausbildungsplätze und das zeichnet sich auch in diesem Jahr wieder ab. Die Handelskammer hat nicht nur im Ausbildungskonsens Zusagen gemacht, sondern sie hat auch gesagt, wenn wir das Berufsschulsystem ändern, dann gibt es genügend Lehrstellen und jetzt stellen wir wieder einmal fest, dass sich die Misere fortsetzt.

Ich möchte Ihnen als CDU das nicht in die Schuhe schieben, weil auch Sie nur geringen Einfluss darauf haben. Aber ab 2002 geht die Zahl der Bewerber, die gemeldet werden, stetig zurück und daran müssen wir gemeinsam etwas ändern. Frau Dinges-Dierig, wenn wir eine wachsende Stadt haben wollen, wenn wir Wohlstand in der Stadt haben wollen, dann müssen wir Wohlstand für alle schaffen und das setzt natürlich voraus, dass wir auch genügend Ausbildungsplätze haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Senator Uldall, Sie verbreiten immer eine gute Stimmung in der Stadt, das ist auch gar nicht verkehrt, und reden überwiegend als Wirtschaftssenator. Ich wünsche mir, dass Sie mehr als Arbeitssenator sprechen, denn gerade da liegen unsere Probleme. Frau Dräger hat es schon angesprochen, es ist nichts Tolles, wenn im Wonnemonat Mai die Arbeitslosigkeit um 0,3 Prozent zurückgeht.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Aber bedrohlich ist, dass die Langzeitarbeitslosigkeit im Vergleich zum Mai 2005 um 31 Prozent gestiegen ist und in den letzten Jahren stetig weiter anstieg. Wie weit soll denn das noch gehen? Diese Menschen leben alle von Transferleistungen und das müssen wir mit einer aktiven Arbeitsmarktpolitik ändern.

(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch und Martina Gregersen, beide GAL)

Dann gibt es noch einen langfristigen Trend, den Sie als CDU wirklich im Auge haben müssten, wenn Sie lange regieren wollen. Es gibt seit zehn Jahren den Trend, dass immer weniger Menschen in Hamburg vom Erwerbseinkommen leben, und parallel dazu noch den ganz gefährlichen Trend, dass immer mehr Menschen von Transferleistungen leben. Das zeigt an, wie die Spaltung der Stadt voranschreitet. Als Arbeitssenator haben Sie die Pflicht, sich der aktiven Arbeitsmarktpolitik zuzuwenden und es nützt uns als Hamburgern wenig, wenn die Firmen sich Arbeitnehmer aus dem Umland holen. Wir haben dann das Problem der Arbeitslosigkeit in der Stadt und deswegen müssen wir uns in erster Linie an den Interessen derjenigen Menschen ausrichten, die uns auch wählen. Uns wählen keine Aktiengesellschaften, uns wählen keine GmbHs, sondern uns wählen die Wähler in dieser Stadt und denen gegenüber sind wir verpflichtet.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dees.

Keine Sorge, manche Wahrheit schmerzt halt ein bisschen, da muss man durch.

Sie singen das Hohelied erfolgreicher Maßnahmen in den letzten Jahren und das haben wir an dieser Stelle schon oft genug festgehalten. Das ist durchaus auch wichtig und Klappern gehört zum Handwerk. Doch wie viel Substanz steckt hinter den Ankündigungen und Marketingsprüchen unseres Arbeitssenators Uldall? Der Arbeitsmarkt dient hervorragend als ein Beispiel dafür, wie man aus Statistik und Zahlendreherei eine Erfolgsgeschichte baut, die es so gar nicht gibt. Es gibt kein Bundesland, das bei der Veröffentlichung seiner Zahlen zum Arbeitsmarkt so systematisch und konsequent die Wirklichkeit schönt.

Nehmen wir das Jahr 2004 und den Vergleich der absoluten Arbeitslosenquoten zum Vorjahresmonat, wo im eigenen Bundesland die Entwicklung im Vergleich zum Vorjahr aufgezeigt wird. Dort finden wir in den Pressemeldungen der BWA über vier bis fünf Monate das hohe Loblied, dass sich Hamburg angeblich vom Bundestrend in der Arbeitslosigkeit abgekoppelt hätte. Sie verschweigen dabei völlig, dass in Hamburg der konjunkturelle Verlauf immer schon abgeflachter war als in den anderen Ländern, wo die Konjunkturentwicklung im Sommer viel stärker aufwärts und im Herbst wieder abwärts geht. Wenn ich jetzt unsere eigenen Zahlen mit den Ländern vergleiche, in denen die Konjunktur über viele, viele Jahre viel stärker schwankt, dann schauen wir natürlich prozentual, da in Hamburg die Abschwächung nicht so stark erfolgt, besser aus. Das hat aber überhaupt nichts mit irgendeinem substanziellen Effekt am Arbeitsmarkt zu tun, sondern es ist eine reine Mogelpackung, die Sie uns da über viele Monate geboten haben.