Hans-Christoff Dees

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Last Statements

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe jetzt die Aufgabe, Sie wieder zurück in die Untiefen der Hamburger Arbeitsmarktpolitik zu führen. In der Arbeitsmarktpolitik werden diejenigen, um die wir uns kümmern müssen, erwerbsfähige Hilfebedürftige genannt. Von Januar 2006 bis heute sank in Hamburg die Zahl der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen von 146.725 auf 146.424. Das sind im Saldo in den letzten zwei Jahren sage und schreibe 301 erwerbsfähige Personen, die Sie aus Hartz IV herausgeführt haben. Das ist der Zeitraum, seitdem der Senat die Federführung in der ARGE hat und er sich über jeden Klee für 50.000 geschaffene Arbeitsplätze lobt,
ein Senat, der sich in allen Äußerungen der letzten zwei bis vier Jahre für jeden kleinsten Beschäftigungsanstieg lobt und keine Erklärung für diese Situation aufbringt. Der Senat lebt in einer anderen Welt und hat 146.000 Menschen vergessen.
Ich zitiere Senator Dr. Peiner aus der Sitzung des Haushaltsausschusses vom November 2006. Er hat sinngemäß gesagt: Wir müssen uns ernsthaft darüber unterhalten, dass wir in Hamburg trotz verbesserter konjunktureller Lage, trotz eines verbesserten Arbeitsmarkts immer mehr Hilfeempfänger haben. Diese Erkenntnis hat offensichtlich den restlichen Senat nicht erreicht.
Natürlich freuen wir uns über die 50.000 zusätzlichen Stellen in der Stadt. Vermutlich freut sich jeder von uns hier über seine gestiegenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Doch man kann nicht umhin festzustellen, dass wir nicht Arbeitsmarktpolitik machen, um Leuten wie uns bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu besorgen, sondern denjenigen, die echte Hilfe bedürfen. Das heißt, wir haben einen gespaltenen Arbeitsmarkt. Qualifizierte bekommen immer schneller einen Job, wenn sie arbeitslos werden. Die 146.000 Hilfebedürftigen und ihre Kinder, insgesamt 200.000, sind von der Bevölkerungszahl her so groß wie ein kompletter Bezirk in Hamburg. Es ist einfach zynisch, wenn Sie vor diesem Hintergrund schreiben, der Aufschwung erreiche alle Stadtteile in Hamburg.
Die Frage ist doch, was wir mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln gemacht haben. Sind die Menschen - nicht nur die, die wieder neu erwerbslos und hilfebedürftig geworden sind -, die in den Arbeitsmarkt gelangt sind, in den ersten Arbeitsmarkt integriert, haben sie eine sichere Beschäftigung gefunden? Da lohnt sich ein Blick in die Beschäftigungsstatistiken und die Große Anfrage. Dort finden wir auch den Grund, warum die Zahl der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die Zahl der Bedarfsgemeinschaften fast konstant geblieben sind, obwohl die Zahl der Langzeitarbeitslosen - in der Bun
desagenturstatistik sind das immer nur diejenigen, die schon einmal einen Job hatten und nicht die, die noch nie einen Job hatten oder die aus der Selbstständigkeit in die Arbeitslosigkeit geraten sind - leicht gesunken ist. Bei den Single-Bedarfsgemeinschaften sind zum Beispiel über 1.200 Erwerbstätige mehr in Minijobs als bislang, bei anderen Bedarfsgemeinschaften sind es 4.800 mehr. In diesem Zeitraum von zwei Jahren, der für Sie der relevante Zeitraum bei dem entsprechenden Beschäftigungszuwachs ist und den Sie feiern, sind auch die Ein-EuroJobs um 1.500 gestiegen und es kommen noch einmal 3.000 junge Menschen unter 25 hinzu, die noch nie Arbeit gefunden haben.
Das zeigt alles in allem, dass die echten Beschäftigungserfolge auf dem Arbeitsmarkt außerordentlich gering sind. Man kann sich nicht für diese 50.000 feiern lassen, ohne auf die prekäre Situation der anderen einzugehen. Schauen Sie sich Ihre eigenen öffentlichen Äußerungen an, Sie werden nie eine nähere Erläuterung dafür finden, was mit diesen ist.
Das heißt, Sie haben letztlich Politik für die Erfolgreichen gemacht, also für die, die es nicht wirklich brauchen; dabei hatten Sie die Federführung der ARGE. Schauen wir uns einmal an einem Beispiel an, was Sie daraus gemacht haben, was Sie in Eigenverantwortung ganz alleine hochgezogen haben, diese Ein-Euro-Jobs.
Seit dem letzten Jahr wissen wir etwas besser, was mit den Ein-Euro-Jobs passiert. Die Statistiken, die Sie uns liefern, stammen aus dem Zeitraum März bis November und dort haben die ARGEn 20 079 Aufforderungen zu Ein-Euro-Jobs an die betroffenen Hilfebedürftigen verteilt. 4.000 sind dem nicht nachgekommen, 763 konnten angesprochen werden und haben noch einmal eine neue Aufforderung erhalten. 1.800 verschwanden auf den Fluren der HAB, mit 14.178 wurde in persönlichen Gesprächen besprochen, was für sie vernünftige EinEuro-Jobs wären. 2.756 wurden von den Trägern abgelehnt, 816 - relativ wenige - haben für sich selber entschieden, einen Ein-Euro-Job abzulehnen. 9.189 haben am Ende einen Platz zugewiesen bekommen, 12,2 Prozent kamen nicht, 8.067 Personen haben einen Ein-EuroJob angetreten. Das sind 40 Prozent derjenigen, die Sie aufgefordert haben, einen Ein-Euro-Job anzunehmen und sich zu aktivieren. Jeder vierte Ihrer Träger lehnte aus irgendwelchen Gründen die Ein-Euro-Jobber ab und jeder zehnte Teilnehmer lehnte sie ab.
Und was ist mit allen anderen inzwischen passiert? Sie haben auf der Verwaltungsseite ein riesiges aufgeblasenes Potemkinsches Dorf hochgezogen, denn die Angebote mussten echt sein, die Träger konnten nicht nur etwas auf dem Papier schreiben, sondern mussten echte Maßnahmen finden, echte Kooperationspartner finden und sich bemühen, vernünftige Angebote zu machen. Da das nicht klappt, ist das ein wichtiger Grund für uns, warum wir nicht so viele Ein-Euro-Jobs wollen.
Aber das Entscheidende jenseits der Bürokratie, die Sie hochgezogen haben, ist, dass Sie fünfzig Prozent auf der Straße in einer Daueralimentation liegengelassen haben, um den Begriff von Senatorin Schnieber-Jastram aufzugreifen, und das ist der entscheidende Punkt. Die haben Sie nicht gefördert, die haben Sie nicht wieder angesprochen, die haben Sie nicht gefordert und sich
nicht für sie interessiert. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass die Sozialdemokratie vom linken Rand der Gesellschaft in der Öffentlichkeit massiv dafür kritisiert wird, dass sie den Arbeitslosen mehr zugemutet hätte, weil sie die Verpflichtung hatten, Arbeit auch nachzugehen, sich zu aktivieren, auch auf Ein-Euro-Jobs zu gehen, Sie aber in Wahrheit nur Scheinkulissen aufgebaut haben und sich auch ansonsten nicht gekümmert haben. Fragen Sie die Vermittler in den ARGEn, die hatten keine Zeit, keine Möglichkeit, kein System, auch nachdem Hamburg es übernommen hat, die hatten keine Ressourcen und nicht das Personal, sich wirklich um jeden Einzelnen zu kümmern.
Das ist ein Versagen Ihrer Arbeitsmarktpolitik. Es mag viele gute und manche schlechte Gründe geben, warum die eingeladenen Personen am Ende nicht gekommen sind. Man kann aber Arbeitsmarktpolitik auf einen ganz einfachen Kernpunkt bringen: Man muss sich um jeden Einzelnen kümmern.
Das ist die Erkenntnis in allen Ländern um uns herum, in denen sich erfolgreicher um Langzeitarbeitslose gekümmert wurde als bei uns.
Man muss sich auch um die Beschäftigten der ARGE kümmern. Auch die Beschäftigten der ARGE haben Sie vernachlässigt und der Gipfel ist, dass Sie jetzt die zurückkehrenden Beschäftigten aus dem Landesbetrieb Krankenhäuser nehmen und versuchen, sie in der ARGE unterzubringen, und zwar, indem sie nach einem vierzehntägigen Crashkurs dann Vermittler sein sollen. Dann wundern wir uns noch, dass das System ARGE und die Vermittlung nicht funktionieren; das kann nicht funktionieren.
Wir wollen die Kompetenz der Geschäftsführung stärken, wir wollen ihnen echte Personalhoheit geben, wir wollen die Qualifizierung der Beschäftigten stärken, wir wollen, dass eine vernünftige Kapazitätsplanung der Beschäftigten gemacht wird, dass sich die Betreuungsquoten in den einzelnen Standorten nicht teilweise um 50 bis 70 Prozent voneinander unterscheiden. Wir wollen, dass ein vernünftiges Qualitätsmanagement eingeführt wird, dass sich um die ARGE gekümmert wird. Sie haben die ARGE in irgendein Amt geführt, das Arbeitslose alimentiert, das sich aber nicht um Arbeitslose kümmert. Da Sie sich nicht gekümmert haben, werden Sie wahrscheinlich die Quittung dafür bekommen und wir Sozialdemokraten werden uns kümmern.
Die Anspannung von vorhin scheint sich ein bisschen gelichtet zu haben.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Jedes Jahr ergreift das Land ein seltsames Ritual, wenn sich im Frühjahr Politik, Gewerkschaften und Arbeitgeber über die Zahl der Ausbildungsplätze streiten und ob sie nun ausreichen oder nicht. Um von vornherein einem Missverständnis vorzubeugen, ist es natürlich eine gesellschaftspolitische Debatte. Für Hamburg bedeutet das, dass wir uns darum streiten, ob nun 8.000 oder 10.000 Auszubildende das richtige Niveau ist. Aber diese Debatte blendet leider viele Tausende aus, die überhaupt nicht gezählt werden, weil sie von der Bundesagentur nur als Rat suchend in das System eingetragen werden oder weil sie Altbewerber sind. In dieser Debatte geht es darum, den Blick auf diese zu schärfen und, wenn man sich die Zahlen anguckt, schockiert und sprachlos zu sein, wie es geschehen kann, dass über viele Jahre das, was da unter der Oberfläche geschieht, so zugelassen wird. Es gibt sehr viele Klischees und stereotype Erklärungen, die helfen, die Situation zu akzeptieren. Da wird für Hamburg gesagt, dass zu viele Auszubildende aus dem Ausland kommen, das mache die Konkurrenzsituation so stark oder die Auszubildenden sind zu teuer. Wenn man die Argumente auf ihre Stichhaltigkeit abklopft, bleibt davon nicht viel übrig. Vor allem lenken sie immer von dem einen wirklichen Skandal ab, dass wir 27.000 unter 25-jährige Erwerbsfähige haben, von denen vermutlich ungefähr die Hälfte keinen Hauptschulabschluss hat. Erlauben Sie mir den kurzen Exkurs, ohne
Sie jetzt mit zu langen statistischen Zeitreihen zu erschrecken und zu überfordern. Sie feiern sich angesichts der guten Wirtschaftslage für die Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt. Nebenbei bemerkt, wenn Sie sich die Zeitreihen angucken, exzellent sind Ihre Ergebnisse in dieser guten Zeit noch lange nicht. Aber schauen Sie einmal ganz genau hin, wie viele erwerbsfähige Hilfsbedürftige Sie in Hamburg über die letzten Jahre hatten. Sie werden sehen, dass die Zahl bei 143.000/144.000 stagniert. Obwohl unsere Arbeitslosenquoten zum Teil sinken, hat es hier keine Veränderung gegeben. Die Erklärung ist relativ einfach, auch wenn sie sich statistisch nicht sofort in den Texten erschließt, weil wir jedes Jahr Tausende von jüngeren Menschen erneut in die Statistik hineinschieben, ohne dass wir sie als Arbeitslose zählen würden, weil sie nie gearbeitet haben. Heute ist Arbeitsmarktpolitik letztendlich Reparaturbetrieb eines eklatanten Schulversagens. Jedes Jahr verlassen 1.700 Schüler die Schule ohne Hauptschulabschluss und sie sind die Ersten, die mit den Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt konfrontiert werden und dort keinen Fuß fassen. Das ist Schulversagen ersten Ranges.
Angesichts der vielen tausend Betroffenen, wäre es vielleicht gar nicht schlecht, wenn alle darüber diskutieren würden, aber das ist leider nicht der Fall.
Ein weiteres Klischee ist, dass die, die keinen Abschluss haben, nichts können und deswegen nicht ausbildungsfähig sind. Das Hamburger Hauptschulmodell hat uns jedoch gelehrt, dass Abschlüsse oder eben keine Abschlüsse, überhaupt Notenspiegel oder schlechte Noten keine Aussagekraft mehr haben, wie integrationsfähig ein junger Mensch ist und welche Möglichkeiten, Chancen und Potenziale er mitbringt, um sich im Arbeitsleben zu integrieren. Wir haben inzwischen sogar völlig widersinnige und seltsame Entwicklungen, dass die Integrationschancen von jungen Menschen einfach davon abhängen, in welche Förderschiene sie geraten sind. So haben junge Menschen, die vormals in die Förderschule gerutscht sind und dort als Förderschüler stigmatisiert waren, wenn sie in die richtigen Maßnahmen der Bundesagentur kommen, teilweise höhere Integrationschancen und werden besser gefördert als die anderen und können sich anschließend eher in den Arbeitsmarkt integrieren. Eigentlich eine völlige Verkehrung der Welt. Die Erklärung ist relativ einfach. Es gibt inzwischen Unmengen von Studien im Ausland und auch bei uns Pilotprojekte - das Hamburger Hauptschulmodell zählt dazu -, die ganz klar zeigen, was die Kernkriterien sind, um die Integrationschancen zu verbessern. Das ist die systematische und frühe Kompetenzfeststellung, das ist die intensive und praxisorientierte Beratung und Begleitung in der Praxis und das ist überhaupt eine dauerhafte Begleitung während der Zeit der Erwerbslosigkeit. All das ist nicht neu und in Flächenländern vielleicht entsprechend schwer zu organisieren. Viele dieser Pilotprojekte bleiben dann stehen, weil sie eine Berufsorientierung in der
Schule in der achten oder neunten Klasse ermöglichen und darüber hinaus nicht fortgesetzt werden. Aber hier in der Stadt, würde man denken, sind die Chancen eigentlich unendlich groß, all diese Akteure an einen Tisch zu bekommen und das einmal in einem geschlossenen ganzheitlichen Konzept anzugehen. Doch gucken wir uns die Landschaft hier an, dann sehen wir dort eher eine Wüste. Wir haben eine Bundesagentur, die separat agiert, die Behörde für Schule, die BWA, die ARGE, die BSF. Die Möglichkeiten, die wir haben, verpuffen am engstirnigen Ressortdenken und führen eine völlig chaotische Situation herbei. Ich glaube, die Beamten müssen wirklich ernsthaft daran leiden. Die leiden derart, dass sie irgendwann versucht haben, sich zu behelfen und eine Arbeitsgruppe gegründet haben. Diese Arbeitsgruppe nennt sich Zusammenarbeit und trifft sich alle zwei Monate, um die Zusammenarbeit dieser genannten verschiedenen Akteure zu besprechen. Ich finde, die Namensgebung zeigt schon die Schmerzen, die die Betreffenden haben, um genau jene Zusammenarbeit zu organisieren. Dann saßen die wohl zusammen und ihre Schmerzen wurden noch größer, weil es ihnen offensichtlich sehr schwerfiel, durch diesen Wust an Einzelmaßnahmen überhaupt durchzusteigen. Dann gründeten sie eine Internetseite, die sie www.ichblickdurch.de nannten und die letztlich ihre eigene Mühe zeigte, überhaupt durch diesen Wust durchzuschauen. Dass Sie mich richtig verstehen, jeder Schritt für sich ist wichtig, aber es ist nur ein einzelner Schritt und es fehlt eben der ganzheitliche Ansatz. Wenn Sie mit den Trägern sprechen, dann werden Sie erfahren, dass Doppelarbeit gang und gäbe ist. Wir haben Maßnahmenabbrüche ohne Ende, unzählige Beispiele, wo einmal eine Eingliederungsvereinbarung gemacht wird, dann ein Entwicklungsgutachten und dann wiederum ein Fallmanager eingesetzt wird, der komplett noch einmal neu in der ARGE die Betreuung von jemandem aufrollt. Immer wieder hat ein junger Mensch neue Ansprechpartner, meist junge Menschen, die sowieso in ihrer Jugend unter konstanten Beziehungsabbrüchen gelitten haben. Die werden jetzt in diesem für sie undurchschaubaren System durchgeschleust und erfahren wieder einen Kontakt neben dem anderen und einen Abbruch neben dem anderen. Dass da keine Verbindlichkeit entstehen kann, ist kein Wunder und das ist für mich Politik des fröhlichen Durchwurstelns und alle zwei Monate trifft man sich zum Kaffeetrinken. Damit werden wir eines der gravierendsten Probleme, unsere strukturelle Arbeitslosigkeit wirklich anzugreifen, nicht lösen können.
Der Grund ist letztlich einfach. Es ist eine falsche politische Schwerpunktsetzung, die dieses Problem nicht in seiner Ganzheit erkannt hat, aber eigentlich ist es überhaupt gar keine Schwerpunktsetzung. Entsprechend fehlt eine in sich schlüssige Strategie. Der traurige Gipfel dafür ist, dass Senator Uldall 70 Millionen Euro aus den Arbeitsmarktmitteln gekürzt hat und in vielerlei Töpfe umgeschichtet hat. Wir können sicherlich auch immer wieder noch einmal neu über die frühere Effizienz der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen streiten. Da hat es Fehlentwicklungen gegeben und vieles, was umgelenkt wurde, war auch richtig, weil es im Prinzip anders und effizienter ausgegeben wird. Aber Sie haben 70 Millionen Euro gekürzt und in Ihrem eigenen Haus verwurstet. Sie haben dann am Ende Mühe gehabt, die richtigen Töpfe dafür zu finden, sodass kaskadierend Arbeitsmarktmittel am Ende über mehrere Stufen bis hin in die Reparatur
der Alsterbarkassen geflossen ist, was sicherlich ganz putzig ist, aber bestenfalls als symbolisches Durchwursteln durchgehen kann. Es fehlt bei den drängendsten Problemen auf dem Arbeitsmarkt ein schlüssiges Konzept. Wir bieten Ihnen heute an, über die Punkte, die wir zusammengetragen haben, zu diskutieren und das als Grundstein zu nehmen, hier einen Durchbruch zu erzielen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Lemke, immer wenn man mit der Realität ein bisschen hadert, flüchtet man sich leicht in abstrakte Glaubenssätze. Herr Grund hat einige ganz konkrete Beispiele genannt,
warum es wichtig ist, Mindestlöhne einzuführen. Genau an diesen Beispielen hätten Sie entweder erörtern können, warum es vielleicht schädlich oder warum es nachdenkenswert ist. Das will ich noch einmal unterstreichen.
Sie zitieren 1918. Das ist eigentlich ein ganz guter Bogen. 1918 gab es eine große Menge an Lumpenproletariat in Deutschland. Die Erkenntnis wuchs immer mehr, dass soziale und tiefste Armut sowie soziale Spaltung nicht nur ein ethisches Problem, sondern auch ein großes wirtschaftliches Problem ist. Letztendlich von Ludwig Erhard in der Nachkriegszeit angefangen, ist Deutschland aufgebrochen, eine soziale Markwirtschaft zu gründen, die genau dieses verhindern soll. Wenn Sie also Rückgriff auf 1918 nehmen, reicht das irgendwie nicht aus. Sie müssen schon ein bisschen auf die Herausforderung der Zukunft gucken, nicht nach dem geschlossenen Nationalstaat des letzten Jahrhunderts, sondern nach dem offenen großen Binnenmarkt Europas, der vor uns liegt. Sie geben in dem Redebeitrag, den Sie gehalten haben, keine Antwort auf Dumpinglöhne. Das hat auch Herr Senator Uldall nicht getan. Sie geben keine Antwort auf Wanderarbeiter aus den östlichen Staaten und wie unsere Lücken im Arbeitsrecht, im Arbeitsmarkt teilweise systematisch missbraucht werden. Sie geben keine Antwort darauf, wie sie unser Sozialsystem langfristig überhaupt finanzieren wollen, wenn Sie nicht einen Mindestlohnriegel nach unten einbauen.
Das heißt, Sie geben keine Antwort auf die entscheidenden Fragen der nächsten zehn, fünfzehn Jahre für dieses Land.
Herr Lemke, Sie müssen doch etwas dazu sagen, dass der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes, Herr Loewenstein, gerade am Montag den Mindestlohn für Deutschland noch einmal verteidigt hat. Dort gibt es ihn seit elf Jahren. Damit ich es korrekt zitiere, will ich Ihnen vorlesen, was er gesagt hat:
"Ohne den Mindestlohn würden noch mehr Menschen aus Osteuropa zu sehr niedrigen Löhnen auf deutschen Baustellen arbeiten."
Das haben wir nicht nur auf deutschen Baustellen gesehen, das haben wir mit den Schlachtereien in NordrheinWestfalen und andernorts und in vielen einzelnen kleinen Fällen bis hin nach Hamburg gesehen. Darauf müssen
A C
B D
Sie doch eine Antwort geben. Wenn Sie die nicht geben, verweigern Sie sich der Realität, die wir hier vorfinden.
Vergleichen wir uns doch einmal mit England. Auch hier müssen Sie und auch Sie, Herr Senator Uldall, doch eine Antwort geben, wie es kommt, dass mit dem Eintritt eines Mindestlohns in England keine wesentlichen Arbeitsplätze vernichtet wurden. Im Gegenteil. Wenn Sie sich die Arbeitslosigkeit in England anschauen, so hatte die einen ähnlichen Ausgangspunkt wie wir, und zwar in den strukturschwächsten Gebieten Englands, ähnlich wie in Ostdeutschland Anfang der Neunzigerjahre. Dann hat die Arbeitslosigkeit dort kontinuierlich abgenommen. Sie hat auch noch einmal deutlich nach 1998, nach der Einführung des Mindestlohnes abgenommen. Dazu müssen Sie doch etwas sagen, bevor Sie hier das Schreckgespenst vom Verlust von Arbeitsplätzen an die Wand malen.
Schauen wir uns doch einmal an, was ein Mindestlohn in England heißt. 7,80 Euro sind 840 Pfund im Monat oder knapp 1.280 Euro für den Arbeitnehmer. Da der Arbeitgeber in der Regel keine Sozialkosten zu tragen hat, sind das für ihn 1.330 Euro. Ein paar kleinere Abgaben von den Arbeitnehmern kommen noch dazu, dann sind es 1.230 Euro. Das weiß ich so genau, weil mein Betrieb, den ich dort zu leiten habe, gerade explizit - und das war das Erste, was ich überhaupt zu hören bekam - versucht sich zu distanzieren, nicht ein Mindestlohnbetrieb für diejenigen zu sein, die auf dem Shop Floor als Arbeiter arbeiten. Das ist inzwischen zu einem ehrabschneidenden Begriff geworden, dass man ein Mindestlohnbetrieb ist. Das zeigt, dass so etwas auch gute und richtige Normen setzen kann, wenn man einen Mindestlohn hat.
Was bedeutet jetzt der DGB-Vorschlag auf unsere Verhältnisse umgerechnet. Ausgehend von einem Arbeitnehmerbruttolohn heißt das dann ungefähr 7,50 Euro, also 1.230 Euro im Monat. Rechnen wir die Sozialabgaben ab - die Engländer finanzieren das ja über Steuern, wir finanzieren das über Arbeit -, und wenn es eine alleinstehende Person ist, kommen sogar noch etwas Steuern dazu, die er zu zahlen hat, dann bleiben ihm am Ende von dem DGB-Vorschlag im Monat 980 Euro. Das ist knapp über dem Grundsicherungsniveau für Alleinstehende. Wenn der Betreffende noch ein Kind hat, dann wäre er in diesem Fall - und da haben Sie recht - sogar schon Aufstocker und müsste zur ARGE. Wir reden also von einem Nettostundenlohn von unter 6 Euro, 5,90 Euro, je nachdem, wie viel Stunden er genau arbeitet. Wenn er mehr als eine Person hätte, müsste er zur ARGE gehen und aufstocken. Darauf müssen Sie doch eine Antwort geben und einen Riegel davorschieben. Mit dem neuen Grundsicherungssystem finanzieren wir am Ende den Wettbewerb in einfachsten Dienstleistungen,
wohnortnahen Dienstleistungen, die, weil man sich nur noch über Löhne unterscheiden kann, nur noch über Löhne geführt werden und am Ende zu Dumpinglöhnen führen. Sie müssen doch eine Antwort darauf geben, wie wir als Gesellschaft verhindern wollen, dass wir Dumpinglöhne über die Aufstockung bei der Grundsicherung staatlich subventionieren.
Das sind Fragen der Zukunft. Wenn Sie die nicht adressieren, sondern auf eine Vereinbarung von vor hundert Jahren zurückgreifen, Herr Lemke, dann springen Sie wirklich zu kurz. Sie haben keine Antwort auf Dumpinglöhne gegeben, auf die Wanderarbeiter nicht und Sie geben keine Antwort darauf, wie wir unser Sozialsystem finanzieren sollen. Das hat vielleicht auch einen Grund, weil bei Ihnen meiner Ansicht nach - das zeigt auch die Debatte, wenn man ein bisschen auf die Bundesebene guckt - etwas ins Schleudern geraten ist und Sie Ihre ordnungspolitische Orientierung verloren haben. Es ist damit eindeutig eine Verbindung zwischen Mindestlohn und Grundsicherung zu ziehen und diese Verbindung haben Sie im letzten Sommer noch einmal versucht, politisch zu bestreiten. Das hat einen guten Grund. Da kommen wir zu einer Debatte der CDU - ein Schelm, der Böses dabei denkt - von Volker Kauder, Bundestagsfraktion, Ronald Pofalla, Laurenz Meyer, die sagen, dass wir in Deutschland eigentlich noch ein zu hohes Grundsicherungsniveau haben und es noch senken müssten. Dann wäre es eigentlich ehrlich gewesen, wenn Herr Wersich in seinem Zeitungsinterview, in dem er erklären sollte, wie man mit 2,56 am Tag ein Kind ernähren soll, noch dazu gesagt hätte, im Übrigen ist es nicht nur schwierig, sondern wir von der CDU sind dafür, dass es noch weniger sein soll. Vor dieser Debatte haben Sie natürlich Angst, aber das ist das, wo sie gedanklich herkommt. Deswegen gehen Ihnen bei dieser Debatte die Argumente aus.
Ihre Thesen zeigen, dass Sie in einer veränderten ökonomischen Wirklichkeit im europäischen Binnenmarkt die Orientierung verloren haben. Das ist schlimm, aber das ist Ihr Problem. Wir Sozialdemokraten stellen das würdevolle Auskommen von Menschen und den Erhalt ihrer Schaffenskraft in den Mittelpunkt unserer Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Der Mindestlohn ist, wie es sich in 22 Ländern im europäischen und im englischen Ausland zeigt, mit dem wir wirtschaftlich noch am besten vergleichbar sind uns auch direkt vorgelebt wurde, eine einfach Antwort, um die Beschäftigten vor Ausbeutung zu schützen.
Herr von Frankenberg, Sie haben mir zwei dankbare Stichworte genannt, auf die es sich noch lohnt, kurz darauf einzugehen.
Erstens: Ich liebe internationale Vergleiche. Das ist meine liebste Lektüre. Und Frankreich ist ein ganz besonders gutes Beispiel, was gerade die Jugendarbeitslosigkeit betrifft, denn oft ist es nicht immer einfach, zu sehen, ob man nicht mit irgendeiner statistischen Zahl Äpfel und Birnen vergleicht. Aber für Frankreich und das Thema Jugendarbeitslosigkeit und für das Thema Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland gibt es eine ganz einfache Erklärung.
In der Jugendarbeitslosigkeit ist Deutschland im Gegensatz zu allen seinen sonstigen arbeitsmarktpolitischen Daten im leichten oberen Mittelfeld zu finden, wenn man das innerhalb der Industriestaaten vergleicht. Ansonsten sind wir grottenschlecht, aber dort sind wir gut.
Frankreich ist in vielen arbeitsmarktpolitischen Daten genauso schlecht wie wir und in der Jugendarbeitslosigkeit noch deutlich schlechter. Der einzige und einfache Grund hierfür liegt darin, dass Frankreich kein duales System hat. Und wie vielen anderen Staaten fehlt ihnen eine geordnete und sichere Schiene, wie man den Übergang von Schule in den Beruf sicherstellt und dann über eine entsprechende Qualifikation auch Nachhaltigkeit im Arbeitsmarkt bewirkt. Das fehlt den Franzosen, was sie auch beklagen. Lesen Sie dort die entsprechenden politischen Auseinandersetzungen. Sie wissen nur nicht mehr, wie sie dorthin kommen sollen. Hierin haben wir ihnen Gott sei Dank einiges voraus. Es sollte uns allen eine Lehre sein, dass wir das duale System schätzen und hochhalten.
Zweitens komme ich zum Missbrauch: Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das Thema angesprochen haben. Der Arbeitgeberpräsident des Bauverbandes hatte im Übrigen dieses Thema in seinem Interview am Montag auch angesprochen. Ja, es gibt Missbrauch. In der Gesellschaft - das ist nun einmal so - gibt es immer schwarze Schafe, die versuchen, das zu unterlaufen. Aber gerade mit Hartz IV und der Organisation der ARGE liegt uns bereits jetzt und zukünftig umso mehr ein fantastisches Instrument in der Hand, genau diesen Missbrauch zu beobachten. Wenn der Senat das heute schon stärker auswerten und beobachten würde, wüsste er auch, wie viele Aufstocker in welchen Branchen zu finden sind.
Jeder Standortleiter - wenn Sie mit ihnen sprechen - wird Ihnen die Fälle darlegen, in denen sie Arbeitsverträge haben, zu denen laut Arbeitsstellenbeschreibung eigentlich eher ein qualifizierter Hochschulabsolvent passt, aber am Ende ein Stundenlohn von 3 Euro oder 3,50 Euro ausgewiesen wird, sodass der Betreffende dann zu seinem ARGE-Standort kommt und entsprechend eine Aufstockung fordert.
Das heißt, mit der ARGE und mit der Transparenz, die wir dort herstellen und das Limit dann entsprechend bekannt ist, können wir im Zweifel problemlos sowie ganz klar eingreifen und erklären, dass das ein sittenwidriger Vertrag ist und hier etwas geschehen muss. Das ist ein Instrument - vielleicht sogar das wichtigste -, um dann den Mindestlohn und den entsprechenden Missbrauch zu bekämpfen. Das steht uns bereits heute in der Hand und dann werden wir das auch richtig umsetzen können. Ich verspreche Ihnen, wenn die SPD hier regiert, werden wir das zu nutzen wissen.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ahrons, ich werde Ihnen darlegen, dass diese Maßnahmen nichts mit verantwortungsvollem Umgang mit Steuergeldern zu tun haben und im Einzelnen auch schikanös sind.
Ich möchte aber noch einmal in Erinnerung rufen, was wir eigentlich mit der Hartz IV-Gesetzgebung bewirken wollten, was der verwaltungstechnische Kern ist, was das Ergebnis sein sollte. Wir wollten eine soziale Dienstleistung am Menschen ermöglichen, möglichst mit einem Fallmanagement, mit einer Sachbearbeitung aus einer Hand. Wir wollten dem Menschen helfen, indem wir ihn fördern, und damit zugleich eine Verbindlichkeit der Integration in den Arbeitsmarkt verbinden. Wir wollten weg von dem entwürdigenden Bitten um Hilfen in besonderen Lebenslagen und diesen alten Sozialhilfegedanken beenden. Wir wollten die Menschen zu mehr Eigenverantwortung bringen und haben die Leistungen deswegen aus gutem Grunde pauschaliert.
Die Idee von Hartz IV sollte also in diesem Sinne ein Beitrag zu einem modernen Sozialstaat sein, weg vom bürokratischen Klein-Klein und hin - das zeigen uns unsere Nachbarländer - zu einem vertrauensvollen, intensiven Gespräch, zur Beratung des Fallmanagers mit jedem einzelnen Menschen über die Reintegration in Arbeit. Dies ist ein ganz schwieriger Prozess, weil natürlich auch schwierige persönliche Themen berührt sind, über die man sich vertrauensvoll austauschen muss. Die Menschen sollten bei diesen vertrauensvollen, persönlichen Gesprächen ihre Schwächen überwinden, um eine Arbeit zu finden. Mit Sicherheit war und sollte die Idee nicht sein, dass genau dieser Fallmanager dann als Polizist agiert und mit Leistungsbescheiden hin und her herumrechnet und auch noch den letzten Krankenhaustag, den jemand unglücklicherweise absolvieren musste, anrechnet. Das stellt die eigentliche Idee, die dieser Reform zugrunde lag, auf den Kopf.
Wie absurd diese Fachanweisung der Bundesagentur ist, zeigt sich auch, wenn wir uns einmal die Realität der ARGE Eingliederungsarbeit in Hamburg anschauen. Der letzte Evaluierungsbericht der BWA - das sind alles Tätigkeiten, die genauso zwingend und verpflichtend sind, wie man gegebenenfalls behaupten könnte, dass es ein verwaltungstechnisches Muss wäre, hinter diesen Krankenhausgeldern her zu sein - zur Arbeitsmarktpolitik hat offenbart, dass es mit der Beratung und der Verbindlichkeit, zum Beispiel bei den Ein-Euro-Aktivjobs unter der Federführung von Senator Uldall, zu dem Zeitpunkt noch nicht sehr weit her war.
38.000 Personen wurde ein Aktivjob angeboten und sie haben ihn doch nie angetreten. Es wäre aus Sicht eines vertrauensvollen intensiven Beratungsgesprächs über die Integration und darüber, wie man fördern kann, schon notwendig gewesen, das Gespräch mit jedem Einzelnen zu suchen, warum dieser Aktivjob nicht angetreten wurde und welche individuellen guten oder vielleicht weniger guten Gründe es dafür gegeben haben könnte. Doch das war für die ARGE viel zu aufwendig. Es wurde nie nachgefragt. Bei der Hälfte dieser Aktivjobs sind die Betreffenden zwar angekommen, aber weiter verwiesen oder abgelehnt worden. Auch hier wären intensive Gespräche der Fallmanager, in dem Fall mit den Beschäftigungsträgern, die ja viel Geld dafür von uns bekommen, dass sie diese Arbeit machen sollen, notwendig gewesen, die aber zu aufwendig waren, weil es nicht nachhaltbar war. Mit Handakten all das überhaupt zur Hand zu haben in einem komplizierten IT-Verfahren, das einem dazu überhaupt nicht die Möglichkeit gab.
Die ARGE hatte keine Zeit, sich um solche Dinge zu kümmern. Genau dies ist aber die Kernintention der Zusammenführung von Sozial- und Arbeitsmarktpolitik an dieser Stelle mit Hartz IV gewesen. Jetzt sollen die Sachbearbeiter Zeit haben, mit Leistungsbescheiden Krankenhausverpflegungen auf die Leistungen anzurechnen. Ich finde, das ist für die Einzelnen schikanös, es ist verwaltungstechnisch total unökonomisch und vor dem Hintergrund, damit zu einer besseren Integration und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Betroffenen und den Beratern zu kommen, ist dieses eine völlig absurde Geschichte.
Frau Ahrons, ich leite einen Logistikbetrieb und ich sage Ihnen: Ihre Maßnahmen kommen in der Fläche nicht an. Unsere größte Sorge ist das Auslieferungszentrum von Hennes & Mauritz, das in Allermöhe gebaut wird und möglicherweise so viele von den restlichen qualifizierten Arbeitskräften vom Arbeitsmarkt abzieht, dass für mittelständische Betriebe überhaupt nichts mehr übrig bleibt. Da müssen Sie erst einmal richtig in der Fläche und in der Masse etwas tun, um den Sorgen entgegenzutreten, die sich gerade auftun. Das ist das Erste.
Das Zweite, sehr geehrter Herr Senator Uldall: Ihre Optimismus- und Pessimismusreden haben Sie schon im Bundestag in den Neunziger- und Achtzigerjahren gehalten. Die Wirtschaftsentwicklung damals war auch nicht immer so, dass man wirklich sagen kann, dass das weiter geholfen hätte. Es ist ein bisschen lustig, wenn man es mit einer historischen Distanz betrachtet, dass in der Tat immer - in den letzten 20 bis 30 Jahren und davor vermutlich auch - bei jedem Aufschwung die Regierung, ob in den Ländern oder im Bund, dafür verantwortlich ist und, wenn es einmal nicht so gut läuft, immer die anderen die Schuldigen sind.
Es wäre lustig und man könnte mit einem Augenzwinkern darüber hinweggehen, wenn nicht über diese Jahre etwas Seltsames in Deutschland passiert wäre und noch einmal verstärkt in den letzten fünf bis sieben Jahren insbesondere in Hamburg, dass nämlich die Sockelarbeitslosigkeit und insbesondere die Langzeitarbeitslosigkeit immer weiter angestiegen ist, sodass wir inzwischen in ganz Europa und im ganzen Bereich der OECD-Länder trauriger Spitzenreiter geworden sind. Schauen wir uns dieses Kernproblem des deutschen Arbeitsmarktes an. Dann sehen wir, dass von den Langzeitarbeitslosen in Hamburg weit über 50 Prozent gering Qualifizierte ohne Berufsausbildung sind. Bei den Migranten sind es sogar weit über 75 Prozent, die keine Berufsausbildung haben und langzeitarbeitslos sind. Die konkrete Frage - das hat nichts mit Pessimismus zu tun, sondern wenn das die Herausforderung der nächsten Jahre ist, wie wir Fachkräfte kriegen - ist, wie wir den Bogen zu den Verbesserungsmöglichkeiten und den Notwendigkeiten, die wir heute haben, kriegen, dass wir auch in der Zukunft ein erfolgreiches Wirtschaftswachstum fortsetzen können. Da sind Sie Antworten schlichtweg schuldig geblieben.
Wir nennen Ihnen vier bis fünf Beispiele, erstens ordnungspolitisch. Wie können Sie einen lebendigen und geordneten Arbeitsmarkt für gering Qualifizierte schaffen? Das Erste ist, die gering Qualifizierten zu mobilisieren. Da lassen die Integrationsquoten der Maßnahmen, die Sie heute immer noch in einem großen Einheitsbrei betreiben, deutlich zu wünschen übrig.
Das Zweite: Setzen Sie sich auch auf Bundesebene für einen Mindestlohn ein, damit gerechte Arbeit gerecht entlohnt wird und es dadurch auch einen deutlichen Anreiz für diejenigen, die gering qualifiziert sind, gibt eine solche Arbeit auch wirklich anzunehmen.
Drittens: Schaffen und erhöhen Sie die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes für gering Qualifizierte und versuchen Sie das Problem der gering Qualifizierten anzugehen. Schauen Sie sich in Hamburg den völlig zersplitterten Bereich des Übergangs von Schule zu Beruf an. Fünf Behörden agieren hier fast völlig unkoordiniert und richten mehr Schwierigkeiten an als eine wirklich schlüssige Vorgehensweise für die Betroffenen anzubieten. Dann kommt eine Behörde und setzt eine Internetseite auf, weil sie offensichtlich selber Schwierigkeiten hat, das Ganze zu verstehen, die sich www.ichblickdurch.de nennt,
und zeigt schon allein mit der Wahl des Titels, dass es relativ schwer sein muss, durchzublicken, was überhaupt geschieht. Schaffen Sie die nötige Koordinierung, schaffen Sie ein Konzept aus einem Guss und stellen Sie den Jugendlichen bereits in der Schule Berufsbegleiter und Berufsberater zur Seite, die sie nicht verlassen, wenn sie die Schule verlassen, und die sie auch nicht verlassen, wenn sie in den ersten Maßnahmen noch nicht den richtigen Erfolg haben. Schaffen Sie eine Durchgängigkeit und damit eine Verbindlichkeit, die endlich - das ist das einzige Schlüsselmodell - wirklich zu einem Erfolg führen kann.
Viertens: Wir haben einen Fachkräftemangel, die berufliche Weiterbildung stand in den letzten Jahren auf einem absoluten Tiefststand. Dafür sind Sie nicht nur alleine verantwortlich aber es läge an Ihnen, das auch entsprechend öffentlich deutlich zu machen und selber gegenzusteuern.
Fünftens: Setzen Sie sich persönlich immer wieder und jedes Jahr neu in einer Ausbildungsplatzinitiative dafür ein, dass auch die notwendigen Ausbildungsplätze geschaffen werden. Statt Ihre Zeit teilweise damit zu verschwenden, sich mit inhaltsleeren Reden zu feiern, nutzen Sie jetzt in einem positiven Wirtschaftszyklus die Chancen, die Maßnahmen zu schaffen, dass Sie beim nächsten Abschwung in der Position sind, den jungen und älteren Langzeitarbeitslosen so viel Möglichkeiten und Chancen mitgegeben zu haben, dass sie als Fachkräfte im Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und dass wir nicht wieder einen noch weiteren Anstieg der Sockelarbeitslosigkeit zu beklagen haben werden, der sonst eintritt, wenn wir heute nichts tun.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Einführung der Hartz IV-Gesetzgebung im Januar 2005 hat Wirtschaftssenator Uldall immer wieder betont, dass es zwei Jahre dauern werde, bis die neue Arbeitsverwaltung in Hamburg für Langzeitarbeitslose richtig funktionieren würde. Obwohl dies ein nach politischen Maßstäben furchtbar langer Zeitraum ist und eigentlich gemeinhin zum populistischen politischen Widerspruch reizt, werden Sie von uns keine Äußerungen gefunden haben, die dies kritisiert hätten, weil diese schwierige Reform in der Tat Zeit brauchte, auch um sie angemessen zu bewerten.
Nun sind aber zwei Jahre ins Land gegangen und alles Verstecken hinter der Bundesagentur, Softwareproblemen, der nicht vorhandenen Federführung Hamburgs und der später eingeführten Federführung kann nicht verdecken, dass Sie an Ihren eigenen Ansprüchen gescheitert sind.
Noch nie gab es in Hamburg - jetzt im Monat April, wo Sie Ihre Arbeitsmarktzahlen feiern, Frau Hochheim, und Sie feiern ja die Erfolge auf dem ersten Arbeitsmarkt schon seit ein paar Monaten, und das für diejenigen, die sich schnell wieder in den Arbeitsmarkt integrieren, auch zurecht, weil Ihre Zeit in der Arbeitslosigkeit sich eben immer weiter und deutlicher verkürzt hat - so viele SGB II-Leistungsbezieher, nämlich 201.661, wie heute im April und Mai. Noch nie gab es so viele erwerbsfähige ALG II-Empfänger, nämlich 146.459 an der Zahl. Dies ist ein trauriges Zeugnis einer gescheiterten Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik.
Im Übrigen hat es auch in Ihren eigenen Reihen inzwischen darüber ein Nachdenken gegeben, dass sich auf der einen Seite der erste Arbeitsmarkt immer besser entwickelt und wir trotzdem eine immer größere Spaltung und eine immer größere Anzahl von Leistungsempfängern in der Stadt haben. Ich erinnere nur daran, dass wir im Haushaltsausschuss bei den Haushaltsberatungen darüber gestritten haben und sogar dem ehemaligen Finanzsenator, Herrn Dr. Peiner, die Worte herausgerutscht sind, dass dort irgendetwas im Argen liege und immer schlimmer werde und wir eigentlich unsere Politik grundsätzlich überdenken müssten. Daraufhin ist aber nie etwas passiert.
Es gibt eigentlich zwei klare Gründe, an denen man Ihr Scheitern festmachen kann und wo es eben auch hausgemacht ist. Eine aktive Arbeitsmarktpolitik war für Sie, Herr Senator, eigentlich schon immer Humbug. Das zeigen alle Äußerungen der letzten Jahre, vor und nach der Regierungsübernahme. Zweitens: In der logischen Konsequenz hat es Sie nie wirklich interessiert, was in der ARGE alles schief läuft. Sie haben es einfach laufen lassen. Konkret hat das schwere Folgen gehabt. Trotz aller internationalen Erkenntnisse, dass Aktivierung und vor allem Qualifizierung - es sei hinzugefügt: mit verbindlichen Vereinbarungen für beide Seiten, verbindliches Zurverfügungstellen von Qualifizierung und die verbindliche Annahme von Qualifizierung durch diejenigen, die dieser Hilfe bedürfen - die wichtigsten Instrumente für eine erfolgreiche Wiedereingliederung sind.
Sie haben die Arbeitsmarkttitel in Hamburg, den Hamburger Anteil, auf ein Fünftel zusammengeschmolzen und das zu einem Zeitpunkt, in dem wir mit der Hartz IVReform gerade das Dunkelfeld ans Licht geholt und dann bemerkt haben, dass wir die drei- bis vierfach größere Anzahl an erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen haben. Das heißt, Sie haben durch Ihre Kürzungsarie im Grunde genommen die Hamburger Pro-Kopf-Förderung auf ein Zehntel heruntergefahren. Das nenne ich angesichts der offensichtlichen sozialen Schieflage in der Stadt eine krass verfehlte Schwerpunktsetzung.
Schlimmer noch, und das muss sich der ganze Senat als eklatantes Beispiel schlechter politischer Koordinierung vorhalten lassen: Wenn Sie schon meinten, dass mit den 70 Millionen, die Sie gekürzt haben, auch viele Maßnahmen finanziert werden, die ineffizient waren - bei vielen ABM-Maßnahmen sind wir bei Ihnen, es ist also ein Klischee, das Sie kolportieren, dass wir immer wieder neue ABM-Maßnahmen einführen wollten, in Wahrheit sind wir schon ganz lange bei Ihnen, dass viele ABM-Maßnahmen in den Neunzigerjahren die Menschen in dieser Maßnahme eingeschlossen haben -, und wenn Sie meinen, Sie müssten dort mehr Effizienz hineinbringen - das haben Sie zum Teil geschafft und zum Teil haben Sie da mit der Kurzatmigkeit, mit der Sie Verträge vergeben haben, auch ganz schönes Chaos angerichtet -, dann wäre es doch notwendig und angesichts der krassen Situation auf dem Arbeitsmarkt zwingend gewesen, dass Sie schauen, wo Sie die Mittel am besten hinschichten. Statt es in sinnlose Förderungen von Kleinstmaßnahmen auf dem ersten Arbeitsmarkt zu stecken, wie Sie es dann getan haben, hätte man sich zum Beispiel einfach mal das Feld des Übergangs von Schule in den Beruf anschauen können
und hätte festgestellt, dass hier Wildwuchs und unkoordinierte Arbeit von Behörden ohne Ende zu finden ist und die jungen Menschen unter 25 Jahren alleine gelassen werden. Nur der Anschein, nur das grobe Draufschauen zeigt schon, dass das nicht funktionieren kann. Sie haben die Sozialbehörde, die sich um junge Menschen unter 25 kümmert, Sie haben die Schulbehörde, die sich mit ihren Fachschulangeboten und Spezialmaßnahmen kümmert und teilweise im Haushaltsausschuss überhaupt nicht Rede und Antwort stehen kann, wie viel sie eigentlich für wen anbietet und wo sie gekürzt hat und wo nicht, Sie haben Ihre BWA mit Ihren Arbeitsmarktprogrammen, die sich kümmert, Sie haben die Bundesagentur, die sich mit
ihren Reha-Beratern kümmert, Sie haben die ARGE mit ihren Fallmanagern.
Eigentlich ist allen klar: Wenn Sie einen Jugendlichen unter 25 aus den zerrütteten Sozialverhältnissen, aus denen er kommt, einfach so ohne Beratung in diesen Wust an Maßnahmen entlassen, ohne ihm schon in der Schule eine enge Berufsberatung zu geben, die ihn nicht alleine lässt, wenn er erst einmal die Schule verlassen hat, dann wird er sich darin nicht zurechtfinden. So haben Sie Förderkarrieren von einer Maßnahme in die nächste, wo eigentlich alles wieder von vorne begonnen wird, nachdem der eine Raum verlassen und der nächste betreten wurde, wenn überhaupt die entsprechenden jungen Menschen unter 25 in den Maßnahmen angekommen sind.
Das führt mich zu dem zweiten Punkt, dass Ihre Lustlosigkeit an der Arbeitsmarktpolitik auch einfach vernachlässigt hat, eine effiziente Organisation der ARGE aufzubauen. Das beste, eklatanteste Beispiel dafür ist, dass Sie irgendwann festgestellt haben, dass Sie zwar ganz viele Menschen dieser Stadt unter und über 25 gerne in Ein-Euro-Jobs und in viele Maßnahmen bringen würden, dass aber ungefähr 30.000 dort nie erschienen sind, und das über Monate, und dass auch nie vernünftige Eingliederungsvereinbarungen gemacht wurden, und das über Monate und Jahre, obwohl es eigentlich das zentrale steuernde Element der neuen, aktiven Arbeitsmarktpolitik auf Seiten der Arbeitsverwaltung sein sollte.
Was haben Sie getan? 15 Monate nach Beginn der Reform haben Sie begonnen, sich darüber Gedanken zu machen, wie Sie ein in sich geschlossenes Vorgangsverwaltungssystem schaffen können, aus dem Ihre Förderbedürftigen nicht einfach verschwinden, sondern wo nachhaltig zum ersten Mal nicht nur gefördert wird, sondern auch fordernde und verbindliche Vereinbarungen getroffen werden. Jetzt erst im April beginnt dieses System überhaupt zu funktionieren. Wir liegen inzwischen tief im dritten Jahr der Arbeitsmarktreformen. Uns ist es überhaupt völlig unerklärlich, warum Sie mit Hilfe der vielen Geldmittel, die in den Jahren zuvor übrig geblieben sind, eine solche Maßnahme nicht früher gestartet haben. Es zeigt, dass Sie die Möglichkeiten dazu hatten und sie nicht genutzt haben.
Sie haben auch die ARGE von der Hamburger Seite mit viel zu wenig Personal ausgestattet. Noch heute ist es so, dass verschiedene Sachbearbeiter für Leistungsbearbeitung, für die Sonderfälle und für die Ausbildungsplatzvermittlung zuständig sind. Noch heute, obwohl wir einmal den Einheitssachbearbeiter, weitestgehend zumindest, haben wollten, ist das Ganze für manche im Fördersystem ein Wandern von Pontius zu Pilatus. Das zeigt, dass die Arbeitsabläufe in der ARGE nicht vernünftig organisiert sind und dass Sie eine zu geringe Anzahl an Fallmanagern haben. Das zeigt auch letztlich die Quote von Fallmanagern zu Förderfällen, die immer noch viel zu schlecht ist. Deswegen kann man eigentlich nur das Fazit ziehen: Nehmen Sie endlich die aktive Arbeitsmarktpolitik und auch die Abläufe in der ARGE ernst.
Wenn Sie auch glauben, dass Hamburg das besser machen kann, dann treiben Sie die Kommunalisierung voran und ordnen Sie das Haus. Sie können heute schon initiativ werden. Investieren Sie dort, wo die Mängel am größ
ten sind, zum Beispiel am Übergang Schule/Beruf, und stellen Sie sich endlich Ihrer Verantwortung.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Senator, wir sollten uns schon, obwohl dieses Thema sehr schwer und komplex ist, ein bisschen um Präzision bemühen. Sie haben die Arbeitsmarktzahlen, als Sie die Regierung übernommen haben, nicht um 44.000, sondern um 16.000 reduziert. Ihre Ausgangslage nach der Einführung des SGB II war 100.000, vorher lag sie bei 80.000. Sie kommen, wenn Sie nach Adam Riese rechnen, nicht irgendwo bei 40.000 raus, sondern sie kämen, wenn Sie es versuchen wollten zurückzurechnen, auf eine Zahl von 60.000 plus heraus. Genau lässt sich das sowieso nicht feststellen, weil Sie natürlich viele Doppelzählungen gar nicht kennen und nicht wissen, wie das eine Schema und das andere Schema gerechnet hat. Mit Sicherheit liegen Sie bei über 60.000. Das heißt im zehn- bis zwanzigjährigen Vergleich, dass im Augenblick nichts anderes passiert, als dass eine gute konjunkturelle Situation die Lage für die, die qualifiziert und gut sind, auf dem ersten Arbeitsmarkt verbessert. Das hat es schon 1999 und 2000 sowie 1991 und 1992 gegeben.
Ich kann das jetzt alles runterbeten. Das werde ich aber nicht tun. Das ist einfach eine ganz normale Entwicklung und nichts, das Sie sich breit ans Revers heften sollten wie Sie es hier tun vor dem Hintergrund, dass die Kernaufgabe dieser Stadt bei den Langzeitarbeitslosen liegt.
Dann sind Ihre Zahlenspielereien nicht nur nicht hilfreich, sondern sie sind in dem Fall sogar falsch.
Eine zweite Zahl, die falsch ist, ist die um rund 25 Prozent gesunkene Zahl der jungen Menschen unter 25 Jahren, die von der ARGE betreut werden müssen. Ein wesentlicher Faktor dabei liegt an dem SGB II-Fortentwicklungsgesetz aus dem letzten August, als die Bundesregierung erkannt hat, dass es ein bisschen blöd für einen Sozialstaat ist, wenn der reiche Fabrikantensohn mit 18 Jahren, ohne Arbeit und Job, auf der Straße stehend, von zu Hause auszieht und eine eigene Bedarfsgemeinschaft gründet. Weil das nicht wirklich zu unseren Vorstellungen passt, ist diese Möglichkeit jetzt verhindert worden. Entsprechend haben Sie einen rein statistischen Effekt an der einen Stelle. Doch in Wahrheit nützen diese Zahlen nichts, weil wir die Probleme kennen, die wir haben. Ich bitte auch bei dem, was wir an Maßnahmen vorschlagen, etwas genauer hinzuhören, damit die Debatte dann auch etwas interessanter wird oder Sie vielleicht etwas für Ihre Langfristplanung mitnehmen können. Wir fordern hier kein planloses Mehr in den alten Maßnahmen, sondern wir haben Ihnen in den Haushaltsberatungen ganz konkret aufgezeigt, dass die Zusammenarbeit und der Übergang aller Institutionen, der Übergang von Schule in den Beruf in Hamburg ein einziges Chaos ist, weil sie viel zu viele Akteure haben und am Ende die einzelnen Betroffenen durch das Rost fallen. Wir wissen, dass nur eine persönliche, individuelle Betreuung, Begleitung und Förderung wirklich hilft, bis ein entsprechender Hauptschüler oder einer, der keinen Abschluss hatte, wirklich im Arbeitsmarkt angekommen ist, um langfristig zu verhindern, dass er in die Situation gerät, nie eine Arbeit zu haben.
Wir haben inzwischen eine Situation in der Stadt - und da will ich Ihnen nur von einem Bürgergespräch vom Montag berichten -, dass uns Lehrer von Schulen berichten, dass die Eltern von Realschülern jetzt auf sie zukommen und fragen, ob es nicht besser wäre, dass ihr Kind einen guten Hauptschulabschluss machen würde, denn dann käme es in all die Maßnahmen, die es dafür gibt und dann gebe es erheblich bessere Integrationschancen in den ersten Arbeitsmarkt als wenn es einen mäßigen Realschulabschluss hätte. Es gibt inzwischen Lehrer, die deswegen Noten extra herunterstufen
und ein Zeugnis zum Hauptschulabschluss machen, weil wir hier inzwischen eine konzentrierte Förderung haben, die im Übrigen beweist, dass Lernerfolg in der Schule überhaupt nicht mehr das entscheidende Kriterium ist, ob jemand den Sprung in den Ersten Arbeitsmarkt schafft, sondern dass es nur die zielgenaue Förderung ist und dass unser Schulsystem an dieser Stelle völlig zerrüttet ist und nicht mehr die richtigen Informationen und Maßstäbe setzt. Das ist das Problem.
Gucken Sie sich einmal die Integrationsquoten an und Sie werden feststellen, dass wir Schüler von Förderschulen, die irgendwann einmal eine Lernbehinderung attestiert bekommen haben, inzwischen besser in den ersten Arbeitsmarkt integrieren wegen der sehr gezielten Maßnahmen, die die Agentur-Reha-Berater entsprechend ermöglichen und wir damit eine Situation schaffen, die
nicht nur kontraintuitiv, sondern völlig absurd ist, nämlich dass jemand die Menschen, die wir eigentlich nicht in den Förderschulen haben wollen, weil wir befürchten, dass sie das ein Leben lang stigmatisieren könnte, jetzt durch gezielte Maßnahmen - und das ist das, was wir Ihnen nahe legen, doch endlich einmal konzeptionell in dieser Stadt neu zu ordnen - doch in den Ersten Arbeitsmarkt integrierbar sind. Solange Sie hier kein geschlossenes Konzept vorweisen, haben Sie eine riesige offene Flanke und es zeigt, dass Sie das eigentliche Problem von Langzeitarbeitslosigkeit nicht verstanden haben.
Hier wird ja systematisch Konstruktion von Wirklichkeit betrieben. Das kann der Senator hervorragend. Herr Senator, Sie müssen schon die richtigen Maßstäbe nehmen. Ich hatte eine Zahl von 80.000 im Kopf. Es waren also 77.000. Sie müssen jetzt die richtige Ausgangssituation nehmen. Sie haben also die Arbeitslosigkeit um 16.000 gesenkt. Diese 16.000 müssen Sie auf die 77.000 anwenden. Sie können es prozentual machen, dann wären es noch ein bisschen mehr und dann landen Sie bei den 60.000.
Eine andere Zahl werden Sie hier nicht begründen können, weil sich die Zählweisen, wer als Sozialhilfeempfänger erwerbstätig war oder nicht, verändert haben. 16.000 ist der Erfolg und das ist bei einem durchschnittlichen Wirtschaftsaufschwung auch eine ganz durchschnittliche Zahl und gut für uns alle.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Jenseits von Zahlen, Daten und Fakten möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf zwei Fragestellungen richten, die ich Sie bitte, in den weiteren
Beratungen für sich zu beantworten: Erstens, was macht eigentlich die Reputation eines Studiengangs aus? Was macht die Reputation der englischen und amerikanischen Studiengänge aus, die uns bekannt sind? Das Zweite ist: Was ist an diesem Studiengang der besondere Wert?
Zum Ersten, zur Reputation, ist die Frage sehr einfach zu beantworten: Sie wird von den Absolventen bestimmt, und zwar nicht eines Jahrgangs, sondern vieler Jahrgänge immer wieder, die sich gegenseitig und immer wieder neu für den Studiengang interessieren und seine Geschichte und die Geschichte seines Erfolges erzählen. Das ist immer mit dem Aufbau eines Mythos verbunden und der Verbreitung desselben zu Personalchefs und zu immer neuen Absolventen. Das ist der Kern der Reputation eines Studiengangs.
Das Zweite, das besondere Merkmal dieses Studiengangs, ist nicht das Addieren von Curricula, einem technischen und einem betriebswirtschaftlichen. Das kann jeder an jedem Standort machen. Das an sich ist noch keine Leistung, sondern die eigentliche Idee des Studiengangs ist ja, Ingenieur- und Betriebswirtschaft zusammenzubringen, eine Lücke und Sprachbarrieren zu schließen, die dort in großen Unternehmen existieren, und die Kultur – ich mache es klischeehaft – des Tüftlers, des Ingenieurs mit dem des Kostenrechners zu verbinden.
Wir haben heute in diesem Hause über Innovation gesprochen. Ein großes Problem von Innovation in großen Unternehmen ist gerade, dass Ingenieure sich vertüfteln, zu teure Dinge erfinden und die Betriebswirte am Ende nur auf die Kosten schauen. Dies zusammenzubringen, lernen die Studenten, indem sie als Ingenieure zu den Betriebswirten gehen und in deren Vorlesungen über viele Jahre mit den Betriebswirten in Lerngruppen zusammenarbeiten und umgekehrt, indem sie, wenn sie für sich mehr ein betriebswirtschaftliches Empfinden haben, an der TU mit den Ingenieuren lernen. Dies ist die einmalige Verbindung, die dieser Studiengang ermöglicht. Das ist eben nicht in einem Biotop herstellbar, wo es nur Ingenieure gibt, die vielleicht ein bisschen Betriebswirtschaft machen, oder andersherum.
Wenn Sie diese Möglichkeit jetzt auflösen, werden Sie also diesen Studiengang abschaffen.
Sie schneiden ihn von seinen bisherigen Absolventen ab und von dem, was diese Absolventen dazu beitragen, dass er heute diesen Ruf hat und die Universitätslandschaft und Hamburg davon profitieren. Ich kann deshalb nur an alle appellieren: Lassen Sie sich nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner im politischen Wettbewerbsspiel der Universitäten als eine Reform verkaufen. Für Hamburg ist das, was dort an Wenigem herauskommt, noch sehr viel weniger, als das, was heute vorhanden ist und was kostbar zu bewahren ist.
Frau Präsidentin, vielen Dank! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Kollegin Frau Hochheim. Alle wissen, dass die Zähne, die der Senator gezeigt hat, in Wahrheit nicht beißen werden. Deswegen ist das, was er tut, schlichtweg wirkungslos und für die Betroffenen ist es einfach nur blanker Hohn.
Ich habe gerade in den letzten Tagen und Wochen sehr viel in England mit einem Partnerbetrieb von uns zu tun gehabt. Deren größte Sorge ist, dass ihr Lohngefüge möglicherweise in die Nähe des Mindestlohns rutschen könnte, weil das angesichts der Arbeitsmarktsituation, die sie dort haben, nicht nur kein guter Ruf für die Firma
wäre, sondern sie auch befürchten, dass ihre Mitarbeiter in ihrer Arbeitsmotivation erheblich beeinträchtigt würden. Deswegen macht man sich Gedanken, was der Mindestlohn zu bedeuten hat und wie man sich als Firma dort positioniert. Wenn Sie sich die Arbeitsmarktzahlen von England anschauen, dann sind Sie weit weg davon, irgendwie festzustellen, dass der Mindestlohn, wie er dort vereinbart wird, eine schädliche Wirkung auf den Arbeitsmarkt hätte. Insofern ist dies kein Argument.
Der französische Arbeitsmarkt ist aus vielerlei anderen Gründen erheblich starrer und weniger aufnahmefähig. Deswegen zieht der Vergleich mit dem Mindestlohn dort überhaupt nicht.
Geringe Arbeitslosigkeit, faire Arbeitsbedingungen, gerechte Entlohnung, sie alle bilden das Herz einer jeden Zivilgesellschaft. Menschen hat dies schon immer existenziell bewegt. Die großen sozialen Bewegungen der letzten 150 Jahre gründen sich darin, bessere Bedingungen zu schaffen und haben zu den Sozialstaatserrungenschaften der heutigen Zeit geführt – die möchte ich gar nicht alle aufzählen –, zuletzt bis zu einer geregelten Tarifordnung, die notwendig ist, damit Unternehmen verlässliche Rahmenbedingungen für ihr wirtschaftliches Handeln haben und es erschwert wird, gerade im personalintensiven Dienstleistungsbereich, dass Wettbewerb und Konkurrenzdruck statt über die Qualität der Produkte einseitig über Lohndruck und Senkung der Arbeitsstandards geführt wird. Deswegen ist es wichtig, dass wir eine geregelte Tarifordnung haben und dort, wo sie nicht funktioniert, wo zum Beispiel Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von den Arbeitgebern unterlaufen werden, dass wir dem einen Riegel vorschieben.
Wir haben, wie in keinem anderen Land der Welt, in Deutschland die schärfste Lohngrenze zu unseren Nachbarländern. Nur wenige hundert Meter von deutschen Betrieben entfernt befinden sich Betriebe, die auf einem Lohnniveau von einem Viertel des deutschen Lohnniveaus arbeiten. Dass dieses nicht ohne Auswirkungen auf unseren Arbeitsmarkt bleiben kann, ist offenkundig. Diese Auswirkungen haben wir seit 15, 16 Jahren zu verkraften. Wir müssen damit umgehen lernen und sie sind auf unserem deutschen Arbeitsmarkt zu besichtigen. Es wäre die vornehmste Pflicht eines jeden Hamburger Senats, sich frühzeitig darüber Gedanken zu machen, wie man Armutslöhnen begegnen kann, bevor sie da sind.
Was in Hamburg passiert ist, ist schlimm und Sie tun fast noch so, als seien Sie überrascht. Da wird plötzlich ein Runder Tisch zusammengeholt. Das ist nichts als Aktionismus, in dem Sie Ihre absichtliche Untätigkeit verschleiern wollen. Sie hätten sich dem Thema viel früher widmen können.
Wir haben das Thema als SPD-Fraktion in einer Großen Anfrage im Sommer aufgegriffen. Thema: Armutslöhne in Hamburg – Antwort des Senats: Davon wissen wir nichts. Thema: Mini- und Midi-Jobs und wie sie sich auf diejenigen auswirken, die schon Stellen haben und diejenigen, die keine haben? Der Senat weiß von nichts. Dabei wäre es wichtig, wenn Sie sich so feiern lassen für die
Beschäftigungszuwächse, zu wissen, wie viele dieser Beschäftigungszuwächse den Mini- oder Midi-Jobs geschuldet sind und wie vielen soliden guten Arbeitsplätzen. Viele gute sind dabei, aber es wäre wichtig, die Auswirkungen genauer zu kennen. Sie wissen sie nicht.
Thema: Aufstocken des Arbeitslosengeldes II. Wir haben den Senat gefragt, wie viele Menschen in Hamburg aufstockendes Arbeitslosengeld II erhalten, weil sie von dem wenig verdienten Geld in Vollzeitjobs nicht leben können. Der Senat aber hat kein Bild über diese Situation. Er schätzt, es könnte vielleicht 20 000 betreffen, aber näheres Interesse, dem nachzugehen, trotz der vielen Beispiele, die bundesweit auch schon vorher bekannt waren – in Hamburg Fehlanzeige.
Thema: Sittenwidrige Arbeitsverhältnisse. Wir haben den Senat gefragt, wie viele Fälle ihm bekannt geworden sind, bei denen Langzeitarbeitslosen Arbeitsverträge angeboten wurden, die eine so schlechte, sittenwidrige Entlohnung beinhalten, dass sie nicht nur unwürdig sind, sondern auch justiziabel, aber diesen Weg gehen die Betroffenen natürlich nicht, weil sie in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen. Dazu antwortet der Senat: Davon wisse er nichts.
Dabei könnte der Senat es genau wissen, wenn er sich bei der ArGe erkundigt hätte, denn dort ist jeder bekannt, der Grundsicherung empfängt und einen solch sittenwidrigen Arbeitsvertrag hat. Es gibt diese Fälle in Hamburg,
sie sind schlimm und es ist Ihre Aufgabe, dem einen Riegel vorzuschieben und dazu gehört auch ein Mindestlohn.
Frau Ahrons, Sie haben uns hier den makroökonomischen Kurzvortrag gehalten. Ich würde das gerne noch einmal auf das Praktische zurückführen. In der Sprache der Ökonomen ist das die Mikroökonomie. Weil hier die Floristen immer so gerne als Beispiel genommen werden, schauen wir uns doch einmal ganz einfach die Kostenseite eines Floristen an. Ich bin da kein Insider, aber viele Dinge erschließen sich einem mit dem gesunden Menschenverstand und dann lohnt es sich, einfach einmal darüber nachzudenken. Da gibt es vermutlich drei große Kostenblöcke. Das eine sind die Personalkosten, das Zweite ist die Infrastruktur, also in welcher Lage zahle ich welche Miete, und das dritte sind die Materialkosten.
Die Blumen, genau.
Die Materialkosten, da verwette ich mit Ihnen einen großen Blumenstrauß, machen bestimmt je nach Lage des Geschäftes 30 bis 50 Prozent des Gesamtanteils der Kosten aus. Denn wir wissen alle, wie teuer diese Blumen sind, die wir einkaufen, und was für ein großer Logistikprozess vorgelagert ist, um sie in den Laden zu bringen.
Jetzt nehmen wir einmal einen einfachen Verkäufer, der vielleicht in einer Stunde zehn Blumensträuße à 15 oder 20 Euro verkauft. Der kommt pro Stunde auf einen Umsatz von 150 bis 200 Euro, lassen Sie es etwas weniger oder mehr sein. Darauf kommt es bei diesen Größenordnungen, die ich Ihnen gleich darstellen werde, überhaupt nicht an. Dieser Verkäufer soll jetzt möglicherweise statt 5,80 Euro meinetwegen 7,50 Euro bekommen. Das sind 1,70 Euro mehr pro Stunde bei einem Umsatz,
der bei guten Lagen vermutlich weit über 100 Euro liegt und liegen muss, damit all die anderen Nebenkosten auch hereingeholt werden können.
Nun gibt es verschiedene ökonomische Situationen, in die man geraten kann. Es ist ein sehr harter Wettbewerb und mein Nachbargeschäft spart an allen Ecken und Enden und auch an den Personalkosten. Dann wird es möglicherweise eintreten, dass dieser geringe Satz schon zu einem leichten bis deutlichen Vorteil für das Nachbargeschäft führen kann.
Dem können wir mit einem Mindestlohn entgehen, weil auch das Nachbargeschäft die gleiche Personalkostenstruktur wird für sich beanspruchen müssen. Damit ist eben nicht mehr der Lohn das entscheidende Merkmal, mit dem ich – über Lohndruck – einen Wettbewerbsvorteil erziele.
Der zweite entscheidende ökonomische Faktor für das Geschäft ist der Preis und der Kunde. Wenn ich den Umsatz nehme, den ich Ihnen eben gerade beschrieben habe und die 1,70 Euro ins Verhältnis zu 100 oder 200 Euro setze, dann ist die Preissteigerung, der Anteil dieser Lohnkosten am Umsatz, außerordentlich gering. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass jemand, der einen Blumenstrauß, der sowieso ein Luxusgut ist, für 20 Euro kaufen will und dann vielleicht 20,20 Euro dafür bezahlen muss, deswegen vor dem Kauf zurückschreckt. Das glaube ich Ihnen nicht.
Ich glaube, dieses einfache Beispiel und die geringen Größenordnungen, über die wir hier beim Mindestlohn in Wahrheit reden, um Menschen zu helfen, einen etwas besseren, würdigeren und gerechteren Lohn zu bekommen, dass diese geringen Unterschiede, die im Markt selber nicht herstellbar sind, aber durch eine solche einfache Regelung herstellbar wären, mit Sicherheit nicht den Effekt haben werden, dass all die Floristen, die Sie hier anführen, plötzlich ihre Blumen nicht mehr verkaufen würden. Ich halte das für ein gedankenloses, vorgeschobenes Argument.
Sie kommen mit volkswirtschaftlichen Gesamtzahlen. Das sind aggregierte Gesamtgrößen, große Summen, die Ökonomen aufsummieren. Dann kommen sie am Ende
auch auf große Summen, wenn Sie den Mittelwert bilden und sagen, dass das unter- oder oberhalb der Linie der Wirtschaftlichkeit sei. Ich sage Ihnen: Diese Beträge machen im realen Leben nicht den entscheidenden Faktor aus. Die anderen Länder – wir haben Ihnen, glaube ich, genug aufgezählt – haben es uns auch bewiesen. Deswegen ist es, glaube ich, der richtige Weg, den Schutzriegel vorzuschieben, den die Menschen, die Betroffenen brauchen.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Ahrons! Es gehört schon einiges an Chuzpe dazu, an unseren recht ausführlichen wirtschaftspolitischen Anträgen herumzumäkeln.
Der einzige Antrag, der aus der Feder Ihres wirtschaftspolitischen Verstandes gekommen ist, behandelt die Reparatur von Hafenbarkassen. Das ist zudem eine Initiative, die der Senat schon einige Zeit zuvor angekündigt hat. Das erscheint schon ein bisschen seltsam.
Aber wahrscheinlich handelt es sich um einen dieser Superimpulse zur Wirtschaftsförderung.
Ich möchte mich aber auf die Arbeitsmarktpolitik konzentrieren und hier einen denkwürdigen Satz Senatorin Schnieber-Jastrams von vor ein paar Monaten aus der Debatte zitieren, die wir abgehalten haben über verwahrloste Kinder, Kinderarmut und die schlimmen Vorfälle, die es gegeben hat:
"Beziehen die Eltern Transferleistungen, zum Beispiel nach dem Sozialgesetzbuch II, sind sie davon abhängig. Erst wenn es uns gelingt, wieder mehr arbeitsfähige Eltern in Arbeit zu bringen, können wir diesen Kreislauf durchbrechen."
Wie wahr gesprochen. Heute und in all den vielen Pressemitteilungen zu den Kommentierungen der Arbeitsmarktpolitik der Behörde für Wirtschaft und Arbeit hören wir den Arbeitssenator Uldall sagen, wie toll alles sei, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gestiegen und alles eigentlich heil sei und sich auf einem guten Weg befinde. Dann kommt er auch noch mit dem Bilanzprinzip von Klarheit und Wahrheit – ernsthaft, da lachen ja die Hühner.
Ich will Ihnen ein paar Zahlen nennen, die die letzten Jahre Ihrer Regierungszeit abdecken. Wir haben heute etwa 40 000 offiziell registrierte Langzeitarbeitslose. Das ist fast doppelt so viel als bei Ihrem Regierungsantritt. Wir haben 143 000 Erwerbsfähige, die Arbeitslosengeld II beziehen. Das ist die wahre, durch Hartz IV aufgedeckte Zahl. Für die Höhe dieser Zahl können Sie nichts, da dies erst durch diese Reform aufgedeckt wurde. Aber es zeigt die Größenordnung dieses Problems. Diese Menschen leben in 115 000 Bedarfsgemeinschaften und insgesamt leben in diesen Bedarfsgemeinschaften 199 000 Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Das ist die Größe eines Bezirkes, das ist fast so viel, wie Altona Einwohner hat. Diese alle sind direkt oder indirekt von einer aktiven Arbeitsmarktpolitik abhängig, die dieser Senat und dieser Arbeitssenator eigentlich verpflichtet wäre zu verfolgen. Was machen Sie stattdessen? Sie kürzen radikal um 70 Millionen und die Maßnahmen, die Sie ergreifen, führen Sie nach dem Gießkannenprinzip aus. Sie organisieren in Ihrem Verantwortungsbereich die ARGE nicht richtig. Statt rechtzeitig umzusteuern, warten Sie fast zwei Jahre, bis Sie uns jetzt die nächste kleinere Maßnahme ankündigen. Das ist einfach für die Größenordung dieses Problems zu wenig. Es zeigt Ihre falsche Schwerpunktsetzung.
Bei der Kommentierung Ihrer Arbeitsmarktzahlen fällt kein einziges Wort zu den Langzeitarbeitslosen, mithin genau den Personen, über die und deren Probleme sich Senatorin Schnieber-Jastram beklagt hat. Während sich also die eine Senatorin einen weißen Fuß macht und sagt, sie habe ein großes Problem im Hause, das sie geerbt habe und für das sie nichts könne, verschlimmert es der andere, der sich Arbeitssenator nennt, mit seinen Maßnahmen. Aber auch der Bürgermeister erwähnt mit keinem Wort die Langzeitarbeitslosigkeit, obwohl er – in der Debatte direkt angesprochen – noch sagte, er komme gleich noch darauf. Aber mitnichten ist er darauf gekommen. Das kann er auch nicht, denn der gesamte Senat unterliegt dieser falschen Schwerpunktsetzung.
Ohne korrekte Analyse kann es keine richtige Schlussfolgerung geben. Sie haben viele Millionen aus der Arbeitsmarktpolitik herausgezogen. Ich will Ihnen nur zwei Bereiche nennen, in denen Sie sehr viel Gutes hätten tun können, um die soziale Lage der Betroffenen zu stabilisieren. Erstens wissen wir doch inzwischen alle – so wichtig die Orientierung auf den ersten Arbeitsmarkt ist –, dass es in schwierigen Arbeitsmarktsituationen aus ganz bestimmten Lebenslagen immer Personen geben wird, die, obwohl sie qualifiziert sind, obwohl sie engagiert, motiviert und aktiviert sind und obwohl sie einen EinEuro-Job geleistet haben, es nicht schaffen werden, gleich Anschluss im ersten Arbeitsmarkt zu finden.
A C
B D
Wir schlagen für diese Zielgruppe eine gemeinwohlorientierte Bürgerarbeit vor, begrenzt – wir sollten jedoch streng darauf achten, dass wir die Menschen dort nicht einschließen –, aber helfend und in einer guten und würdevollen Arbeit überbrückend, sodass sie dann von dort aus später den Sprung besser schaffen können. Damit ist den Stadtteilen und den Menschen geholfen.
Ein zweites Beispiel ist der Übergang von der Schule in den Beruf, die unter 25-Jährigen. Jeder in dieser Stadt, der sich auskennt, sagt Ihnen, dass dieser Bereich institutionell bezüglich dessen, was sich an Behörden vor Ort bis hin zur Bundesagentur tummle, völlig fragmentiert, unkoordiniert und vor allem unproduktiv für die Betroffenen ist. Für viele junge unterstützungsbedürftige Menschen – als Risikoschüler schon auf der Schule ohne richtige Perspektive allein gelassen – sind die gesamten Maßnahmen, die sich anschließen könnten und die diesen eigentlich helfen sollten, oft ein undurchsichtiger Dschungel. Manches Mal schlecht beraten, beginnen sie so ihre Maßnahmenkarrieren. Manche werden in ihren Karrieren noch einmal von A bis Z beraten und es beginnt alles noch einmal neu. Nirgendwo anders könnte man besser und frühzeitiger – in der Schule angefangen – die Intention von Hartz IV – die einer besseren Betreuung – mit der Bereitstellung eines persönlichen Ansprechpartners umsetzen, der jemanden schon früh bei der Kompetenzfeststellung oder Berufsorientierung in der Schulzeit bis später hin zu Maßnahmen, die den jungen Menschen helfen, sich weiter zu qualifizieren, und bis hin zum Einstieg in das Arbeitsleben begleitet. Dies wäre möglich, wenn dafür Ressourcen bereitgestellt würden und ein Verbund geschaffen würde, in dem diese vielen einzelnen Akteure endlich einmal konzertiert zusammengefasst würden. Doch dieser Bereich ist von Ihnen, Ihrer Sozialsenatorin und Ihrer Schulsenatorin völlig brach liegen gelassen. Das ist ein schwerer struktureller Fehler.
Nehmen wir nur einmal an, Sie hätten Recht mit der These, dass diese ganzen Arbeitsmarktmaßnahmen, die Sie bisher durchgeführt haben, nichts bringen und dass man deswegen kürzen sollte. Wenn man sich dann ansieht, wie man sinnvoll Politik gestalten und auch gerade eben bei diesem Kernproblem der Stadt sinnvoll ansetzen wollte, wäre es doch ein Leichtes, sich ressortübergreifend zusammenzusetzen, um in diesem weiten Feld der unter 25-Jährigen, die noch eine Chance brauchen, endlich besser zu werden und die Mittel endlich umzulenken. Aber was tun Sie stattdessen? Sie schichten die Mittel um in Wirtschaftsförderung, in dubiose Mittelstandsprogramme, die Ihnen selbst so dubios erscheinen, dass Sie sie darauf erneut umschichten und dann in Barkassenreparaturprogramme stecken. Das ist wirklich der Gipfel der Absurdität und hat nichts mit Arbeitsmarktpolitik zu tun.
Ich zitiere noch einmal Sozialsenatorin SchnieberJastram:
"Menschen in die Lage zu versetzen, ein Leben ohne staatliche Leistungen führen zu können, muss unser Ziel sein."
Sie haben eben genau jenen Menschen eben jene Mittel genommen, die zu deren Fördern und Fordern notwendig wären. Ihr Handeln spricht diesen Worten Hohn.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Frau Meyer-Kainer! Leider sind Sie die Beantwortung der entscheidenden Frage schuldig geblieben, warum es diese Dienstleistung aus einer Hand nicht gibt, obwohl wir viele qualifizierte Frauen und Männer haben.
Bevor ich darauf auch arbeitsmarktpolitisch eingehe, eines vorweg: Die Idee ist aus zwei Gründen prinzipiell zu begrüßen. Erstens, Familien gehören in unserer Stadt dringend besser unterstützt, allemal nach all den Mehrbelastungen, die gerade Sie in den vergangenen Jahren den Familien aufgebürdet haben.
Zweitens, Dienstleistungen, zumal haushaltsnah, sind in Deutschland unterentwickelt. Vergleichen wir uns mit ähnlichen Ländern wie dem unsrigen, dann fehlt dem deutschen Arbeitsmarkt ungefähr ein Beschäftigungsvolumen von 1,7 bis 3,1 Millionen Menschen, die in die
sem Bereich tätig sein könnten. Es ist schon interessant, sich die Frage zu stellen, warum das in anderen Ländern möglich ist und bei uns nicht.
Was Ihren Antrag anbelangt, muss ich Ihnen aber leider bescheiden: Die Idee ist auch schon das einzig Richtige an diesem Antrag und sie ist nicht einmal neu.
Fortbildungen zur Familienbetreuerin oder in der Tagespflege von Kindern werden von den BezirkslandFrauen Blaubeuren, den KreisLandFrauen Schwäbisch Hall, der Katholischen Militärseelsorge Wiesbaden oder, wenn Ihnen eine größere Nähe wichtiger und lieber ist, der Familienbildungsstätte in Wedel angeboten.
Nun stellt sich also die Frage, ob Ihr Antrag die vorliegenden Erfahrungen aufgreift und ein schlüssiges Konzept anbietet, gerade was die arbeitsmarktpolitische Realisierung betrifft. Da muss ich Ihnen leider sagen: Die Ausgestaltung der Maßnahmen ist durchgängig zu kurz gedacht und in Teilen widersprüchlich. Ich finde sie auch wirr. Die von Ihnen propagierte Wirkung am Arbeitsmarkt ist wirklich ein naiver Wunschtraum. Mal ehrlich, Hand aufs Herz – ich glaube, hier sind viele Familienväter und -mütter, die versucht haben, für die Erziehung und für die Haushaltshilfe, die sie gerne gehabt hätten, Personen zu finden.
Da schlagen Sie nur mal die Wochenblätter auf. Seien wir einmal ehrlich, es ist doch nicht ein Mangel an Personen da, die sich gegebenenfalls anbieten und nicht qualifiziert wären, die sind qualifiziert. Die machen das nur ohne Steuerkarte. Unsere Familie hat ein halbes Jahr gesucht, bis wir überhaupt jemanden gefunden haben.
Wenn man ein solches Konzept in dieser Stadt implementieren will, muss man doch an diesem Kernproblem etwas ändern. Sonst macht man es doch eigentlich nur, um einen schönen Antrag geschrieben zu haben, aber nicht, um wirklich eine Wirkung zu erzielen.
Noch einmal zu den Inhalten: Zu kurz gedacht ist, dass nicht einmal klar wird, was die Familienbetreuerin leisten soll. Sie sprechen von Kindertagesbetreuung, von pflegerischen Berufen, von der Verwaltung des Familienbudgets. Nach dem finnischen Modell ist eine Familienbetreuerin jemand, der eine Familie von der Schwangerschaft bis zum Schuleintritt der Kinder begleitet. Das finde ich ein sehr schlüssiges und interessantes Konzept. Aber was ist es nach dem Modell der Hamburger CDU? Deutlich wird das nicht. Aber auf jeden Fall sind Sie anspruchsvoll und die Person, die innerhalb von nur drei Monaten geschult werden und einen Beruf erwerben soll, muss vor allem sehr vielen Anforderungen entsprechen. Die Ansprüche stehen in Wahrheit in Widerspruch zu der Ausbildungsdauer, an die Sie denken.
Richtig wirr wird es, wenn man sich die Zielgruppe der zu qualifizierenden Menschen in Ihrem Antrag anschaut. Das reicht von Frauen mit Migrationshintergrund ohne Ausbildung über Berufsrückkehrerinnen bis hin zu sozialpädagogischen Assistentinnen. Bei Männern ist es ein bisschen einfacher, da reicht es wenn sie als Voraussetzung mitbringen, dass sie ein Interesse an der Tätigkeit im Privathaushalt haben.
Für einschlägig Qualifizierte soll die gleiche Weiterbildung im gleichen Umfang angeboten werden wie für relativ arbeitsmarktferne Personen, die zum Teil ohne jegliche Ausbildung sind. Entschuldigung, aber das finde ich schlichtweg absurd. Es passt aber zu den bisherigen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen des Senats, die allesamt auch nicht adäquat an den Qualifikationen der Arbeitssuchenden ansetzen und so die Langzeitarbeitslosen immer wieder im Regen stehen lassen.
Der entscheidende arbeitsmarktpolitische Punkt, sozusagen das dicke Ende dieses Antrags, kommt noch: Die Kosten für die Familienbetreuung, Sie haben in Ihrer Pressekonferenz von 1500 Euro gesprochen, tragen die Eltern – 1500 Euro. Aber wahrscheinlich möchte ich trotzdem meine Tochter und meinen Sohn in den Kindergarten bringen. Dann kommen noch einmal 200, 300 oder 400 Euro dazu. Vielleicht kommt noch einmal die Vorschule darauf. Dann sind wir schnell bei über oder an die 2000 Euro. Da muss ich Sie einmal ernsthaft fragen: Wer in dieser Stadt, glauben Sie – lassen Sie es einmal 2000 oder nur 1500 Euro sein –, hat das Geld, sich dafür eine Familienbetreuung zu leisten?
Ich glaube, das sind bestenfalls die 5 oder 2 Prozent der besser und am allerbesten Verdienenden dieser Stadt, aber mitnichten die Leistungsträger und die doppelt arbeitende Mittelschicht, die in Wahrheit die Entlastung bräuchte und die auch einen nennenswerten Arbeitsmarkteffekt erzielen könnte und die für sich eine richtige Lebensentlastung sehen könnte.
Der Personenkreis, den Sie damit ansprechen, findet in Wahrheit heute schon diese Personen und kann sie sich heute auch schon leisten. Ihr Antrag trägt in keiner Weise dazu bei, das Dilemma, keine bezahlbare Haushaltsentlastung finden zu können, überhaupt zu lösen. Das wirklich Tragische daran ist, dass es schnell zwei, drei gute Konzepte und Ideen geben könnte, mit denen man sich diesem Dilemma nähern würde, wenn man sich einmal arbeitsmarktpolitisch intensiv damit beschäftigen würde.
Erst einmal müssen Sie anfangen, nicht irgendeine pauschale Ausbildung anzubieten, denn wir haben ja sehr viele arbeitsmarktpolitische Maßnahmen dieser Art. Diese könnte man differenziert gestalten, darauf könnte man maßgeschneiderte Angebote je nach Bildungs- und Weiterbildungshintergrund aufbauen. Man könnte das möglicherweise zumindest anfangs in Arbeitsgelegenheiten integrieren, um für diejenigen, die am dringendsten die Beschäftigung brauchen, den Schritt hin in eine haushaltsnahe Anstellung oder hin in eine Familie leichter zu gestalten.
Zweitens, wenn Sie ernsthaft sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen schaffen wollen, müssen Sie auch ein flexibles Beschäftigungsmodell entwickeln, das die Familienbetreuerinnen zum Beispiel bei Trägern ansiedelt, die eine unbürokratische und vielleicht nur stundenweise Vermittlung für diejenigen Familien, die nicht eine Ganztagskraft brauchen oder wollen, sondern möglicherweise nur stundenweise Entlastung haben möchten, anbietet. Ein solcher Träger könnte auch die Abrechnung unbürokratisch gestalten. Es wäre möglicherweise gleichzeitig eine Garantie für die Zuverlässigkeit und die Qualität der Dienstleistung, die durch den Träger übernommen werden könnte, ganz einfach, in dem zum Beispiel weiter
führende und vertiefende Schulungen auch aus arbeitsmarktpolitischen Mitteln mit einer guten Qualitätssicherung verbunden würden. Vermutlich müsste man auch Verhaltenstraining und Coaching hinzufügen. Da kommen einem viele Ideen, was notwendig wäre, um den entsprechenden Personenkreis in die Lage zu versetzen, eine solche Tätigkeit wirklich gut auszuüben. Sie müssen aber auch den Langzeitarbeitslosen wie den hart arbeitenden Mittelschichtsfamilien überhaupt den Anreiz geben, auf ein solches Modell zurückzugreifen.
Da ist es mir völlig schleierhaft, wieso Sie nicht das nehmen, was Sie teilweise selber schon ins Leben gerufen haben und auf die Straße gesetzt haben. Ich spreche zum Beispiel von dem Kombilohn-Modell. Das haben Sie vor über einem halben Jahr ins Leben gerufen, der Mittelabfluss war bislang null und es wäre eine ideale flankierende Finanzierung von solchen Maßnahmen. Sie könnten auch ESF-Mittel abrufen, dazu haben Sie in der letzten Bürgerschaftssitzung schnell noch einen Antrag geschrieben, dass man sich einmal damit beschäftigen kann. In den ESF-Leitlinien steht, wenn man das interpretiert, dass man möglicherweise über Kombilohn-Modelle solche Beschäftigungen fördern könnte.
Das heißt, Sie könnten substanziell eine Entlastung in der Preisgestaltung einer solchen Dienstleistung zum Beispiel über einen Träger bewirken und damit wirklich einer breiten Mittelschicht von Familien den Zugang zu solchen Dienstleistungen ermöglichen. Dann hätten Sie ein schlüssiges Konzept und dann wir würden sagen, das kann eine arbeitsmarktpolitische Wirkung haben. Dies alles wären beherzte und planvolle Maßnahmen. Was Sie produzieren, ist eine unausgegorene Alibiveranstaltung, wobei vielleicht als einziger kleiner Effekt die Entlastung oder ein attraktives Angebot für die 2 Prozent der bestens verdienenden Haushalte dieser Stadt herumkommt. Das ist aber nicht die breite Entlastung der Familien und der Leistungsträger der Gesellschaft, die wir uns vorstellen. Das ist auch überhaupt nicht familienfreundlich, so erhalten Sie keine Beschäftigungseffekte und dieser unsinnigen Alibiveranstaltung können wir so nicht zustimmen.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Kollegin Dr. Hochheim, wenn ich mir diesen Antrag anschaue, dann kann ich eigentlich nur festhalten, dass Sie in allerletzter Minute erkannt haben, dass er zu spät kommt und durch das Leben bestraft wird.
Sie haben die ESF-Fördermöglichkeiten in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt und wir haben schon an verschiedenen Stellen hier im Hause versucht, Sie dort auf den richtigen Weg zu bringen. Diese Möglichkeiten haben Sie jedes Mal nicht genutzt.
Dieser Antrag wirft ein bezeichnendes Licht auf das mangelnde Interesse des Senates an einer echten aktiven Arbeitsmarktpolitik, die die Menschen fördert, ihnen hilft und Sie hierbei auch im positiven Sinne fordert.
Vor lauter Desinteresse an aktiver Arbeitsmarktpolitik ist Ihnen jetzt in allerletzter Minute eingefallen, dass der Stadt wichtige Kofinanzierungen durch den Europäischen Sozialfonds verloren gehen könnten.
Vermutlich musste auch daher eine Veranstaltung der Lawaetz-Stiftung, die diesbezüglich hätte stattfinden sollen, verschoben werden, damit heute vorerst noch schnell Ihr Antrag beraten werden kann. Wären Sie aber daran interessiert gewesen, vernünftige Finanzierungen der Projekte aktiver Arbeitsmarktpolitik in dieser Stadt sicherzustellen, hätten Sie ohne die Mühe, einen eigenen Antrag zu schreiben, die Anträge der Opposition mit der gleichen Stoßrichtung bereits viel früher beschließen können.
Sie fordern vom Senat – das schreiben Sie in Ihrem Antrag –, dass er ein arbeitsmarktpolitisches Strategiepapier entwickeln solle. "Huh", muss man sagen, das ist eine wilde Forderung. Aber ich komme Ihnen hier gern entgegen.
SPD-Antrag, Drucksache 18/3062 vom 25. Oktober 2005:
"Der Senat wird aufgefordert darzulegen, mit welcher arbeitsmarktpolitischen Strategie der Europäische Sozialfonds (ESF) ab 2007 in Hamburg umgesetzt werden soll."
Das ist fast wortgleich zu Ihrem Antrag.
SPD-Antrag, Drucksache 18/4186 vom 26. April 2006:
"EU-Programmplanung vorlegen."
Das ist von Ihnen auch abgelehnt worden.
Der GAL-Antrag, Drucksache 18/4263 vom 9. Mai 2006, ist freundlicherweise, um Sie vorzuwarnen, schon extra übertitelt worden:
"EU-Gelder in Hamburg – Wer zu spät kommt…"
Auch diesen Antrag haben Sie abgelehnt.
Ich sage "Schwamm drüber" und möchte ein paar Worte zu Ihrer inhaltlichen Stoßrichtung sagen, die Sie hier wieder angebracht haben. Das atmet einfach die völlige Konzeptionslosigkeit des Senates in diesem Bereich.
Da Sie offensichtlich nicht den Dreh herausfinden, wie Sie die Förderung der Langzeitarbeitslosen vernünftig organisiert bekommen, stehlen Sie sich aus der politischen Verantwortung und legen mit Ihrem Antrag dem Senat das nahe, was er schon die ganze Zeit macht, nämlich die vorhandenen Gelder, die er hier in der Stadt nicht vernünftig eingesetzt bekommt, lieber in den ersten Arbeitsmarkt zu stecken.
Hier lohnt es sich einmal, kurz dahinter zu blicken, was das eigentlich heißt. In Wahrheit haben Sie für diese Umwidmung – eigentlich ist das keine Umwidmung, sondern ein Missbrauch der Gelder – selbst auf der sehr wirtschaftsliberal agierenden EU-Ebene keine Unterstützung. Man hätte eigentlich denken können, dass die EU möglicherweise gerade für den ESF-Bereich entsprechend ähnliche Vorschläge wie die Ihrigen in ihren Leitlinien dargelegt hätte.
Schauen wir uns doch einmal die Leitlinien der EU für Wachstum und Beschäftigung für die Jahre 2005 bis 2008 genauer an. Dort finden Sie unter anderem die Leitlinien: Investitionen und Humankapital steigern und optimieren, die Außenweiterbildungssysteme auf neue Qualifikationen ausrichten, den Arbeitsmarkterfordernissen der Langzeitarbeitslosen besser gerecht werden und die Arbeit für Nichterwerbstätige lohnender machen.
Ich hätte wenigstens erwartet, dass Sie hier – auf diesen Punkt bezogen – für Langzeitarbeitslose eine Brücke zu Ihrem Hamburger Kombilohn-Modell schlagen. Das hätte an dieser Stelle gepasst, doch nicht einmal das findet sich bei Ihnen wieder.
Sie wollen also noch mehr als bisher Gelder in Ihre wirtschaftspolitischen Projekte umlenken, die Sie ansonsten nicht vernünftig aus dem Haushalt finanziert bekommen und stellen einfach die Schutzbehauptung auf, dass das die Beschäftigung fördern würde.
Die Beschäftigung in Hamburg ist im letzten Jahr aber nicht ein wenig gewachsen, weil Sie seit einem Jahr die Arbeitsmarkttitel umwidmen, sondern weil Sie die Cluster Ihrer SPD-Vorgängersenate, nämlich Luftfahrt und Logistik im Hafen, konsequent fortgesetzt haben.
Ihre umgewidmeten Millionen aus der aktiven Arbeitsmarktpolitik sind letztlich, wenn man sich das volkswirtschaftlich ganz genau anschaut, nicht mehr als ein Konjunkturprogramm, die klassische Wirtschaftspolitik der Siebziger- und Achtzigerjahre, und wirklich nicht sehr einfallsreich. Aber ich glaube, das fällt Ihnen offensichtlich in diesem Punkt nicht einmal auf.
Es ist mir aber eine große Genugtuung, Ihnen darzulegen, dass das einen Ihrer Senatskollegen zumindest inzwischen ins Grübeln gebracht hat. Ihr Finanzsenator, Herr Dr. Peiner, hat am Dienstag während der Haushaltsberatung des Einzelplans 4 seine Irritation darüber zum Ausdruck gebracht, dass zwar die Beschäftigung in Hamburg ein wenig steige, aber parallel dazu auch die Zahl der Hilfeempfänger zunimmt. Er kommt zu dem Ergebnis, dass offensichtlich Menschen aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein ihren Weg hierher zu uns in Beschäftigung finden, was wir sicherlich auch sehr begrüßen, nur aber die Hamburger nicht, die einer besonderen Förderung bedürfen.
Das, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, ist ein ganz schlechtes Zeugnis für Ihre Politik. Es gibt hierfür einen ganz klaren Indikator. Das ist die Zahl der gestiegenen Langzeitarbeitslosen, die einen absoluten Höchststand wie nie zuvor erreicht hat.
Nebenbei bemerkt, loben Sie sich hier für einen Beschäftigungsanstieg. Das Beschäftigungsniveau in Hamburg ist so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr und beginnt sich erst langsam wieder zu erholen. Die letzten vier Jahre haben den größten Beschäftigungsabschwung zu verkraften. Ihre Behauptung, das sei ein toller Erfolg, ist ungefähr so, als wenn eine Mannschaft, die 0 : 4 zurückliegt und endlich ein Tor geschossen hat, glaubt, sie hätte jetzt gewonnen. Ich denke, Sie müssen sich noch ein bisschen mehr anstrengen, bevor Sie das hier behaupten können.
Jetzt wollen Sie noch mehr Fördermittel streichen und auch die ESF-Mittel umlenken. Für die Arbeitslosen dieser Stadt, denen Sie das Geld wegnehmen, ist das eine weitere schwere Belastung. Das wollen Sie fortsetzen und das ist bitter. Daher ist dieser Antrag falsch und wir werden ihn ablehnen.
Frau Dr. Hochheim, Sie sind mit 20 000 Langzeitarbeitslosen gestartet und jetzt haben Sie 40 000. Das kann man wirklich nicht als Erfolg der letzten vier Jahre bezeichnen.
Frau Dr. Hochheim, es stimmt, dass es in den Arbeitsbeschäftigungsmaßnahmen der Neunzigerjahre sehr stark den so genannten "Lock-in"-Effekt gab. Aber wer hat denn die großen ABM-Wellen über Deutschland gebracht? Das war beispielsweise 1998 der sehr geehrte Herr Bundeskanzler Kohl mit 600 000 ein halbes Jahr vor der Wahl. Sie wurden einfach nur so ausgeschüttet, damit entsprechend die Statistik verbessert wird, ohne das vernünftig zu evaluieren. Insofern glaube ich, dass es nicht korrekt ist, an dieser Stelle einfach irgendwohin mit dem Finger zu zeigen.
Ihr Kombilohnmodell würde ich klasse finden, wenn ich endlich sehen würde, ob und wie das funktioniert. Aber was machen Sie in Wahrheit? Sie haben hierfür 9 Millionen Euro als Sollplanzahl eingestellt, was seit April läuft. Der Mittelabfluss im September ist null. Die Behörde arbeitet offensichtlich nicht, denn anders kann ich das nicht verstehen. Die ARGE arbeitet auch nicht vernünftig.
Sie geben heute eine Pressemitteilung heraus – ich glaube, das sollte eine Art Lob sein –, dass Sie die Organisationsabläufe der ARGE genauer untersuchen lassen wollen. Es ist 21 Monate her, seitdem Hartz IV eingeführt ist. Im Mai oder Juni ging Ihr Senator noch an die Presse und erklärte, dass Sie zur Verbesserung der ARGE zehn Punkte haben. Und jetzt kommen Sie nach 21 Monaten und sagen, dass es irgendwie nicht richtig klappt. Dann frage ich mich doch: Was haben Sie die anderen 21 Monate gemacht? Ich verstehe ja, dass Sie nicht nur drei Monate hierfür benötigen, aber spätestens nach sechs Monaten war klar, dass die Organisation der ARGE, so wie sie heute dasteht, nicht richtig funktioniert. Aber das interessiert Sie nicht.
Warum funktionieren Ihre Maßnahmen nicht? Sie funktionieren nicht, weil Sie schlichtweg einem Wettbewerbsideologen Ihrer Behörde aufgesessen sind. Dieser meint nämlich, nach jedem halben Jahr alle 10 000 Maßnahmen immer wieder neu ausschreiben zu müssen. Dann wechselt man einmal die Träger hier, ein anderes Mal dort und hat letztendlich gar keine vernünftigen Zahlen, mit denen man evaluieren könnte. Im Ergebnis schaffen Sie hier nur Verunsicherung.
Sie haben Maßnahmen nach dem Gießkannenprinzip geschaffen, in denen Sie beispielsweise junge Menschen zehn Monate in Maßnahmen hineinstecken und überhaupt nicht richtig wissen, mit welchen geringen sozialen Voraussetzungen sie dort hingekommen sind. Jetzt wundern Sie sich, dass Sie Abbruchquoten von über 50 Prozent haben.
Wenn Sie jemanden nehmen, der 22 Jahre lang auf der Straße sozialisiert wurde und dessen Straßenverhalten irgendwie sozial adäquat ist, dann brauchen Sie mehr als zehn Monate, um ihn an die Hand zu nehmen und ihm Schritt für Schritt deutlich zu machen, dass die richtige Welt eine andere ist. Hier beginnt schon der Zuschnitt der entsprechenden Maßnahmen, indem man die notwendigen Sozialpädagogen hat, die zu ihm nach Hause fahren, ihn abholen sowie zurück in die Maßnahme bringen und
nicht einfach zulassen, dass er die Maßnahme abbricht. Und wenn er sie abbricht, dann gehört es nachgehalten, dass er keine Grundsicherung mehr bekommt oder zumindest eine entsprechende Kürzung vorgenommen wird. Nicht einmal das tun Sie, weil Sie völlig desorganisiert sind.
Sie brauchen mindestens ein Jahr, um einen Menschen sozial zu stabilisieren. Dann müssen Sie versuchen, ihm Schritt für Schritt die Grundqualifikationen, wie einfaches Rechnen und Schreiben, beizubringen. Das alles können Sie nicht in zehn Monaten schaffen und daher funktionieren auch Ihre komischen Maßnahmen, die Sie hier nach dem Gießkannenprinzip ausschütten, nicht.
Sie müssen sich ein vernünftiges Programm beziehungsweise eine vernünftige Strategie überlegen, wie Sie beispielsweise mit diesen jungen Menschen systematisch umgehen. Solange Sie kein entsprechendes Programm haben, werden Sie ständig gegen die Wand fahren. Sie werden dann erklären, dass es keinen Sinn hat, nehmen die Gelder und schütten Sie in irgendwelche wirtschaftspolitischen Projekte, bei denen dann am Ende in Ihren gelben Seiten im Einzelplan 7 enthalten ist, dass Sie mit Millionen von Geldern 70 Arbeitsplätze geschaffen haben.
Hier kann ich Ihnen sagen, dass unsere Konjunkturprogramme aus den Siebzigerjahren, die vielleicht auch nicht immer besonders einfallsreich waren, schon ein bisschen effektiver waren. Besinnen Sie sich erst einmal, Ihre Kernaufgaben richtig durchzuführen.
Frau Präsidentin, Herr Staatsrat! In welchen kalendarischen Zeitabschnitten planen Sie die drei Bauabschnitte?
Ist Ihnen bekannt, dass Herr Senator Freytag etwas präzisere Zahlen auf der öffentlichen Veranstaltung genannt hat als Sie sie uns jetzt nennen, sicherlich ohne sich ganz festgelegt zu haben?
Keine Sorge, manche Wahrheit schmerzt halt ein bisschen, da muss man durch.
Sie singen das Hohelied erfolgreicher Maßnahmen in den letzten Jahren und das haben wir an dieser Stelle schon oft genug festgehalten. Das ist durchaus auch wichtig und Klappern gehört zum Handwerk. Doch wie viel Substanz steckt hinter den Ankündigungen und Marketingsprüchen unseres Arbeitssenators Uldall? Der Arbeitsmarkt dient hervorragend als ein Beispiel dafür, wie man aus Statistik und Zahlendreherei eine Erfolgsgeschichte baut, die es so gar nicht gibt. Es gibt kein Bundesland, das bei der Veröffentlichung seiner Zahlen zum Arbeitsmarkt so systematisch und konsequent die Wirklichkeit schönt.
Nehmen wir das Jahr 2004 und den Vergleich der absoluten Arbeitslosenquoten zum Vorjahresmonat, wo im eigenen Bundesland die Entwicklung im Vergleich zum Vorjahr aufgezeigt wird. Dort finden wir in den Pressemeldungen der BWA über vier bis fünf Monate das hohe Loblied, dass sich Hamburg angeblich vom Bundestrend in der Arbeitslosigkeit abgekoppelt hätte. Sie verschweigen dabei völlig, dass in Hamburg der konjunkturelle Verlauf immer schon abgeflachter war als in den anderen Ländern, wo die Konjunkturentwicklung im Sommer viel stärker aufwärts und im Herbst wieder abwärts geht. Wenn ich jetzt unsere eigenen Zahlen mit den Ländern vergleiche, in denen die Konjunktur über viele, viele Jahre viel stärker schwankt, dann schauen wir natürlich prozentual, da in Hamburg die Abschwächung nicht so stark erfolgt, besser aus. Das hat aber überhaupt nichts mit irgendeinem substanziellen Effekt am Arbeitsmarkt zu tun, sondern es ist eine reine Mogelpackung, die Sie uns da über viele Monate geboten haben.
Sie machen das mit System. Schauen wir uns doch das letzte Halbjahr und die Beschäftigungsentwicklung an, die Sie immer hochgehalten haben. Ende September verkündeten Sie uns, dass wir eine positive Beschäftigungsentwicklung hätten. Dazu muss man wissen, dass die Beschäftigungsentwicklung immer über zwölf Monate gemessen wird. Im nächsten Monat, im Oktober, sagten Sie erneut, dass wir eine positive Beschäftigungsentwicklung hätten und quantifizierten das mit rund 2500 Stellen. Was Sie uns nicht und in keiner Ihrer vorherigen und späteren Presseveröffentlichungen jemals öffentlich mitgeteilt und möglicherweise auch mit Sorge kommentiert haben, ist, dass im gleichen Zeitraum die Langzeitarbeitslosigkeit zuerst um 800 und dann um 1400 Menschen gestiegen ist.
Doch es geht weiter. Im November nahmen Sie die gleiche Zahl und sagten uns: "Wir haben eine positive Beschäftigungsentwicklung", aber im Grunde genommen ist es die gleiche Zahl wie vom Monat zuvor. Das heißt, Sie verkaufen uns den Erfolg im nächsten Monat noch einmal.