Protocol of the Session on September 28, 2005

Sie setzen sich unter kalter Ausnutzung Ihrer parlamentarischen Mehrheit selbstherrlich über das klare Votum der Wählerinnen und Wähler hinweg. Ich frage mich, welches Demokratieverständnis Sie eigentlich in Ihrer angeblichen Volkspartei haben, jedenfalls keines, das für das Hamburger Volk da ist.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Die Wählerinnen und Wähler in Hamburg wollten genau das Wahlrecht, so wie es heute gilt. Sie wollten eben nicht Ihren Vorschlag, auch nicht den Vorschlag der SPD. Und dass Sie es wagen, einen solchen Volksentscheid anzutasten, bevor das Volk auch nur ein einziges Mal die Chance hatte, nach seinem Willen zu wählen, ist dreist und undemokratisch.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Bevor das widerborstige Volk überhaupt ein einziges Kreuzchen bei der von ihm bevorzugten Methode gemacht hat, fällt ihm die CDU in den Arm, denn die CDU weiß ja besser, was für das Volk gut ist.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Oder muss es eher heißen: Was der CDU nicht gefällt, kann nicht richtig sein. Meine Damen und Herren, so fördern Sie doch die Politikverdrossenheit par excellence, dafür brauchen Sie noch nicht einmal eine Marketing GmbH.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Eines kommt noch hinzu: In jedem Parlament in dieser Republik wird eine Wahlrechtsänderung im Plenum konsensual versucht durchzusetzen. Aber Sie ziehen diese Hinterzimmermethoden nach Echternach vor.

Inzwischen wird viel und laut über die Pläne der CDU in der Stadt geredet; sie betreffen eben eine wichtige Frage. Ich frage mich nur – da herrscht an dieser Stelle mal wieder Schweigen –, warum sich der Bürgermeister dazu nicht äußert. Er sitzt noch nicht einmal bei dieser wichtigen Frage heute in der Bürgerschaft. Das spricht doch für sich, angeblich ein Bürgermeister für alle sein zu wollen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich frage den Bürgermeister Herrn von Beust, ob er überhaupt eine Meinung zu dem Thema hat.

(Dr. Martin Schäfer SPD: Hat der überhaupt eine Meinung?)

Hat er keine Meinung zu dem Thema oder will er, dass seine Meinung vielleicht nicht bekannt wird? Oder interessiert ihn das alles nicht, weil man da vielleicht kein schönes Foto bekommt? Ich will, dass dieser Bürgermeister, der ja der Landesvater ganz Hamburgs sein soll,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Behauptet er!)

sich heute an dieser Stelle äußert, was er von Volksentscheiden hält, welches Demokratieverständnis er hat und wie er zu dem extremen Bruch dieses Volkentscheids steht. Ich warte auf ihn.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Wolfgang Beuß CDU: Pumpen Sie sich mal nicht so auf!)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dr. Petersen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Reinert, gestern haben Sie vom Gipfel der Verlogenheit gesprochen; ich möchte das einmal aus meiner Sicht darstellen. Dieses neue Wahlgesetz macht den großen Parteien durchaus Probleme, auch uns, das ist richtig.

(Dr. Willfried Maier GAL: Den kleineren auch! Wir wollen es aber!)

Gut. Herr Maier, hören Sie einfach einmal zu.

Deswegen gibt es natürlich auch in unserer Partei das Problem, dass es dort Menschen gibt, die Befürchtungen haben, dass unsere Bezirkspolitiker größere Probleme bekommen und das kann ich teilen. Nicht teilen kann ich die Einsicht, einfach hinzugehen und zu sagen, wir ändern das. Das sage ich auch den Genossinnen und Genossen in meiner Partei – Herrn Kahrs zum Beispiel, natürlich habe ich ihm das gesagt –, die das jetzt auf diesem Wege ändern wollen, weil das ein großer Vertrauensbruch gegenüber den Menschen in Hamburg ist, die diese Wahländerung haben wollen.

Wenn man einmal guckt, wie das Verhältnis zwischen Bürgern, zwischen Wählern und zwischen Politik ist, so ist das Vertrauen nicht mehr das größte zwischen den Menschen, die uns wählen und vielen, die uns nicht mehr wählen, und uns Politikern. Da kann es nicht sein, dass wir uns hinstellen und sagen, das passt uns nicht und wir biegen uns das wieder so hin, wie wir es haben wollen, damit das unseren Weg geht.

(Barbara Ahrons CDU: Das erinnert mich an Ihren Kanzler! – Frank-Thorsten Schira CDU: Da müs- sen Sie mal Schröder fragen!)

Für wie dumm halten wir eigentlich die Wählerinnen und Wähler, wenn wir sagen, sie würden mit diesem Gesetz nicht klarkommen?

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das können wir nicht machen und ich bitte Sie sehr inständig, noch einmal in sich zu gehen, denn es fällt nicht nur auf die CDU zurück, wenn das hier geändert wird, auch wenn wir gegen die Änderung sind, sondern die Menschen draußen, die uns Politikerinnen und Politiker wählen, sagen, ihr Politiker und Politikerinnen seid alle gleich. Ihr nehmt euch das, was ihr braucht und wenn wir

einmal etwas wollen, dann dreht ihr es gleich wieder zurück; so kann es nicht gehen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Darum will ich auch hier noch einmal klar machen, dass die Hamburger Sozialdemokratie und die Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen dieses nicht schön finden, was jetzt passiert. Wir hätten uns ein anderes Gesetz gewünscht, wir haben da auch mit Ihnen zusammengestanden, aber wir stellen uns jetzt nicht hin und unterstützen das. Diejenigen, die das vielleicht in irgendwelchen Gesprächen getan haben, sind nicht die Mehrheit, Herr Reinert.

(Christoph Ahlhaus CDU: Fragen Sie mal Ihren Geschäftsführer!)

Die Mehrheit der Hamburger Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, ich als Landesvorsitzender und auch die Mehrzahl der Kreise sagen ganz eindeutig: Wir werden dem Wahlrecht folgen, was jetzt so steht, und ich bitte Sie, sich daran zu halten. Gehen Sie noch einmal in sich, die Menschen haben es verdient. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Schira.

Herr Petersen, wir haben es uns als CDU auch nicht einfach gemacht. Sie haben wirklich sehr moderat gesprochen, aber Ihre Kollegen sollten auch sprachlich abrüsten. Es geht doch nicht um Verfassungsputsch und dergleichen. Es ist eine Ungeheuerlichkeit, was Sie uns in dieser Frage vorwerfen.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben innerparteilich auch kontrovers diskutiert. Es gab bei uns eine Reihe von Mitgliedern, die gesagt haben, das geht so nicht, wir müssen das radikal ändern. Sie wollten entweder das alte Wahlrecht oder das von der Bürgerschaft damals mit Ihnen zusammen getragene wieder vortragen und in die Bürgerschaft einbringen. Wir haben uns das nicht einfach gemacht und sind nach Abwägung aller Für und Wider dazu gekommen,

(Christian Maaß GAL: Sie verschleiern den Kern Ihres Vorhabens!)

das, was wir jetzt auf dem Parteitag beschlossen haben, auch in die Bürgerschaft einzubringen, und ich glaube, das ist der richtige Weg. Im Kern bleibt es bei den Ergebnissen des Volksentscheids. Kumulieren und Panaschieren ist weiterhin möglich. Wenn der Wähler es will, kann er eine Landesliste von Parteien verändern.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir können doch nicht darüber hinwegtäuschen – Herr Müller, ich habe gesehen, dass Sie sich aufgeregt haben, als unser Fraktionsvorsitzender das gesagt hat –, dass es offenbar auch verfassungsmäßig starke Zweifel zumindest an den Inhalten gibt, was die Wahlen zur Bezirksversammlung angeht. Das ist im Verfassungsausschuss deutlich von den Experten geäußert worden. Hier hat die Initiative mit heißer Nadel – denn das hat sie so sehr nicht interessiert – das Wahlrecht zu den Bezirksversammlungen genäht und die Experten im Verfassungsausschuss haben gesagt, dass sie zumindest massive Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit haben. Dann haben wir als Abgeordnete

damit meine ich alle 121 – auch einen Auftrag, hier nicht wegzuschauen, sondern zu handeln.

(Beifall bei der CDU)

Auch die Regelung, auf Bezirksebene keine Wahlkreise einzuführen, ist sinnvoll. Natürlich ist es die Mehrheit, wenn uns so viele Leute von der Sozialdemokratie ansprechen und hinter vorgehaltener Hand sagen, nun zieht das einmal durch. Gerade Bezirkspolitiker, die in Kleinstwahlkreisen neben ihrem ehrenamtlichen Engagement in der Bezirksversammlung, neben ihrem Job auch eine Wahlkreisbetreuung machen möchten, möchten das nicht.

(Dr. Monika Schaal SPD: Hier geht es auch nebenbei!)

Ich glaube, hier gehen wir insbesondere auf die Wünsche vieler ehrenamtlicher Kommunalpolitiker ein,

(Christa Goetsch GAL: Es geht hier nicht um die Politiker!)

indem wir diese Wahlkreise nicht einführen.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte der sozialdemokratischen Fraktion – Herr Neumann, auch Ihnen als stellvertretender Kreisvorsitzender im Kreisverband, ich glaube, Frau Veit ist auch Kreisvorstandsmitglied – eines zum Schluss sagen. Vorgestern – ich weiß nicht, ob Sie dabei waren – hat Ihr Kreisvorstand beschlossen, dass das Vorhaben der CDU gut sei und das ist eine ehrliche Position von Herrn Kahrs. Um mit Herrn Kahrs, dem Vielzitierten, hier zu enden: Lassen Sie bitte die Kirche im Dorf.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Müller.