Protocol of the Session on May 31, 2006

Nehmen wir das Jahr 2004 und den Vergleich der absoluten Arbeitslosenquoten zum Vorjahresmonat, wo im eigenen Bundesland die Entwicklung im Vergleich zum Vorjahr aufgezeigt wird. Dort finden wir in den Pressemeldungen der BWA über vier bis fünf Monate das hohe Loblied, dass sich Hamburg angeblich vom Bundestrend in der Arbeitslosigkeit abgekoppelt hätte. Sie verschweigen dabei völlig, dass in Hamburg der konjunkturelle Verlauf immer schon abgeflachter war als in den anderen Ländern, wo die Konjunkturentwicklung im Sommer viel stärker aufwärts und im Herbst wieder abwärts geht. Wenn ich jetzt unsere eigenen Zahlen mit den Ländern vergleiche, in denen die Konjunktur über viele, viele Jahre viel stärker schwankt, dann schauen wir natürlich prozentual, da in Hamburg die Abschwächung nicht so stark erfolgt, besser aus. Das hat aber überhaupt nichts mit irgendeinem substanziellen Effekt am Arbeitsmarkt zu tun, sondern es ist eine reine Mogelpackung, die Sie uns da über viele Monate geboten haben.

(Beifall bei der SPD)

Sie machen das mit System. Schauen wir uns doch das letzte Halbjahr und die Beschäftigungsentwicklung an, die Sie immer hochgehalten haben. Ende September verkündeten Sie uns, dass wir eine positive Beschäftigungsentwicklung hätten. Dazu muss man wissen, dass die Beschäftigungsentwicklung immer über zwölf Monate gemessen wird. Im nächsten Monat, im Oktober, sagten Sie erneut, dass wir eine positive Beschäftigungsentwicklung hätten und quantifizierten das mit rund 2500 Stellen. Was Sie uns nicht und in keiner Ihrer vorherigen und späteren Presseveröffentlichungen jemals öffentlich mitgeteilt und möglicherweise auch mit Sorge kommentiert haben, ist, dass im gleichen Zeitraum die Langzeitarbeitslosigkeit zuerst um 800 und dann um 1400 Menschen gestiegen ist.

Doch es geht weiter. Im November nahmen Sie die gleiche Zahl und sagten uns: "Wir haben eine positive Beschäftigungsentwicklung", aber im Grunde genommen ist es die gleiche Zahl wie vom Monat zuvor. Das heißt, Sie verkaufen uns den Erfolg im nächsten Monat noch einmal.

Schauen wir uns den Januar an. Da verkauften Sie uns die gleiche Botschaft noch einmal, Hamburg habe eine positive Beschäftigungsentwicklung. Es ist die gleiche Zahl und die gleiche Information und hat keinen Deut mehr Substanz und Sie verkaufen dies als großen Erfolg.

Schauen wir uns den Monat März an, wieder die gleiche Zahl. Inzwischen sind es 6000 Menschen und Sie sagten, das sei ein großer Erfolg. Im gleichen Zeitraum hatten wir aber 4000 Langzeitarbeitslose mehr.

Gucken wir uns den April an, die Zahl ist inzwischen sogar gesunken. Im Mai sind es nicht mehr knapp 7000, sondern etwa 6000 und die verkauften Sie uns als Erfolg. Dabei ist es in Wahrheit ein Rückgang der Beschäftigung im Vergleich zum Vorjahr und alles, was Sie uns diesbezüglich sagten, hat überhaupt keinen Neuigkeitswert und ist für sich genommen kein Erfolg, denn im gleichen Zeitraum hatten wir mehr Langzeitarbeitslose.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Im gleichen Zeitraum mit zusätzlichen 6000 Beschäftigten hatten wir 10 000 mehr Langzeitarbeitslose zu verzeichnen.

So kann man nur am Ende festhalten: Sie haben im besten Fall, wenn ich die optimistischste Entwicklung bewerte, den Hamburger Arbeitsmarkt gespalten. Sie haben die Menschen gespalten in Erfolgreiche, die aus dem Umland zu uns ziehen oder hier Arbeit aufnehmen, und in diejenigen, die in dieser Stadt wohnen und mehr und mehr langzeitarbeitslos werden und die Verlierer dieser Entwicklung sind. Mit Projekten, deren Ursprung in den Neunzigerjahren liegt, haben Sie mehr Beschäftigung geschaffen.

(Rolf Harlinghausen CDU: Soll jetzt einer nach dem anderen SPD-Abgeordneten das Gleiche sagen?)

Die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsempfänger ist seit einem Jahr aber um 18 000 gestiegen, die Zahl der Bedarfsgemeinschaften um 14 000. Was haben Sie dagegen getan? Sie haben die Mittel zur Hälfte gekürzt, haben aber eine doppelte Anzahl derjenigen, die gefördert werden müssten. Es ist in Wahrheit zynisch, das als Erfolg zu verkaufen.

(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Blömeke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist nach wie vor immer erstaunlich, dass wir jetzt fast eine Stunde über die wachsende Stadt, über Boomtown, reden – das haben wir auch schon des Öfteren getan –, und nur wenige Redner, unter anderem mein Kollege Willfried Maier, sprechen auch mal über die Menschen in dieser Stadt. Gerade hat Frau Ahrons über Boomtown geredet und unter anderem den "stern" zitiert, den Senator Uldall schon vor vierzehn Tagen

(Gerhard Lein SPD: Der hört gar nicht zu!)

mit dem Titelblatt "Boomtown Hamburg" hier ganz erfreut angekündigt hat. Frau Ahrons, man muss auch einmal sehen, dass es Menschen gibt, die die Situation in der Stadt so beurteilen, wie sie ist, nämlich für Familien mehr als dürftig.

Ich würde Ihnen gerne einmal einen Leserbrief zu dem Artikel "Boomtown Hamburg" vorstellen. Dort schreibt ein Leser:

"Ein treffender Artikel. Viele Worte und 27 Fotos, auf denen nicht ein einziges Kind zu sehen ist. Denn der

Senat der (Kinder-)Freien und Hansestadt investiert lieber in Einbildung als in die Bildung der Kinder. Die Attraktivität für Besucher steigt, aber die Familien verlassen Boomtown."

So sieht die Realität aus. Für Familien wird in der wachsenden Stadt nichts getan, im Gegenteil. Durch die wachsende Stadt werden Flächen für Kinder und Jugendliche immer weiter eingeschränkt.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Stimmt nicht!)

So sieht Ihre Boomtown aus.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Egloff.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Senator Uldall, niemand will diese Clusterpolitik in der Stadt in Abrede stellen, aber man muss sich doch einmal genau anschauen, was das ist. Was haben Sie denn da gemacht? Erst einmal ist es ein schönes Wort. Dann haben Sie sich die Studie der Firma McKinsey angeguckt, was die in der Befragung der Hamburger Führungskräfte herausgefunden haben und gesagt, da sind die Stärken der Stadt, da machen wir die Cluster. Das ist aber noch keine Politik.

(Beifall bei der SPD – Erste Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Zu einer richtigen Clusterpolitik gehört, dass man sich Gedanken darüber macht, wo was wie weiter entwickelt werden soll und das habe ich hier kritisiert. Sie sind wieder oberflächlich darüber hinweggegangen, weil Sie keine Konzepte haben und deswegen können Sie auch keine vorstellen.

(Beifall bei der SPD)

Und das immer mit diesem beleidigten Unterton zu tun, Sie würden alles für die Stadt tun und die Opposition würde sich versündigen, wenn sie bestimmte Dinge kritisiere, ist nicht in Ordnung. Wir machen uns Gedanken darüber, wie es dieser Stadt und den Menschen in dieser Stadt besser gehen kann und das bitten wir gefälligst auch zur Kenntnis zu nehmen und nicht immer so abzutun, wie Sie das tun.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Schauen wir uns doch einmal an, wie denn die Unternehmen, für die Sie angeblich immer die Politik machen, Ihre Politik beurteilen. In den Hamburger Tageszeitungen war in dieser Woche eine Veröffentlichung, aus der ich nur vier Sachen nenne: Businessfaktoren, das heißt, Standort, Immobilienkosten, Förderfinanzierungskosten und Kaufkraft. Platz eins in der Umfrage belegt Stuttgart, Platz zwölf Hamburg. Unternehmerfreundlichkeit, Unterstützung durch die Stadtverwaltung, IHK-Arbeitsvermittlung et cetera: Platz 1 Essen, Platz 19 Duisburg, Platz 20 Hamburg.

(Farid Müller GAL: Tja!)

Arbeitsmarktfaktoren, Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte, Gehaltsniveau: Erster Platz Berlin, neunzehnter Platz Hamburg. Und so viele Firmen denken über einen Standortwechsel nach: In Stuttgart 1 Prozent und in Ham

burg 11 Prozent, zwanzigster Platz. Da muss sich der Senat doch fragen lassen, woran das liegt.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Warum wollen in Stuttgart nur 1 Prozent die Stadt verlassen? Liegt es vielleicht daran, dass Baden-Württemberg eine anständige Mittelstandspolitik macht und Hamburg nicht, kann das der Grund sein? Darüber müssen Sie doch einmal nachdenken und das tun Sie nicht in ausreichendem Maße.

(Beifall bei der SPD – Michael Neumann SPD: Das gibt Sprachprobleme mit Baden-Württem- berg!)

Meine Damen und Herren! Es kommt nicht auf den schönen Schein an, auf Marketing, sondern es kommt darauf an, dass die Menschen dieser Stadt etwas davon haben und deswegen sind wir für die menschliche Metropole und Sie nicht.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt Herr Dobritz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte mich in dieser sehr marktgetriebenen Momentaufnahme über diese Stadt auch mit einem Cluster beschäftigen, der Baustein für die wachsende Stadt geworden ist und werden sollte: Cluster Sportstadt. Ich beschäftige mich damit nicht so sehr, weil wir eine Sportsenatorin haben, die den HSV-Aufsichtsratsvorsitzenden immer mit dem Vorstandsvorsitzenden verwechselt,

(Zurufe von der CDU: Oh!)

sondern weil es ein Politikbereich ist, bei dem man sehr gut die große Lücke zwischen dem, was man will und dem, was real stattfindet, aufzeigen kann.

(Vizepräsidentin Bettina Bliebenich übernimmt den Vorsitz.)

Was haben wir auf dem Gebiet Sportstadt Hamburg nicht alles an Zielvorgaben erlebt und hier diskutiert. Ich nehme einmal das Beispiel Tennissportplatz Rothenbaum. Heute lauten die Überschriften über den Tennismeisterschaften am Rothenbaum nicht mehr "wir gehen zum Rothenbaum", sondern "wir gehen zum Totenbaum". Das ist die Überschrift des Jahres 2006.

Und was ist am Volkspark passiert? Am Volkspark sollte eine Kreativmetropole der Sportstadt Hamburg entstehen. Seit eineinhalb Jahren warten wir auf konkrete, verwertbare Ergebnisse.

Eine Stadt als Schöne kann schlafen, sie kann aber auch verfallen in eine sehr gefährliche Arroganz. Auf diesem wichtigen Politikfeld für diese Stadt haben Sie es in fünf Jahren nicht weiter gebracht, als lediglich eine neue B 10Stelle für einen Staatsrat zu schaffen und sonst nichts.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)