Protocol of the Session on November 10, 2005

Es gibt das Beispiel der Dresdner Staatstheater, die einen Vorstoß in diese Richtung gewagt haben. Da gibt es seit geraumer Zeit einen Familientag für alle. Am Montag waren nämlich die Staatstheater am wenigsten besucht und so gibt es jetzt einen Familientag – trotzdem kann da jeder hingehen – für 5 Euro und seitdem sind die Vorstellungen total ausgebucht, was toll für die Theater ist, die sich auch darauf eingestellt haben und nicht nur die gängigen Stücke zeigen, sondern auch ganz andere Theateraufführungen machen. Es macht überhaupt nichts aus, dass auch regelmäßige Theatergänger diesen Familientag am Montag nutzen; augenscheinlich rechnet es sich für die Dresdner Staatstheater.

Meine Damen und Herren! Wir sind uns einig, dass Kunst und Kultur für ein erfülltes Leben unverzichtbar sind; Kultur ist sozusagen ein Lebensmittel. Deswegen müssen wir für Kinder und Jugendliche und deren Familien die Schwelle senken, ein Theater oder eine Konzertaufführung zu besuchen. Die Eintrittspreise sind sicherlich eine Schwelle, aber nicht die einzige, sondern da gibt es noch ein anderes Thema zu beleuchten, nämlich das, das wir auch aus der PISA-Studie kennen, zum Beispiel die Bildungsferne oder die soziale Herkunft.

Wir müssen uns mit dieser Frage auseinander setzen, weil ich hier den gleichen Zusammenhang sehe, den auch die Ergebnisse der PISA-Studie deutlich machen. Die soziale Herkunft entscheidet nicht nur über den schulischen Bildungsstand der Kinder, sondern auch über deren Zugang zu Kulturangeboten. Mindestens so wichtig wie günstige Familieneintrittspreise wäre es meiner Ansicht nach, wenn Lehrerinnen und Lehrer mit ihren Schülerinnen und Schülern wieder häufiger den Weg ins Theater fänden,

(Beifall bei der SPD und der GAL)

denn damit hätten auch die Kinder eine Chance, die Erfahrung eines Theatererlebnisses zu machen, deren Eltern selbst nicht auf die Idee kommen oder für die es wirklich eine zu hohe Schwelle ist. Leider gibt es hier keine klare Regelung für die Hamburger Schulen, Theaterbesuche mit Schülerinnen und Schülern durchzuführen. So bleibt es vielfach den Lehrerinnen und Lehrern überlassen und – ich will hier nicht demotivieren, sondern motivieren – ich finde auch von uns hier sollte ein Signal dazu ausgehen, dass wir noch mehr Lehrer und Lehrerinnen ermutigen, tatsächlich bei allem Stress, den sie haben, mit den Schülerinnen und Schülern in Theater zu gehen, auch in Museen. Ich fände es gut, wenn dies nicht nur freiwillig wäre, sondern verbindlich in den Lehrplänen geregelt wäre und wir wissen, dass natürlich die Schulklassen zu ermäßigten Preisen hingehen.

Wenn wir also wollen, damit einen Anschub für mehr kulturelle und musische Erziehung und Bildung in unserer Stadt zu geben, für mehr Teilhabegerechtigkeit für Familien aus allen gesellschaftlichen Schichten und für mehr Chancengerechtigkeit, dann müssen wir beides tun: Dann müssen wir Preise haben, die auch für Familien tragbar sind, allerdings müssen wir auch mehr Anstöße aus den Schulen haben; das wäre sehr wichtig. Es wäre schön, wenn wir darüber auch noch im Ausschuss diskutieren könnten.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Maier.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Strasburger, wir haben alle nichts gegen günstige Preise für Familien, aber als ich den Anfang las, ging mir durch den Kopf, ob der Begriff der Familie eigentlich der richtige Anknüpfungspunkt sei, um günstige Preise für das Theater zu fordern. Ich habe immer die Wahrnehmung, dass es sehr reiche Familien und ausgesprochen arme Familien gibt. Warum man ausgesprochen reichen Familien über die staatliche Förderung, die wir sowieso schon ins Staatstheatersystem geben, auch noch den Theaterbesuch weiter verbilligen soll, leuchtet mir nicht so richtig ein. Das ist eine der wenigen Kultureinrichtungen, deren Besuch wir per öffentlicher Hand sowieso subventionieren und wir wissen, dass auch jetzt schon der Besuch hochkultureller Einrichtungen sozial selektiv ist. Diese Förderung geht im Wesentlichen Richtung Bildungsbürgertum und Mittelschichten.

(Stefanie Strasburger CDU: Aber das soll doch ge- rade geändert werden!)

Aber dann muss man sich überlegen, wie man das ändern kann. Ist dafür der Begriff der Familie der richtige Anhaltspunkt? Sollte man nicht vielleicht überlegen, Familien aus Kirchdorf-Süd, der Veddel – oder was weiß ich – zu fördern; dann hätte man eine etwas größere Zielgerichtetheit.

Nun ist mir völlig klar, dass ein Theater das nicht in dieser Weise organisieren kann. Ich lese manchmal – manche Theater haben das schon –, dass der Besuch der Theater für Rentner verbilligt ist. In gut einem Jahr bin ich ein solcher. Wieso man mir den Theaterbesuch als Rentner dann verbilligen soll, ist überhaupt nicht einzusehen. Das ist eine wenig plausible Kategorie für Verbilligungen, was aber auch üblich ist.

Dann bleibt die weitere Frage, wer sind wir denn, die wir da jetzt einwirken sollen. Wir haben die Theater zu GmbHs gemacht und das heißt wirtschaftlich selbstständig. Die machen ihre eigene Preispolitik und das hat sich sehr bewährt. Wir wollen da auch nicht zu viel hineinregieren. Man muss sich dann als Nächstes fragen, stimmt es denn, dass die Theater sozial unsensibel sind oder ungerechte Preise nehmen oder machen sie vielleicht gegenwärtig schon besondere Familienangebote und besondere Angebote für wenig verdienende Leute. Dann stellt man fest, dass genau das der Fall ist. Die Staatsoper macht ein eigenes Familien-Abo.

(Stefanie Strasburger CDU: Ja, das habe ich doch gesagt: ein Abo!)

Sie macht eigene Jugend-Abos, sowohl für Oper als auch für Ballett. Kampnagel macht das, das Schauspielhaus macht es. Es gibt diese Angebote und man kann sich darüber hinaus informieren, dass beispielsweise der Besuch im Schauspielhaus für Kinder und Jugendliche durchaus weniger kostet als ein Besuch im CinemaxX. Da zahlen Sie etwa 12 Euro und ins Schauspielhaus kommen Sie bei Ermäßigung eher günstiger. Das heißt, es ist gar nicht in erster Linie eine Geldfrage, sondern eine Frage des Zugangsinteresses. Deshalb ist dieser Antrag, so sehr wir nichts gegen höhere Preise haben, gar nicht zielgerichtet. Wir enthalten uns deswegen, weil wir in dem Punkt den Theatern nicht indirekt einen Vorwurf machen möchten, wo sie unserer Wahrnehmung nach gar keinen Vorwurf verdienen, sie gleichzeitig aber doch in der Selbstständigkeit ihrer Preisgestaltung angegriffen werden. Wenn der Vorschlag mit dem Familientag gut ist, dann bin ich sicher, dass die Theater den auch aufgreifen werden, ohne dass wir ihn hier beschließen werden. – Danke schön.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 18/2993 an den Kulturausschuss zu? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist mehrheitlich abgelehnt.

Dann lasse ich in der Sache abstimmen. Wer möchte den Antrag aus der Drucksache 18/2993 annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist bei einigen Stimmenthaltungen einstimmig so angenommen.

(Glocke)

Meine Damen und Herren! Wir haben für alle einen wunderschönen Platz. Ich wäre Ihnen dankbar, Sie nähmen ihn ein oder verließen diesen Raum und führten die Tätigkeiten draußen aus.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 b auf, Drucksache 18/3086, Bericht des Haushaltsausschusses: Stärkung Hamburgs als internationales Kompetenzzentrum für Logistik, hier: Logistikinitiative Hamburg, Haushaltsplan 2005/2006, Einzelplan 7 "Behörde für Wirtschaft und Arbeit", hier: Nachforderung von Haushaltsmitteln in den Kapiteln 7300 "Wirtschafts- und Technologieförderung" sowie 7450 "Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik".

[Bericht des Haushaltsausschusses über die Drucksache 18/2651: Stärkung Hamburgs als internationales Kompetenzzentrum für Logistik hier: Logistikinitiative Hamburg Haushaltsplan 2005/2006 Einzelplan 7 "Behörde für Wirtschaft und Arbeit" hier: Nachforderung von Haushaltsmitteln in den Kapiteln 7300 "Wirtschafts- und Technologieförderung" sowie 7450 "Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik" (Senatsantrag) – Drucksache 18/3086 –]

Hierzu liegen Ihnen als Drucksachen 18/3155 und 18/3173 Anträge der GAL- und der SPD-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktion der GAL: Innovative Logistik-Konzepte für Hamburg – Drucksache 18/3155 –]

A C

B D

[Antrag der Fraktion der SPD: Logistik als Arbeitsmarktfaktor – Drucksache 18/3173 –]

Wird das Wort gewünscht? – Die Abgeordnete Ahrons bekommt es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! 14 000 zusätzliche Arbeitsplätze und circa 6 Milliarden zusätzliche Wertschöpfung können in den nächsten Jahren am Wirtschaftsstandort Hamburg entstehen, wenn wir heute diesem Antrag die Grundlage geben.

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Diese beiden Zahlen machen die Dimension der heute zur Abstimmung stehenden Logistikinitiative deutlich. Hamburg ist Zentrum des weltweiten Handels und als logistische Drehscheibe für Nord- und Mitteleuropa eine der bedeutendsten Logistikstandorte Europas. In keiner anderen Stadt in Deutschland ist die Ballung von Logistikunternehmen und entsprechendem Know-how größer als in Hamburg.

(Werner Dobritz SPD: Das steht in jeder Bro- schüre!)

Deswegen wird es ja nicht schlechter, Herr Dobritz.

Bereits heute sind 230 000 Beschäftigte in der Metropolregion Hamburg unmittelbar oder mittelbar im Bereich Logistik beschäftigt. Im Jahre 2003 wurden allein im klassischen Logistikbereich 5700 Unternehmen gezählt. Bis zum Jahre 2007 werden wir die Städte Berlin und Halle/ Leipzig überholen und zum Logistikstandort Nummer eins in Deutschland werden, wie uns eine Studie prognostiziert.

Damit zählt die Logistikbranche in Hamburg zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen überhaupt. Diese Entwicklung einer Logistikinitiative durch den Senat ist folgerichtig und findet die größte Zustimmung der CDU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU)

Während wir in anderen Bereichen vielfach um jedes Unternehmen und jeden Arbeitsplatz kämpfen müssen, sind wir in diesem Fall in einer einzigartigen Situation. Die Unternehmen stehen quasi Schlange, um in Hamburg zu expandieren oder sich anzusiedeln. Nahezu täglich gehen entweder bei der hamburgischen Gesellschaft für Wirtschaftsförderung oder der Wirtschaftsbehörde neue Anfragen ein. Dieser Zustrom ist auch ein Ergebnis der Wirtschaftspolitik dieses Senates, denn inzwischen hat es sich außerhalb der Stadtgrenzen herumgesprochen, dass die politischen Rahmenbedingungen am Standort Hamburg optimal sind und alle Signale, auch in der Verwaltung, auf Wachstum gestellt sind.

(Jörg Lühmann GAL: Dann muss ja nichts mehr passieren!)

Die Logistikinitiative ist eingebettet in das Leitbild Metropole Hamburg – Wachsende Stadt, in dem die einzelnen Wachstumscluster definiert wurden. Darüber hinaus geht es auch um die Fortentwicklung der Infrastruktur wie Hafenbahn und Hafenquerspange. Im Gegensatz zu den in der Drucksache genannten Handlungsfeldern müssen diese hier mittelfristig bis langfristig angelegten Projekte parallel mit Nachdruck weiterverfolgt werden.

Da wir über einen Realisierungszeitraum von zehn Jahren sprechen, müssen wir darüber nachdenken, wie die bereits vorhandene Infrastruktur optimal genutzt werden kann. Ein Twenty-four-seven-Konzept, also eine Öffnung aller Terminals, Hafen und Zollbehörden durchgehend für 24 Stunden an allen sieben Tagen der Woche wäre ein richtiger Schritt. Wichtig für die Anbindung des Hinterlandes an den Hamburger Hafen ist die Beseitigung der Behinderungen im Bereich der Mittel- und Oberelbe, die zu erheblichen Einschränkungen im Schiffsverkehr führen. Hier muss Hamburg sofort nach Antritt der neuen Bundesregierung in Berlin vorstellig werden, um die Elbe als wichtige Verkehrsader zu sichern und auszubauen.

Bei der zwingend notwendigen Bereitstellung von zusätzlichen Flächen für Logistikunternehmen ist mit Bordmitteln wenig zu erreichen. Um der gegenwärtigen und zukünftigen Nachfrage gerecht zu werden, besteht bis zum Jahre 2015 ein jährlicher Bedarf von rund 19 Hektar Gewerbeflächen im Hafen und rund 21 Hektar im übrigen Stadtgebiet.

(Jörg Lühmann GAL: Vier im Umland!)

Rund 20 Prozent dieser Flächen können außerhalb der Stadtgrenzen bereitgestellt werden. Daher ist ein Flächenmanagement innerhalb der Metropole Hamburg äußerst notwendig. Über die Flächenbereitstellung können wir allerdings erst Mitte nächsten Jahres reden, wenn die Stadtentwicklungsbehörde das Flächenkonzept erarbeitet hat.

(Gesine Dräger SPD: Daran arbeiten Sie schon lange!)

An dieser Stelle ein paar Sätze zum GAL-Zusatzantrag. Die Logistikinitiative legt natürlich den Schwerpunkt auf den Bereich, der die meisten Arbeitsplätze für Hamburg bringt und der liegt nun einmal in der klassischen Logistik, also in den Bereichen Lagerung und Kommissionierung. Um es auf den Punkt zu bringen: Ohne zusätzliche Flächen keine zusätzlichen Arbeitsplätze und auch keine Impulse für die Logistiktechnologie IT, Consulting und Entwicklung.

(Beifall bei der CDU)

Gerade weil in Hamburg immer mehr industrielle Arbeitsplätze aufgrund von Faktoren, die wir zum Teil nicht beeinflussen können, wegbrechen, müssen wir neue Arbeitsplätze in den Bereichen schaffen, die nicht nur für hoch qualifizierte Akademiker Beschäftigung bieten. Hier ist ein Bereich.

(Gesine Dräger SPD: Werden Sie doch mal kon- kret!)

Eine Konzentration der Arbeit des Logistikkontors auf die Prozesssteuern der Logistik Dienstleistung und nicht auf den Kernbereich der Logistik wäre daher verfehlt und würde die Logistikinitiative ins Leere laufen lassen. Dienstleistung gibt es nur dort, wo ein florierender Branchenkern diese auch nachfragt.

(Jens Kerstan GAL: Den Hafen werden wir doch weiterhin haben!)